Entdeckungen eines Bibelübersetzers

Monat: Dezember 2022

Lehrer

Das ist die Übersetzung des griechischen Wortes „didáskalos“. Dieses Wort war in Israel zur Zeit von Jesus Titel und Anrede der Theologen. Sie waren als Gesetzeskundige die Lehrer des Volkes. Jesus hat z. B. auch Nikodemos so genannt (Johannes 3,10). Man gebraucht die Bezeichnung als Anrede parallel zum hebräischen „Rabbi“. Johannes bezeichnet es auch ausdrücklich als dessen griechische Übersetzung – Joh 1,38: „Rabbi – was übersetzt Lehrer heißt“.

Auffallend ist, dass man auch Jesus damit angesprochen hat, obwohl er kein offizieller, d. h. ordinierter Theologe war. Er hat aber offensichtlich einen solchen Eindruck gemacht, dass nicht nur seine Jünger so zu ihm sagten. Auch Leute aus dem Volk und sogar Pharisäer und Theologen, die ihm durchaus nicht freundlich gesinnt waren, sprachen ihn so an.

Im Gegensatz dazu hat Jesus seinen Jüngern und damit seiner Gemeinde das Führen dieses Titels verboten, als er sagte (Matthäus 23,8): „Ihr aber sollt euch nicht ‚Rabbi‘ nennen lassen! Einer ist nämlich euer Lehrer, ihr alle seid Geschwister.“ (Gerade auch dieser Satz zeigt noch einmal deutlich die Parallelität zum „Rabbi“.)

In diesem Sinne kam der Titel in der neutestamentlichen Gemeinde dann auch nicht vor. Aber als eine funktionelle Bezeichnung für Ältere bzw. Verantwortliche in der Gemeinde taucht das Wort auf. In Eph 4,11 sind unter den Gaben an die Gemeinde die „Hirten und Lehrer“. In Antiochia waren Propheten und Lehrer in der Gemeinde (Apg 13,1).

Laut Jak 3,1 soll die Gemeinde nicht so viele Geschwister Lehrer werden lassen, weil der Umgang mit dem Reden eine anspruchsvolle menschliche und geistliche Aufgabe ist. Paulus zählt sie auch in 1 Kor 12,26 unter den geistlichen Gaben auf.

In Hebr 5,12 werden die Geschwister getadelt: „Obwohl ihr von der Zeit her doch Lehrer sein müsstet, habt ihr es wieder nötig, dass man euch lehrt, …“. Hier wird eine interessante Perspektive sichtbar: Jeder sollte oder könnte ein Lehrer werden, indem er sich geistlich und in der Erkenntnis entsprechend entwickelt. Paulus bezeichnet sich auch selbst so. Und mehrfach wird dann auch vor falschen Lehrern gewarnt.

Aber noch einmal: Im Sinne einer Funktion oder Gabe gab es „Lehrer“ in der Gemeinde. Als Anrede oder Titel kam es nicht vor, weil Jesus es ja auch verboten hatte. Die Einrichtung der ordinierten „Lehrer“ bzw. „Rabbis“ wie im Judentum war den christlichen Gemeinden fremd.

Sören Kierkegaard (1813 – 1855)

Sören Kierkegaard war ein Mann, der mit einer Klarheit wie kein anderer die Falschheit des kirchlichen Systems aufdeckte. Er war Däne, und so sollte sein Name auch dänisch ausgesprochen werden: Kjérkegoor mit offenem „o“. Er war ein Mann mit hohem Intellekt und großer Liebe zur Wahrheit. Kierkegaard studierte Theologie und Philosophie, nahm aber aus Scheu vor der Bindung kein akademisches oder kirchliches Amt an. Er betätigte sich als freier Schriftsteller, was in der damaligen Zeit noch nichts einbrachte. Und so lebte er in seiner Heimatstadt Kopenhagen davon, dass er ein kleines ererbtes Vermögen allmählich aufzehrte. Zuerst setzte er sich mit philosophischen Fragen seiner Zeit auseinander; dann begann er, auch christliche Themen zu bearbeiten.

