Entdeckungen eines Bibelübersetzers

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Jünger

„Jünger“ ist im Neuen Testament die bekannte Bezeichnung für die Nachfolger von Jesus. Das Wort ist die Übersetzung des griechischen „mathetés“. Das kommt von dem Wort „manthánein / lernen“ und bezeichnet also im eigentlichen Sinne einen „Lernenden“. Wir hätten im Deutschen dafür auch Worte wie Schüler, Student, Lehrling oder Auszubildender. Aber sie bringen nicht die richtige Vorstellung von der Sache zum Ausdruck.

Bei einem „Schüler“ sehen wir vor unserem geistigen Auge eine Schulklasse, bei einem „Studenten“ einen Hörsaal, bei einem „Azubi“ einen Ausbildungbetrieb. Das alles passt nicht zur antiken Jüngerschaft. Ein Jünger ist natürlich ein Schüler, deshalb ist das Gegenstück dazu auch der Lehrer. Aber er lernt nicht stundenweise in einem Klassenzimmer, sondern er tritt in eine Lebensgemeinschaft mit einem Lehrer ein. Er sucht sich den Lehrer aus, dieser muss ihn dann aber auch annehmen. Die Worte seines Lehrers sind dann so wichtig für ihn, dass er sie auswendig lernt. Aber er will nicht nur die Worte des Lehrers lernen, sondern auch das daraus folgende Handeln. Und deshalb muss er die vorbildliche Umsetzung der Worte im Leben des Lehrers auch mit eigenen Augen beobachten.

Es gibt eine nette Anekdote aus der jüdischen Überlieferung dazu. Ein Rabbi (die jüdische Bezeichnung für einen Lehrer) wollte abends mit seiner Frau zu Bett gehen. Dabei entdeckte er zwei seiner Jünger, die sich in seinem Schlafzimmer versteckt hatten. Empört stellte er die beiden zu Rede, was sie hier zu suchen hätten? Die bezeichnende Antwort der beiden war: „Rabbi, wir wollen lernen!“

Im Neuen Testament finden wir deshalb nicht nur Jünger von Jesus, wir finden auch Jünger von Johannes dem Täufer und Jünger der jüdischen Theologen. Paulus z. B. war ein Jünger des hoch geachteten Rabbinen Gamaliel gewesen, der in der Apostelgeschichte auch einmal in Erscheinung tritt.

Insofern war es nichts Neues, dass auch Jesus diese Art von Jüngern hatte. Neu bei ihm war die große Zahl von Jüngern, die er hatte. Denn bei Jesus waren es nicht nur die „Zwölf“, sondern alle, die ihm folgten, und das ging zeitweise in die Tausende. Und das ganz Neue dabei war, dass er auch Frauen als Jüngerinnen akzeptierte.

So konnten letztlich alle, die an ihn als den Messias glaubten, als seine Jünger bezeichnet werden. In Ablehnung dagegen nannten sich die Theologen dann die „Jünger von Mose“.

Beachtenswert ist, dass die Bezeichnung „Jünger“ für die Gläubigen in der Apostelgeschichte einfach weitergeht. Überall, wo man hinkommt, findet man Jünger. Und das ist eine aufschlussreiche Benennung. Auch die Christen in der Gemeinde sind und bleiben Jünger. Sie bleiben Lernende. Eine interessante Frage an einen Christen: Bist du ein Lernender? Bist du immer noch ein Lernender?

Und wer ist der Lehrer? Diese Frage hat Jesus ein für alle Mal beantwortet. Mt 23,8: „Ihr aber sollt euch nicht ‚Rabbi‘ nennen lassen! Einer ist nämlich euer Lehrer, ihr alle seid Geschwister.“

Natürlich gibt es in der Gemeinde des Neuen Testaments auch Lehrer – Geschwister mit der Gabe des Lehrens. Aber auch ihr Lehrer ist Jesus, und man folgt nicht ihnen, sondern ihm. Ein falscher Lehrer bindet Menschen an sich, ein richtiger Lehrer weist sie in die Nachfolge von Jesus.

Auch das Ziel eines Jüngers hat Jesus klar definiert. Lk 6,40: „Es ist kein Jünger über dem Lehrer. Als Ausgebildeter soll aber jeder wie sein Lehrer sein.“ Wenn Jesus der Lehrer des Jüngers ist, dann ist das Ziel der Ausbildung, wie Jesus zu sein. Deswegen bleiben Christen wohl auch zeitlebens Jünger …

Warum ich „Messias“ übersetze

Warum ich „Messias“ übersetze – das haben mich Leser meiner Übersetzung schon angefragt. Im Beitrag „Der Messias“ habe ich die Begriffe „Christus“, „Messias“, „gesalbter (König)“ ja schon erklärt. Ich habe diese Begriffe im Lauf der Jahre als Übersetzungsmöglichkeiten auch selbst mehrfach hin und her durchgekaut und ausprobiert. Und ich bin zu einem eindeutigen Ergebnis gekommen.

Das in den üblichen Bibelübersetzungen Gewohnte ist zunächst einmal „Christus“. Aber damit hatte ich meine Probleme. Ich komme in meinem Werdegang ja aus dem kirchlichen Heidenchristentum, das neutestamentlich gesehen überhaupt kein Christentum ist. Und von dort her ist mir die Bezeichnung „Christus“ eigentlich unmöglich geworden. Sie ist dort zu einem nichtssagenden Beinamen geworden, zu einer Floskel, die im Munde geführt wird, ohne die eigentliche Bedeutung zu bedenken oder gar zu kennen. Wenn z. B. einer der Kirchenfunktionäre von „Jesus Christus“ spricht, dann hat niemand den Eindruck, dass er vom Herrn der Welt spricht, von Gottes gesalbtem König, dem er unbedingten Gehorsam schuldig wäre.

