Entdeckungen eines Bibelübersetzers

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Ehelosigkeit

Ehelosigkeit ist eine leider wenig beachtete Empfehlung des Neuen Testaments. Dabei ist natürlich nicht der Verzicht auf eine formelle Heirat gemeint, sondern der Verzicht auf jegliche sexuelle Beziehung überhaupt. Das schönere und positive Wort dafür wäre „Keuschheit“. Aber dieses Wort ist aus dem modernen Sprachgebrauch wegen des Desinteresses an der Sache fast ganz verschwunden. Dieses Schicksal teilt es auch mit seinem Gegenbegriff, der „Unzucht„. Natürlich schließt der Verzicht auf die Ehe auch den Verzicht auf eigene Kinder mit ein.

Vom Alten Testament her war ein Interesse an der Ehelosigkeit nicht zu erwarten. Das irdische Volk Israel war von seinem Ursprung her auf Abstammung und Fortpflanzung angelegt. Das ging bis hin zur Schwagerehe, in der ein Mann für seinen kinderlos verstorbenen Bruder mit dessen Frau noch einen Nachkommen erzeugen sollte. Auch die Pharisäer zur Zeit von Jesus waren auf Ehe und Nachkommenschaft fixiert, wie auch ihre geistigen Nachkommen, die orthodoxen Juden, bis heute.

Anders dagegen die Richtung der Essener, die damals schon den Gedanken entwickelt hatten, dass zu einer ganzen Hingabe an Gott die Ehelosigkeit am besten sei. Sie hatten deshalb neben Verheirateten auch viele Ehelose als Mitglieder in ihrer Gemeinschaft. Im Lukasevangelium begegnen uns die drei ledigen Geschwister Lazarus, Marta und Maria, die in Betanien zusammen wohnten. Ihre Lebensform ist in damaliger Zeit eigentlich nur denkbar, wenn sie Mitglieder oder zumindest Sympathisanten der Essener waren.

Auch bei Jesus selbst wird zu wenig beachtet, dass in seinem ganz an den Vater und die Menschen hingegebenen Leben eine Ehefrau keinen Platz hatte. (Und die ihm von der Welt angedichteten Verhältnisse wie z. B. mit Maria Magdalena sind natürlich völliger Unsinn.) Aber er hat es nicht nur vorgelebt, er hat auch davon gesprochen.

Seine Jünger kamen einmal im Gespräch über die Schwierigkeiten der Ehe zu dem Schluss: „Wenn die Sache des Ehemannes mit der Ehefrau so steht, ist es nicht gut zu heiraten.“ Und da stimmte ihnen Jesus zu und erklärte ihnen: „Nicht alle erfassen diese Sache, sondern nur die, denen es gegeben ist. Es gibt ja Eunuchen, die aus dem Mutterleib so geboren werden. Es gibt auch Eunuchen, die von den Menschen dazu gemacht werden. Und es gibt Eunuchen, die sich wegen des Königreichs der Himmel selbst dazu machen. Wer das erfassen kann, soll es erfassen!“ (Mt 19,10-12).

Ein Eunuch ist im engeren Sinne ein durch Kastration zeugungs- und damit eheunfähig gemachter Mann. Ím weiteren Sinne galt es damals offensichtlich auch für einen, der von Geburt an eine entsprechende Unfähigkeit hatte. Jesus erweiterte dieses Spektrum dann noch auf die, welche für sich selbst „wegen des Königreichs der Himmel“ auf sexuelle Beziehungen ganz verzichten. Und er geht davon aus, dass es solche Leute tatsächlich gibt. Es ist also keine Theorie, es ist Praxis. Natürlich hatte er damals das Beispiel der Essener vor Augen. Aber eine indirekte Empfehlung an seine Jünger darf man dabei sicherlich heraushören.

Eine deutlichere Sprache in dieser Richtung sprechen die mehrmals vorkommenden Stellen, an denen Jesus davon spricht, dass das Reich Gottes die natürliche Familie außer Kraft setzt. Man soll ihn mehr lieben als Vater und Mutter. Man kann Vater, Mutter, Frau und Kinder verlassen, um ihm zu folgen. Einem potentiellen Nachfolger verweigert er die Erlaubnis, die Beerdigung von dessen verstorbenem Vater auszuführen. Der Bruch mit der leiblichen Familie beinhaltet natürlich auch den Bruch mit der Ehe.

Diese Prioritätensetzung bestätigt Paulus in seinen Ausführungen zu Ehe und Ehelosigkeit in 1 Kor 7. Zunächst weist er eine generelle Ablehnung der Ehe zurück. „Was das betrifft, was ihr geschrieben habt: ‚Es ist gut für einen Mann, keine Frau zu berühren!‘ (Dazu sage ich:) Wegen der Unzucht soll aber jeder seine Frau haben und genauso jede den eigenen Mann.“ (Verse 1-2). Aber die Empfehlung zur Ehelosigkeit spricht der ehelose Gesandte des Herrn dann deutlich aus. Betrachten wir die Stellen dazu in der Zusammenstellung:

„(Wenn ihr mich fragt, dann) will ich, dass alle Menschen (unverheiratet) sind wie auch ich; aber jeder hat eine eigene Gabe von Gott, der eine so, der andere so.“ (Vers 7)

„Ich sage den Unverheirateten und den Witwen: Es ist gut für sie, wenn sie bleiben wie ich. Wenn sie aber nicht verzichten können, sollen sie heiraten. Es ist doch besser, verheiratet zu sein, als sich (vor Verlangen) zu verzehren.“ (Verse 8-9)

„Was die Jungfrauen betrifft, habe ich keine Anordnung des Herrn. Eine Meinung gebe ich aber als jemand, der beim Herrn das Erbarmen gefunden hat, gläubig zu sein: Ich glaube, dass Folgendes gut ist wegen der gegenwärtigen Not, dass es also gut ist für einen Menschen: Bist du an eine Frau gebunden, suche keine Loslösung, bist du von einer Frau gelöst, suche keine Frau!“ (Verse 25-27)

„Der Unverheiratete sorgt für die Dinge des Herrn, wie er dem Herrn gefällt. Der geheiratet hat, sorgt aber für die Dinge der Welt, wie er der Frau gefällt, und er ist zerteilt. Sowohl die unverheiratete Frau als auch die Jungfrau sorgt für die Dinge des Herrn, dass sie heilig ist, mit dem Leib und mit dem Geist. Die geheiratet hat, sorgt aber für die Dinge der Welt, wie sie dem Mann gefällt. Das sage ich, weil es gut für euch selbst ist, und nicht, um euch eine Schlinge überzuwerfen. Aber es soll angesehen sein, dem Herrn auch ungehindert zur Verfügung zu stehen!“ (Verse 32-35)

