Entdeckungen eines Bibelübersetzers

Schlagwort: Paulus (Seite 2 von 2)

Verschleierung der Frauen?

Verschleierung der Frauen, diese Forderung in 1 Ko 11 hat schon viel Unruhe gestiftet und Not bereitet. Das Problem löst sich, wenn man diese Forderung als eine Meinung aus Korinth erkennt.

Neben der liberalen Richtung gab es in Korinth auf der anderen Seite des Spektrums auch eine gesetzliche Richtung. Diese hatte einen jüdischem Hintergrund und forderte unter anderem die Verschleierung der Frauen in der Gemeinde. Und auch mit ihr setzte sich Paulus intensiv auseinander. Das Buch von Thomas Schirrmacher „Paulus im Kampf gegen den Schleier“ war mir eine große Hilfe, diese Seite zu erkennen. Die Sicht dieser Richtung kommt in zwei Zitaten zum Ausdruck in 1 Ko 11 und 1 Ko 14 . Ich habe die Abschnitte mit Erklärungen in Klammern zum besseren Verständnis wie folgt übersetzt und aufbereitet:

1 Ko 11,3-16 – Verschleierung der Frauen:

Ich will aber, dass ihr wisst: (Einige bei euch vertreten folgende Lehre:) „Das Haupt jedes Mannes ist der Messias, Haupt einer Frau der Mann, Haupt des Messias Gott. Jeder Mann, der betet oder prophetisch spricht und etwas auf dem Kopf hat, beschämt seinen Kopf. Jede Frau, die betet oder prophetisch spricht mit unverhülltem Kopf, beschämt ihren Kopf. Es ist ein und dasselbe (wie) bei einer, (der der Kopf) rasiert wurde. Wenn eine Frau sich nicht verhüllt, soll sie auch geschoren werden! Wenn es für eine Frau aber schändlich ist, geschoren oder rasiert zu werden, soll sie sich verhüllen! Ein Mann muss sich freilich nicht den Kopf verhüllen, denn er ist Bild und Herrlichkeit Gottes, die Frau ist Herrlichkeit eines Mannes. Denn der Mann ist nicht von der Frau, sondern die Frau vom Mann, und der Mann wurde ja nicht wegen der Frau geschaffen, sondern die Frau wegen des Mannes.”

(Dazu sage ich:) Deswegen muss die Frau Macht über ihren Kopf haben: wegen der Engel! Abgesehen davon gibt es beim Herrn keine Frau ohne einen Mann und keinen Mann ohne eine Frau, denn wie die Frau aus dem Mann (gekommen) ist, so (kommt) auch der Mann durch die Frau, und das alles von Gott. Urteilt bei euch selbst: Es ist angemessen, dass eine Frau unverhüllt zu Gott betet! Auch die Natur selbst lehrt euch nicht, dass es für einen Mann, wenn er sich die Haare wachsen lässt, eine Entehrung ist, für eine Frau aber, wenn sie sich die Haare wachsen lässt, eine Ehre ist. Die Haare sind doch (allen von Gott) als Kleidung gegeben. Wenn aber jemand meint, streitlustig sein zu müssen: Wir haben einen solchen Brauch (einer Verschleierung) nicht, auch die Gemeinden Gottes nicht!

(Anmerkung zu den Engeln in Vers 10: Laut Kapitel 6,3 wird die Frau mit über Engel richten. Dann wird sie ja wohl auch über ihren eigenen Kopf bestimmen dürfen!)

Dafür, dass der Abschnitt Verse 3-9 eine Meinung aus Korinth zitiert, sprechen im Wesentlichen drei Argumente. 1) Der Abschnitt steht inhaltlich im Gegensatz zu den Versen 10-16. Paulus würde sich selbst widersprechen. 2) Die Aussage des Abschnitts findet sich in keiner anderen damaligen christlichen Schrift, wohl aber bei jüdischen Theologen. 3) Sie widerspricht generell der neutestamentlichen Sicht der Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung der Frauen in der Gemeinde. Siehe dazu die ausführliche Argumentation im Buch von Thomas Schirrmacher: „Paulus im Kampf gegen den Schleier“.

1.Kor. 14,34-36 – Schweigen der Frauen:

(Einige bei euch sagen auch:) „Die Frauen sollen schweigen in den Gemeinden, es ist ihnen nicht erlaubt zu sprechen. Sie sollen sich vielmehr unterordnen, wie auch das Gesetz es sagt. Wenn sie etwas lernen wollen, sollen sie zu Hause ihre Männer fragen. Es ist doch schändlich, wenn eine Frau in der Gemeinde spricht.“

(Ich sage dazu Nein:) Ist denn das Wort Gottes von euch ausgegangen? Ist es denn allein zu euch gekommen? Wenn jemand meint, ein Prophet zu sein oder geistlich, dann soll er klar erkennen, dass das, was ich euch schreibe, ein Gebot des Herrn ist. Wenn jemand es aber nicht erkennt, soll man (auch) ihn nicht kennen!

