Entdeckungen eines Bibelübersetzers

Monat: Februar 2023

Judas – erhängt oder gestürzt?

Judas – erhängt oder gestürzt? Diese Frage ergibt sich, wenn man die zwei Aussagen über das Ende von Judas vergleicht.

Eher bekannt ist in der Regel der Bericht von Matthäus – Mt 27,3-5: „Als Judas, der ihn verraten hatte, nun sah, dass Jesus verurteilt worden war, bereute er es. Er brachte die dreißig Silberstücke zurück zu den obersten Priestern und Älteren und sagte: ‚Ich habe mich versündigt, ich habe unschuldiges Blut verraten.‘ Sie antworteten: ‚Was willst du damit bei uns? Sieh du zu!‘ Und er warf die Silberstücke zum Tempelhaus hin, zog sich zurück, ging weg und erhängte sich. Die obersten Priester nahmen die Silberstücke und sagten: ‚Es ist nicht erlaubt, sie in den Opferkasten zu tun, weil es Blutgeld ist.‘ Nachdem sie einen Beschluss gefasst hatten, kauften sie davon den Acker des Töpfers als Begräbnisplatz für die Fremden.“

Dann stolpert man aber in der Apostelgeschichte über die folgende Aussage von Petrus über Judas – Apg 1,18: „Er hat nun vom Lohn des Unrechts ein Stück Land erworben. Und als er hinabgestürzt wurde, platzte er in der Mitte, und alle seine Eingeweide wurden ausgeschüttet.“

Und der Bibelkritiker wittert hier auch gleich wieder die Widersprüche, die er so gerne mag. Haben nun die Priester das Land gekauft oder Judas? Und Judas – erhängt oder gestürzt?

Die Lösung des Rätsels wird einfach, wenn man bedenkt, dass man Judas als Selbstmörder keine ehrenhafte Bestattung geben konnte. Der Leichnam eines Selbstmörders wurde wie Müll entsorgt. Die Müllhalde von Jerusalem war im damals noch erheblich tieferen Hinnomtal. Das ist eine Schlucht im Südwesten der Stadt. In diese konnte man vom Stadtrand aus praktischerweise alles hinunterwerfen, was nicht mehr zu gebrauchen war. Natürlich waren das nicht die Müllmengen wie heute.

So wurde also auch der Leichnam des erhängten Judas dort hinuntergeworfen und ist dabei beim Aufprall offensichtlich zerplatzt. Für alle, die es sahen, war das ein eindrückliches Zeichen für die Verworfenheit dieses Mannes. So eindrücklich, dass man es in Erinnerung behielt und weitererzählte.

Nun ist auch klar, dass Judas dieses Stück Land, den „Blutacker“, nicht selbst, sondern indirekt erworben hat, indem der Oberste Rat mit seinem von ihm in den Vorhof des Tempels geworfenen Geld diesen Acker kaufte als Begräbnisplatz für die Fremden.

Bezeichnungen für den Satan

Eine der Bezeichnungen für den Satan ist das deutsche Wort „Teufel“. Dieses ist ein Lehnwort, das sich aus dem griechischen „diabolos“ entwickelt hat, das Bedeutungen wie „Verleumder, Irreführer, Durcheinanderwerfer“ hat. In diesen Bedeutungen kann es auch auf Menschen angewandt werden. Im Neuen Testament ist es in der Regel aber eine Bezeichnung für den Satan.

„Beelzebub“ ist im Judentum zur Zeit von Jesus eine Bezeichnung für den
Obersten der dämonischen Geister, den Satan. Für die Herkunft des Wortes
gibt es verschiedene Erklärungen. Die am meisten einleuchtende finde
ich bei Adolf Schlatter. Er ist in der jüdischen Literatur jener Zeit auf das Wort „Beel-Debab“ gestoßen, das auf Griechisch mit „der Feind“ wiedergegeben
wird. Dann wäre es passenderweise eine Umschreibung für das
Wort „Satan“, das man aus abergläubischen Gründen nicht aussprechen
wollte.