„Wenn aber jemand glaubt, er würde seine Jungfrau beschämen, wenn sie eine alte Jungfer würde, und es müsse so sein, dann soll er tun, was er will, er versündigt sich nicht, er soll sie heiraten lassen. Wer in seinem Herzen aber fest steht, keine Notwendigkeit sieht, Freiheit über seinen Willen hat und so in seinem Herzen beschlossen hat, seine Jungfrau zu bewahren, der tut gut daran. Deshalb macht es der, der seine Jungfrau heiraten lässt, gut, und der, der sie nicht heiraten lässt, macht es besser.“ (Verse 36-37)

„Eine Frau ist auf so lange Zeit gebunden, wie ihr Mann lebt. Wenn der Mann entschläft, ist sie frei, sich heiraten zu lassen, von wem sie will, nur im Herrn. Glücklicher ist sie meiner Meinung nach aber, wenn sie so bleibt. Und ich meine, dass auch ich Geist Gottes habe.“ (Verse 38-39)

Auch bei der Anerkennung der „wirklichen Witwen“ im ersten Timotheusbrief klingt diese Sichtweise durch: „Zu „Witwen“ darfst du (nur) die bestimmen, die wirkliche Witwen sind. … Die wirkliche Witwe, die niemanden mehr hat, hat ihre Hoffnung auf Gott gesetzt und bleibt beim Bitten und Beten Tag und Nacht.“ (1 Tim 6,1+3). Diese Bestimmung zeigt auch, dass die ehelose Lebensart zumindest bei diesen „wirklichen Witwen“ auf einer Entscheidung beruhte, die in der Gemeinde bekannt und anerkannt war. Sie sollte wohlüberlegt sein, man durfte sich dazu nicht leichtfertig verpflichten.

Offensichtlich hatte man damit auch schon entsprechende Erfahrungen gemacht. „Jüngere Witwen musst du aber zurückweisen! Denn wenn sie – entgegen dem Messias – üppig leben wollen, dann wollen sie (wieder) heiraten und haben das Urteil, dass sie mit der anfänglichen Treue gebrochen haben. Zugleich lernen sie auch, unnütz in den Häusern umherzugehen, und nicht nur unnütz, sondern auch schwatzhaft und neugierig, und zu reden, was sich nicht gebührt. Ich will also, dass jüngere (Witwen wieder) heiraten, Kinder haben, ein Haus führen, dem Gegner keinen Anlass zur Verleumdung geben. Schon haben sich ja einige abgewandt hinter dem Satan her.“ (1 Tim 6,11-15). Es geht also nicht darum, dass die Ehelosigkeit einen eigenen Wert an sich hätte, es geht vielmehr um den geistlichen Lebensstil, den sie ermöglicht.

Die christliche Lebensweise, die wir heutzutage im Allgemeinen kennen, beinhaltet die Wertschätzung von Ehe und Familie. Die Ehelosigkeit ist als Ausnahmefall institutionalisiert im katholischen Mönchs- und Nonnenwesen. Im evangelischen Bereich gibt es traditionell die Diakonissenhäuser und in moderneren Zeiten die Einrichtung von Kommunitäten, in denen die ehelose Lebensform ihren Platz hat. Beiden Bereichen ist gemeinsam, dass die Ehelosigkeit als Ausnahme und Sonderform angesehen wird. Der allgemeinen christlichen Gemeinde, die im Alltag lebt, ist sie entnommen. Die Gemeinde bleibt weiterhin im Denkmuster von Ehe und Familie als Normalfall. Und es gibt ja auch die Geschwister, denen es ein Anliegen ist, die noch vorhandenen Unverheirateten miteinander zu verkuppeln.

Die ganze Hingabe in der Nachfolge, die auf Ehe und Familie verzichtet, ist in der neutestamentlichen Gemeinde aber eine Realität. Die Ehelosigkeit gehört vor Ort in die Gemeinde als gleichwertige und anerkannte Lebensform neben der Ehe. In der Zeit der frühen Christen waren im römischen Reich immer wieder die Christenverfolgungen zu bestehen. Und in den Berichten über die Märtyrer tauchen immer wieder sogenannte „heilige Jungfrauen“ auf, die willig für Jesus in den Tod gingen. Die Sache war also auch damals noch eine Realität.

Die Endzeit, in der die Gemeinde steht, hat auch ihre Rückwirkungen auf die Sicht von Ehe und Familie. „Das sage ich, Geschwister: Die Zeit ist begrenzt. Im Weiteren sollen auch alle, die Frauen haben, wie solche sein, die keine haben.“ (1 Ko 7,29). Mit dieser Relativierung ist auch die romantische Vorstellung erledigt, die Ehe sei dazu da, einander glücklich zu machen. Das Glück des Christen kommt von Gott und nicht vom Ehepartner. Nebenbei bemerkt, kann der Verzicht auf solche weltlichen Vorstellungen eine große Entlastung für die Ehe bedeuten. Und die zerstörerische Vergötterung des Ehepartners und/oder der Kinder ist damit ausgeschlossen.

Ehelosigkeit ist nach Jesus dann auch die Lebensform der Zukunft, ein Hinweis auf die Existenzweise in der neuen Welt Gottes. Mt 29,30 / Mk 12,25 / Lk 20,35-36: „Die aber, die für wert gehalten werden, zu jener Welt zu kommen und zur Auferstehung von den Toten, die heiraten nicht und sind nicht verheiratet, wenn sie von den Toten auferstehen. Sie können ja auch nicht mehr sterben, sondern sie sind Engeln in den Himmeln gleich und sind Söhne und Töchter Gottes, weil sie Söhne und Töchter der Auferstehung sind.“

Der Fluch der Ehe

Der Fluch der Ehe gehört zu den Folgen des Sündenfalls. Nachdem Gott im Fluch über die Frau erst die schmerzhaften Geburten ankündigte, sagte er dann noch: „Und gegen deinen Mann (geht) dein Begehren, er aber will herrschen über dich!“

Um diese Aussage besser zu verstehen, ist es hilfreich, aus dem folgenden Kapitel die Worte Gottes an Kain zu betrachten. 1 Mo 4,7: „Ist es nicht so: Wenn du das Richtige tust, ist (dein Blick) erhoben, wenn du aber nicht das Richtige tust, lagert Sünde vor der Tür? Und gegen dich (geht) ihr Begehren, du aber sollst herrschen über sie!“

Die zwei Aussagen sind genau gleich aufgebaut:

„Und gegen deinen Mann (geht) dein Begehren, er aber will herrschen über dich!“

„Und gegen dich (geht) ihr Begehren, du aber sollst herrschen über sie!“

Was die Sünde gegenüber dem Menschen tut, das will die Frau gegenüber dem Mann: Begehren. Wenn ich etwas begehre, dann will ich es besitzen. Die Sünde will den Menschen besitzen, sie will Macht über ihn ausüben. Die Frau will den Mann besitzen, und dieses Besitzen ist natürlich auch eine Art Machtausübung, vermutlich auf die etwas feinere weibliche Art und Weise. Vielleicht sind „Steuern“ und „Manipulieren“ passende moderne Ausdrücke dafür.

