Entdeckungen eines Bibelübersetzers

Kategorie: Kirche – Gemeinde – Christentum (Seite 1 von 7)

Kurz und spitz

Kurz und spitz – ein Artikel von Sören Kierkegaard in seiner Zeitschrift „Der Augenblick“, Ausgabe vom 23. August 1855.)

I

Das Christentum lässt sich vervollkommnen; es geht voran; und nun, nun hat man die Vollkommenheit erreicht. Was als Ideal erstrebt, was aber selbst in der ersten Zeit nur annähernd erreicht wurde: dass die Christen ein Volk von Priestern seien, – das ist nun vollkommen erreicht, besonders im Protestantismus, besonders in Dänemark.

Wenn nämlich ein Priester das ist, was „wir“ darunter verstehen – ja, dann sind wir alle „Priester“!

II

Die Kanzel der prachtvollen Domkirche besteigt der hochwohlgeborene, hochwürdige geheime General-Ober-Hof-Prädikant, der auserwählte Liebling der vornehmen Welt. Er tritt auf die Kanzel vor einem auserwählten Kreis auserwähler Personen und predigt g e r ü h r t über den von ihm selbst ausgewählten Text: „Das Unedle vor der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt“ – und da ist niemand, der lacht.

III

Wenn ein Mann Zahnweh hat, sagt die Welt: „armer Mann“. Wenn einem Mann seine Frau untreu wird, sagt die Welt: „armer Mann“. Und wenn ein Mann in Geldverlegenheit ist, sagt die Welt: „armer Mann“. – Wenn es Gott gefällt, in geringer Knechtsgestalt in dieser Welt zu leiden, so sagt die Welt „armer Mensch“. Wenn ein Apostel bei seinem göttlichen Auftrag die Ehre hat, für die Wahrheit zu leiden, sagt die Welt: „armer Mensch“. Arme Welt!

IV

„Hatte der Apostel Paulus ein Amt?“ Nein, Paulus hatte kein Amt. „Verdiente er dann auf andere Weise viel Geld?“ Nein, er verdiente auf keine Weise Geld. „So war er doch wenigstens verheiratet?“ Nein, er war nicht verheiratet. „Dann ist ja Paulus gar kein ernsthafter Mann!“ Nein, Paulus ist kein ernsthafter Mann.

V

Als ein schwedischer Pfarrer sah, wie seine Zuhörer über seiner Rede in Tränen zerflossen, soll er ihnen folgende beruhigenden Worte zugerufen haben: „Weinet nicht, Kinder, das könnte alles miteinander gelogen sein!“

Warum sagt das der Pfarrer jetzt nicht mehr? Es ist nicht mehr nötig; wir wissen es alle schon – wir sind ja alle Priester.

Aber deshalb können wir ja wohl weinen, und es müssen weder seine noch unsere Tränen deshalb gerade heuchlerisch sein. Nein, so wohlgemeint und wahr – wie im Theater.

VI

Als sich das Heidentum zersetzte, gab es auch Geistliche, Auguren genannt. Von diesen wird erzählt, dass der eine Augur den anderen nicht ansehen konnte, ohne zu lachen.

In der Christenheit kann bald niemand mehr einen Geistlichen sehen und bald überhaupt kein Mensch mehr den anderen ansehen, ohne zu lachen – aber wir sind ja auch alle Priester.

VII

Ist es ein und dieselbe Lehre, wenn Christus zu dem reichen Jüngling sagt: „Verkaufe alles, was du hast – und gib’s den Armen!“ –

und wenn der Pfarrer sagt: „Verkaufe alles, was du hast und – gib es mir!“

VIII

Das Genie ist wie das Donnerwetter: es geht gegen den Wind, schreckt die Menschen, reinigt die Luft.

Das Bestehende hat verschiedene Blitzableiter erfunden.

Und es gelingt ihm. Ja, gewiss gelingt es ihm; es gelingt ihm, d a s n ä c h s t e Donnerwetter desto ernstlicher zu machen.

IX

Man kann nicht von Nichts leben. das hört man so oft, besonders von Pfarrern.

Und gerade die Pfarrer bringen das Kunststück fertig: das Christentum ist gar nicht da, – und doch leben sie davon.

Eine Vereidigung

Eine Vereidigung oder Das Offizielle – das Persönliche

(Ein Artikel von Sören Kierkegaard aus seiner Zeitschrift „Der Augenblick“, Ausgabe Nr. 5 vom 27. Juli 1855)

Ich will eine kleine, psychologisch interessante Anekdote aus der Verbrecherwelt erzählen.

Es handelte sich um eine Sache, wo man sich, wie man sagt, „freischwören“ konnte. D. h., man konnte sich für diese Zeit befreien, indem man sich durch einen Meineid für die Ewigkeit band. Der Betreffende war eine der Obrigkeit hinlänglich bekannte, öfters bestrafe Person. Die Obrigkeit konnte eine Vereidigung nicht verhindern, war aber moralisch vollkommen davon überzeigt, das ein Meineid geschworen werden würde. Und so schwor der Betreffende.

