Entdeckungen eines Bibelübersetzers

Im Geist

Es gibt einen Ausdruck im Neuen Testament, den ich oft gesehen, aber auch irgendwie überlesen habe, vermutlich, weil ich mir nicht so viel darunter vorstellen konnte. Am Anfang der Offenbarung z. B. schreibt Johannes: „Am Tag des Herrn war ich im Geist.“ Dieser Ausdruck „im Geist“ taucht bei genauem Hinsehen recht oft im Neuen Testament auf.

Dieses Phänomen des geistlichen Lebens war damals offenbar allgemein bekannt, denn es wird zwar genannt, aber niemand findet es für nötig, es zu erklären. Und dann muss es mit der Zeit im Zuge der Verkirchlichung aus dem christlichen Bewusstsein verschwunden sein. Ich erinnere mich auch nicht, je eine Auslegung oder Erklärung darüber gehört oder gelesen zu haben. Andererseits scheint es im Neuen Testament eine so zentrale Bedeutung zu haben, dass wir alles daransetzen sollten, es wieder für uns zu gewinnen.

Ich will jetzt auch nicht irgendwelche erste eigene Gedanken dazu schreiben, sondern erst einmal als Grundlegung in chronologischer Reihenfolge alle Stellen aufführen, an denen es im Neuen Testament vorkommt. Dabei ist das eine deutlich, dass es sich bei diesem „im Geist“ nicht um eine Aussage über den menschlichen Geist handelt, denn an einigen Stellen heißt es ausdrücklich „im Heiligen Geist“ oder „im Geist Gottes“.

Ich würde mich freuen, dazu Rückmeldungen zu bekommen, wenn jemand mehr darüber weiß oder von Gott her Aufschluss bekommt. Ich möchte das gerne in meine Überlegungen mit einbeziehen. Und hier die Bibelstellen:

Lk 2,27 – Simeon: „Im Geist kam er auf das Tempelgelände, als auch die Eltern das Kind Jesus hereinbrachten, um das vom Gesetz her Gewohnte mit ihm zu tun. Und er nahm es in die Arme und pries Gott …“

Lk 4,1 – Jesus: „Jesus, erfüllt von Heiligem Geist, wandte sich ab vom Jordan und ließ sich im Geist führen in der Wüste …“

Joh 4,23-24: „Aber es kommt eine Zeit, und es ist jetzt, dass die wahren Anbeter den Vater anbeten im Geist und in der Wahrheit. Und der Vater sucht ja solche, die ihn so anbeten. Gott ist Geist; und die, die ihn anbeten, müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten.“

Lk 10,21 – Jesus: „Zu dieser Zeit jubelte Jesus im Heiligen Geist: ‚Ich lobe dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, dass du diese Dinge verborgen hast vor Weisen und Einsichtigen und enthüllt hast für Unmündige! Ja, Vater, so war es beschlossen bei dir.'“

Mt 12,28 – Jesus: „Wenn ich aber im Geist Gottes die dämonischen Geister hinauswerfe, ist offenbar das Reich Gottes zu euch gekommen.“

Mk 12,36 – David: „Er selbst, David, hat im Heiligen Geist gesagt: ‚Der Herr hat meinem Herrn gesagt: Sitz an meiner rechten Seite, bis ich deine Feinde hinlege als Schemel für deine Füße!'“

1 Thess 1,4-5 – Paulus und seine Mitarbeiter: „Wir wissen, von Gott geliebte Geschwister, wie es war, als ihr ausgewählt wurdet, dass unsere Botschaft nicht nur in Worten zu euch kam, sondern auch in Kraft, im Heiligen Geist und in großer Überzeugung.“

Apg. 18,25 – Apollos: „Der unterrichtete den Weg des Herrn, sprach sprudelnd im Geist und lehrte die Dinge über Jesus genau, er kannte aber nur die Taufe des Johannes.“

Apg 19,21 – Paulus: „Nachdem diese Dinge ausgeführt waren, stellte Paulus im Geist (den Plan) auf, durch Mazedonien und Achaia zu gehen, und danach nach Jerusalem zu fahren. Und er sagte: „Wenn ich dort gewesen bin, muss ich auch Rom sehen!“