Die Antwort darauf besteht im Herrschen. Der Mensch soll über die Sünde herrschen, soll sie also in die Schranken weisen und nicht über sich herrschen lassen. Der Mann wehrt sich gegen die Besitzergreifung der Frau, indem er über sie zu herrschen versucht, um die Oberhand zu behalten. Vielleicht ist dann „Dominieren“ der passende Ausdruck dazu.

Hier ist also der eheliche Urkonflikt ausgesprochen und programmiert: der Machtkampf zwischen Ehemann und Ehefrau. Die vielen Witze, die es über diese Problematik gibt, bestätigen deren Richtigkeit und Realität. Ehen werden also nicht im Himmel geschlossen. Gott hat die Ehe geschaffen und gesetzt, aber er hat infolge der Sünde im Fluch die Mühsamkeit des Lebens über sie ausgesprochen, wie auch über die Arbeit und die Fortpflanzung.

Die Frage ist, ob es dafür eine Lösung gibt. In diesem Zusammenhang ist mir ein Abschnitt aufgefallen, der innerhalb des Neuen Testaments aus dem Rahmen fällt – Eph 5,21-33:

„… – indem ihr euch einander unterordnet in Achtung vor dem Messias, die Ehefrauen ihren Männern wie dem Herrn, denn ein Ehemann ist Haupt (seiner) Frau, wie auch der Messias Haupt der Gemeinde ist, er, der Retter des Leibes. Also, wie sich die Gemeinde dem Messias unterordnet, so auch die Ehefrauen (ihren) Männern in allem. Ihr Ehemänner, liebt (eure) Frauen, wie auch der Messias die Gemeinde liebt und sich für sie hingegeben hat, um sie heilig zu machen – dazu hat er sie gereinigt mit dem Bad im Wasser und durch das Wort -, um sie sich herrlich hinzustellen, die Gemeinde, damit sie keinen Fleck oder eine Runzel oder etwas derartiges hat, sondern heilig und makellos sein soll.

So müssen auch die Ehemänner ihre Frauen lieben wie ihre eigenen Leiber. Wer seine Frau liebt, liebt sich selbst. Niemandem war doch jemals sein Körper gleichgültig, man gibt ihm vielmehr, was er braucht, und pflegt ihn. Und so (pflegt) auch der Messias die Gemeinde, weil wir Glieder seines Leibes sind. ‚Dafür wird ein Mann den Vater und die Mutter verlassen und sich mit seiner Frau verbinden, und die zwei werden körperlich eins sein.‘ Dieses Geheimnis ist groß. Ich sage das aber auf den Messias und auf die Gemeinde hin. Jedenfalls auch ihr, jeder Einzelne: Jeder soll seine Frau so lieben wie sich selbst! Die Frau aber: dass sie Achtung hat vor dem Mann!“

Das Auffallende in diesem Abschnitt ist, dass er dem allgemeinen Prinzip in der Gemeinde scheinbar zuwiderläuft. Die Christen in der Gemeinde haben untereinander – Männer und Frauen! – das Gebot von Jesus, einander zu lieben. Und sie haben, wie Paulus auch hier schreibt, das Gebot – Männer und Frauen! – sich einander unterzuordnen in Achtung vor dem Messias. Warum betont er nun hier so, dass der Mann, der sowieso alle lieben soll, auch seine Frau lieben soll? Und warum die Frau, die sich in Achtung vor dem Messias sowieso allen unterordnen soll, sich auch ihrem Mann unterordnen soll?

Diese spezielle Ermahnung von Paulus an die Eheleute ergibt aber einen guten Sinn, wenn man sie in Beziehung setzt zu 1 Mo 3 – dem Fluch der Ehe. Die Frau, die in menschlicher Art ihr Begehren auf ihren Mann gerichtet hat, hört jetzt auf damit und ordnet sich unter. Paulus formuliert es am Ende des Abschnitts auch noch anders: Sie hat Achtung vor ihm. Das ist offenbar ein alternativer Ausdruck für „unterordnen“. Der Mann, der in menschlicher Art über seine Frau zu herrschen versucht, hört jetzt damit auf und liebt – so wie Jesus seine Gemeinde.

Der Fluch der Ehe ist damit aufgehoben. Das neue Leben aus Gott kommt in die Ehe. Dass dafür Herzensveränderung mit Hilfe des Heiligen Geistes nötig ist, ist klar. Und so haben wir hier eine erlöste Ehe vor Augen, in der echte Liebe und echter Respekt die Haltung zueinander und den Umgang miteinander bestimmen. Das ist dann wohl auch die Antwort auf die Frage, was eine christliche Ehe ausmacht.

Paulus

Paulus ist im Neuen Testament der Mensch, über den wir am meisten erfahren. Sein Name wird in drei Versionen berichtet:

Sein hebräischer Name ist „Scha’úl“, das heißt „Erbetener“. Dieser Name war auch bekannt als der Name des ersten Königs in Israel. Und so hat ihn auch Jesus angesprochen auf dem Weg nach Damaskus: „Saul! Saul! Warum verfolgst du mich?“ Natürlich hat Jesus „Scha’úl“ gesagt.

Die Namensform „Saul“ kommt daher, dass man auf Griechisch kein „Sch“ sprechen und schreiben konnte. Dafür verwendete man ein „S“. Um den Namen beim Sprechen oder Schreiben zu verwenden, brauchte ein Grieche dann auch noch eine deklinierbare Endung dazu. Und so machte er „Saulos“ daraus. Über das Lateinische ist es dann als „Saulus“ zu uns gekommen.

Dass der Mann durch seine Bekehrung von einem „Saulus“ zu einem „Paulus“ geworden sei, ist allerdings eine fromme Legende. Paulus war nicht nur ethnischer Jude, sondern auch römischer Staatsbürger. Und als solcher trug er neben dem jüdischen auch einen römischen, also lateinischen Namen. Der Name „Paulus“ bedeutet „Kleiner“. Sicherlich hatte er ältere Geschwister, und so war er der „Kleine“ in der Familie. Römer waren manchmal wenig phantasievoll in ihrer Namensgebung.

Wenn man das weiß, dann versteht man, warum man ihn in den Anfängen der Apostelgeschichte im jüdischen Umfeld noch „Saulus“ nennt. Aber auf seiner Mission in die nichtjüdische Welt spielt dann sein römischer Name „Paulus“ eine wichtige Rolle.