Sören Kierkegaard schrieb über den Menschen als existenzielles Wesen. Dessen Aufgabe ist es, sich über seine Existenz vor sich selbst und vor Gott bewusst zu werden. Von daher wurde er später als „Begründer der Existenzphilosophie“ bezeichnet. Aus seiner existenziellen Sicht des Menschen entwickelte er auch eine existenzielle Sicht des persönlichen Glaubens. Und so begann er, auch christliche Schriften herauszugeben. Sie sollten zu tieferem Nachdenken führen, was wahres Christentum und wahrer Glaube sei. Und es ging ihm nicht nur ums Nachdenken, sondern um klare Entscheidung. „Entweder – Oder“ war ein ganz fundamentaler Grundsatz bei ihm. Man verspottete ihn sogar auf der Straße damit: „Seht, da kommt der ‚Entweder – Oder‘!“

Als Kind seiner Zeit war er auch Kind der damaligen lutherischen Staatskirche in Dänemark gewesen. Nachdem er seine gesellschaftliche und kirchliche Umgebung endlich durchschaut hatte, kam er zu dem Schluss: Aus Sicht des Neuen Testaments ist das Christentum gar nicht da. Die vorhandene Christenheit ist ein ungeheurer Betrug. Und seine Aufgabe ist die eines Kriminalisten, der diesen Betrug aufzudecken hat. Mit vollem Einsatz führte er einen massiven Angriff auf die Kirche aus. Er brachte dazu auf eigene Kosten eine Zeitschrift heraus, die er „Der Augenblick“ nannte. In seinen Augen war jetzt von Gott her der Augenblick gekommen, den Betrug aufzudecken.

Es folgen ein paar Zitate aus dem „Augenblick“, der mir in einer deutschen Übersetzung aus dem Jahr 1909 vorliegt. Sprachlich habe ich sie leicht modernisiert:

„Ich, der ‚Entweder – Oder‘, kann keinem mit einem ‚Sowohl – Als auch‘ dienen. Ich bin im Besitz eines Buches, das freilich hierzulande so gut wie unbekannt ist, dessen Titel ich daher genau anführen will: ‚das Neue Testament unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi‘. Wiewohl ich ein ganz freies Verhältnis zu diesem Buch habe und z. B. durch keinen Eid darauf verpflichtet bin (wie die Pfarrer), so übt es doch eine große Macht über mich aus und flößt mir einen unbeschreiblichen Abscheu vor der Halbheit ein, vor jedem „Sowohl – Als auch“.

„Wahrer Gottesdienst besteht ganz einfach darin, dass man Gottes Willen tut. Allein, diese Art Gottesdienst war noch nie nach dem Sinn der Menschen. Was vielmehr den Menschen zu allen Zeiten beschäftigt, ist dies: Sich einen Gottesdienst zurechtzumachen, der darin besteht, dass der Mensch tut, was er will, aber so, dass er dabei Gottes Namen im Munde führt, Gott anruft. Damit glaubt sich der Mensch dann vor der Anklage auf Gottlosigkeit geschützt. – Aber genau dieses Bestreben ist, ach, gerade die qualifizierte Gottlosigkeit.“

„Was ich hier bespreche, ist: 1. eine christliche Kriminalsache, 2. ein bloßes Christentum-Spielen, 3. ein Versuch, Gott für Narren zu halten. Jede Stunde, in der dieser Zustand besteht, wird das Verbrechen fortgesetzt. Jeden Sonntag, an dem auf diese Weise Gottesdienst gehalten wird, wird Christentum gespielt und Gott für Narren gehalten. Jeder, der teilnimmt, nimmt daran teil, Christentum zu spielen und Gott für Narren zu halten. Und er ist in die christliche Kriminalsache verwickelt.“

„Man kann nicht von nichts leben. Das hört man so oft, besonders von Pfarrern. Und gerade die Pfarrer bringen das Kunststück fertig: Das Christentum ist gar nicht da – und doch leben sie davon.“

„Der Unterschied zwischen Theater und Kirche ist wesentlich der, dass sich das Theater ehrlich und redlich für das ausgibt, was es ist. Die Kirche dagegen ist ein Theater, das, unredlich, auf alle Weise zu verdecken sucht, was es eigentlich ist.“

„Glaube mir, oder sieh nur einen Augenblick unbefangen ins Neue Testament, so wirst du sehen: Das Christentum ist nicht in die Welt hereingekommen, um dem Geistlichen ein blühendes und angenehmes Geschäft zu sichern und dich in deinem natürlichen Zustand zu beruhigen. Sondern es ist unter Verzicht auf alles in die Welt hereingekommen, um dich durch die Schrecknisse der Ewigkeit aus deiner natürlichen Ruhe herauszureißen.“

Nachdem Sören Kierkegaard so viele Folgen seiner Zeitschrift herausgegeben und verbreitet hatte, dass aus seiner Sicht alles gesagt war, war er gesundheitlich, kräftemäßig und finanziell am Ende. Und Gott, für dessen Ehre er gestritten hatte, holte ihn im Alter von 42 Jahren heim.