(Anmerkung dazu: Das Gesetz im Sinne des Alten Testaments sagt dazu überhaupt nichts, wohl aber einige jüdische Theologen aus der damaligen Zeit. Auch das spricht dafür, dass Paulus hier eine Meinung aus Korinth zitiert.)

Für manche Leser mag diese Sicht neu sein, wie sie für mich neu war, als ich Schirrmachers Buch gelesen habe. Aber sie war sehr befreiend …

Zitate im griechischen Text

Zitate im griechischen Text des Neuen Testaments sind oft nicht einfach zu erkennen. Das hängt mit der damaligen Kunst des Schreibens und Lesens zusammen. Die antike Schreibkunst hatte das Kulturgut der Satzzeichen noch nicht erfunden. Es gab also auch keine Doppelpunkte und Anführungszeichen, um Zitate kenntlich zu machen. Es blieb dann der Kunst des Lesers überlassen, ein Zitat im Text zu erkennen.

Einfach ist es, wenn Zitate im griechischen Text angekündigt werden. Z. B. in 1 Kor 1,19 (ohne Satzzeichen): „Es steht doch geschrieben Ich will die Weisheit der Weisen zunichte machen und die Einsicht der Einsichtigen verschwinden lassen.“ Einfacher ist es dann aber doch mit den Lesehilfen: „Es steht doch geschrieben: ‚Ich will die Weisheit der Weisen zunichte machen und die Einsicht der Einsichtigen verschwinden lassen.’“ (Jes 29,14)

Schwieriger wird es in einem Fall wie 1 Kor 5,13 (ohne Satzzeichen): „Über die draußen spricht Gott das Urteil Ihr aber müsst den Bösen entfernen aus eurer Mitte“. Dass hier ein Zitat drinsteckt, sieht nur der, der es aus dem Alten Testament kennt. Leichter hat man es, wenn man es so lesen kann: „Über die draußen spricht Gott das Urteil. Ihr aber müsst ‚den Bösen entfernen aus eurer Mitte!'“ (5 Mo 17,7). Und mit dabei auch gleich die Quellenangabe, wo es steht.

Der erste Korintherbrief ist durch eine sehr intensive Auseinandersetzung mit Vorgängen in der dortigen Gemeinde gekennzeichnet. Paulus zitiert auch Meinungen aus der Gemeinde, mit denen er sich in seinem Brief auseinandersetzt. Diese sollte man dann aber auch als andere Meinung erkennen und nicht als Aussage von Paulus missverstehen. Das ist für das Verständnis des Briefs natürlich wichtig.

Als Beispiel nehme ich einmal 1 Kor 6, 12-13 (zunächst einmal ohne Satzzeichen): „Alles ist mir erlaubt Aber nicht alles ist gut Alles ist mir erlaubt Aber nichts soll Macht über mich haben Die Speise für den Bauch und der Bauch für die Speisen Gott wird diese und jenen aber zunichte machen Der Leib ist aber nicht für die Unzucht da sondern für den Herrn und der Herr ist auch für den Leib da“.

Mit den erkannten Zitaten, Satzzeichen und Erklärungshilfen in Klammern heißt es dann in meiner Übersetzung: (Wenn einige bei euch sagen:) „Alles ist mir erlaubt!“ (dann sage ich dazu:) Aber nicht alles ist gut. (Wenn sie sagen:) „Alles ist mir erlaubt!“ (dann sage ich:) Aber nichts soll Macht über mich haben. (Wenn sie sagen:) „Die Speise für den Bauch, und der Bauch für die Speisen!“ (sage ich dazu:) Gott wird diese (Speisen) und jenen (Bauch) aber zunichte machen. Der Leib ist aber nicht für die Unzucht da, sondern für den Herrn – und der Herr ist auch für den Leib da!

Ich denke, so wird es doch deutlicher, welche Auseinandersetzung Paulus an dieser Stelle führt. Er argumentiert mit einer liberalen Fraktion in Korinth, die ihre christliche Freiheit offensichtlich für ungute Dinge in Anspruch nahm. Das Schlagwort dieser Liberalen mit ihrem „Alles ist mir erlaubt!“ haben wir eben kennen gelernt. Dieses Schlagwort zitiert Paulus in 1 Kor 10,23 noch zweimal. Beim leichtfertigen Essen von Götzenopferfleisch werden sicherlich diese Leute angesprochen sein. Und es waren wohl auch diese, die kein Problem damit hatten, zu einer Hure zu gehen. Und sie waren offensichtlich auch bereit zu tolerieren, dass einer eine Frau seines Vaters hat.