Die Apostelgeschichte erzählt seine Geschichte ab der Steinigung von Stefanus (Apg 7,57-8,1a). Paulus hatte hier als junger Mann die Aufgabe übernommen, die Obergewänder derer zu bewachen, die sie ausgezogen hatten, um mehr Bewegungsfreiheit beim Steinewerfen zu haben.

Informationen über die Zeit davor entnehmen wir den autobiografischen Angaben, die er in Briefen, Gesprächen und Reden selbst gemacht hat. Ich stelle sie hier zusammen:

2 Kor 11,22: „Hebräisch sprechen sie? Ich auch. Israeliten sind sie? Ich auch. Nachkommen Abrahams sind sie? Ich auch.“

Röm 11,1: „Ich bin doch auch ein Israelit, von den Nachkommen Abrahams, vom Stamm Benjamin.“

Phil 3,5-6: „Beschneidung am achten Tag, aus dem Volk Israel, vom Stamm Benjamin, ein Hebräisch-Sprechender von Hebräisch-Sprechenden, hinsichtlich des Gesetzes ein Pharisäer, hinsichtlich des Eifers ein Verfolger der Gemeinde, hinsichtlich der Gerechtigkeit im Gesetz tadellos gewesen.“

Apg 21,39: „Ich bin ein jüdischer Mann aus Tarsos in Kilikien, Bürger einer nicht unbekannten Stadt.”

Apg 22, 3: „Ich bin ein jüdischer Mann, geboren in Tarsos in Kilikien, aufgezogen (hier) in dieser Stadt (Jerusalem). Zu den Füßen Gamaliels bin ich geschult in der Genauigkeit des Gesetzes der Vorfahren.“

Apg 22,25-27: „Während sie ihn mit den Riemen nach vorne streckten, sagte Paulus aber zu dem Offizier, der dastand: ‚Ist es euch erlaubt, einen römischen Bürger ohne Gerichtsurteil auszupeitschen?‘ Als der Offizier das hörte, ging er zum General und berichtete: ‚Was willst du tun? Dieser Mann ist Römer!‘ Der General kam zu ihm und sagte: ‚Sag mir: Bist du Römer?‘ Er sagte: ‚Ja!‘ Der General antwortete: ‚Ich habe dieses Bürgerrecht um eine große Summe erworben.‘ Paulus sagte: ‚Ich bin ein gebürtiger (Römer).’”

Apg 26,4-5: „Mein Lebenslauf von Jugend an war ja von Anfang an unter meinem Volk, und alle Juden in Jerusalem wissen es. Sie kennen mich schon von vorher – wenn sie es bezeugen wollen – dass ich von Anfang an nach der genauesten Richtung unserer Gottesverehrung gelebt habe, als Pharisäer.“

Alles Weitere steht in der Apostelgeschichte, deren Hauptperson er ist (außer Jesus natürlich). Lukas hat vieles mit ihm zusammen erlebt und berichtet. Nur sein Ende kommt dort nicht mehr vor, weil Lukas sein Buch davor schon abgeschlossen hatte.

Von Tertullian wissen wir aber, dass Paulus in der Christenverfolgung unter Nero in Rom getötet wurde. Weil er römischer Bürger war, durfte man ihn nicht qualvoll töten, wie z. B. Petrus am Kreuz. Die für römische Bürger vorgesehene Todesstrafe war (kurz und relativ schmerzlos) das Enthaupten.

Von Lukas erfahren wir in der Apostelgeschichte nichts darüber, dass Paulus auch Briefe geschrieben hat. Offenbar war das für Lukas und seine Zeit so selbstverständlich, dass es nicht erwähnenswert war. Aber natürlich hat Paulus während seiner Reisen als Gesandter von Jesus je nach Bedarf und Anlass seine Briefe geschrieben, zuletzt in Cäsarea die Gefangenschaftsbriefe.

Erste und zweite Auferstehung

Erste und zweite Auferstehung – diese Zählung und Unterscheidung finden wir in Kapitel 20 der Offenbarung.

Die erste ist die Auferstehung derer, die Jesus in Bedrängnis und Verfolgung treu waren. Paulus nennt sie in 1 Th 4,16 „die Toten im Messias“. Diese Auferstehung beinhaltet auch die Entrückung derer, die das Kommen des Herrn am Ende noch miterleben. Paulus spricht dann von ihrer „Verwandlung“, also Sterben und Auferstehen in einem Moment. Ausführlich kann man diese Dinge in 1 Ko 15 nachlesen.

Die zweite ist dann die Auferstehung der übrigen Toten, die erst nach den tausend Jahren stattfindet. Deshalb heißt die erste Auferstehung im Neuen Testament auch die Auferstehung „von den“ oder „aus den“ Toten. Die zweite ist die Auferstehung „der“ Toten.

Die Unterscheidung dieser zwei Auferstehungen sehen wir im ganzen Neuen Testament. Bei Paulus finden wir in 1 Ko 15,22-24 allerdings noch eine andere Zählung. „Denn gerade wie sie in Adam alle sterben, so werden sie im Messias auch alle lebendig gemacht. Jeder aber in seiner Reihenfolge: als erste Frucht der Messias, danach die, die dem Messias gehören, bei seiner Ankunft, danach die Vollendung, wenn er Gott dem Vater das Königreich übergibt, wenn er jede Herrschergewalt, jede Macht und Kraft zunichtegemacht hat.“

Als Erstes kommt in dieser Zählung die Auferstehung von Jesus. Dann kommen als Zweites die, die dem Messias gehören. Und die „Vollendung“ der Auferstehung wird als Drittes am Ende geschehen, wenn alle auferstehen. Wir finden also auch bei diesen Zählungen kein festes Schema im Neuen Testament, aber die Sache ist klar.

Zur Auferstehung von Jesus gehört dann auch die singuläre und zugegebenermaßen etwas rätselhafte Aussage von Matthäus. Mt 27,52b-53: „Viele Leiber der entschlafenen Heiligen wurden auferweckt; nach seiner Auferweckung kamen sie aus den Grabkammern, gingen in die Heilige Stadt und erschienen vielen.“ Das würde in der Konsequenz heißen, dass mit Jesus auch schon die Heiligen des Alten Testaments auferstanden sind.