Um das Maß voll zu machen, ließ es sich der damalige Kopenhagener Bischof Martensen nicht nehmen, ihn ganz offiziell kirchlich zu beerdigen. Dagegen gab es auf dem Friedhof am Grab von aufrichtigen Männern allerdings doch offenen Protest.

Ich denke, man kann von Sören Kierkegaard und seiner Einschätzung der damaligen lutherischen Kirche auch sehr viel auf kirchliche Strukturen der heutigen Zeit übertragen. Sein Maßstab ist auch der unsere, das Neue Testament. Von hier aus muss alles betrachtet, hinterfragt und beurteilt werden. Und von hier aus sieht’s düster aus mit der „Christenheit“.

(Siehe auch den Beitrag „Sentenzen von Kierkegaard„.)

Das Gebot des Königs

Ein Vergleich von Sören Kierkegaard

Das Gebot des Königs als Vergleich habe in seinem Buch „Zur Selbstprüfung der Gegenwart anbefohlen“ gefunden. Es steht unter der Überschrift „Was erforderlich ist, um sich mit wahrem Segen im Spiegel des Wortes zu betrachten“:

Denke dir ein Land. Es ergeht im Namen des Königs ein Gebot an alle Beamten und Untertanen, kurz an die ganze Bevölkerung.

Was geschieht? Mit allen geht eine merkwürdige Veränderung vor: Alles verwandelt sich in Erklärer. Die Beamten werden Schriftsteller. Jeder Tag bringt eine neue Erklärung, die immer gelehrter, scharfsinniger, geschmackvoller, tiefsinniger, geistvoller, wunderbarer, lieblicher und wunderbar lieblicher ist als die vorige. Die kritische Umschau kann diese ungeheure Literatur kaum bewältigen. Ja die Kritik selbst wird eine so weitläufige Literatur, dass man auch sie nicht übersehen kann. Aber niemand las das Gebot des Königs so, dass er danach getan hätte.

Und nicht genug damit, dass alles Erklärung wurde. Nein, man verrückte zugleich den Gesichtspunkt für das, was Ernst ist. Und man machte die Beschäftigung mit der Erklärung zum eigentlichen Gegenstand des Ernstes.

Denke dir, dieser König sei nicht ein menschlicher König. Auch ein solcher würde ja gewiss verstehen, dass man mit dieser Verkehrung der Sache ihn eigentlich zum Narren habe. Aber ein menschlicher König ist abhängig, besonders von der Gesamtheit seiner Beamten und Untertanen. Und so müsste er wohl gute Miene zum bösen Spiel machen, tun, als wäre das in seiner Ordnung, den geschmackvollsten Erklärer zur Belohnung in den Adelsstand erheben und den tiefsinnigsten durch einen Orden auszeichnen usf.

Aber denke dir also, dieser König sein ein allmächtiger. Ihn brächte es nicht in Verlegenheit, auch wenn sämtliche Beamten und Untertanen so ein falsches Spiel mit ihm trieben. Was meinst du, würde dieser allmächtige König dazu denken? Gewiss würde er sagen: Dass sie dem Gebot nicht nachkommen, könnte ich noch verzeihen. Dass sie mich in einer Bittschrift um Nachsicht oder vielleicht um völlige Verschonung mit diesem für sie zu schweren Gebot angingen, könnte ich ihnen auch noch verzeihen. Nicht verzeihen kann ich aber, dass man sogar den Gesichtspunkt für das, was Ernst ist, verrückt.

Und nun Gottes Wort! „Mein Haus ist ein Bethaus, ihr aber habt eine Mördergrube daraus gemacht.“ Und Gottes Wort, was ist dies nach seiner Bestimmung, und was haben wir daraus gemacht? All dies Erklären und Erklären, diese Wissenschaft und neue Wissenschaft betreibt man unter dem feierlichen, ernsthaften Schein, dass man durch sie Gottes Wort recht verstehen wolle. Siehst du jedoch näher zu, so findest du, dass man sich damit nur gegen Gottes Wort wehren will. …

Es ist menschlich, dass einer Gott um Geduld bittet, wenn er nicht sofort kann, was er soll, dass er aber doch einen ehrlichen Versuch verspricht. Es ist menschlich, dass einer Gott um Mitleid bittet, weil ihm die Forderung zu hoch ist. Will sonst niemand das von sich gestehen, gestehe ich’s von mir.