Die Bezeichnung „Messias“ dagegen ist nicht nur gegenüber Juden ein Zeugnis, sie ist auch im weltlichen Sprachgebrauch präsent. Und es ist mir ja wichtig, in meiner Übersetzung Begriffe zu verwenden, die auch in der säkularen Sprache verständlich sind. Und hier hat „Messias“ eine interessante Bedeutung.

Als zum Beispiel Obama damals in den USA zum Präsidenten gewählt wurde, hieß es in den Medien angesichts der großen Begeisterung, er würde aber doch wohl auch kein Messias sein. Oder umgekehrt, als Bolsonaro in Brasilien die Wahl zum Präsidenten gewann, haben ihn manche („christliche“!) Kreise zum Messias ernannt, was ihm selber auch sehr gut gefallen hat.

So weit ich sehe, kann sich also die Welt unter „Messias“ irgendwie das Richtige vorstellen, nämlich eine Art Heilsbringer. Das ist weit mehr, als sie sich unter dem Beinamen „Christus“ vorstellt.

Und Jesus ist in der Tat nicht nur der Messias Israels, sondern der ganzen Welt. Das ist ja das grundlegende Ärgernis für die Juden, dass unser Messias Jesus eigentlich ihr Messias sein soll. Und umgekehrt ist es das Ärgernis für die Welt, dass Gott von ihr verlangt, Jesus, den jüdischen Messias, als ihren Messias anzuerkennen. Doch die Zumutungen, die Gott selbst den Menschen macht, darf man auf keinen Fall abschwächen.

Warum ich „Messias“ übersetze – das dürfte nun beantwortet sein. Ich habe in dem Begriff „Messias“ die verständlichste und prägnanteste Möglichkeit der Übersetzung gefunden. So prägnant, dass ich es auch zum Titel des Neuen Testaments gemacht habe: „Jesus der Messias“. Im ganzen Buch geht es nur um ihn.

Erwachsen werden

Erwachsen werden – das ist eine Anforderung des Neuen Testaments an jeden Christen. Es gibt in der Gemeinde nach 1 Joh 2,12-14 die Alters- bzw. Wachstumsstufen „Kinder“, „junge Leute“ und „Väter und Mütter“. Bei der Beschäftigung mit dieser Thematik fiel mir eines Tages etwas auf. Mir fehlte im Neuen Testament der Begriff des „Erwachsenen“.

Normalerweise sucht man als Übersetzer ja für einen griechischen Begriff die am besten passende deutsche Entsprechung. Aber manchmal, wie hier, geht es auch umgekehrt. Wo finde ich die „Erwachsenen“, die es ja geben muss, im Griechischen? Über ein Internetlexikon fand ich die Lösung. Sie stecken im griechischen „téleios“, das üblicherweise mit „vollkommen“ übersetzt wird.

Der Mensch erreicht im griechischen Denken also in der Entwicklung ab der Geburt über das Kindes- und Jugendalter irgendwann den „téleios“-Zustand. Er ist dann aber nicht „vollkommen“, er ist vielmehr „erwachsen“. Neben „vollkommen“ ist also „erwachsen“ eine genauso richtige Bedeutung des Wortes. Der Textzusammenhang entscheidet darüber, was gemeint ist.

Und nun finden wir im Neuen Testament auf einmal viel „Erwachsenes“, wo wir in anderen Übersetzungen bisher oft über das „Vollkommene“ gerätselt haben. Hier der Überblick:

„Die Ausdauer soll aber von erwachsenem Verhalten begleitet sein, damit ihr erwachsen und unversehrt seid und es euch an nichts fehlt.“ (Jak 1,4)

„Wir alle stolpern ja in vielen Dingen. Wenn jemand im Sprechen nicht stolpert, der ist ein erwachsener Mensch, fähig, auch den ganzen Leib im Zaum zu halten.“ (Jak 3,2)

„Über Weisheit sprechen wir aber unter den Erwachsenen, Weisheit nicht von dieser Welt, nicht von den Oberen dieser Welt, die zunichtewerden.“ (1 Kor 2,6)

„Geschwister, seid nicht Kinder in eurem Verstand, seid vielmehr unmündig gegenüber dem Üblen! Mit dem Verstand müsst ihr aber erwachsen sein!“ (1 Kor 14,20)

„Passt euch nicht an die Lebensart dieser Welt an, sondern lasst euch verwandeln durch die Erneuerung eurer Gesinnung, damit ihr prüft, was Gottes Wille ist – das Gute und Wohlgefällige und Erwachsene!“ (Röm 12,2)

„Alle, die wir (geistlich) Erwachsene sind, wollen nun diese Gesinnung haben!“ (Phil 3,15a)

„Ihn verkündigen wir, bringen jeden Menschen zurecht und lehren jeden Menschen mit aller Weisheit, damit wir jeden Menschen dahin bringen, erwachsen zu sein im Messias.“ (Kol 1,28)

„Es grüßt euch Epafras, der (einer) von euch ist, ein Sklave des Messias Jesus, der immer in den Gebeten für euch kämpft, damit ihr erwachsen und fest überzeugt im ganzen Willen Gottes steht.“ (Kol 4,12)

„…, bis wir alle hinkommen in die Einheit des Glaubens und der klaren Erkenntnis des Sohnes Gottes, in (die Reife) eines erwachsenen Menschen, in das Maß der vollen Lebensgröße des Messias, …“ (Eph 4,13)