Aber wie gesagt, wir finden keine weiteren und klärenden Parallelen zu diesem Wort. Passen würde es aber zu der Aussage von Jesus in Mt 8,11: „Viele werden von Osten und Westen kommen und sich zu Tisch legen mit Abraham und Isaak und Jakob.“

Doch zurück zu den zwei Auferstehungen in der Offenbarung. Teilhabe an der ersten Auferstehung bedeutet Rettung und Mitregieren mit Jesus. Offb 20,6: „Glücklich und heilig ist, wer Teil hat an der ersten Auferstehung! Über diese hat der zweite Tod keine Macht, sie werden vielmehr Priester Gottes und des Messias sein und die tausend Jahre mit ihm regieren.“

Teilhabe an der zweiten Auferstehung bedeutet Gericht. Und es wird sich da keiner entziehen können. Offb 20,13: „Das Meer hatte die Toten, die in ihm waren, herausgegeben, auch der Tod und die Totenwelt hatten die Toten, die in ihnen waren, herausgegeben. Und sie wurden gerichtet, jeder nach seinen Taten.“

Und wenn auch alle, die als Futter der Fische im Meer gedient haben, auferstehen werden, dann war auch der Gedanke absurd, man könne durch das Verbrennen der Ketzer deren Auferstehung verhindern …

Prophetische Symbolsprache

Prophetische Symbolsprache taucht in der Bibel überall auf, wo von Realitäten aus der unsichtbaren Welt gesprochen wird. Denn diese übersteigen den Horizont menschlichen Verstehens und menschlicher Vorstellungskraft.

Man sieht es an der Lehre von Jesus selbst. Er hat – wie in der Bergpredigt (Mt 5-7) – ganz klar und verständlich gelehrt, wo es z. B. um menschliche Verhaltensweisen geht. Aber in seiner Lehre über das Reich Gottes spricht er ein ganzes Kapitel lang (Mt 13/Mk 4) nur in Vergleichen und Beispielen. „Gleichnisse“ hat man das traditionell genannt.

Ich nenne es auch prophetische Symbolsprache. Jesus hat als Prophet über Realitäten gesprochen, die den Menschen nur mit Vergleichen oder Beispielen aus der menschlichen Erfahrungswelt annähernd verständlich gemacht werden können. Da sind ein Sämann, ein Weizenfeld mit Unkraut, ein Senfkorn, ein Sauerteig, ein Schatz, eine Perle und ein Fischernetz. Und selbst diese Vergleiche sind manchen noch unverständlich geblieben.

Auch in den Schriften der Gesandten von Jesus taucht diese prophetische Symbolsprache auf. Ein Beispiel dafür ist die geistliche Waffenrüstung, die Paulus in Eph 6 beschreibt. Der Gürtel um die Hüfte, an dem die Waffen hängen, ist die Wahrheit. Der schützende Brustpanzer steht für die Gerechtigkeit. Die Schuhe, die man an den Füßen haben sollte, bedeuten die Bereitschaft zur Weitergabe der Botschaft. Der Glaube ist ein Schild, die Rettung ein Helm und das Wort Gottes ein Schwert.

Ein konkretes Bild kann offensichtlich besser zum Ausdruck bringen, was gemeint ist, als eine theoretische bzw. theologische Abhandlung. Vor allem auch für einfache Menschen, die Gott ja besonders am Herzen liegen.

Das Bild vom Schwert für das Wort Gottes verwendet dann auch der Autor des Hebräerbriefs – Kap. 4,12: „Lebendig ist ja das Wort Gottes, wirksam, schärfer als jedes zweischneidige Schwert, durchdringend bis zur Zerteilung von Seele und Geist, von Gelenken und Markknochen, und ein Beurteiler von Gedanken und Gesinnungen des Herzens.“

Bei Paulus im Epheserbrief ist das Wort Gottes als Waffe zu verstehen, wie etwa bei Jesus, der mit dem Wort Gottes den Satan abgewiesen hat (Mt 4 / Lk 4). Im Hebräerbrief erscheint es eher wie das Instrument eines Schlachters oder gar Operateurs. Dabei spielt die Schärfe sicherlich in beiden Bildern die gleiche Rolle.

Und das Bild mit dem Schwert erscheint dann auch an einer eigenartigen Stelle in der Offenbarung. Gleich am Anfang in Kap. 1,12-16 hat Johannes die einleitende Vision von Jesus:

„Und als ich mich umgewandt hatte, sah ich sieben goldene Leuchter und in der Mitte der Leuchter einen wie ein Menschensohn, mit einem langen Gewand bekleidet und an der Brust mit einem goldenen Gürtel umgürtet. Sein Kopf und die Haare waren weiß leuchtend, wie weiße Wolle, wie Schnee, seine Augen wie feurige Glut, seine Füße wie glühendes Metall, wie im Ofen glühend, und seine Stimme wie das Rauschen vieler Wasser. In seiner rechten Hand hatte er sieben Sterne. Aus seinem Mund kam ein scharfes zweischneidiges Schwert. Und sein Gesicht war wie die Sonne, wenn sie leuchtet mit ihrer Kraft.“

Man könnte hier denken, dass Johannes Jesus sieht, wie er in seiner Herrlichkeit wirklich ist. Die Herrlichkeit in Form von „weiß“, „feurig“, „glühend“ und „leuchtend“ ist ja nicht zu übersehen. Und doch erscheinen symbolhafte Elemente, die so bei Jesus in seiner Herrlichleit real nicht vorstellbar sind. Die Leuchter um ihn herum und die sieben Sterne in seiner Hand sind ja real weder Sterne noch Leuchter, sondern sieben Gemeinden.

Und dann ist da auch das scharfe zweischneidige Schwert, das aus seinem Mund kommt. Das mag man sich bildlich und praktisch eigentlich gar nicht vorstellen. Aber von der Symbolik her ist es klar: Aus seinem Mund ergeht das Wort Gottes. So stellt sich Jesus vor: Was er jetzt an Johannes zu offenbaren hat, ist das Wort Gottes, das wirkt wie ein scharfes zweischneidiges Schwert.

Und wenn schon das Anfangskapitel der Offenbarung voller prophetischer Symbole steckt, werden wir uns nicht wundern, wenn sie uns dann durch das ganze Buch hindurch auf Schritt und Tritt begegnen. Und wir haben auch schon gesehen, dass es in den anderen Schriften der Bibel Parallelen dazu gibt. Auch diese werden uns beim Einordnen und Verstehen der Symbole hilfreich sein.

Apostel

„Apostel“ ist ein Lehnwort aus dem Griechischen. Hier bezeichnet man Leute wie Petrus und Paulus tatsächlich als „apóstolos“ (Plural „apóstoloi“). Jesus selbst hat seinen zwölf Jüngern diese Bezeichnung gegeben. Aber wir müssen da erst einmal Ballast abwerfen. Im Laufe der Kirchengeschichte hat sich der Begriff „Apostel“ bzw. „apostolisch“ sehr verändert. Der entsprechende Begriff aus dem Lateinischen ist übrigens „Missionar“.