Nach der Vereidigung besuchte ihn der Kanzleirat im Arrest, fing ein Gespräch mit ihm an und sagte dann zu ihm: „Kannst du mir wirklich die Hand darauf geben, dass du die Wahrheit geschworen hast“? „Nein,“ antwortete er, „nein, Herr Kanzleirat, das kann ich nicht.“

Hier siehst du den Unterschied zwischen dem Offiziellen und dem Persönlichen. Für einen qualifizierten Verbrecher ist es etwas Offizielles, sich frei zu schwören. Deshalb bedenkt er sich keinen Augenblick, es zu tun. Er hegt auch nicht den geringsten Zweifel, dass sich das verantworten lasse. Durch eine langjährige Praxis mit der Sache vertraut, versteht er, dass man so etwas rein offiziell, unpersönlich abmacht. So besteht die Kunst für ihn bloß darin, einer Sache die Wendung zu geben, dass er sich freischwören kann. Die Ablegung des Eides bedeutet für ihn nicht mehr als zu einem, der niest, Prosit zu sagen oder auf einen Brief Wohlgeboren zu schreiben.

Vergebens sucht der Eid und die Feierlichkeit bei der Vereidigung Eindruck auf ihn zu machen, ihn als Person zu treffen. Er kommt sich bei dem – Geschäft selbst als offizielle Persönlichkeit vor und ist offiziell gegen jeden Eindruck gewappnet, den man, wie er zum voraus weiß, bei ihm hervorrufen will. Und so legt er den Eid ab. Das Ganze geschieht, wie er die Sache versteht, ex officio*.

Aber persönlich, nein, persönlich kann er sich nicht entschließen, eine Unwahrheit feierlich zu bekräftigen. „Kannst du mir die Hand darauf geben?“ „Nein, Herr Kanzleirat, das kann ich nicht.“

Gehe ich nun zu einer ganz anderen Welt über, so wird mir gewiss jeder, der mit den Verhältnissen auch nur ein wenig vertraut ist, sofort zugeben, dass man einen Geistlichen im Privatgespräch (besonders wenn man ihn persönlich zu berühren versteht) leicht dazu bringen kann, dass er sich zu anderen als den von ihm offiziell vorgetragenen Überzeugungen bekennt oder doch sich persönlich zweifelnd über das äußert, was er ex officio* „mit voller Überzeigung“ vorträgt. Und doch ist ja der Pfarrer eidlich verpflichtet. Er hat einen Eid abgelegt, der garantieren soll, dass es seine Überzeigung sei, was er vorträgt!

Ach ja, aber die eidliche Verpflichtung gehört in der Pfarrerswelt nun einmal zu dem Offiziellen – und dieses Offizielle muss einmal sein, damit man ein Amt bekommt. Man legt seinen Eid offiziell ab und trägt offiziell vor, worauf man eidlich verpflichtet ist. „Aber sage mir aufrichtig, lieber Pastor P., willst du mir deine Hand darauf geben, dass es deine Überzeugung ist? Willst du mir das bei dem Gedächtnis deiner seligen Frau bekräftigen? Es liegt mir um meiner selbst willen, um meine Zweifel womöglich los zu werden, so sehr viel daran, deine wahre Meinung zu erfahren!“ „Nein, lieber Freund, das kann ich nicht. Das darfst du nicht von mir verlangen.“

Eine Vereidiguing, die sollte doch unbedingt dafür garantieren, dass die Sache persönlich ist! Aber der Eid – der Eid, die Bedingung der Anstellung usw; führe uns nicht in Versuchung o Gott! – der Eid ist vielleicht offiziell abgelegt. „Ist das aber wirklich deine Überzeugung, was du lehrst? Ich beschwöre dich bei dem Gedächtnis deiner verstorbenen Frau, dass du mir, um mir zu helfen, deine aufrichtige Meinung sagst!“ „Nein, mein Freund, nein, das kann ich nicht!“

*von Amts wegen, amtlich, kraft Amtes

Das religiöse Bedürfnis

(Das religiöse Bedürfnis – Teil 3 des Artikels „Diagnose“ von Sören Kierkegaard. Erschienen in seiner Zeitschrift „Der Augenblick“, Ausgabe vom 7. Juli 1855.)

Ein Mensch wird von Tag zu Tag magerer; er zehrt aus. Was kann das sein? Er leidet doch keine Not. „Nein, ganz gewiss nicht“, sagt der Arzt, „davon kommt es nicht. Es kommt gerade von seinem Speisen. Er speist zur Unzeit, speist ohne hungrig zu sein, braucht Reizmittel, um ein bisschen Glück hervorzurufen. Und auf diese Weise vernichtet er seine Verdauung und schwindet hin, wie wenn er Not litte.“

So auch in der Religion. Das Verderblichste von allem ist, ein Bedürfnis zu befriedigen, das noch gar nicht gefühlt wird. Das Bedürfnis nicht abzuwarten, sondern ihm zuvorzukommen, ja sogar durch Reizmittel etwas hervorbringen zu wollen, das für ein Bedürfnis gelten und dann befriedigt werden soll. O das ist empörend! Und doch tut man das auf dem religiösen Gebiet. Und dadurch betrügt man die Leute um das, was ihres Lebens Gehalt sein sollte, und hilft ihnen, das Leben zu verspielen.

