Die 144.000 auf dem Berg Zion begegnen uns zweimal in der Offenbarung. In Offb 7,1-8 sind es die zwölf Stämme, die auf der Erde versiegelt werden. Hier ist noch nicht angegeben, wo sie stehen. Wir sehen hier aber ein Bild für das neue Israel, die Gemeinde, die auf der Erde gesammelt und mit Heiligem Geist versiegelt wird.
In Offb 14,1-5 stehen die 144.000 auf dem Berg Zion, zusammen mit dem Lamm. Sie singen dort einen neuen Gesang, und sie werden mit ihren markanten Eigenschaften beschrieben.
Doch zunächst zur Zahl 144.000. Dazu müssen wir uns kurz mit der biblischen Zahlensymbolik beschäftigen. Diese ist in der Bibel selbst zwar so nirgends beschrieben, aber überall, wo die Zahlen auftauchen, passt die folgende Deutung: 3 ist die Zahl für Gott bzw. den Himmel. Darin wird auch das Geheimnis der göttlichen Dreiheit angedeutet. Die Zahl 4 steht für die Erde bzw. die Menschen. In der Bibel ist immer von den 4 Enden der Erde die Rede.
Wenn man nun diese Zahlen 3 und 4 addiert, erscheint in der Zahl 7 die Gesamheit von Himmel und Erde. Da es nicht mehr gibt als das, ist 7 auch die Zahl der Gesamtheit bzw. Vollkommenheit. Das Gleiche gilt aber auch, wenn man 3 und 4 multipliziert, für die Zahl 12. Hier ist es noch deutlicher: die 12 Stämme Israels, die 12 Gesandten von Jesus. Man kann diese Vollkommenheitszahl noch steigern, wenn man sie verdoppelt auf 24. So viele Ältere sitzen um den Thron Gottes.
Das Maximale erreicht man aber, wenn man sie mit 1000 und mit sich selbst multipliziert. Und so kommen mit 12 mal 12.000 die 144.000 zustande. Das zeigt natürlich, dass diese Zahl, wie die anderen Zahlen in der Offenbarung, symbolisch zu verstehen ist. So viele sind es, die sich durch die Botschaft von Jesus rufen und retten lassen. Und wenn diese Zahl voll ist – Gott kennt sie ja -, dann ist das Ende da.
Wenn in Offb 14 die Hundertvierundvierzigtausend nun mit dem Lamm auf dem Berg Zion stehen, dann fragen wir auch, was das ist, der Berg Zion. Von der Antwort darauf wird es mit abhängen, ob wir die Hundertvierundvierzigtausend in Kap. 14 noch auf der Erde oder schon im Himmel zu verorten haben.
„Zion“ war ursprünglich der Name der Burg in der Jebusiterstadt Jerusalem. Der König David eroberte sie mit seinen Männern und machte sie zur Hauptstadt Israels. Durch seine Eroberung galt sie als sein Privateigentum und wurde „Stadt Davids“ genannt. So gehörte sie zu keinem Stammesgebiet in Israel und war der ideale Platz für die Hauptstadt. Kein Stamm war Besitzer der Hauptstadt und somit gegenüber den anderen privilegiert.
Der Name Zion wanderte aber im Sprachgebrauch zu dem ganzen Berg, auf dem die Stadt Davids lag und auf dem Salomo dann den Tempel baute. Und mit dem Tempel wurde der Zion zum Wohnplatz Gottes. Gott wohnt auf dem Zion. Und die Stadt am Berg, Jerusalem, wurde zur Tochter des Zionsberges, zur Tochter Zion.
Doch zur Zeit des Neuen Testaments wanderte der Name noch weiter. Bis heute nennt man den Südwesthügel der Altstadt von Jerusalem, der sich südwestlich vom Tempelberg erhebt, den Zionsberg.
Durch die Ablehnung des Messias mittels der Hinrichtung am Kreuz verlor der Tempel seine Funktion als Wohnplatz Gottes. Gott selbst entweihte ihn durch das Zerreißen des Vorhangs zum Allerheiligsten. Ein neues und ewig gültiges Opfer hatte den alten Opferkult abgelöst. Zum neuen Wohnplatz Gottes wurde nun die neue von Heiligem Geist erfüllte Gemeinde.