Wer hat die Briefe geschrieben?

Wer hat die Briefe geschrieben? Auf diese Frage gibt es im Neuen Testament bei genauem Hinsehen differenziertere Antworten. Tertius z. B. hat den Römerbrief aufgeschrieben. Rö 16,22: „Ich grüße euch – ich, Tertius, der den Brief geschrieben hat – im Herrn!“ Ob der moderne Ausdruck „Sekretär“ dafür das Richtige ist, halte ich eher für fraglich.

Ich stelle mir vor, dass Paulus in Korinth einfach diesen Tertius mit in der Gemeinde hatte. Und dieser beherrschte die Kunst des Schreibens. Und so nahm Paulus ihn mit seiner Gabe in Dienst, um ihm seinen Brief nach Rom zu diktieren. Dem Namen nach war Tertius selbst ein Römer. Natürlich konnte Paulus auch selbst schreiben. Aber offensichtlich war es doch einfacher, seine Gedanken diktieren zu können, als sie selbst nebenher (mühsam?) zu Papier zu bringen.

Auch den ersten Petrusbrief hat nicht Petrus selbst geschrieben, sondern Silvanus, und den zweiten Petrusbrief vermutlich Judas.

Wenn wir nun beachten, dass Paulus im 1. Korintherbrief auch Sosthenes, den Bruder, als Mitabsender nennt, wie er auch in andern Briefen Mitabsender angibt, dann ahnen wir vielleicht, das das Abfassen etlicher Schriften im NT viel mehr Teamarbeit war, als wir uns gemeinhin vorstellen.

Wer ist Rufus?

Wer ist Rufus? Er taucht in der Grußliste des Römerbriefs auf. Der Brief an die Gemeinde in Rom hat unter den Briefen von Paulus die Ausnahmestellung, dass er der einzige ist, den Paulus an eine Gemeinde schreibt, die er nicht persönlich kennt und der er erst einen zukünftigen Besuch ankündigt. In Kapitel 16 lässt er aber an über dreißig Leute Grüße ausrichten, die er alle schon gekannt haben muss. Das heißt, irgendwo auf seinen Reisen und Diensten zwischen Jerusalem und Illyrien sind sie irgendwann einmal mit ihm zusammengewesen.

Das ist ein eindrückliches Beispiel für die damalige Mobilität (zumindest der städtischen Bevölkerung) im römischen Reich. Und es ist auch ein Beispiel für die internationale Zusammensetzung der christlichen Gemeinde aus verschiedenen Volksgruppen.

Das bekannteste Beispiel dafür sind Aquila und Priscilla: Sie waren als Juden aus Rom vertrieben worden, sind mit Paulus in Korinth zusammengekommen, dann mit ihm nach Ephesus gereist und eine Weile dort geblieben und werden nun in Rom wieder von ihm gegrüßt, wohin sie zurückgekehrt sind, womöglich um den Besuch von Paulus dort mit vorzubereiten.

Durch ein altes Buch von Theodor Zahn bin ich noch auf eine Verbindung gestoßen, die mir bis dahin nicht aufgefallen war. In Mk 15,21 lesen wir: „Einen der vorbeiging, Simon von Kyrene, der vom Feld kam, den Vater von Alexandros und Rufus, zwangen sie, seinen Kreuzesbalken zu tragen.“ Allein Markus hat an dieser Stelle Simons Söhne erwähnt, Alexandros und Rufus. Deren Erwähnung ist aber nur sinnvoll, wenn Leser des Evangeliums mit den Namen der beiden etwas anfangen können.

Wenn man nun bedenkt, dass Markus seinen Bericht über Jesus infolge seiner Tätigkeit als Übersetzer von Petrus in Rom geschrieben hat, dann passt es zusammen mit Rö 16,13: „Grüßt Rufus, den Auserwählten im Herrn, und seine Mutter – und meine!“ Wenn Rufus in Rom war, dann ist es kein Wunder, wenn Markus ihn im Evangelium erwähnt. Dann war er dort bekannt.

Aber Markus kannte ihn schon vorher. Man beachte auch hier die Mobilität: Simon stammte von Kyrene, das liegt in Nordafrika westlich von Ägypten. Zur Zeit von Jesus war er aber mit seiner Familie in Jerusalem ansässig. Hier zwangen ihn die römischen Soldaten bei einem Gang aufs Feld, den Kreuzesbalken von Jesus zu tragen. Wenn Simon und seine Familie damals schon gläubig waren oder es wurden, waren sie in der Jerusalemer Gemeinde. Und zu der gehörte auch Johannes Markus.