„Das feste Essen gehört Erwachsenen, die durch ihre Entwicklung eine geübte Wahrnehmung haben, um Gutes und Schlimmes zu unterscheiden.“ (Heb 5,14)

„Deshalb wollen wir (nun) die grundlegenden Worte über den Messias beiseitelassen und zum Erwachsensein kommen.“ (Heb 6,1a)

Erwachsen zu werden, ist im Neuen Testament also kein frommer Wunschtraum. Es ist das normale Ergebis einer gesunden Entwicklung im Leben mit Jesus. Ich hoffe, es ist auch dein Ziel, geistlich erwachsen zu werden und zu sein – und dich dabei von niemandem aufhalten zu lassen …

Ekklesia

Ekklesia ist das griechische Wort, das üblicherweise mit „Gemeinde“ übersetzt wird, so auch in meiner Übersetzung. Es mit „Kirche“ zu übersetzen, wäre angesichts dessen, was man sich im Allgemeinen unter „Kirche“ vorstellt, grundfalsch.

Im Griechischen ist Ekklesia ursprünglich kein Wort aus dem religiösen Bereich. Es meint sowohl die Gesamtheit als auch die Versammlung der mündigen Bürger eines politischen Gemeinwesens. Die wörtliche Übersetzung „Herausgerufene“ bezieht sich wohl auf die Versammlung, zu der man die Bürger aus ihren Häusern „herausruft“. Im griechischen Alten Testament bezeichnet der Begriff auch die Versammlungen des Volkes Israel.

Im Neuen Testament korrespondiert das Wort mit dem Begriff „Reich Gottes“. In den Evangelien, also vor der Geburtsstunde der Gemeinde an jenem Pfingstfest im Jahr 30 n. Chr., ist sehr viel vom kommenden und in Jesus bereits anwesenden Reich Gottes die Rede, aber nur zweimal von der Ekklesia bzw. Gemeinde. Nach der Geistausgießung an Pfingsten ist sehr viel von der Ekklesia bzw. Gemeinde die Rede und nur noch an wenigen Stellen vom Reich Gottes.

Offensichtlich ist die Gemeinde der auf der Erde verwirklichte und sichtbare Teil des Reiches Gottes. Das wesentliche Kennzeichen des Reiches Gottes ist, dass in diesem Reich uneingeschränkt der Wille Gottes geschieht. Das heißt, dass überall, wo Menschen sich dem Willen Gottes unterstellen und ihn tun, das Reich Gottes da ist. Und das ist genau die Realität der Gemeinde. Die „Ekklesia“ ist sowohl die Gesamtheit als auch die Versammlung der mündigen Bürger des Reiches Gottes.

Das erstemal ist von der Ekklesia in Matthäus 16 die Rede, Jesus selbst hat hier diese Bezeichnung eingeführt. Petrus sprach das Bekenntnis aus – Vers 16: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes“. Und Jesus sagte dazu – Vers 18: „Auf diesem Felsgrund werde ich meine Gemeinde bauen, und die Tore der Totenwelt werden sie nicht bezwingen.“ Jesus ist demnach: Fundament der Gemeinde („Auf diesem Felsgrund“), Baumeister der Gemeinde („werde ich bauen“) und Herr der Gemeinde („meine Gemeinde“).

Die Ekklesia des Neuen Testaments existiert in drei Größenordnungen. Zum einen wird die Gesamtheit der universalen christlichen Gemeinde so bezeichnet, zum anderen die Gemeinde in einer Stadt, dann aber auch die Gemeinde in einem Haus. Alle drei Ebenen sind im vollen Sinne „Ekklesia“. Das zahlenmäßige Minimum hat wohl Jesus in Mt 18,20 benannt: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, dort bin ich in ihrer Mitte.“

Die christliche Gemeinde ist die Gemeinde, in der Jesus regiert bzw. der Wille Gottes geschieht. Umgekehrt ist dann eine „Gemeinde“, in der nicht Jesus regiert bzw. nicht der Wille Gottes geschieht, keine christliche Gemeinde. Das Vorbild für die Gemeinde, die das Reich Gottes auf Erden verkörpert, haben wir im Neuen Testament. Das ist der Maßstab.

Die 144.000 auf dem Berg Zion

Die 144.000 auf dem Berg Zion begegnen uns zweimal in der Offenbarung. In Offb 7,1-8 sind es die zwölf Stämme, die auf der Erde versiegelt werden. Hier ist noch nicht angegeben, wo sie stehen. Wir sehen hier aber ein Bild für das neue Israel, die Gemeinde, die auf der Erde gesammelt und mit Heiligem Geist versiegelt wird.

In Offb 14,1-5 stehen die 144.000 auf dem Berg Zion, zusammen mit dem Lamm. Sie singen dort einen neuen Gesang, und sie werden mit ihren markanten Eigenschaften beschrieben.

Doch zunächst zur Zahl 144.000. Dazu müssen wir uns kurz mit der biblischen Zahlensymbolik beschäftigen. Diese ist in der Bibel selbst zwar so nirgends beschrieben, aber überall, wo die Zahlen auftauchen, passt die folgende Deutung: 3 ist die Zahl für Gott bzw. den Himmel. Darin wird auch das Geheimnis der göttlichen Dreiheit angedeutet. Die Zahl 4 steht für die Erde bzw. die Menschen. In der Bibel ist immer von den 4 Enden der Erde die Rede.