… Da wird unter dem Titel der Seelsorge der Mensch um das Höchste im Leben betrogen. Er wird um das betrogen, dass die Bekümmerung um sich selbst entstünde, das religiöse Bedürfnis, das dann gewiss auch einen Lehrer nach seinem Sinn fände. Darin nämlich, dass dieses Bedürfnis im Menschen entsteht, liegt die höchste Bedeutung des Lebens. Jetzt aber kann dieses Bedürfnis gar nicht entstehen. Denn dadurch, dass man es lange, ehe es entsteht, befriedigt, dadurch verhindert man seine Entstehung. Und das soll die Fortsetzung des Werkes sein, welches der Erlöser des Menschengeschlechts vollbrachte? – dass man das Menschengeschlecht in dieser Weise verhunzt – und warum? Darum, weil nun einmal so und so viele Kirchenbeamte da sind, die mit Familie unter dem Titel „Seelsorger“ davon leben sollen!

Staat – Christentum

(„Staat – Christentum“ – ein Artikel von Sören Kierkegaard aus seiner Zeitschrift „Der Augenblick“, Ausgabe vom 27. Juni 1885)

Der Staat steht in einem direkten Verhältnis zur Zahl, zum Numerischen. Wenn darum ein Staat im Niedergang begriffen ist, so kann endlich die Zahl seiner Bürger so klein werden, dass dieser Staat aufgehört hat. Und dann kommt dieser Begriff nicht mehr zur Anwendung.

Das Christentum verhält sich anders zur Zahl. Ein einziger wahrer Christ genügt, damit man in Wahrheit sagen kann, das Christentum sei da. Ja, das Christentum steht in einem umgekehrten Verhältnis zur Zahl. Wenn alle Christen geworden sind, ist der Begriff nicht mehr anzuwenden. Denn der Begriff „Christ“ ist ein polemischer Begriff. Christ kann man nur im Gegensatz zu anderen sein, oder gegensätzlicher Weise. So ist es im Neuen Testament.

Und diese Eigentümlichkeit des Christentums entspricht genau dem, dass Gott geliebt sein will. Gott setzt nämlich die Liebe zu ihm, um sie zu potenzieren, dem Widerspruch aus. Und so bekommt der Christ, welcher Gott liebt, im gegensätzlichen Verhältnis zu anderen Menschen durch deren Hass und Verfolgung zu leiden. Sobald man den Gegensatz gegen andere wegnimmt, verliert die Existenz des Christen ihren Sinn. So ist das aber in der „Christenheit“ geschehen, die das Christentum dadurch hinterlistig abgeschafft hat, dass „wir alle“ Christen sind.

Also, der Begriff „Christ“ steht in einem umgekehrten, der Staat in einem geraden Verhältnis zur Zahl. Und so hat man Christentum und Staat ineinander aufgehen lassen … zum Besten des Geschwätzes und der Geistlichkeit. Denn Christentum und Staat so zu verschmelzen, hat ebensoviel Sinn, als von einer Elle Butter zu reden. Oder es hat womöglich noch weniger Sinn, da Butter und Elle doch nur nichts miteinander zu tun haben, Staat und Christentum aber sich umgekehrt zueinander verhalten, voneinander divergieren.

Doch in der „Christenheit“ wird das nur schwer verstanden. Denn in der „Christenheit“ hat man – das ist dort ganz in Ordnung – keine Ahnung davon, was Christentum ist. In ihr kann man am allerwenigsten auf den Gedanken kommen oder sich von dem Gedanken überzeugen lassen, dass das Christentum durch seine Ausbreitungabgeschafft worden ist, durch diese Millionen von Namenschristen, deren Zahl wohl nur verdecken soll, dass es einen Christen, also Christentum, gar nicht gibt. Denn wie man durch langes Gerede bekanntlich eine Sache zerreden kann, so hat das Menschengeschlecht, der einzelne in ihm, sich das Christentum zerreden, vom Leib schwatzen lassen – durch den Lärm des Namenschristentums, des christlichen Staates, einer christlichen Welt. Und Gott soll durch alle diese Millionen wohl im Kopf so wirr werden, dass er den Schwindel nicht entdeckt, dass er nicht sieht, es sei nicht ein einziger Christ da.

Wenn wir wirklich Christen sind

Wenn „wir“ wirklich Christen sind; wenn die „Christenheit“, eine „christliche Welt“, christlich in Ordnung ist: so ist eo ipso das Neue Testament nicht mehr der Wegweiser für den Christen und kann es nicht mehr sein.

(Ein Artikel von Sören Kierkegaard aus seiner Zeitschrift „Der Augenblick“ vom 4. Juni 1855.)

Unter den gegebenen Voraussetzungen ist das Neue Testament nicht der Wegweiser für den Christen und kann es nicht sein. Denn der Weg ist ja verändert, ein ganz anderer als im Neuen Testament.