Die Gründung dieser Gemeinde durch die Ausgießung des heiligen Geistes geschah auf dem Südwesthügel der Stadt. Hier hatte Jesus auch mit seinen Jüngern das Abendmahl begangen. Hier war der ursprüngliche Versammlungsort der Gemeinde, und so konnte sich der Name Zion an diesen Hügel hängen, gegenüber dem Tempelberg.
In Wirklichkeit war der Wohnplatz Gottes aber jetzt überall da, wo seine Gemeinde sich versammelte. Zion als Wohnplatz Gottes war nun nicht mehr ein geographischer Ort, sondern eine Gruppe von Menschen.
Unterstützt wurde diese Sichtweise durch ein prophetisches Wort in Jes 28,16, das bildlich den Messas als Stein bezeichnet, den Gott im Zion einbaut. Paulus zitiert es in Rö 9,33: „Ich lege hier in Zion einen Stein des Anstoßes, einen Fels des Ärgernisses, und wer an ihn glaubt, wird sich nicht schämen müssen.” Das gleiche zitiert auch Petrus in 1 Pe 2,6. Wo Jesus ist, ist der Zion.
Und Hebr 12,22-24 stellt den neuen Zion in Gegensatz zum alttestamentlichen Sinai. „Ihr seid vielmehr zum Zionsberg gekommen, zur Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem, zur Festversammlung von Zehntausenden von Engeln, zur Gemeinde der Erstgeborenen, eingetragen in den Himmeln, zu Gott als Richter von allen, zu den Seelen der vollendeten Gerechten, zum Vermittler der neuen Bestimmung, Jesus, und zur Reinigung durch (sein) Blut, das stärker spricht als das von Abel.“
Wenn der Zion nun eine Bezeichnung der Gemeinde als Wohnplatz Gottes auf Erden ist, dann dürfen wir annehmen, dass auch die 144.000 auf dem Berg Zion in Offb 14 die irdische Gemeinde darstellen. Dafür gibt es weitere Indizien:
In der Parallelstelle in Offb 7 sind die Hundertvierundvierzigtausend eindeutig auf der Erde.
Das Geräusch der Musik kommt „aus dem Himmel“, und das ist im Bild ein Ort, der vom „Berg Zion“ verschieden ist.
In Vers 4 steht ein eindeutiges Präsens: „Es sind die, die dem Lamm folgen, wo immer es hingeht.“ Diese Aussage ist nur für die irdische Gemeinde sinnvoll; im Himmel gibt es in diesem Sinne keine Nachfolge mehr.
Im Textzusammenhang steht zuvor in Kap. 13 die Art von Menschen, die sich von dem Tier aus der Unterwelt und dem anderen Tier verführen lassen. Die Hundervierundvierzigtausend in Kap. 14 sind das Gegenbild dazu.
Danach kommen in Kap. 14 drei Engel, die vom bevorstehenden Ende berichten. Einer davon spricht vom Fall Babylons. Auch die Hure Babylon ist wiederum ein Gegenbild zur irdischen Gemeinde.
Und in Kap. 14 ab Vers 14 wird dann im Bild der Ernte tatsächlich die Entrückung beschrieben. Auch das spricht dafür, dass die Beschreibung der 144.000 auf dem Berg Zion davor auch in der zeitlichen Reihenfolge stimmt.
Wenn diese Beschreibung als irdische Gemeinde so richtig ist, dann muss man allerdings ein paar Verben, die im griechischen Aorist stehen, anders übersetzen. Wenn kein Rückblick auf eine Vergangenheit der Gemeinde gemeint ist, sondern eine Beschreibung ihrer Gegenwart auf der Erde, dann sind die Aussagen der Verben als Erfahrungtatsachen zu verstehen, die man im Deutschen mit Präsens übersetzt:
Vers 1: „Da steht das Lamm auf dem Berg Zion und mit ihm Hundertvierundvierzigtausend, …“
Vers 4: „Es sind die, die sich nicht mit Frauen beflecken, …“ (Gemeint ist Götzendienst.)
Vers 5: „In ihrem Mund findet man keine Lüge, …“
Überlegen kann man natürlich, warum die irdische Gemeinde dann ihren Gesang – begleitet von himmlischer Musik – vor dem Thron Gottes singt. Aber das ist kein Problem. Die Gebete der Heiligen steigen nach Offb 5,8 ebenfalls vor dem Thron Gottes auf.
Das ist die bekannte Doppelexistenz der Gemeinde: Als Zeugen Gottes und Ausländer auf der Erde, als Beter und Anbeter bereits im Himmel, ihrer wahren Heimat.
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