Wenn man nun diese Zahlen 3 und 4 addiert, erscheint in der Zahl 7 die Gesamheit von Himmel und Erde. Da es nicht mehr gibt als das, ist 7 auch die Zahl der Gesamtheit bzw. Vollkommenheit. Das Gleiche gilt aber auch, wenn man 3 und 4 multipliziert, für die Zahl 12. Hier ist es noch deutlicher: die 12 Stämme Israels, die 12 Gesandten von Jesus. Man kann diese Vollkommenheitszahl noch steigern, wenn man sie verdoppelt auf 24. So viele Ältere sitzen um den Thron Gottes.

Das Maximale erreicht man aber, wenn man sie mit 1000 und mit sich selbst multipliziert. Und so kommen mit 12 mal 12.000 die 144.000 zustande. Das zeigt natürlich, dass diese Zahl, wie die anderen Zahlen in der Offenbarung, symbolisch zu verstehen ist. So viele sind es, die sich durch die Botschaft von Jesus rufen und retten lassen. Und wenn diese Zahl voll ist – Gott kennt sie ja -, dann ist das Ende da.

Wenn in Offb 14 die Hundertvierundvierzigtausend nun mit dem Lamm auf dem Berg Zion stehen, dann fragen wir auch, was das ist, der Berg Zion. Von der Antwort darauf wird es mit abhängen, ob wir die Hundertvierundvierzigtausend in Kap. 14 noch auf der Erde oder schon im Himmel zu verorten haben.

„Zion“ war ursprünglich der Name der Burg in der Jebusiterstadt Jerusalem. Der König David eroberte sie mit seinen Männern und machte sie zur Hauptstadt Israels. Durch seine Eroberung galt sie als sein Privateigentum und wurde „Stadt Davids“ genannt. So gehörte sie zu keinem Stammesgebiet in Israel und war der ideale Platz für die Hauptstadt. Kein Stamm war Besitzer der Hauptstadt und somit gegenüber den anderen privilegiert.

Der Name Zion wanderte aber im Sprachgebrauch zu dem ganzen Berg, auf dem die Stadt Davids lag und auf dem Salomo dann den Tempel baute. Und mit dem Tempel wurde der Zion zum Wohnplatz Gottes. Gott wohnt auf dem Zion. Und die Stadt am Berg, Jerusalem, wurde zur Tochter des Zionsberges, zur Tochter Zion.

Doch zur Zeit des Neuen Testaments wanderte der Name noch weiter. Bis heute nennt man den Südwesthügel der Altstadt von Jerusalem, der sich südwestlich vom Tempelberg erhebt, den Zionsberg.

Durch die Ablehnung des Messias mittels der Hinrichtung am Kreuz verlor der Tempel seine Funktion als Wohnplatz Gottes. Gott selbst entweihte ihn durch das Zerreißen des Vorhangs zum Allerheiligsten. Ein neues und ewig gültiges Opfer hatte den alten Opferkult abgelöst. Zum neuen Wohnplatz Gottes wurde nun die neue von Heiligem Geist erfüllte Gemeinde.

Die Gründung dieser Gemeinde durch die Ausgießung des heiligen Geistes geschah auf dem Südwesthügel der Stadt. Hier hatte Jesus auch mit seinen Jüngern das Abendmahl begangen. Hier war der ursprüngliche Versammlungsort der Gemeinde, und so konnte sich der Name Zion an diesen Hügel hängen, gegenüber dem Tempelberg.

In Wirklichkeit war der Wohnplatz Gottes aber jetzt überall da, wo seine Gemeinde sich versammelte. Zion als Wohnplatz Gottes war nun nicht mehr ein geographischer Ort, sondern eine Gruppe von Menschen.

Unterstützt wurde diese Sichtweise durch ein prophetisches Wort in Jes 28,16, das bildlich den Messas als Stein bezeichnet, den Gott im Zion einbaut. Paulus zitiert es in Rö 9,33: „Ich lege hier in Zion einen Stein des Anstoßes, einen Fels des Ärgernisses, und wer an ihn glaubt, wird sich nicht schämen müssen.” Das gleiche zitiert auch Petrus in 1 Pe 2,6. Wo Jesus ist, ist der Zion.

Und Hebr 12,22-24 stellt den neuen Zion in Gegensatz zum alttestamentlichen Sinai. „Ihr seid vielmehr zum Zionsberg gekommen, zur Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem, zur Festversammlung von Zehntausenden von Engeln, zur Gemeinde der Erstgeborenen, eingetragen in den Himmeln, zu Gott als Richter von allen, zu den Seelen der vollendeten Gerechten, zum Vermittler der neuen Bestimmung, Jesus, und zur Reinigung durch (sein) Blut, das stärker spricht als das von Abel.“

Wenn der Zion nun eine Bezeichnung der Gemeinde als Wohnplatz Gottes auf Erden ist, dann dürfen wir annehmen, dass auch die 144.000 auf dem Berg Zion in Offb 14 die irdische Gemeinde darstellen. Dafür gibt es weitere Indizien:

In der Parallelstelle in Offb 7 sind die Hundertvierundvierzigtausend eindeutig auf der Erde.

Das Geräusch der Musik kommt „aus dem Himmel“, und das ist im Bild ein Ort, der vom „Berg Zion“ verschieden ist.

In Vers 4 steht ein eindeutiges Präsens: „Es sind die, die dem Lamm folgen, wo immer es hingeht.“ Diese Aussage ist nur für die irdische Gemeinde sinnvoll; im Himmel gibt es in diesem Sinne keine Nachfolge mehr.

Im Textzusammenhang steht zuvor in Kap. 13 die Art von Menschen, die sich von dem Tier aus der Unterwelt und dem anderen Tier verführen lassen. Die Hundervierundvierzigtausend in Kap. 14 sind das Gegenbild dazu.