Das Neue Testament als Wegweiser für den Christen wird daher unter jenen Voraussetzungen ein historisches Kuriosum. So wie etwa ein altes Reisehandbuch für ein Land, worin sich seither alles gänzlich verändert hat. Ein solches Handbuch hat nicht mehr den Ernst, dass es den Reisenden wirklich führen könnte. Es hat höchstens noch als Unterhaltungslektüre einen Wert. Wo man jetzt mit der Eisenbahn bequem dahinsaust, da ist nach dem Handbuch „die fürchterliche Wolfsschlucht, in der man 70 000 Faden in die Tiefe stürzen kann“. Wo man in einem behaglichen Kaffeehaus sitzt und seine Zigarre raucht, da hat nach dem Handbuch „eine Räuberbande ihren Schlupfwinkel, welche die Reisenden überfällt und misshandelt“. „Hier ist das“, steht im Handbuch – d. h. hier war das. Denn nun ist da keine Wolfsschlucht, sondern eine Eisenbahn, keine Räuberbande, sondern ein behagliches Kaffeehaus. Und nun ist’s recht ergötzlich, sich auszudenken, wie’s da vorzeiten aussah.

Sind wir denn wirklich Christen, ist die „Christenheit“, eine „christliche Welt“, christlich in Ordnung: so möchte ich womöglich so laut, dass man es bis in den Himmel hören könnte, ausrufen: „Du Unendlicher, du hast dich doch sonst auch als Liebe erwiesen! Das war doch wahrlich lieblos von dir, dass du uns nicht zu wissen tatest, das Neue Testament sei nicht mehr der Wegweiser, sei nicht mehr das Handbuch für Christen. Nun hat sich ja alles ins Gegenteil verwandelt, und wir sind dennoch wahrhaftige Christen! Wie grausam ist es da von dir, die Schwachen immer noch damit zu ängstigen, dass du noch nicht ein Wort zurückgenommen oder geändert hast!“

Doch das kann ich nicht annehmen, dass Gott so sein könnte. Deshalb werde ich zu einer anderen Erklärung genötigt, die mir sowieso viel näher liegt. All das mit der „Christenheit und einer „christlichen Welt“ ist ein menschlicher Gaunerstreich. Das Neue Testament hingegen ist, ganz wie es ist, das Handbuch für Christen. Und denen wird es in dieser Welt beständig so ergehen, wie man im Neuen Testament liest. Und sie werden sich dadurch nicht beirren lassen, dass es Gaunerchristen in dieser Welt, der Welt der Gaunerstreiche, anders ergeht.

Martin Luther

In meinem Buch „Die Gemeinde des Messias“ habe ich unter anderen auch Martin Luther zitiert. Ich stelle hier die von mir verwendeten Zitate einmal zusammen.

In der Schrift „Das Magnificat verdeutschet und ausgelegt“ von 1521 schreibt er:

„wie wohl in der schrifft / kein geistlich oberkeit noch gewalt ist / sondern nur dienstparkeit und unterkeit“ (Originalschreibweise).

In seiner Schrift „Von weltlicher Obrigkeit, wie weit man ihr Gehorsam schuldig sei“ von 1523 schreibt er:

„Unter den Christen soll und kann keine Obrigkeit sein. Sondern ein jeglicher ist zugleich dem anderen untertan, wie Paulus sagt Röm. 12: ‚Ein jeglicher soll den anderen für seinen Obersten halten’“ Und Petrus 1.Petr. 5: ‚Seid allesamt einander untertan!‘ Das will auch Christus Lk. 14: ‚Wenn du zur Hochzeit geladen wirst, so setze dich aller unterst an.‘ Es ist unter den Christen kein Oberster, denn nur Christus selber und allein. Und was kann da für Obrigkeit sein, wenn sie alle gleich sind und einerlei Recht, Macht, Gut und Ehre haben? Dazu keiner begehrt, des anderen Oberster zu sein, sondern jeglicher will des anderen Unterster sein? Könnte man doch, wo solche Leute sind, keine Obrigkeit aufrichten, auch wenn man‘s gerne tun wollte. Denn die Art und Natur leidet es nicht, einen Obersten zu haben, wenn keiner Oberster sein will noch kann.“

In seiner Schrift „Das Magnificat verdeutschet und ausgelegt” schreibt er:

„… wie wohl man jetzt leider das Wörtlein Gottes Dienst so in einen fremden Verstand und Brauch hat bracht, dass wer es hört, gar nichts an solche Werk denkt, sondern an den Glockenklang, an Stein und Holz der Kirchen, an das Rauchfass, an die Flammen der Lichter, an das Geplärre in den Kirchen, an das Gold, Seiden, Edelstein der Chorkappen und Messgewänder, an die Kelche und Monstranzen, an die Orgeln und Tafeln, an die Prozession und Kirchgang, und das Größest: An das Maulplappern und Pater-Noster-Stein-Zählen. Dahin ist Gottes Dienst leider kommen, davon er doch so gar nichts weiß …”