Wo und wann Rufus und seine Mutter dann mit Paulus zusammen waren, wissen wir nicht. Aber es muss intensiv gewesen sein, wenn sie auch für Paulus wie eine Mutter war. Dann ist Markus in Rom wieder mit Rufus zusammengekommen, und auch Paulus lässt ihn dort grüßen mit seiner Mutter. Diese war inzwischen wohl verwitwet, da man von ihrem Mann Simon nichts mehr hört.

Soweit die Einblicke in die Geschichte von unserem Bruder Rufus. In der Ewigkeit wird er uns sicherlich mehr darüber erzählen können …

Heiligen Geist haben

Heiligen Geist haben, das ist nach dem Neuen Testament eine Grundfrage bzw. ein Grundprinzip im Christenleben.

Röm 5,5: „Und die Hoffnung enttäuscht nicht. Denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unseren Herzen durch heiligen Geist, der uns gegeben ist.“ Als ich einmal die Übersetzung dieses Verses bearbeitete, fiel mir eine alte Diskussionen wieder ein, in die ich vor vielen Jahren verwickelt war. Es ging darum, ob Christen den Heiligen Geist haben oder ob es nicht hochmütig sei, zu sagen, man „habe“ ihn. Das würde wie ein Besitz klingen, und das sei unangemessen.

Paulus sagt: „Heiliger Geist ist uns gegeben.“ Das angesprochene Problem kann man lösen, wenn man Folgendes beachtet: Im Griechischen des Neuen Testaments gibt es zwei Arten, davon zu sprechen. Diese Unterscheidung wird in deutschen Bibelübersetzungen in der Regel nicht beachtet. Die neutestamentlichen Autoren schreiben zum einen „der Heilige Geist“, also mit Artikel, zum anderen „Heiliger Geist“ ohne Artikel. „Der Heilige Geist“ heißt es immer dann, wenn es sich um die göttliche Person handelt. Die göttliche Person ist die Gesamtheit des Geistes, das handelnde oder redende Subjekt. „Heiliger Geist“ ist im Unterschied dazu das, was wir von Gott bekommen. Wir bekommen einen Anteil am Geist, eine Anzahlung oder Erste Frucht vom Heiligen Geist.

In diesem Sinne haben wir also nicht „den Heiligen Geist“, den können wir nicht haben oder besitzen. Er kann höchstens uns haben oder besitzen, was im Christenleben ja der Normalzustand sein sollte. In diesem Zustand haben wir dann aber „Heiligen Geist“. Wir haben ein Geschenk Gottes, uns gegeben, durch das auch Jesus und der Vater in uns wohnen und wir „in Christus“ bzw. „im Messias“ sind.

Von dieser Redeweise her erhellt sich auch der Sinn jener eigentümlichen Geschichte, die uns in Apg 19,1-2 berichtet wird: Während Apollos in Korinth war, geschah es, dass Paulus durch die höher gelegene Gegend ging, hinunter nach Ephesus kam und (dort) einige Jünger traf. Er sagte zu ihnen: „Habt ihr Heiligen Geist bekommen, als ihr zum Glauben gekommen seid?“ Sie zu ihm: „Aber wir haben nicht einmal davon gehört, dass es Heiligen Geist (für uns) gibt!“

Für Paulus ist es offensichtlich eine sehr wichtige Frage, dass Menschen Heiligen Geist bekommen, wenn sie zum Glauben kommen. Die Antwort jener Jünger ist dann nicht, dass sie noch nie etwas von ihm gehört haben. Das geht ja von der ganzen biblischen Botschaft her gar nicht. Sie haben vielmehr als Johannesjünger noch nicht gehört, dass jetzt die Zeit da ist, in der es Heiligen Geist gibt. Gemeint in dem Sinne, dass man ihn bekommen kann, wenn man im Glauben an Jesus sein Leben auf Gott ausrichtet.

Ich weiß noch, wie hilfreich ich es empfunden habe, als ich diesen Unterschied in der Redeweise entdeckt und verstanden habe. Ich denke, es war David Pawson, durch den ich in einem seiner Bücher darauf aufmerksam geworden bin.

Was blieb bei Karpos zurück?