Danach kommen in Kap. 14 drei Engel, die vom bevorstehenden Ende berichten. Einer davon spricht vom Fall Babylons. Auch die Hure Babylon ist wiederum ein Gegenbild zur irdischen Gemeinde.

Und in Kap. 14 ab Vers 14 wird dann im Bild der Ernte tatsächlich die Entrückung beschrieben. Auch das spricht dafür, dass die Beschreibung der 144.000 auf dem Berg Zion davor auch in der zeitlichen Reihenfolge stimmt.

Wenn diese Beschreibung als irdische Gemeinde so richtig ist, dann muss man allerdings ein paar Verben, die im griechischen Aorist stehen, anders übersetzen. Wenn kein Rückblick auf eine Vergangenheit der Gemeinde gemeint ist, sondern eine Beschreibung ihrer Gegenwart auf der Erde, dann sind die Aussagen der Verben als Erfahrungtatsachen zu verstehen, die man im Deutschen mit Präsens übersetzt:

Vers 1: „Da steht das Lamm auf dem Berg Zion und mit ihm Hundertvierundvierzigtausend, …“

Vers 4: „Es sind die, die sich nicht mit Frauen beflecken, …“ (Gemeint ist Götzendienst.)

Vers 5: „In ihrem Mund findet man keine Lüge, …“

Überlegen kann man natürlich, warum die irdische Gemeinde dann ihren Gesang – begleitet von himmlischer Musik – vor dem Thron Gottes singt. Aber das ist kein Problem. Die Gebete der Heiligen steigen nach Offb 5,8 ebenfalls vor dem Thron Gottes auf.

Das ist die bekannte Doppelexistenz der Gemeinde: Als Zeugen Gottes und Ausländer auf der Erde, als Beter und Anbeter bereits im Himmel, ihrer wahren Heimat.

Hinweise

Hinweise zu meinen Blogbeiträgen:

Die zitierten Texte aus dem Neuen Testament entstammen meiner eigenen Übersetzung. Sie trägt den Titel „Jesus der Messias“ und ist als Buch und als eBook zu erwerben. Zitate aus anderen Übersetzungen sind jeweils entsprechend gekennzeichnet.

Für meine Übersetzung habe ich im Wesentlichen benutzt:
Nestle-Aland, Novum Testamentum Graece, 28. Auflage
Kurt Aland, Synopsis Quattuor Evangeliorum, 9. Auflage
Alfred Schmoller, Handkonkordanz zum Griechischen Neuen Testament, 15. Auflage
Hermann Menge, Langenscheidts Großwörterbuch Griechisch Deutsch, 22. Auflage
Matthias Stehle, Griechische Sprachlehre, 3. Auflage

Die folgenden Autoren und Bücher waren mir für das Verständnis des neutes-tamentlichen Textes und seiner Hintergründe besonders hilfreich (in alphabetischer Reihenfolge der Autoren):
Hartmut Gese, Der Johannesprolog (im Sammelband „Zur biblischen Theologie“)
Ernst Kutsch, Neues Testament – neuer Bund? – Eine Fehlübersetzung wird korrigiert
Otto Michel, Der Brief an die Römer
Otto Michel, Der Brief an die Hebräer
Werner Papke, Das Zeichen des Messias
David Pawson, Wiedergeburt
David Pawson, Der Weg zur Hölle
Bargil Pixner, Wege des Messias und Stätten der Urkirche
Adolf Pohl, Die Offenbarung des Johannes (Wuppertaler Studienbibel)
Fritz Rienecker / Gerhard Maier, Lexikon zur Bibel
John A.T. Robinson, Wann entstand das Neue Testament?
Eugen Ruckstuhl, Die Chronologie des letzten Mahles und des Leidens Jesu
Thomas Schirrmacher, Paulus im Kampf gegen den Schleier
Adolf Schlatter, seine wissenschaftlichen Kommentare zu den vier Evangelien und den Korintherbriefen
Adolf Schlatter, seine Erläuterungen zum ganzen Neuen Testament
Ludwig Schneller, Kennst du das Land?
Heinz Warnecke, Die tatsächliche Romfahrt des Apostels Paulus

Vater und Mutter hassen

Vater und Mutter hassen, das ist es, was Jesus von denen, die seine Jünger sein wollen, verlangt, zumindest wenn es nach der Lutherübersetzung geht – Lk 14,26: „Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater, Mutter, Frau, Kinder, Brüder, Schwestern und dazu sich selbst, der kann nicht mein Jünger sein.“ Von solchen Konsequenzen der Nachfolge kann man tief beeindruckt sein, aber auch irritiert. Wie kann Jesus, der die Liebe in Person ist, von seinen Nachfolgern Hass verlangen? Müssen wir wirklich „Vater und Mutter hassen“?

Auch hier hilft wieder der Blick ins Wörterbuch. Und dort entdecken wir, dass das griechische „miseín“, das gewöhnlich mit „hassen“ übersetzt wird, eine weit größere Bandbreite an Bedeutungen hat als das deutsche „hassen“. Es kann auch „unwillig sein“ heißen, „vernachlässigen“, „sich nicht um etw. kümmern“, „nicht mögen“, „nicht wollen“.