Wegen der Luther-Zitate habe ich unter der Rubrik „Rückblicke in die Geschichte“ dann auch ein ergänzendes Kapitel über ihn geschrieben:

Martin Luther (1483–1546)

Da ich in den vorderen Kapiteln dieses Buches Martin Luther zitiert habe, muss ich hier der Vollständigkeit halber sagen, dass er kein eindeutiger Zeuge der biblischen Wahrheit ist. Er war es ein paar Jahre lang, ist es aber nicht geblieben. In seinen Zeiten als Mönch war er auf ernsthafter Suche nach der Wahrheit. Und in einer göttlichen Erleuchtung fand er sie dann auch, als er erkannte, dass es die Gnade Gottes ist, die ihn rettet, wenn er an Jesus glaubt, der für seine Sünden gestorben ist. Allein durch die Gnade, allein durch den Glauben, allein durch Christus und allein durch die Heilige Schrift, das waren die Grundsätze, die er aufstellte. Auf dieser Grundlage konnte er eine Unzahl falscher Lehren und Praktiken der damaligen Kirche entlarven. Viele Menschen seiner Zeit erlebten das als sehr befreiend. Seine Schriften gingen wie ein Lauffeuer durchs Land und weit darüber hinaus.
Allerdings hatte er nie vor, die Kirche abzuschaffen. Das war für ihn ein unvorstellbarer Gedanke. Er glaubte an die Kirche, er wollte sie nur reformieren. Und so blieb er in seinem Herzen im System. Er setzte auf staatskirchliche Strukturen, das Pfarramt, die Kindertaufe, akademische Ausbildung und obrigkeitliche Zwangsmaßnahmen. Die Reformation, die als göttliches Werk begonnen hatte, wurde mit menschlichen Mitteln umgesetzt. Der neue Wein wurde in die alten Schläuche gefüllt.
Und Luther selbst entwickelte sich zu einer Art evangelischem Papst, der in theologischen und kirchlichen Dingen irgendwann alles alleine entschied und niemandem mehr Rechenschaft schuldig war. Am Ende hatte er nur noch Anhänger und Verehrer, aber keine Brüder mehr. Die Lutherverehrung mit ihren Gemälden und Denkmälern ist bis heute bekannt.
Den neutestamentlichen Gedanken einer Gemeinde von Gläubigen, den er einmal für kurze Zeit hatte, hat er leider schnell wieder verdrängt. Und alle, die eine solche Gemeinde propagierten und zu leben versuchten, wurden von ihm als „Schwärmer“ gebrandmarkt. So haben dann auch die lutherischen Kirchen bzw. Länder ihre Ketzer verfolgt; vielleicht im Schnitt etwas weniger brutal als die katholische Seite, aber auch hier gab es Märtyrer. Der Unterschied war, dass die Katholiken die Geschwister verbrannten, während die Lutherischen sie ersäuften.

Die Welt retten

Die Welt retten, das ist in unserer modernen Zeit ein aktuelles Thema. Die Welt ist bedroht durch den Klimawandel mit Hitzewellen, Flutkatastrophen, Artensterben, Eisschmelze und Anstieg des Meerespiegels. Und eine Minderheit – geleitet vom humanistischen Bild des gutwilligen und vernünftigen Menschen – versucht, mit verschiedensten Mitteln die Entwicklung aufzuhalten. Von der Mehrheit erntet sie dafür Ablehnung, Verleumdung und Hass.

Denn die Mehrheit der Menschen pflegt eine traditionelle und ästhetische Lebensweise. Alles soll am besten so bleibe, wie es ist. Nicht, was richtig ist, zählt, sondern was praktisch, nützlich und angenehm ist. Und vor allem, was Spaß macht oder reich oder am besten beides. Und so beißen die Weltretter auf Granit.

Leider ist auch in christlichen Kreisen die Sicht verbreitet, ein jeder müsse mithelfen, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Das ist eine wohlklingendere und weniger massive Umschreibung für „retten“. Und so wird von pseudochristlichen Moralaposteln mit einem neuen Gesetz den Menschen wieder einmal eine schwere Last auferlegt. Wir kennen das ja schon von Jesus: „Sie binden Lasten zusammen, die schwer und nicht zu tragen sind, und legen sie den Menschen auf die Schultern; selbst wollen sie diese aber nicht mit ihrem Finger bewegen!“ (Mt 23,4)

(In den gleichen christlichen Kreisen bleibt man intern aber gerne ästhetisch dabei, praktisch und nützlich ein angenehmes „Gemeindeleben“ zu gestalten. Auch hier zählt nicht, was von Gott her richtig ist, sondern was man gewohnt ist und keine allzugroße Mühe macht. Siehe dazu mein Buch „Die Gemeinde des Messias“ …)

In der Bibel finden wir zwei Gebrauchsarten des Begriffs „Welt“. Einerseits ist damit die geschaffene Welt gemeint, die ursprünglich gute Schöpfung Gottes. In ihr und von ihr lebt der Mensch, und in ihr ist „nichts verwerflich, was mit Dank angenommen werden kann.“ (1 Ti 4,4). Diese Welt geht aber ihrem Ende entgegen, während sie sehnlich auf die Enthüllung der Söhne und Töchter Gottes wartet. (Rö 8,19). Denn dann geht es in eine neue Schöpfung hinein.