Aber es ist doch nicht menschlich, dass man der Sache eine ganz andere Wendung gibt. Dass ich listig Erklärung und Wissenschaft und wieder Wissenschaft, eine Schicht auf die andere einschiebe. (Wie etwa ein Knabe sich ein Polster unter seine Hosen macht, wenn Prügel auf ihn warten.) Dass ich das alles zwischen das Wort und mich einschiebe und dann diese Erklärung und Wissenschaftlichkeit Ernst und Wahrheitseifer nenne. Und dass ich diese Beschäftigung zu einer solchen Weitläufigkeit aufbausche, dass ich nie einen Eindruck von Gottes Wort gewonnen habe, nie mich selbst im Spiegel betrachte.

Es sieht aus, als brächte all dieses Forschen und Sinnen, Suchen und Ergründen mir Gottes Wort ganz nahe. Die Wahrheit ist aber, dass ich eben dadurch auf die listigste Weise Gottes Wort mir möglichst ferne rücke. Unendlich ferner, als es dem ist, der es nie sah. Unendlich ferner, als es dem ist, der es aus Angst und Scheu davor soweit als möglich von sich warf.

Dass man jahraus jahrein, Tag für Tag ruhig dasitzen und – den Spiegel betrachten kann: Das bedeutet einen noch größeren Abstand von der Forderung, sich im Spiegel zu betrachten, als dass man nie den Spiegel sieht.

Alles eine Frage der Auslegung

Alles eine Frage der Auslegung – diese Aussage hört man öfter, wenn sich jemand nicht auf eine klare biblische Aussage einlassen will. Seit Jahrhunderten erzählt man den Menschen, sie bräuchten „Auslegung“, um die Bibel wirklich zu verstehen. Die Theologen sprechen dabei gerne von „Exegese“, weil sie es lieben, mit Fremdwörtern ihre wissenschaftliche Kompetenz und geistige Überlegenheit zum Ausdruck zu bringen. Der „Laie“ möge hören und staunen …

Ich stelle hier einmal die Gegenfrage: Als Jesus seine Botschaft verkündet und seine Jünger unterwiesen hat, hat er dabei gedacht, dass jemand diese seine Worte irgendwann einmal „auslegen“ müsse? Als Matthäus, Markus, Lukas und Johannes ihre Berichte über Jesus und seine Botschaft schrieben, ist ihnen dabei der Gedanke gekommen, dass irgend jemand ihre Berichte später noch „auslegen“ solle? Als Paulus, Barnabas, Jakobus, Petrus, Johannes und Judas ihre Briefe an die Gemeinden geschrieben haben, dachten sie, dass man dort eine „Auslegung“ bräuchte, um sie zu verstehen? Ich denke, die Antwort ist klar.

In der frühesten Zeit des Christentums wurden die neutestamentlichen Schriften gelesen, verstanden und befolgt. Als sich dann die hierarchische Kirchenstruktur entwickelte, begann auch die Geschichte der „Auslegung“. Die Diskrepanz zwischen biblischer und kirchlicher Realität musste vertuscht werden. Die biblischen Aussagen mussten an die menschlichen und kirchlichen Bedürfnisse angepasst werden. Und die, die beim neutestamentlichen Verständnis blieben und sich widersetzten, konnte man dann mit der kirchlichen Lehrautorität als „Ketzer“ verdammen und verfolgen.

Das Wort Gottes, das laut der Aussage des Hebräerbriefs ein zweischneidiges, scharfes Schwert ist, steckte man in eine Scheide. So war die Schärfe genommen. Ich denke, das Grundprinzip ist deutlich: Zwischen das geschriebene (vom Heiligen Geist inspirierte) Wort Gottes und den Leser hat sich eine menschliche Instanz geschoben. Diese hat den Anspruch, das Wort Gottes „richtig“ auszulegen und weiterzugeben. Und dem Hörer bzw. Leser wird suggeriert, dass er das Wort Gottes alleine nicht wirklich und richtig verstehen kann. So wird er zum „Laien“, der einfach glauben soll, was die „Ausleger“ ihm sagen.

Es ist aber natürlich auch bequem, wenn man sagen kann „Alles eine Frage der Auslegung“. Man kann damit wunderbar unbequeme biblische Aussagen an sich abprallen lassen. Es ist einfach, sich damit auf einen Standpunkt der Unverbindlichkeit und Unzuständigkeit zurückziehen. Man kann damit bleiben, wie man ist, wenn Gott gerne etwas an einem verändern möchte. Man kann Gehorsam und Nachfolge verweigern, denn es ist ja „alles eine Frage der Auslegung“.