Und mir fiel die Aussage eines weisen Bruders ein, der einmal sagte: „Das wirkliche Gegenteil der Liebe ist nicht der Hass, sondern die Gleichgültigkeit.“ Es gibt im Griechischen also Bedeutungen, die das Aggressive und Emotionale des deutschen „Hassens“ nicht beinhalten. Und ich habe ein paar Stellen gefunden, wo mir die „Gleichgültigkeit“ als die passende Übersetzung erscheint:

„Kein Diener kann zwei Herren als Sklave dienen. Denn entweder wäre ihm der eine gleichgültig und er liebte den andern, oder er hielte sich an den einen und verachtete den andern. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon!“ (Mt 6,24 / Lk 16,13).

„Wer sein Leben liebt, wird es zugrunde richten. Wem sein Leben in dieser Welt aber gleichgültig ist, der wird es ins ewige Leben hinein bewahren.“ (Joh 12,25).

„Niemandem war doch jemals sein Körper gleichgültig, man gibt ihm vielmehr, was er braucht, und pflegt ihn. Und so (pflegt) auch der Messias die Gemeinde,“ (Eph 5,29).

Wenn wir nun nicht „Vater und Mutter hassen“, sollen uns dann Vater, Mutter, Frau, Kinder, Brüder und Schwestern vielleicht „gleichgültig“ sein? Am besten, wir lassen uns von Jesus belehren, der in allen Dingen das Vorbild ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ihm seine Familie gleichgültig war. Eine Parallelstelle hilft uns vielleicht schon ein bisschen weiter – Mt 10,37: „Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert, wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert.“ Es geht um ein relatives Verhältnis, nämlich Jesus mehr zu lieben als die nächsten Angehörigen.

Schauen wir doch einfach, wie Jesus mit seiner irdischen Familie umging. Als er seinen Dienst antrat, verließ er sie, trennte sich buchstäblich von ihnen. Allein mit seinen Jüngern war er unterwegs. Und als sie ihn zwischendurch einmal holen wollten, weil sie glaubten, er sei jetzt völlig durchgedreht, da ignorierte er sie komplett und sagte, seine Jünger seien seine Familie. Lk 8,21: „Meine Mutter und meine Geschwister sind die, die das Wort Gottes hören und tun.“

Ich kann mir nicht vorstellen, dass er sie „gehasst“ hat oder sie ihm „gleichgültig“ waren. Aber er musste sich von ihnen trennen, um das Werk zu tun, zu dem er von Gott gesandt war. Christen müssen nach ihrer Bekehrung ja nicht gleich von zu Hause ausziehen. Daher finde ich es hilfreich, hier eine Unterscheidung zwischen „innerlicher“ und „äußerlicher“ Trennung zu machen.

Wer das Reich Gottes betreten hat, hat sich innerlich von der Welt und also auch von seiner weltlichen Familie gelöst. Auch hier gilt, dass niemand zwei Herren dienen kann. Jesus hat immer den Vorrang. Der Nachfolger folgt ihm, wo immer er hinführt. Welche Konsequenzen das im Laufe des Christenlebens haben wird, ist am Anfang in der Regel noch nicht absehbar. Nach der innerlichen Trennung kann je nach den Umständen und der Führung Gottes auch eine äußerliche Trennung erforderlich sein. Die Familie darf der Nachfolge nicht im Wege stehen.

Ich meine also, mit gutem Grund annehmen zu dürfen, dass Jesus mit seiner Aussage genau diese innerliche Trennung als Voraussetzung und Bedingung der Nachfolge gemeint hat. Und ich übersetze die Stelle so: „Wenn jemand zu mir kommt, und er trennt sich nicht innerlich von seinem Vater, der Mutter, der Frau, den Kindern, den Brüdern, den Schwestern und dazu von seinem eigenen Leben, kann er nicht mein Jünger sein.“ (Lk 14,26).

Eine interessante Paralle dazu steht in 5 Mo 33,9+10, im Segen Moses über den Stamm Levi. „Er sagt zu seinem Vater und seiner Mutter ‚Ich sehe sie nicht‘ und zu seinen Brüdern ‚Ich kenne (sie) nicht‘ und zu seinen Kindern ‚Ich erkenne sie nicht an‘. Denn sie hüten deine Worte und bewahren deine Bestimmung, sie legen Jakob deine Grundsätze dar und Israel dein Gesetz, sie bringen Weihrauchopfer dar wegen deines Zorns und Ganzopfer auf deinem Altar.“

Die Engel der Gemeinden

Die Engel der Gemeinden, diese Bezeichnung, die in den ersten Kapiteln der Offenbarung in der Lutherübersetzung auftaucht, müssen wir ergründen. In der einleitenden Vision der Offenbarung sieht Johannes Jesus in überwältigender Macht und Herrlichkeit. Er ist umringt von sieben Leuchtern und hat sieben Sterne in seiner rechten Hand.

Und Jesus selbst gibt die Erklärung dazu – Offb 1,20 (Luther): „Das Geheimnis der sieben Sterne, die du gesehen hast in meiner rechten Hand, und der sieben goldenen Leuchter ist dies: Die sieben Sterne sind Engel der sieben Gemeinden, und die sieben Leuchter sind sieben Gemeinden.“

Nun könnte man spekulieren, dass in der unsichtbaren Welt für jede Gemeinde irgendwie ein Engel zuständig sei, obwohl ansonsten nirgends im Neuen Testament auch nur die Spur einer solchen Vorstellung vorkommt. Im Gegenteil, Herr der Gemeinde ist Jesus selbst, und er leitet sie durch den Heiligen Geist, der der Gemeinde gegeben ist. Auch der Gedanke, dass Jesus einem irdischen Menschen einen Brief diktieren muss, um mit einem Wesen in der unsichtbaren Welt zu kommunizieren, ist doch wohl recht eigenartig.