Durch eine Darlegung im Buch von Carsten Peter Thiede „Ein Fisch für den römischen Kaiser“ wurde ich angeregt, eine Stelle in meiner Übersetzung des Neuen Testaments noch einmal zu überdenken. Es geht um die Frage: Was blieb bei Karpos zurück, als Paulus von Troas weiterreiste? Es geht um 2 Tim 4,13, was in den meisten Übersetzungen so ähnlich heißt wie z. B. in der Einheitsübersetzung: „Wenn du kommst, bring den Mantel mit, den ich in Troas bei Karpos gelassen habe, auch die Bücher, vor allem die Pergamente!“

Die Situation in Troas, auf die hier zurückgeschaut wird, hat uns Lukas in Apg 20,13 erzählt: „Wir gingen weiter aufs Schiff und liefen aus nach Assos, wo wir Paulus aufnehmen sollten. Denn so war es (von ihm) angeordnet, weil er selbst zu Fuß gehen wollte.“

Auf dem Weg von Troas nach Assos sollten Paulus‘ Reisegefährten mit dem Schiff fahren, er selbst wollte zu Fuß gehen. Ich finde das einen interessanten kleinen Einblick in Paulus‘ Leben und Dienst. Er brauchte hier wohl einfach einmal seine Ruhe und wollte allein sein. Sicherlich ging es auch darum, auf diesem Fußmarsch Zeit für eine ungestörte Gemeinschaft mit Gott zu haben.

Natürlich wollte er dabei kein Gepäck mitschleppen. Und da gab es etwas, was er auch nicht seinen Gefährten auf dem Schiff mitgeben wollte, sondern einfach bei einem uns ansonsten unbekannten Bruder mit Namen Karpos in Troas deponierte. Er rechnete damals noch damit, dass er nach dem bevorstehenden Besuch in Jerusalem bald wieder hier vorbeikommen und seine Sachen wieder mitnehmen könnte.

Aber so kam es ja nicht, denn Paulus wurde in Jerusalem festgenommen und saß zwei Jahre lang in Cäsarea in römischer Haft. Hier hat er dann doch seine Sachen vermisst, und so schrieb er an Timotheos. Was blieb bei Karpos zurück? Ich schreibe es hier jetzt einmal in meiner eigenen Übersetzung, aber mit drei unübersetzten Wörtern: „Wenn du kommst, bring den Phailónes mit, den ich in Troas bei Karpos gelassen habe, mit den Bíblia, besonders den Membránas!“

Von diesen drei griechischen Wörtern kommen zwei nur an dieser einen Stelle im Neuen Testament vor. Am einfachsten sind die „Biblia“, das sind Schriftrollen, wie wir sie auch aus anderen Bibelstellen kennen. Sie waren aus Papier, das aus der Papyrus-Staude hergestellt wurde, wurden auf einer Seite beschrieben und dann zur Aufbewahrung zusammengerollt. Leider wissen wir nicht, welchen Inhalt die genannten Schriftrollen hatten.

Zu den Schriftrollen kommen dann noch „Membranas“. Dieses Wort ist nicht griechisch, sondern lateinisch, mit griechischen Buchstaben geschrieben. Es bezeichnet also etwas, wofür es kein griechisches Wort gab, so dass man die lateinische Bezeichnung nehmen musste. In der Tat waren es die Römer, die zuerst die Technik entwickelten, aus Tierhaut ein neuartiges, erheblich dauerhafteres Schreibmaterial herzustellen, das Pergament. Es hatte neben der Dauerhaftigkeit auch den Vorteil, dass man beim Schreiben, wenn man einen Fehler machte, den noch abwischen konnte, bevor die Tinte trocken war, was beim Papyrus nicht ging. Das Pergament benutzten die Römer zunächst für einfache Notizbücher, die die vorher üblichen Wachstäfelchen ablösten, später dann auch zum Schreiben und Herausgeben richtiger Bücher, die uns heute unter dem Namen „Kodex“ bekannt sind.

Die christlichen Schriften wurden zuerst auf Schriftrollen geschrieben, was vor allem auch die jüdische Form heiliger Schriften war. Später ging man dann aber zunehmend zum Kodex über, weil er praktischer zu handhaben war. Es war ja einfacher, anstatt z. B. Matthäus, Markus, Lukas, Johannes und die Apostelgeschichte in fünf einzelnen Rollen zu haben, die man jeweils extra auf- und zurollen musste, sie alle fünf in einem Buch zu haben, das man an jeder Stelle aufschlagen konnte.

Die Anweisung von Paulus nimmt uns genau in diese Übergangszeit hinein. Er besitzt noch Schriftrollen aber auch schon die modernen Pergamentbücher. Leider wissen wir auch hier nicht was drinstand. Waren es erst persönliche Notizen, oder Kopien seiner eigenen Briefe? Oder hatte er schon ein Matthäus- oder Markusevangelium dabei, was damals schon möglich gewesen wäre? Wir sehen jedenfalls, dass der Besitz mehrerer Büchern durchaus üblich war.

Bleibt noch der etwas rätselhafte „Phailones“. Im griechischen Lexikon steht dafür zwar „Mantel, Reisemantel“, aber auch, dass das Wort nur im späten antiken Griechisch vorkam, dazu selten. Und vor allem lässt sich keine Ableitung von anderen griechischen Wörtern erkennen. Man könnte also auch hier von einem Fremdwort aus einer anderen Sprache ausgehen, zumal es andernorts auch verdreht als „Phainoles“ auftaucht.