„Apóstolos“ kommt von „apostéllein“, was auf Deutsch jemanden „senden“ oder „schicken“ heißt. Er ist also ein „Gesandter“ oder ein „Bote“, ein Untergeordneter, der einen Auftrag erfüllt. Das Spektrum reicht von einem diplomatischen Gesandten des Kaisers bis hin zu einem Sklaven, der eine einfache Mitteilung überbringen muss. Ein Gesandter von Jesus, dem Herrn, zu sein, ist im Reich Gottes eine grundlegende Aufgabe und steht bei den Aufzählungen der geistlichen Gaben in den Paulusbriefen immer an erster Stelle.

In der Gemeinde haben diese Gesandten im Neuen Testament immer eine führende Funktion. In der Urgemeinde in Jerusalem hatten die zwölf von Jesus eingesetzten Gesandten zunächst die Aufgabe von Verantwortlichen bzw. Älteren der Gemeinde und haben sich auch so verhalten. In den Berichten der Apostelgeschichte ist dann zu erkennen, dass daneben mit der Zeit andere Ältere traten und in Jerusalem die Gesandten immer weniger wurden, weil sie sich ihrer Aufgabe entsprechend aussenden ließen, wohin immer der Herr sie durch den heiligen Geist schickte bzw. führte.

Als Musterbeispiel ist uns in der Apostelgeschichte und in seinen Briefen der „Apostel“ Paulus gegeben. Er war schon keiner der Zwölf mehr, er war einer der Propheten und Lehrer in der Gemeinde in Antiochia. Von hier aus wurde er ausgesandt, um seinen Sendungsauftrag von Gott zu erfüllen. Es wird in den Berichten deutlich, dass seine „sendende“ Gemeinde in Antiochia keinerlei Weisungsbefugnis über ihn hatte. Es gab keine irdische „Missionsleitung“, der er Rechenschaft schuldig war. Dennoch gab es eine Verbundenheit mit der Gemeinde, die ihn ausgesandt hatte. Bei Besuchen in Antiochia berichtete er, was der Herr in seinem Dienst getan hatte. Übrigens wurde er auch nicht von dort bezahlt, außer der anfänglichen Ausstattung zur Reise.

Das Prinzip der Gesandten von Jesus hat Paulus in seinem Brief an die Gemeinde in Rom deutlich so ausgedrückt:

„So habe ich von Jerusalem und ringsum bis nach Illyrien die Botschaft des Messias vollendet. Aber so, dass ich Wert darauf lege, die Botschaft nicht (da) zu bringen, wo der Messias (schon) genannt worden ist, damit ich nicht auf fremdes Fundament baue, sondern wie es geschrieben steht: ‚Die, denen nichts über ihn berichtet wurde, werden sehen, und die, die von nichts hörten, werden begreifen!‘ (Jes 52,15). Deshalb wurde ich auch vielfach aufgehalten, zu euch zu kommen. Jetzt habe ich aber keinen Platz mehr in diesen Gegenden. Und Sehnsucht, zu euch zu kommen, habe ich seit vielen Jahren. Und weil ich nach Spanien gehen (will), hoffe ich – wenn ich (bei euch) durchkomme und euch sehe – dass ich von euch dann dorthin zur Reise ausgestattet werde, wenn ich zuvor (als) euer (Gast) einigermaßen gesättigt bin.“ (Röm 15,19b-24).

Einige Prinzipien werden hier deutlich:

– Der Auftrag und Dienst eines Gesandten von Jesus dem Messias geht dahin, wo Jesus noch nicht bekannt ist. Er hat erkennbar keine ‚kirchenleitende‘ Funktion. Da, wo die Gemeinde gegründet und aufgebaut ist, hat der Gesandte keinen Platz mehr. Er muss vielmehr weiter, dahin, wo Jesus noch unbekannt ist.

– Die entstandene und gewachsene Gemeinde wird sich selbst, bzw. der Führung und Leitung des Herrn durch den heiligen Geist und der Begleitung durch örtliche Verantwortliche überlassen.

– Bestehenden Gemeinden, wie der in Rom, begegnet der Gesandte in brüderlicher bzw. partnerschaftlicher Haltung und bittet sie um die gewünschte Zusammenarbeit.

– Auch im genannten Beispiel spricht Paulus in Rom die Gesamtheit der Geschwister an, denen er begegnen und bei denen er sich mit seinem Brief einführen will. Von beiden Seiten ist keine Art von ‚Kirchenleitung‘ im Spiel.

– Paulus sieht seinen Weg von Gott geführt und möchte, dass das auch in Rom so gesehen wird. Der Wille Gottes und die daraus folgende Leitung des heiligen Geistes sind das entscheidende Element.

Es gibt also keine „Apostel“ mit kirchenleitender Vollmacht. In der neutestamentlichen Gemeinde ist kein Platz für örtliche oder überörtliche hierarchisch-autoritäre Führungsstrukturen. Es herrscht eine Atmosphäre des Gehorsams gegen Gott und des gegenseitigen Respekts unter Geschwistern. Die überörtlichen Gesandten des Herrn arbeiten in dienender Haltung mit der Autorität der Vollmacht von Gott. Diese zeigt sich in der Überzeugungskraft ihres Dienstes, nicht in der Berufung auf Titel und Leitungspositionen.

Auch die „Apostel“ sind Brüder und Glieder am Leib des Herrn, der Gemeinde. Gleichwertig und gleichgestellt, mit einer besonderen Gabe und Aufgabe von Gott.

Als die Gemeinde in Korinth begann, sich aufzuspalten durch die Orientierung an menschlichen Führungspersonen wie Paulus, Apollos oder Kephas (Petrus), rügte Paulus das scharf und rückte es zurecht: „Deshalb soll auch niemand auf Menschen stolz sein. Alles gehört doch euch: Sei es Paulus, sei es Apollos, sei es Kefas, sei es Welt, sei es Leben, sei es Tod, sei es Gegenwärtiges, sei es Kommendes, alles gehört euch, ihr aber (gehört) dem Messias, der Messias (gehört) Gott.“ (1 Ko 3, 21-23).

Orientieren muss man sich also am Messias und an Gott, nicht an Menschen, und mögen es noch so begnadete und vollmächtige göttliche Gesandte sein. Orientierung an Menschen bringt Spaltung, Orientierung an Jesus bringt Einheit.

Titus 2: ältere und jüngere Frauen

Titus 2: ältere und jüngere Frauen – die Bedeutung der richtigen Satztrennung und Zeichensetzung hat an dieser Stelle gravierende Folgen. Die Idee dazu habe ich durch einen Vortrag bei einer Tagung der Studiengemeinschaft Wort und Wissen bekommen. Tit 2,1-5 ist der Satz, um den es sich handelt. Hier schreibt Paulus an Titus, wie er mit älteren Männern, älteren Frauen und jüngeren Frauen jeweils umgehen soll.