1 Kor 12,3: „Niemand, der im Geist Gottes spricht, sagt: ‚Verflucht ist Jesus!‘ Und niemand kann sagen ‚Herr ist Jesus!‘, außer im Heiligen Geist.“

1 Kor 14, 16: „Wenn du Gott preist im Geist, wie soll der, der den Platz des Unwissenden ausfüllt, das Amen sagen auf deinen Dank, nachdem er nicht weiß, was du sprichst?“

2 Kor 6,3-6 – Paulus: „Wir geben niemandem mit nichts einen Anstoß, damit der Dienst nicht in Verruf kommt, sondern beweisen uns in allem als Gottes Diener: in großer Ausdauer, in Bedrängnissen, in Zwangslagen, in Notlagen, in Schlägen, in Inhaftierungen, in Unruhen, in Mühen, in Schlaflosigkeit, in Fasten, in Reinheit, in Erkenntnis, in Geduld, in Freundlichkeit, im Heiligen Geist, in ungeheuchelter Liebe, …“

Röm 2,28-29: „Nicht der ist nämlich ein Jude, der es im Sichtbaren ist, und nicht das am Körper Sichtbare ist Beschneidung, sondern der ist ein Jude, der es im Verborgenen ist, und er hat Beschneidung des Herzens im Geist, nicht mit Buchstaben. Dessen Lob kommt nicht von Menschen, sondern von Gott.“

Röm 8,8-9: „Die nach der menschlichen Natur leben, können Gott nicht gefallen. Ihr aber lebt nicht nach der menschlichen Natur, sondern im Geist, wenn denn Geist Gottes in euch wohnt.“

Röm 9,1-2 – Paulus: „Wahrheit sage ich im Messias, ich lüge nicht, mein Gewissen bestätigt es mir im Heiligen Geist, dass ich große Trauer und unablässigen Schmerz in meinem Herzen habe. …“

Röm 12,11: „Im Geist – seid sprudelnd!“

Röm 14,17: „Das Reich Gottes ist doch nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude im Heiligen Geist.“

Röm 15,16: „… ein Diener des Messias, Jesus, für die Nichtjuden zu sein, indem ich Priesterdienst tue mit der Botschaft Gottes, damit die Nichtjuden als Opfergabe willkommen sind, heilig geworden im Heiligen Geist.“

Eph 2,21-22: „In ihm wird das ganze Bauwerk zusammengefügt und wächst zu einem heiligen Tempelhaus im Herrn, in dem auch ihr mit aufgebaut werdet zu einer Wohnung Gottes im Geist.“

Eph 3,5: „Dieses wurde den Menschenkindern in anderen Generationen so nicht bekannt gemacht, wie es jetzt seinen heiligen Gesandten und Propheten enthüllt wurde im Geist: …“

Eph 5,18: „Betrinkt euch auch nicht mit Wein, darin ist Zügellosigkeit, lasst euch vielmehr füllen im Geist: …“

Eph 6,18: „Bei allem Beten und Bitten betet bei jeder Gelegenheit im Geist und wacht dazu mit Dranbleiben und Bitten über alle Heiligen!“

Judas 20: „Ihr aber, Geliebte, baut euch auf in eurem heiligsten Glauben, indem ihr im Heiligen Geist betet!“

1 Pe 1,12: „… durch die, die euch die Botschaft brachten im Heiligen Geist, der vom Himmel gesandt wurde.“

Offb 1,10 – Johannes: „Am Tag des Herrn war ich im Geist. Und ich hörte hinter mir eine gewaltige Stimme wie ein Hornsignal: …“

Offb 4,2: „Sogleich war ich im Geist.“

Offb 17,3: „Und im Geist brachte er mich weg in eine Wüste.“

Offb 21,10: „Und im Geist brachte er mich weg auf einen großen und hohen Berg, und er zeigte mir die heilige Stadt Jerusalem, die von Gott aus dem Himmel herabkam: …“