Gegen die Bedeutung „Mantel“ sprechen nun an unserer Stelle aber zwei Dinge. Zum einen gibt es ein griechisches Wort für Mantel, das Obergewand, das auch im Neuen Testament an etlichen Stellen vorkommt. Zum anderen hätte Paulus, der sich auf einen mehrtägigen einsamen Fußmarsch freute, keinen Mantel zurückgelassen. Er hätte ihn unterwegs beim Übernachten als Zudecke gebraucht. Wenn also kein Mantel für einen Menschen gemeint war, was war es dann? Im Zusammenhang mit Schriftrollen und Büchern können wir ja an eine andere Arrt von „Ummantelung“ denken, an eine Art Behältnis. Ein solches Behältnis könnten wir als Futeral, Tasche, Koffer, oder Ähnliches bezeichnen. Jedenfalls würde es sinngemäß gut passen, dass Paulus seinen Schriftenkoffer für einige Zeit dort zurückließ.

Achten wir nun genau auf die Anweisung, diesen Koffer „mit den Schriftrollen, besonders den Pergamentbüchern“ mitzubringen. Sicherlich darf man aus dieser Formulierung schließen, dass die Schriften nicht einfach im Koffer lagen. Sie waren vielmehr in der Gemeinde in Troas leihweise im Umlauf und wurden benutzt. Es erscheint ja auch logisch, dass man so wichtiges Lesematerial nicht in einem Koffer liegen lässt. Man liest, liest vor und kopiert durch Abschreiben. Also musste Timotheos darauf achten, den Phailones mit den Biblia, besonders den Membrana mitzubringen. Er sollte alles einsammeln und sicherstellen, dass Paulus wiederbekam, was er der Gemeinde geliehen hatte.

Der Vers heißt nun in meiner Übersetzung – 2 Tim 4,13: „Wenn du kommst, bring den Koffer mit, den ich in Troas bei Karpos gelassen habe, mit den Schriftrollen, besonders den Pergamentbüchern!“

Wer kennt Julius?

Wer kennt Julius? Die Apostelgeschichte beschreibt den spannenden Übergang der Botschaft Gottes aus der jüdischen in die griechisch-römische Welt. Dabei tauchen auch immer wieder besondere Römer auf. Einer von ihnen ist der römische Offizier Julius. Aber wer kennt Julius? Der Titel von Julius ist auf Griechisch „Kenturion“, was natürlich der lateinische „Centurio“ oder „Zenturio“ ist. Vielleicht kennen wir den noch aus dem Geschichtsunterricht, aber zumindest aus den Asterix-Heften.

Ein Zenturio ist ein Offizier der römischen Armee, der eine „Zenturie“, d.h. eine Abteilung von ca. 80 Soldaten unter sich hat. Sechs Zenturien bilden zusammen eine Kohorte, die unter dem Befehl eines Generals steht. Ein General begegnet uns auch in der Apostelgeschichte, Claudius Lysias, der Kommandeur der Kohorte in Jerusalem, der Paulus aus einer aufgebrachten jüdischen Menge rettete.

Als Paulus zwei Jahre danach als Häftling zusammen mit anderen Gefangenen nach Rom transportiert werden sollte, vertraute man die Durchführung dieser Aufgabe dem Zenturio bzw. Offizier Julius an, der dazu sicherlich die Soldaten seiner Zenturie dabeihatte. Er war also für mehrere Monate ein sehr wichtiger Mann im Leben von Paulus und seinen Mitarbeitern Lukas und Aristarchos.

Dass die Erlebnisse auf der gemeinsamen Seereise auf Julius einen tiefen Eindruck gemacht haben, darf man wohl annehmen. Es gibt sogar einen Hinweis darauf, dass er dadurch Christ geworden ist. Nach der Landung in Italien heißt es in Apg 28,13-14: „Und als nach einem Tag Südwind aufkam, fuhren wir in zwei Tagen nach Puteoli, wo wir Geschwister fanden und von ihnen eingeladen wurden, sieben Tage zu bleiben.“ Dieser Einladung konnte das christliche Team („wir“) nur nachkommen, wenn der verantwortliche Offizier es erlaubte, oder, wie man wohl annehmen darf, mit eingeladen war, weil er inzwischen dazugehörte. Die Geschichte ist zu lesen in Apg 27 und 28, die Vorgeschichte dazu beginnt schon in Apg 21.