Zum anderen ist „Welt“ die Bezeichnung der Menschenwelt. Diese Art der Welt ist böse. Beherrscht vom Fürsten dieser Welt, dem Satan, leben hier Menschen, die der Sünde und dem Tod verfallen sind. Einst als Ebenbild Gottes erschaffen, ist nun „das Denken des menschlichen Herzens böse von Jugend auf“ (1 Mo 8,21). Und „wie durch einen einzelnen Menschen die Sünde in die Welt gekommen ist und durch die Sünde der Tod, so geht der Tod auch weiter zu allen Menschen, weil alle sich versündigen.“ (Rö 5,12). Und mit diesem „Tod“ ist im Neuen Testament nicht nur der irdische, sondern auch der ewige Tod gemeint.

Um diese „Welt“ zu retten, ist Jesus gekommen. Johannes der Täufer sagte über ihn: „Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt trägt!“ (Jo 29). Und Jesus selbst sagte: „Ich bin nicht gekommen, um die Welt zu richten, sondern um die Welt zu retten.“ (Jo 12,47.) Das zweite Mal kommt er dann zum Retten und zum Richten …

Doch nun kommt die Rätselfrage: Wenn Jesus von Gott gekommen ist, die Welt zu retten, die „Welt“ aber gar nicht gerettet wird, sondern verloren geht, wie passt das zusammen? Die Frage beantwortet sich, wenn wir erkennen, dass die „Welt“ vor Gott nicht eine Menschenmasse ist, sondern nur aus den vielen einzelnen Menschen besteht. Vor Gott zählt nicht die „Welt“, sondern jeder einzelne Mensch. Und so bezieht sich die Rettung, die Jesus der Welt bringt, immer auf den einzelnen Menschen.

Jesus hat das klar zum Ausdruck gebracht: „Geht durch das enge Tor hinein! Denn breit ist das Tor und weiträumig der Weg, die ins Verderben führen, und viele sind es, die da hineingehen. Wie eng ist das Tor und wie beengt der Weg, die ins Leben führen, und wenige sind es, die sie finden.“ (Mt 7,13-14). Jesus kennt sogar das Zahlenverhältnis: Wenige werden gerettet, viele gehen verloren. Natürlich darf man fragen: Wie kann das sein?

Dass Gott dem Menschen ein Angebot macht, ihn aber nicht dazu zwingt, ist eine Auswirkung seiner Liebe. Denn Liebe zwingt nicht, Liebe gibt frei. Gerade die Liebe ist es, die dieses freie Angebot der Rettung macht. „Auf diese Weise liebt Gott nämlich die Welt: Er hat den einziggeborenen Sohn gegeben, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat.“ (Jo 3,16). Der Glaube ist das Mittel, mit dem der Mensch die ihm in Liebe angebotene Rettung ergreift. Es sind natürlich Gottes Bedingungen, unter denen das alles stattfindet. „Auf diese Weise liebt Gott die Welt …“

Und dass die Zurückweisung dieser Liebe den Zorn Gottes erweckt, ist natürlich völlig verständlich.

Sind „wir“ wirklich Christen …

Sind „wir“ wirklich Christen, was ist dann Gott?

(Ein Artikel von Sören Kierkegaard aus seiner Zeitschrift „Der Augenblick“. Erschienen am 4. Juni 1855)

Die Sache verhält sich doch so: dass unser Begriff eines „Christen“ eine Einbildung ist, dass diese ganze Maschinerie mit einer Staatskirche und 1000 geistlich-weltlichen Kanzleiräten eine ungeheure Augenverblendung ist, die uns in der Ewigkeit nicht das Mindeste helfen wird, die sich im Gegenteil in eine Anklage gegen uns verkehren wird … Und wenn sich die Sache so verhält, dann wollen wir in diesem Fall doch um der Ewigkeit willen diese Maschinerie je eher, je lieber loswerden … –

Wenn sich die Sache aber nicht so verhält, wenn der „Christ“ wirklich das ist, was „wir“ unter einem solchen verstehen: Was ist dann Gott im Himmel?

Er ist das lächerlichste Wesen, das je gelebt hat. Sein Wort ist das lächerlichste Buch, das je ans Licht gekommen ist. Himmel und Erde in Bewegung zu setzen (wie er ja in seinem Wort tut), mit der Hölle, mit ewiger Strafe zu drohen – um das zu bekommen, was „wir“ unter einem „Christen“ verstehen. (Und wir sind ja „wahre Christen“!) Nein, etwas so Lächerliches ist noch nie dagewesen!