Ich zitiere den Satz zunächst einmal, wie er in der Elberfelder Bibel steht:

„Du aber rede, was der gesunden Lehre geziemt:

dass die alten Männer nüchtern seien, ehrbar, besonnen, gesund im Glauben, in der Liebe, im Ausharren;

ebenso die alten Frauen in der Haltung, wie es der Heiligkeit geziemt, nicht verleumderisch, nicht Sklavinnen von vielem Wein, Lehrerinnen des Guten; damit sie die jungen Frauen unterweisen, ihre Männer zu lieben, ihre Kinder zu lieben, besonnen, keusch, mit häuslichen Arbeiten beschäftigt, gütig (zu sein), den eigenen Männern sich unterzuordnen, damit das Wort Gottes nicht verlästert werde.“

Mit anderer Satztrennung und Zeichensetzung übersetze ich diese Verse so:

„Du aber musst sagen, was der heilsamen Lehre angemessen ist:

Ältere Männer sollen einen klaren Kopf behalten, ernsthaft sein, klar denkend, gesund im Glauben, in der Liebe und in der Ausdauer.

Ältere Frauen sollen genauso in der Haltung priesterlich sein, nicht gehässig, nicht an viel Wein versklavt, und Gutes lehren, um klares Denken zu vermitteln.

Die jungen Frauen sollen Freunde ihrer Männer sein, Freunde der Kinder, klar denken, rein (sein), sich gut um das ganze Haus kümmern und sich ihren Männern unterordnen, damit das Wort Gottes nicht verlästert wird.“

Dafür, dass ich die zweite Version richtig finde gegenüber der ersten (traditionellen), nenne ich zwei Gründe. Zum einen spricht Paulus hier die jüngeren Frauen als eine eigene Gruppe an. Genauso spricht er ja die älteren Frauen, die älteren Männer und im darauf folgenden Satz auch die jüngeren Männer an. Zum anderen beschränkt er die älteren Frauen nicht auf das Lehren der jüngeren Frauen. Sie sollen vielmehr allgemein Gutes lehren, um klares Denken zu vermitteln.

Ich denke, dass wir auch hier – Titus 2: ältere und jüngere Frauen – wieder eine Textstelle berichtigen konnten, die man gerne zur Zurücksetzung der Frauen benutzt hat. Also, ihr älteren Frauen und ihr jüngeren Frauen, ihr seid genauso angesprochen und wichtig wie die Männer in der Gemeinde. Im Messias gibt es ja, wie Paulus sagt, nicht mehr „Mann“ oder „Frau“, sie sind alle eins in ihm … (Gal 3,26).

Gefangenschaftsbriefe

Gefangenschaftsbriefe sind die Briefe an die Epheser, Philipper, Kolosser, 2. Timotheus und Philemon. In ihnen bezeichnet sich Paulus als Gefangener. Von irgendwann her hatte ich früher in Erinnerung, dass Paulus am Ende der Apostelgeschichte zwei Jahre in Rom gefangen war, und dass er dort die Gefangenschaftsbriefe geschrieben habe.

Eine echte Überraschung kam dann für mich, als ich das Buch von John A. T. Robinson las: „Wann entstand das Neue Testament?“. Dort argumentiert er dafür, dass Paulus ja zuvor auch zwei Jahre in Cäsarea gefangen war und die Gefangenschaftsbriefe wahrscheinlich dort geschrieben hat. Und die Darstellung von Robinson, wie die Briefe in die damalige Situation passen, hat mich doch sehr überzeugt. Der Ablauf der Ereignisse war dann so:

Ende Mai des Jahres 57 wurde Paulus in Jerusalem verhaftet und kurz danach in die Haft des römischen Regenten Felix nach Cäsarea am Meer überstellt. Im Frühjahr 58 schrieb er dort den Philipperbrief und schickte ihn durch Epaphroditos nach Philippi. Im Sommer 58 schickte er Timotheos nach Philippi und Markus nach Kolossä und schrieb in Cäsarea inzwischen die Briefe an die Kolosser und an Philemon. Er verfasste im Spätsommer 58 dazu noch den Epheserbrief. Dieser war nicht speziell an die Gemeinde in Ephesus gerichtet. Er war vielmehr eine Art Rundschreiben an die Gemeinden der Provinz Asia, deren Hauptstadt Ephesus war. In einigen alten Handschriften fehlt bei der Adresse sogar die Bezeichnung „in Ephesus“. Nach Fertigstellung des Briefs schickte er ihn zusammen mit dem Kolosser- und dem Philemonbrief durch Tychikus an ihre Adressaten. Im Herbst 58 folgte dann noch der 2. Timotheusbrief, der an Timotheus nach Philippi ging.

Damit hat Paulus dieses Jahr 58, in dem er von Felix im Gefängnis in Cäsarea hingehalten wurde, sinnvoll ausgenutzt. Es passt ja gut, nachdem er für seinen zukünftigen Dienst Rom und davon ausgehend Spanien im Blick hatte, dass er in seinem bisherigen Missionsgebiet jetzt noch einmal einige Dinge ordnete und klarstellte.

Eine auch geistlich interessante Formulierung ist die, dass Paulus sich hierbei an mehreren Stellen als „Gefangener des Messias Jesus“ bezeichnet. Juristisch wäre „Gefangener des Regenten Felix“ richtig gewesen. Aber Paulus wusste, dass ihn ohne den Willen seines Herrn Jesus kein Mensch gefangen nehmen oder festhalten könnte. Und so ist die einzig logische Erklärung, dass Jesus selbst diese Gefangenschaft für gut und richtig hielt. Und so war Paulus ein Gefangener des Herrn.

Ich denke, das kann man auf manche Lebenssituationen übertragen, in denen uns menschlich etwas nicht passen mag, wir aber nicht herauskönnen. Es war ja auch Paulus, der das Wort geschrieben hat – Röm 8,28: „Und wir wissen, dass für die, die Gott lieben, alles zum Guten zusammenwirkt …“. Und so sieht man im Neuen Testament nichts, was einem Christen passiert, als ein „Unglück“, höchstens als Bewährungsprobe. Und bewährte Christen, die wollen wir ja haben im Reich Gottes.

Geistliche

Geistliche – beschäftigen wir uns einmal mit der Frage, was eigentlich „Geistliche“ sind. Im üblichen Sprachgebrauch ist das schon lange ein Terminus für die ordinierten bzw. geweihten Amtspersonen der Kirchen. In heutiger Zeit ist der Begriff sogar noch weitergewandert. Man kann in den Medien auch immer wieder von jüdischen oder islamischen „Geistlichen“ hören oder lesen.