Auch „Beliar“ in 2. Korinther 6,15 ist eine dieser diversen jüdischen Bezeichnungen für den Satan.

Erbauung oder Aufbau

Erbauung oder Aufbau, das ist die Frage. Die traditionelle Übersetzung „Erbauung“ für das griechische „oikodomé“ hat im frommen Verständnis leider die Tendenz zur „Erbaulichkeit“ entwickelt. Vielleicht fallen uns jene „Erbauungs“-Stunden ein, in denen man „erbauliche“ Verkündigung pflegt. Mit ihr lassen sich fromme Christen in ihren frommen Ansichten bestätigen und fühlen sich „erbaut“. Aber geistlich bewegt sich nichts in ihrem Leben.

Die Botschaft Gottes ist aber nicht dazu da, Menschen zu bestätigen, sondern in Frage zu stellen. Sie will Christen zur – geistlich verstandenen – vollkommenen Hingabe und Heiligkeit führen. Die erwähnte „Erbaulichkeit“ ist ein Hindernis auf diesem Weg. Erbauung oder Aufbau, das ist also eine Grundfrage des Christen- und Gemeindelebens.

Deshalb wird im Neuen Testament und also auch in meiner Übersetzung die christliche Gemeinde nicht „erbaut“, sondern „aufgebaut“. So entspricht es auch dem griechischen Wort „oikodomé“, das im eigentlichen Sinne den Bau von Häusern bedeutet. Hier soll alles nicht der „Erbauung“ dienen, sondern dem Aufbau. Jeder Einzelne erhält Aufbau, um teilzunehmen am Aufbau der Gemeinde, der Wohnung Gottes im Geist. In ihr geht es nicht „erbaulich“ zu, sondern geistlich.

1 Kor 3,10-15: „Entsprechend der mir von Gott gegebenen Gnadengabe habe ich als weiser Architekt ein Fundament gelegt, ein anderer baut darauf auf. Jeder soll sehen, wie er aufbaut. Ein anderes Fundament kann freilich niemand legen neben dem gelegten: Das ist Jesus der Messias. Ob auf das Fundament aber jemand Gold, Silber, Edelsteine, (oder) Holz, Gras, Schilf aufbaut – das Werk eines jeden wird sichtbar werden. Der Gerichtstag wird es klar erkennbar machen, weil mit Feuer aufgedeckt wird. Und wie auch immer das Werk eines jeden ist, das Feuer wird es prüfen. Wenn jemandes Werk bleibt, das er aufgebaut hat, wird er Lohn bekommen. Wenn jemandes Werk verbrennt, wird er Schaden nehmen.“

1 Kor 14,3-4: „Wer prophetisch spricht, spricht für Menschen: Aufbau, Ermutigung und Trost. Wer in einer Gebetssprache redet, baut sich selber auf. Wer prophetisch spricht, baut Gemeinde auf.“

Röm 14,19: „Also wollen wir nun hinter allem her sein, was dem Frieden und dem gegenseitigen Aufbau (dient)!“

Röm 15,2: „Jeder von uns soll dem anderen gefallen, auf das Gute hin, zum Aufbau.“

Eph 2,21-22: „In ihm wird das ganze Bauwerk zusammengefügt und wächst zu einem heiligen Tempelhaus im Herrn, in dem auch ihr mit aufgebaut werdet zu einer Wohnung Gottes im Geist.“

Eph 4,11-12: „Und er hat (als Gaben) gegeben: die Gesandten, die Propheten, die Botschafter und die Hirten und Lehrer, damit sie die Heiligen ausbilden zum Tun des Dienstes, zum Aufbau des Leibes des Messias, …“

Eph 4,16: „Aus ihm heraus wird der ganze Leib zusammengefügt und zusammengehalten durch jede unterstützende Sehne nach dem Maß der Mitwirkung jedes einzelnen Teils, und so wird das Wachstum des Leibes vollbracht zu seinem Aufbau in Liebe.“