Ein guter Teil dieses Problems lässt sich lösen, wenn man sich erinnert, dass das griechische Wort „ángelos“ – von dem das deutsche „Engel“ abgeleitet ist – in seiner eigentlichen Bedeutung „Bote“ heißt. Der Bote ist der Überbringer einer Botschaft. Erst damit, dass auch „Boten“ Gottes so bezeichnet wurden, ist daraus der Begriff „Engel“ entstanden. Nun haben wir also keine Engel der Gemeinden mehr, sondern Boten der Gemeinden. Aber ein Teil des Rätsels bleibt : Was sind das für Boten?

Manche Ausleger haben mit dieser Bedeutung des Wortes an Leiter der Gemeinden gedacht. Jemand muss ja den Brief in Empfang nehmen und sich um die Umsetzung der Botschaft kümmern. Aber auch diese Sichtweise krankt daran, dass wir im Neuen Testament keine solchen alleinigen Gemeindeleiter finden. Wir finden immer nur mehrere Ältere bzw. Verantwortliche, die auch nicht alleine, sondern in Einmütigkeit mit der ganzen Gemeinde die Verantwortung tragen.

Aber auch diese Schwierigkeit lässt sich lösen, wenn man entdeckt, dass grammatikalisch der Genitiv auch erklärende Bedeutung haben kann. Der nachfolgende Genitiv erklärt das Wort davor. Der Genitiv „der Gemeinden“ erklärt dann die „Boten“. Und dann heißt „Boten der Gemeinden“, dass die Boten die Gemeinden sind. Und damit kommt man zurecht. Die Boten Gottes in der Welt sind die Gemeinden. Der Bote Gottes in Ephesus ist die Gemeinde in Ephesus. Dazu passt auch, dass die Briefe inhaltlich immer die ganze Gemeinde ansprechen. Z. B.: „Du hast den Namen, dass du lebst, und du bist tot.“

Die Adressaten, die Jesus Johannes angibt, bestätigen, dass die Gemeinden gemeint sind – Kap. 1,11: „Schreibe, was du siehst, in eine Schriftrolle und schick sie den sieben Gemeinden: nach Ephesus, nach Smyrna, nach Pergamon, nach Thyatira, nach Sardes, nach Philadelphia und nach Laodizea!“ Wie auch die anderen Schriften im Neuen Testament, soll die ganze Gemeinde sie lesen, geistlich verarbeiten und umsetzen..

Im Bild sind nun also nicht nur die sieben Leuchter sieben Gemeinden. Auch die sieben Sterne sind sieben Gemeinden – in ihrer Funktion als Boten. Das drückt die zwei Seiten der christlichen Existenz aus: Der Leuchter steht im Heiligtum vor Gott. Das ist die Gott zugewandte anbetende Seite. Der Stern ist ein Licht in der Nacht. Das ist die der Welt zugewandte Seite, das Licht, das in der Finsternis leuchtet. Wir haben hier wieder Beispiele für prophetische Symbolsprache.

Die sieben angeschrieben Gemeinden liegen im damaligen wirtschaftlichen und kulturellen Zentrum des römischen Reiches. Sie stehen natürlich stellvertretend für alle Gemeinden bzw. die ganze Gemeinde. Und jede Gemeinde bzw. jeder Christ sollte schauen, wo er sich darin wiederfindet, und entsprechende Konsequenzen ziehen: „Wer ein Ohr hat, soll hören, was der Geist den Gemeinden sagt!“ (Auch hier wieder: „den Gemeinden“.)

Erbauung oder Aufbau

Erbauung oder Aufbau, das ist die Frage. Die traditionelle Übersetzung „Erbauung“ für das griechische „oikodomé“ hat im frommen Verständnis leider die Tendenz zur „Erbaulichkeit“ entwickelt. Vielleicht fallen uns jene „Erbauungs“-Stunden ein, in denen man „erbauliche“ Verkündigung pflegt. Mit ihr lassen sich fromme Christen in ihren frommen Ansichten bestätigen und fühlen sich „erbaut“. Aber geistlich bewegt sich nichts in ihrem Leben.

Die Botschaft Gottes ist aber nicht dazu da, Menschen zu bestätigen, sondern in Frage zu stellen. Sie will Christen zur – geistlich verstandenen – vollkommenen Hingabe und Heiligkeit führen. Die erwähnte „Erbaulichkeit“ ist ein Hindernis auf diesem Weg. Erbauung oder Aufbau, das ist also eine Grundfrage des Christen- und Gemeindelebens.

Deshalb wird im Neuen Testament und also auch in meiner Übersetzung die christliche Gemeinde nicht „erbaut“, sondern „aufgebaut“. So entspricht es auch dem griechischen Wort „oikodomé“, das im eigentlichen Sinne den Bau von Häusern bedeutet. Hier soll alles nicht der „Erbauung“ dienen, sondern dem Aufbau. Jeder Einzelne erhält Aufbau, um teilzunehmen am Aufbau der Gemeinde, der Wohnung Gottes im Geist. In ihr geht es nicht „erbaulich“ zu, sondern geistlich.