In der Gemeinde des Neuen Testaments kommt diese Art von „Geistlichen“ aber nirgends vor. Sie wären in der gemeinschaftlichen Struktur des Zusammenlebens auch völlig fehl am Platz. Hier geht es ja um das geistliche Erwachsenwerden aller Christen. Der Ausdruck „Geistliche“ an sich wird aber von Paulus in zwei seiner Schriften verwendet. Auf Griechisch heißen sie „pneumatikói“. Das kommt von „pneuma“ (Geist). In meiner Übersetzung schreibe ich dafür zum besseren Verständnis nicht „Geistliche“, sondern „geistliche Menschen“:

1 Kor 2,12-3,1: „Und wir haben nicht den Geist der Welt bekommen, sondern den Geist aus Gott, damit wir wissen sollen, was uns von Gott geschenkt ist. Wir sprechen darüber, aber nicht mit Worten, die von menschlicher Weisheit gelehrt sind, sondern mit (Worten), die vom Geist gelehrt sind, und deuten geistliche Dinge für geistliche Menschen. Ein seelischer Mensch nimmt die Dinge des Geistes Gottes nicht an. Sie sind ja ‚dummes Zeug‘ für ihn, er kann sie nicht verstehen, weil man sie nur geistlich ergründen kann. Der geistliche Mensch ergründet sie alle, ihn selbst kann aber niemand ergründen. ‚Wer hat denn den Verstand des Herrn nachgeprüft und sollte ihm Rat erteilen?‘ Wir aber haben die Denkweise des Messias. Und ich, Geschwister, konnte nicht mit euch sprechen wie mit geistlichen Menschen, sondern (musste sprechen) wie mit menschlich denkenden, wie mit kleinen Kindern im Messias.“

1 Kor 14,37: „Wenn jemand meint, ein Prophet zu sein oder ein geistlicher Mensch, dann soll er klar erkennen, dass das, was ich euch schreibe, ein Gebot des Herrn ist.“

Gal 6,1: „Wenn ein Mensch mit irgendeinem Fehltritt überrascht wird, Geschwister, dann müsst ihr, die geistlichen Menschen, denjenigen wiederherstellen mit sanftem Geist! Und achte auf dich selbst, dass auch du nicht versucht wirst!“

Der Unterschied zwischen den Geistlichen des Neuen Testaments und den „Geistlichen“ der Welt dürfte durch diese Aussagen deutlich geworden sein.

Und wenn wir geistliche Christen sind oder werden, dann können wir auf die anderen „Geistlichen“ gut verzichten …

Die Frucht des Geistes

Die Frucht des Geistes beschreibt Paulus in Gal 5,22-23. Ich zitiere den Satz zunächst einmal aus der Lutherübersetzung. Ich lasse aber die Satzzeichen weg, die es ursprünglich sowieso nicht gab: „Die Frucht aber des Geistes ist Liebe Freude Friede Geduld Freundlichkeit Güte Treue Sanftmut Keuschheit“.

Es hat aufgrund dieser Stelle schon mancherlei Lehren über die neun Früchte des Geistes gegeben. Mit einer alternativen Zeichensetzung gibt es aber eine andere und stimmigere Sichtweise dieses Satzes. Ausgangspunkt dazu ist die Tatsache, dass im Griechischen nicht von „Früchten“, sondern von „Frucht“ die Rede ist. Es ist kein Plural, sondern Singular. Der Satz heißt dann am Anfang zunächst: „Die Frucht aber des Geistes ist Liebe“. Das passt gleich mal zum neuen Gebot, dem Liebesgebot, von Jesus. Und es passt zur Aussage von Paulus, dass die Liebe Gottes in unsere Herzen ausgegossen ist durch heiligen Geist.

Was ist dann der Rest? Das sind verschiedene Ausgestaltungen dieser einen Frucht „Liebe“. Und der Vers heißt dann mit entsprechenden Satzzeichen so: „Die Frucht aber des Geistes ist Liebe: Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Keuschheit.“ Das alles gehört zur Liebe. Es geht also nicht um neun Früchte des Geistes, sondern um acht Konkretionen der Liebe.

Die letzte dieser acht Ausgestaltungen der Liebe, die Luther mit „Keuschheit“ wiedergegeben hat, war mancherlei Übersetzungsversuchen ausgesetzt. Man liest da auch „Enthaltsamkeit“, „Besonnenheit“ oder vielleicht sogar „Disziplin“. Das griechische Wort „enkráteia“ meint von der Grundbedeutung her so etwas wie „sich zusammennehmen“.

Es gibt eine Parallelstelle, in der Paulus dieses Wort in Verbform benutzt hat. Von ihr her bin ich auf einen anderen Begriff gekommen, den ich nun benutze – 1 Kor 9,25: „Jeder, der kämpft, verzichtet aber auf alles; jene, damit sie dann einen vergänglichen Siegeskranz bekommen, wir aber einen unvergänglichen.“

Dieses Enthalten von unnötigen Dingen nennen wir im Deutschen heute doch wohl am ehesten „Verzicht“. Der Satz im Galaterbrief heißt dann in meiner Übersetzung: „Die Frucht des Geistes ist aber Liebe: Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftheit, Verzicht.“

Mit diesen Konkretionen der Liebe darf man sich gerne auch mal prüfen, wie es bei einem selbst damit so steht. Und wenn der Satan wieder einmal etwas anbietet, um uns vom Wesentlichen abzulenken oder zu verführen, dann gibt es eine wunderbare Möglichkeit, darauf zu reagieren: Wir verzichten.

Das Thema „Verzicht“ taucht auch an einer eher unerwarteten Stelle auf, nämlich in einer evangelistischen Verkündigung – Apg 24,24-25: „Nach einigen Tagen kam Felix mit Drusilla, seiner Frau, die Jüdin war, ließ Paulus holen und hörte ihn an über den Glauben an den Messias Jesus. Als (Paulus) aber über Gerechtigkeit, Verzicht und das kommende Gericht sprach, wurde Felix voller Furcht und antwortete: ‚Für jetzt geh! Wenn ich eine Gelegenheit bekomme, will ich dich zu mir rufen lassen‘.“

Felix, ein heidnischer Römer, hört Paulus an, der über den Glauben an Jesus den Messias spricht. In diesem Zusammenhang thematisiert Paulus dann auch die Themen „Gerechtigkeit“, „Verzicht“ und „das kommende Gericht“. Das ist für unsere modernen Ohren durchaus ungewohnt – in einer evangelistischen Verkündigung. Aber Paulus war offensichtlich darauf aus, einem Interessierten das ganze Christenleben mit allen seinen Aspekten zu erklären. Der sollte ja schließlich wissen, was auf ihn zu käme, wenn er Christ würde. Und unter anderem erklärte Paulus ihm, dass er in diesem Fall sicherlich auf einiges würde verzichten müssen …

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