Eph 4,29: „Kein untaugliches Wort darf aus eurem Mund kommen, sondern wenn, dann ein gutes – zum nötigen Aufbau, damit es denen, die es hören, Gnade gibt.“

1 Pe 2,4-5: „Kommt zu ihm, dem lebendigen Stein – zwar von Menschen verworfen, bei Gott aber auserwählt und kostbar – und lasst euch selbst als lebendige Steine aufbauen, als geistliches Haus, zu einer heiligen Priesterschaft, um geistliche Opfer darzubringen, die Gott willkommen sind durch Jesus den Messias.“

Nicht aus „Blut“ geboren

In Joh 1,12 werden die Kinder Gottes gekennzeichnet als solche, die „aus Gott geboren“ sind. Davor stehen drei negative Bestimmungen: Sie sind nicht aus „Blut“ geboren, nicht aus körperlichem Verlangen und nicht aus menschlichem Willen.

Nicht aus menschlichem Willen, das heißt auch, nicht aus menschlicher Planung. Also haben nicht Menschen beschlossen, dieses Kind zu wollen und zu bekommen.

Nicht aus körperlichem Verlangen, das heißt, nicht aus dem triebhaftigen Verlangen des Körpers nach Sex, wobei in Kauf genommen wird, mehr oder weniger gewollt ein Kind zu erzeugen. Also hat auch das körperliche sexuelle Verlangen dieses Kind nicht hervorgebracht.

Aber was heißt: Nicht aus „Blut“ geboren“? Aus Blut entstehen keine Kinder. Nun wusste der antike Mensch natürlich, was Blut ist. Aber die differenzierte Kenntnis der Körperflüssigkeiten, wie die moderne Wissenschaft sie erforscht hat, hatte er noch nicht. Und so dachte ich zunächst, „Blut“ könnte hier ein allgemeinerer Begriff für Körperflüssigkeiten oder Körpersäfte sein. Über die gab es in den früheren Zeiten ja spezifische medizinische Lehren. Und so könnte man vielleicht auch Sperma und Eizellen mit unter „Blut“ verstehen. Aber an der Übersetzung bin ich dann doch gescheitert. Kinder Gottes, die „nicht aus Körpersäften“ oder „nicht aus Körperflüssigkeiten“ geboren sind?

Eigenartigerweise hilft einem dann doch noch einmal ein einfacher Blick ins Lexikon. Wörter haben oft mehrere Bedeutungen. Und so fand ich unter „haíma“, dem griechischen Begriff für „Blut“, auch die Bedeutung „Blutsverwandtschaft“ im Sinne der menschlichen Abstammung von den Vorfahren. Die blutsverwandten Vorfahren eines Menschen sind im Griechischen also auch sein „Blut“. Und so wird es klar: Die Abstammungsreihe lebt ja davon, dass immer wieder neue Nachkommen hervorgebracht werden. Aber so entstehen keine Kinder Gottes. Kinder Gottes sind „nicht aus der menschlichen Abstammung geboren“. Also sind sie nicht das Produkt einer menschlichen Vorfahrenreihe.

So umschreibt Johannes hier die Wiedergeburt. Aus der menschlichen Abstammung, aus dem körperlichen Verlangen und aus der menschlichen Familienplanung entsteht der natürliche Mensch. Und der natürliche Mensch ist der alte Mensch, der sündige Mensch, von dem gilt, dass Fleisch und Blut das Reich Gottes nicht sehen werden. Und so haben die genannten menschlichen Zusammenhänge im Reich Gottes auch keinerlei Bedeutung.

Aus Gott geboren, das ist der neue Mensch, der geistliche Mensch, der nach der Aussage des ersten Johannesbriefs nicht mehr sündigt, ja nicht mehr sündigen kann. Johannes sagt, das sind die, „die an seinen Namen glauben“.

Vielleicht müssen wir da auch nocheinmal überlegen, was „glauben“ heißt …