Die Apostelgeschichte

Die Apostelgeschichte ist die Fortsetzung des Lukasevangeliums, sozusagen der zweite Band. Das darin Berichtete folgt dem Grundmuster „von Jerusalem nach Rom“. Sie hat zwei Schwerpunktthemen: Zum einen ist da die Geschichte der Urgemeinde in Jerusalem mit ihrer Ausbreitung bis nach Antiochia und dem Übergang zu den Nichtjuden. Zum anderen berichtet sie die Geschichte des Gesandten (Apostels) Paulus und seines Dienstes mit seinem Weg bis nach Rom.

So haben wir exemplarisch wenigstens die Geschichte eines der Gesandten von Jesus überliefert. Die anderen Gesandten haben sicherlich ähnlich interessante Geschichten, Thomas zum Beispiel ging bis nach Indien. Aber die Informationen aus frühen christlichen Schriften darüber sind eher spärlich. Es wäre eine interessante Aufgabe, das einmal zusammenzustellen.

Die Apostelgeschichte lässt sich mit den Angaben von Lukas auch gut datieren. Sie beginnt im Jahr 30 n. Chr. mit der Himmelfahrt des am Kreuz hingerichteten und auferstandenen Herrn. Am darauffolgenden Pfingstfest geschah die Gründung der christlichen Gemeinde mit der Ausgießung des Heiligen Geistes. Besonders mit Hilfe von Lukas genannter Regenten, König Agrippa in Jerusalem, Gallio in Korinth, Felix und Festus in Cäsarea bzw. Judäa, kann man auch die weitere Apostelgeschichte gut datieren. Sie endet mit dem zweijährigen Hausarrest von Paulus in Rom von 60 bis 62 n. Chr.. Sie umfasst also einen Zeitraum von 32 Jahren.

Die Apostelgeschichte gibt uns auch die einzige ausführliche Erzählung einer spannenden Abenteuergeschichte im Neuen Testament. Die Reise von Paulus als Gefangener von der Verhaftung in Jerusalem bis nach Rom, mit einem schweren Sturm auf See und einem Schiffbruch bei der Anlandung am Strand der Insel Melite, hat Lukas selbst mitgemacht und konnte uns daher einen authentischen Augenzeugenbericht liefern.

Sehr erhellend war für mich dazu das Buch von Heinz Warneke: „Die tatsächliche Romfahrt des Apostels Paulus“. Warneke, der sich mit Seefahrt und Meteorologie auskennt, zeigt darin, wie die von Lukas geschilderte Fahrt tatsächlich abgelaufen sein muss, wo die genannten Orte an den griechischen Küsten tatsächlich zu finden sind, und vor allem, dass die von Lukas genannte Insel „Melite“als Ort der Anlandung nicht die Insel Malta sein kann. Der Ort muss laut Lukas in der Adria zu finden sein, und der einzige Ort, der dort einen zum Bericht passenden flach ansteigenden Meeresgrund hat, ist die Halbinsel von Argostoli an der großen westgriechischen Insel Kephallenia, die damals auch Melite genannt wurde.

Malta ist weit weg von der Adria, hat keinen zur Beschreibung passenden Strand, und die lokalen Traditionen von der Landung des Paulus dort sind nicht ursprünglich. Aber natürlich lässt sich auf Malta mit der Tradition von Paulus, der in Wirklichkeit gar nie dort war, mit entsprechenden Pilgern ganz gut Geld verdienen.

Lukas

Das Evangelium von Lukas ist das längste der vier Evangelien, es hat zwar weniger Kapitel als Matthäus, dafür aber längere. Lukas hat auch als einziger zwei Bände geschrieben, das Evangelium ist Band 1, die Apostelgeschichte Band 2. Die beiden Bände zusammengerechnet ergeben etwa 1/4 des Neuen Testaments. Das heißt, Lukas hat dort mehr geschrieben als jeder andere.

Also Grund genug, ihn sehr wichtig zu nehmen, und überhaupt, was wüssten wir ohne die Apostelgeschichte alles nicht? Auch ohne sein Evangelium würde uns einiges fehlen, z.B. die Geburt des Messias, der verlorene Sohn, der barmherzige Samariter, die zwei Emmaus-Jünger …

Unter den Autoren des Neuen Testaments ist Lukas ein Exot, ein Grieche, von Beruf Arzt, der Jesus nie persönlich kannte und erst Jahre später durch Paulus zum Glauben kam.