2 Kommentare

  1. Stefan

    Es ist unter Anderem in Matthäus 9:29 erklärt: „Es geschehe Euch nach Eurem Glauben“. Deutlicher kann das Primat des Geistes nicht positioniert werden.
    Manchmal liegt in der Kürze die Würze. Viele elementare Stellen im NT kommen nur einmal kurz vor, augenfälliges Beispiel Jesus und die Sünderin.
    Daher ist es von herausragender Bedeutung, dass man das NT gut entschlüsseln kann (und Du hast Dir mit der Offenbarung natürlich eine sehr „verschlüsselte“ Stelle gewählt) und besonders hilfreich ist für mich dabei die Übersetzung der Bibel in Gerechter Sprache (ein akademisches Projekt aus den frühen 2000er Jahren).
    Zu meinem Punkt: Es gibt – wenn man es richtig liest – im NT viele rote Fäden, einer davon ist die integrale Zusammengehörigkeit – oder besser Untrennbarkeit – von Körper Geist und Seele. Es gibt dabei ein Primat des Geistes (Genesis, erster Abschnitt) sowie die fundamentale Bedeutung von Seele (siehe Lukas und die Witwe mit den 7 Männern) und des Körpers. Schon das Kommen des Erlösers deutet implizit und explizit auf die Bedeutung des Körpers hin – der einen menschlichen Geist beheimatet. Nur durch den Körper und dem mit ihm verbundenen freien Willen können wir handeln. Im Übrigen spiegelt diese Untrennbarkeit auch unsere Untrennbarkeit vom Göttlichen. 
    Dieser Geist um den es geht ist niemals vom heiligen Geist getrennt. Aber – da stimme ich dem Artikel zu – die Zugänge mögen verloren gegangen sein, ja natürlich.
    In der von mir kurz zitierten Stelle wird das auf den Punkt gebracht: Der Mensch glaubt ja nicht vorbehaltslos, sondern Emotionen und Geist plappern dauernd dazwischen. Daher ist es ein menschlicher Weg, dass wir lernen die Ratio auf ihren Platz zu verweisen und uns ganz dem heiligen Geist hinzugeben. Es gilt: Gedanken sind gute Diener aber schlechte Herren. 
    Jesus fasst dies zusammen, wie zitiert. Das bedeutet – im Zusammenhang mit anderen wichtigen Stellen – dass wir alle auf einem Weg sind, auf dem wir durchaus unterschiedlich weit kommen (ein Weizenkorn wird vom Wind davon getragen). Aber es bedeutet vor Allem, dass wir aufgefordert sind, vorbehaltlos zu glauben, uns dem heiligen Geist anzuvertrauen, die vermeintliche Bedeutung der Gedanken aufzugeben und aus diesem Glauben heraus unsere Wahl auf der Welt treffen. Dann werden wir im Geist und durch den Geist getragen und gelenkt. Diese Aufgabe des „Ich“ (ein weiterer zentraler Gedanke) wird ja schon in der Taufe durch die Aufnahme in die _Gemeinschaft_ der Gläubigen symbolisch vorweg genommen. 
    Ich könnte jetzt noch viel schreiben, aber manchmal lassen sich kurze und prägnante Elemente auch besser kontemplieren und für das eigene Leben transzendieren. 
    LG – Stefan

  2. Gerd Krohne

    Lieber Uli,
    Meine persönliche Interpretation dieser Schriftstellen geht – zunächst mal oberflächlich – dahin im Verständnis, daß unser Gebet nicht aus unserem Verstand heraus, sondern aus einer übernatürlichen Ergriffenheit durch den heiligen Geist aus der Tiefe meines Herzens (entsprechend dann auch oft unter Tränen und innerer Erschütterung) entspringt. Das ist leider bei mir nicht so oft der Fall. Wenn es dann aber vom Herrn geschenkt wird, ist es eine Wohltat und führt in aussergewöhnliche Zuversicht über die erbetenen Umstände.
    Sei gesegnet bei Deiner Suche nach der Wahrheit. Siehe Psalm 1: Wohl dem der.. sondern sinnt über seinem Wort Tag und Nacht!
    L.G.

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