1 Kor 3,10-15: „Entsprechend der mir von Gott gegebenen Gnadengabe habe ich als weiser Architekt ein Fundament gelegt, ein anderer baut darauf auf. Jeder soll sehen, wie er aufbaut. Ein anderes Fundament kann freilich niemand legen neben dem gelegten: Das ist Jesus der Messias. Ob auf das Fundament aber jemand Gold, Silber, Edelsteine, (oder) Holz, Gras, Schilf aufbaut – das Werk eines jeden wird sichtbar werden. Der Gerichtstag wird es klar erkennbar machen, weil mit Feuer aufgedeckt wird. Und wie auch immer das Werk eines jeden ist, das Feuer wird es prüfen. Wenn jemandes Werk bleibt, das er aufgebaut hat, wird er Lohn bekommen. Wenn jemandes Werk verbrennt, wird er Schaden nehmen.“

1 Kor 14,3-4: „Wer prophetisch spricht, spricht für Menschen: Aufbau, Ermutigung und Trost. Wer in einer Gebetssprache redet, baut sich selber auf. Wer prophetisch spricht, baut Gemeinde auf.“

Röm 14,19: „Also wollen wir nun hinter allem her sein, was dem Frieden und dem gegenseitigen Aufbau (dient)!“

Röm 15,2: „Jeder von uns soll dem anderen gefallen, auf das Gute hin, zum Aufbau.“

Eph 2,21-22: „In ihm wird das ganze Bauwerk zusammengefügt und wächst zu einem heiligen Tempelhaus im Herrn, in dem auch ihr mit aufgebaut werdet zu einer Wohnung Gottes im Geist.“

Eph 4,11-12: „Und er hat (als Gaben) gegeben: die Gesandten, die Propheten, die Botschafter und die Hirten und Lehrer, damit sie die Heiligen ausbilden zum Tun des Dienstes, zum Aufbau des Leibes des Messias, …“

Eph 4,16: „Aus ihm heraus wird der ganze Leib zusammengefügt und zusammengehalten durch jede unterstützende Sehne nach dem Maß der Mitwirkung jedes einzelnen Teils, und so wird das Wachstum des Leibes vollbracht zu seinem Aufbau in Liebe.“

Eph 4,29: „Kein untaugliches Wort darf aus eurem Mund kommen, sondern wenn, dann ein gutes – zum nötigen Aufbau, damit es denen, die es hören, Gnade gibt.“

1 Pe 2,4-5: „Kommt zu ihm, dem lebendigen Stein – zwar von Menschen verworfen, bei Gott aber auserwählt und kostbar – und lasst euch selbst als lebendige Steine aufbauen, als geistliches Haus, zu einer heiligen Priesterschaft, um geistliche Opfer darzubringen, die Gott willkommen sind durch Jesus den Messias.“

Nicht aus „Blut“ geboren

In Joh 1,12 werden die Kinder Gottes gekennzeichnet als solche, die „aus Gott geboren“ sind. Davor stehen drei negative Bestimmungen: Sie sind nicht aus „Blut“ geboren, nicht aus körperlichem Verlangen und nicht aus menschlichem Willen.

Nicht aus menschlichem Willen, das heißt auch, nicht aus menschlicher Planung. Also haben nicht Menschen beschlossen, dieses Kind zu wollen und zu bekommen.

Nicht aus körperlichem Verlangen, das heißt, nicht aus dem triebhaftigen Verlangen des Körpers nach Sex, wobei in Kauf genommen wird, mehr oder weniger gewollt ein Kind zu erzeugen. Also hat auch das körperliche sexuelle Verlangen dieses Kind nicht hervorgebracht.

Aber was heißt: Nicht aus „Blut“ geboren“? Aus Blut entstehen keine Kinder. Nun wusste der antike Mensch natürlich, was Blut ist. Aber die differenzierte Kenntnis der Körperflüssigkeiten, wie die moderne Wissenschaft sie erforscht hat, hatte er noch nicht. Und so dachte ich zunächst, „Blut“ könnte hier ein allgemeinerer Begriff für Körperflüssigkeiten oder Körpersäfte sein. Über die gab es in den früheren Zeiten ja spezifische medizinische Lehren. Und so könnte man vielleicht auch Sperma und Eizellen mit unter „Blut“ verstehen. Aber an der Übersetzung bin ich dann doch gescheitert. Kinder Gottes, die „nicht aus Körpersäften“ oder „nicht aus Körperflüssigkeiten“ geboren sind?

Eigenartigerweise hilft einem dann doch noch einmal ein einfacher Blick ins Lexikon. Wörter haben oft mehrere Bedeutungen. Und so fand ich unter „haíma“, dem griechischen Begriff für „Blut“, auch die Bedeutung „Blutsverwandtschaft“ im Sinne der menschlichen Abstammung von den Vorfahren. Die blutsverwandten Vorfahren eines Menschen sind im Griechischen also auch sein „Blut“. Und so wird es klar: Die Abstammungsreihe lebt ja davon, dass immer wieder neue Nachkommen hervorgebracht werden. Aber so entstehen keine Kinder Gottes. Kinder Gottes sind „nicht aus der menschlichen Abstammung geboren“. Also sind sie nicht das Produkt einer menschlichen Vorfahrenreihe.

So umschreibt Johannes hier die neue Geburt. Aus der menschlichen Abstammung, aus dem körperlichen Verlangen und aus der menschlichen Familienplanung entsteht der natürliche Mensch. Und der natürliche Mensch ist der alte Mensch, der sündige Mensch, von dem gilt, dass Fleisch und Blut das Reich Gottes nicht sehen werden. Und so haben die genannten menschlichen Zusammenhänge im Reich Gottes auch keinerlei Bedeutung.

Aus Gott geboren, das ist der neue Mensch, der geistliche Mensch, der nach der Aussage des ersten Johannesbriefs nicht mehr sündigt, ja nicht mehr sündigen kann. Johannes sagt, das sind die, „die an seinen Namen glauben“.

Vielleicht müssen wir da auch nocheinmal überlegen, was „glauben“ heißt …

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