Wenn Jesus sagt „Wer meine Worte hört und sie tut“, dann gibt es da aber keinen Raum für einen Ausleger. Dann sollst du als Christ und Nachfolger von Jesus ganz einfach „hören“ und „tun“. Du bist in einem unmittelbaren Verhältnis zum Wort, weil du in einem unmittelbaren Verhältnis zu Jesus bzw. zu Gott stehst. Wenn es im Verhältnis zwischen Gott und dir noch so etwas wie einen Theologen gibt, dann bist du selbst es. Du kennst Gott, du hörst und befolgst sein Wort, und du kannst anderen davon erzählen. Mit andern Worten: Du bist ein Theologe.

Es gilt also, die Bibel direkt zu hören und zu verstehen (und natürlich zu befolgen). Alles, was dazu dient, ist herzlich willkommen: Die biblischen Sprachen sind gut erforscht. Die alten Handschriften mit den biblischen Texten hat man mit großem Aufwand gesammelt und ausgewertet, damit man den wahrscheinlichsten Urtext rekonstruieren kann. Aus der Geschichte und der Archäologie hat man Kenntnisse über die politischen, religiösen und kulturellen Hintergründe der Zeit gewonnen. Mit Tages- und Jahreszeiten kann man den Lebensrhythmus der Menschen in ihrer Abhängigkeit von der Natur besser einordnen. All diese Dinge sind hilfreich zum Verstehen und natürlich auch in meine Übersetzung des Neuen Testaments mit ihren Erklärungen eingeflossen. Aber deswegen bin ich kein „Ausleger“, nur Übersetzer.

Ich bringe also einfach möglichst genau das zum Ausdruck, was die neutestamentlichen Autoren mitteilen wollten. Nun bleibt noch die Aufgabe, die Missverständmisse und Verdrehungen zu beseitigen, die 2000 Jahre an „Auslegung“ in unseren Köpfen hinterlassen haben. Ich habe damit im Glossar (Wörterverzeichnis) im Anhang meiner Übersetzung des Neuen Testaments schon einmal einen Anfang gemacht. Dann wird wohl auch noch ein extra Buch dazu von mir erscheinen.

Aber ich kann dem Leser selbst seine eigene wichtige Aufgabe nicht abnehmen: Sich durch eigenständige Aneignung der biblischen Aussagen von „Auslegungen“ zu befreien, die er im Laufe seines Lebens durch Hören und Lesen von „Auslegern“ angesammelt hat. Die Bibel ist das wichtigste Buch deines Lebens. Und das wichtigste Buch, das dir dabei hilft, sie selbst zu erforschen, ist die Konkordanz, natürlich auch die Suchfunktion einer Online-Bibel.

Es ist also alles gut, was zur Klärung der biblischen Aussage beiträgt. Und es ist alles schlecht, was zu Verdrehung und Verwirrung beiträgt. Wenn du also eine Erklärung hörst, die dir im Verständnis ein Licht aufsteckt, und du denkst: „Warum bin ich da eigentlich nicht schon von selbst darauf gekommen?“, dann wird sie vermutlich richtig sein. Wenn du aber eine „Auslegung“ hörst, bei der du eher das Gefühl hast: „Nie im Leben wäre ich auf das gekommen!“, dann versucht vermutlich jemand, dir etwas unterzujubeln, was der biblischen Botschaft nicht entspricht.

Du kommst als eigenständiger, verantwortlicher Christ also um eine Sache nicht herum: Du hast – abgesehen von der direkten Beziehung zu Gott – als wichtigste Aufgabe, dir deine eigene fundierte Bibelkenntnis zu erarbeiten. Natürlich wird dir der Heilige Geist gerne dabei behilflich sein. Du wirst dich vermutlich dabei auch immer wieder einmal korrigieren lassen müssen. Und von Leuten, die von dir verlangen, nur ihrer Lehrmeinung zu folgen, solltest du dich befreien, wenn du weiterkommen willst.

Auf einem Fundament von „Auslegungen“ kann man als Christ nicht stehen. Nur die persönliche Überzeugung aus eigener biblischer Erkenntnis gibt dir die Standhaftigkeit, auch in schwierigen Zeiten im Glauben zu bestehen. Die Aussage „Bruder XY hat einmal gesagt …“ kann den Satan nicht beeindrucken. Gegen ihn hilft nur, was auch Jesus gesagt hat: „Es steht geschrieben …“.