Denke dir, es trete ein Mann mit scharfgeladener Pistole auf jemanden zu und sagte zu ihm: „Ich schieße dich nieder“; – oder stelle dir seine Drohung noch schecklicher vor, denke dir, er sage: „Ich bemächtige mich deiner Person und martere dich auf die grausamste Weise zu Tode, wenn du nicht (Nun merke wohl, was da kommt:) – wenn du nicht dein Leben hier auf Erden so profitabel und genussreich anlegst, als es dir möglich ist!“, so ist das doch wohl äußerst lächerlich. Denn um das zu bewirken, braucht man wirklich nicht mit einer scharfgeladenen Pistole oder der qualvollsten Todesart zu drohen. Denn vielleicht wären sogar weder die scharfgeladene Pistole noch die qualvollste Todesart imstande, das überhaupt zu verhindern.

Und so auch hier: Durch die Schrecken einer ewigen Strafe (fürchterliche Drohung!) und durch die Verheißung einer ewigen Seligkeit bewirken zu wollen – ja, das bewirken zu wollen, was „wir“ sind! (Denn der Christ ist ja das, was „wir“ unter ihm verstehen!) Also das bewirken zu wollen, was „wir“ sind: dass wir das Leben wählen, nach dem es uns am meisten gelüstet! (Denn dass wir das Zuchthaus meiden, gebietet ja die einfache Klugheit!)

Die schrecklichste Art von Gotteslästerung ist die, welche die „Christenheit“ verschuldet. Dass sie den Gott des Geistes in ein lächerliches Geschwätz verwandelt. Und die geistloseste Art von Gottesverehrung – geistloser als alles, was je das Heidentum aufbrachte, geistloser als die Verehrung eines Steins, eines Ochsen, eines Insekts, geistloser als alles, was überhaupt an Geistlosigkeit möglich ist – ist dies: als Gott einen Faselhans anzubeten.“

Eine Schwierigkeit an dem Neuen Testament

(Eine Schwierigkeit an dem Neuen Testament – ein Artikel von Sören Kierkegaard. Aus seiner Zeitschrift „Der Augenblick“, Ausgabe vom 4. Juni 1855)

In dem Neuen Testament sind alle Verhältnisse, alle Proportionen im Großen angelegt.

Das Wahre ist ideal dargestellt; andererseits gehen auch die Irrtümer, die Ausschreitungen ins Große: es wird vor Heuchelei gewarnt, vor allerlei Irrlehre, vor Werkheiligkeit usw. usw.

Aber seltsam genug, das Neue Testament nimmt absolut keine Rücksicht auf das, was in dieser Welt leider nur in allzu großer Masse vorhanden ist, auf das, was den Inhalt dieser Welt bildet: auf die Salbaderei, die Jämmerlichkeit, die Mittelmäßigkeit, das Geschwätz und Gewäsch, das Christentumsspiel, die allgemeine Phrasenhaftigkeit usw.

Hieraus entsteht nun die Schwierigkeit, dass man mit Hilfe des Neuen Testaments fast unmöglich das wirkliche Leben anfassen kann, die wirkliche Welt, in der wir leben, in der auf einen qualifizierten Heuchler immer 100.000 Schwätzer kommen, auf einen qualifizierten Ketzer immer 100.000 Silbenstecher.

Das Neue Testament scheint hohe Vorstellungen davon zu hegen, was es heißt, ein Mensch zu sein. Auf der einen Seite hält es das Ideal vor. Und wenn es die Verkehrtheit schildert, so sieht man wieder, dass es von der menschlichen Existenz eine hohe Vorstellung hat. Aber das Geschwätz, die Kleinlichkeit, die Mittelmäßigkeit erhalten nie ihren Treff.

Dessen hat sich die Faselei seit undenklicher Zeit bedient, um sich als die wahre christliche Rechtgläubigkeit festzusetzen – und das gab diese unübersehbaren Bataillone von Christen. Diese, wenn auch nicht durch Geist, so doch durch die Zahl mächtige Rechtgläubigkeit macht es sich zunutze, dass man sie in Wahrheit – und damit hat sie wirklich Recht – nicht der Heuchelei, der Irrlehre usw. beschuldigen kann. Denn weil man dies nicht kann, ergo ist sie die wahre christliche Rechtgläubigkeit.

Das macht sich auch ganz gut. Überall nämlich hat das Höchste und das Niedrigste eine gewisse flüchtige Ähnlichkeit miteinander. Dieses ist wie jenes nicht das, was dem Höchsten etwas nahe steht. Oder beide sind nicht das, was zwischen dem Hohen und dem Niederen vermittelt. So hat es eine gewisse Ähnlichkeit miteinander, über und unter aller Kritik zu sein. Dies gilt nicht von der Rechtgläubigkeit jener Massen und der Geistlichen, die von jenen in Masse leben. Sie ähnelt dem wahren Evangelium insofern, als sie unleugbar nicht Irrlehre, Ketzerei ist.

Übrigens gleicht sie dem wahren Christentum noch weniger als irgendwelche Ketzerei und Irrlehre. Die Sache verhält sich so: So hoch das wahre Christentum über aller Ketzerei, allen Irrtümern und Verirrungen steht, so tief liegt das Geschwätz unter den Ketzereien, Irrtümern und Verirrungen. Aber, wie gesagt, die Schwierigkeit an dem Neuen Testament ist diese: dass es, für das Ideal gegen Geister kämpfend, nie speziell dieses ungeheure Korpus aufs Korn nimmt, das in der „Christenheit“ beständig die wahre christliche Rechtgläubigkeit repräsentiert, deren christlicher Ernst darin seinen Ausdruck findet, dass „Wahrheitszeugen“ – welch satirischer Selbstwiderspruch! – in dieser Welt Karriere und Glück machen, indem sie sonntags schildern, wie die Wahrheit in dieser Welt leiden muss.

Darauf muss man wohl achten. Und wenn man darauf achtet, so wird man sehen, dass das Neue Testament doch Recht hat, dass doch alles so kommt, wie das Neue Testament es vorausgesagt hat. Mitten in diesen ungeheuren Völkern von „Christen“, in diesem Gewimmel von „Christen“ leben hie und da einige Einzelne, ein Einzelner. Für ihn ist der Weg schmal – vgl. das Neue Testament. Er wird von allen gehasst – vgl. das Neue Testament. Ihn totzuschlagen gilt für einen Dienst gegen Gott – vgl. das Neue Testament. Es ist doch ein kurioses Buch, dieses neue Testament; es bekommt doch Recht. Denn dieser Einzelne, diese Einzelnen – ja die waren die Christen.

Das Haus Gottes

Das letzte steinerne Gotteshaus im Neuen Testament war der Tempel in Jerusalem. Als Wohnstatt Gottes wurde er abgelöst, als Jesus am Kreuz das ein für alle Mal gültige Opfer darbrachte. Zu diesem Zeitpunkt zerriss der Vorhang vor dem Allerheiligsten im Tempel (s. Mt 27,51). Dieser zerrissene Vorhang symbolisierte, dass der Zugang zu Gott jetzt frei war – für jeden Menschen an jedem Ort.

Jesus hatte das einer samaritanischen Frau gegenüber vorausgesagt: „Glaube mir, Frau, es kommt eine Zeit, in der ihr weder auf diesem Berg noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet. … Aber es kommt eine Zeit – und es ist jetzt –, dass die wahren Anbeter den Vater im Geist und in der Wahrheit anbeten. Und der Vater sucht ja solche, die ihn so anbeten. Gott ist Geist; und die, die ihn anbeten, müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten“ (Jo 4,21-23).

Adolf Schlatter schreibt in seinem Kommentar „Der Evangelist Matthäus“ zu Mt 5,6: „Jesus bedurfte zum Gebet keinen geweihten Raum, nur Einsamkeit … In der Freiheit von allen kultischen Satzungen stand die palästinische Kirche der paulinischen nicht nach. Matthäus hat ebenso wenig Kirchen gebaut als Paulus.“

Jesus hat den überall gültigen Zugang zu Gott hergestellt, indem er ins himmlische Heiligtum ging: „Und nicht mit Blut von Böcken und Stieren, sondern mit seinem eigenen Blut ist er ein für alle Mal ins Heiligtum gegangen und hat ewige Erlösung erwirkt.“ (Heb 9,12).

Nun wird ein anderes „Haus Gottes“ gebaut: „Lasst euch selbst als lebendige Steine aufbauen, als geistliches Haus, zu einer heiligen Priesterschaft, um geistliche Opfer darzubringen, die Gott willkommen sind durch Jesus den Messias!“ (1 Pe 2,5).
Oder wie im Hebräerbrief in Bezug auf den Messias steht: „Sein Haus sind wir, wenn wir die Zuversicht und die Hoffnung, auf die wir stolz sind, behalten.“ (Heb 3,6).
Oder bei Paulus: „… damit du weißt, wie man im Haus Gottes verfahren muss, das ist die Gemeinde des lebendigen Gottes, Pfeiler und fester Grund für die Wahrheit.“ (1 Tim 3,15).

Die Gemeinde der Nachfolger von Jesus ist jetzt also das Haus Gottes – es gibt kein anderes auf der Welt.

Für öffentliches Lehren nutzte man im Neuen Testament auch öffentliche Räume: Die Halle Salomos in Jerusalem, Synagogen an verschiedenen Orten, das Haus des Titius Justus (s. Apg 18,9), den Lehrsaal des Tyrannos (s. Apg 19,9). Das waren aber keinesfalls „gemeindeeigene Gotteshäuser“. Es waren öffentliche oder private Ge-bäude, die man zweckmäßig nutzte, wie es gerade nötig und möglich war.

Die Häuser, in denen sich ein „Gemeindeleben“ dann tatsächlich abspielte, waren die Häuser und Wohnungen der Gläubigen. Das wären dann noch am ehesten steinerne „Gotteshäuser“, wenn man so will. Aber auch diese Sichtweise findet man im Neuen Testament nicht.

(Dieser Beitrag ist ein Abschnitt aus meinem Buch „Die Gemeinde des Messias„. Als Teil der Leseprobe weckt er ja vielleicht Interesse an mehr …)

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