In der Apostelgeschichte gibt es zwei Abschnitte, in denen er als „wir“ berichtet, d.h. er war persönlich dabei. Auf der zweiten Missionsreise von Paulus taucht er zum ersten Mal in Troas in Kleinasien auf, als Paulus den Ruf nach Mazedonien bekam: „Und während der Nacht wurde von Paulus eine Erscheinung gesehen: Ein Mann, ein Mazedonier, stand da und bat ihn und sagte: „Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns!“ Und wie er die Erscheinung gesehen hatte, wollten wir sogleich nach Mazedonien hinausgehen, weil uns klar war, dass Gott uns hinrief, ihnen die gute Nachricht zu bringen.“ Dieser erste „wir“-Bericht endet dann gleich wieder in Philippi. Lukas blieb wohl dort, als Paulus nach Thessaloniki weiterreiste.

Auf der dritten Missionsreise von Paulus ist er dann auf der Rückreise von Korinth ab Philippi wieder dabei. Er könnte also die ganze Zeit bei der Gemeinde in Philippi gewesen sein: „Es schlossen sich ihm aber an: Sopatros, der Sohn von Pyrros, von Beroia, von den Thessalonikern Aristarchos und Secundus, Gaius aus Derbe und Timotheos, aus der Provinz Asia Tychikos und Trophimos. Diese gingen uns voraus und erwarteten uns in Troas. Wir aber fuhren nach dem Tag der ungesäuerten Brote mit dem Schiff von Philippi ab und kamen bis nach fünf Tagen zu ihnen nach Troas, wo wir uns sieben Tage aufhielten.“ Bei diesen Namensaufzählungen fällt auch auf, dass Lukas sich selbst in christlicher Bescheidenheit nicht erwähnt.

Lukas reist dann mit Paulus bis nach Jerusalem und erlebt dort dessen Verhaftung mit. Während der zwei Jahre von Paulus‘ Gefangenschaft in Cäsarea hält er sich zeitweise dort bei ihm auf. Und er reist dann auch wieder mit, als Paulus als Gefangener nach Rom transportiert wird – einschließlich Schiffbruch mit allem drum und dran.

Lukas hat uns also mit seinem Evangelium und der Apostelgeschichte ein Viertel des Neuen Testaments geschenkt mit unschätzbaren Informationen. Einzigartig ist nicht nur die ganze Apostelgeschichte, auch sein Evangelium hat zu einem Drittel Erzählstoff, den kein anderer hat. Und so wollen wir der Frage nachgehen: Woher hatte Lukas seine Informationen?

Zum Ersten muss man da natürlich Paulus nennen. Mit ihm und seinen Mitarbeitern war Lukas unterwegs. Zuerst war er auf einer kurze Reise von Troas nach Philippi dabei. Dann begleitete er Paulus auf der langen Reise von Philippi nach Jerusalem mit zwei Jahren Gefängnisaufenthalt des Paulus in Caesarea und von dort nach Rom, wo er sicherlich auch noch längere Zeit mit Paulus in Kontakt war. Nach dieser Zeit wusste er auf jeden Fall alles, was Paulus wusste. Und zur Weitergabe des Evangeliums gehörte damals alles, was man über Jesus wusste.

Zum Zweiten muss man auch Markus nennen, der uns als Autor eines Evangeliums ja bekannt ist. Auch Lukas und Markus kannten sich. Der Beweis dafür steht im Brief von Paulus an Philemon in V. 23+24: „Es grüßen dich Epafras, mein Mitgefangener im Messias Jesus, Markus, Aristarchos, Demas und Lukas, meine Mitarbeiter.“ Sie gehörten also während der Gefangenschaft von Paulus beide gleichzeitig zu seinen Mitarbeitern. Und wenn Lukas Markus kannte, dann kannte er auch seine Aufzeichnungen, womöglich sein fertiges Evangelium.

Und noch ein Drittes: Ich stelle mir vor, Markus hat seinen Bericht konzentriert geschrieben mit den wichtigsten und zentralen Informationen über Jesus. Lukas als interessierter Sammler dachte dann, er müsse noch mehr darüber erfahren. Und so nutzte er die Zeit, in der er von Frühsommer 57 bis Spätsommer 59 bei Paulus in Cäsarea war. Er machte den einen oder anderen Abstecher nach Jerusalem. Hier lernte er die Örtlichkeiten kennen und traf Leute, die Jesus noch persönlich gekannt hatten. Auch Maria, die Mutter von Jesus, lebte noch dort. Lukas sagt ja in Lk 2,19: „Maria aber brachte alle diese Worte zusammen und bewahrte sie in ihrem Herzen auf.“ Und in Lk 2,51 noch einmal: „Und seine Mutter bewahrte alle diese Worte in ihrem Herzen.“ Das klingt so, als ob Lukas hier eine Quelle nennt, aus der er die Informationen hat.

Wenn Maria damals noch lebte, muss sie Mitte bis Ende 70 gewesen sein. Das war für damalige Verhältnisse ein hohes, aber nicht unwahrscheinliches Alter. Auch die Informationen in der Apostelgeschichte über die erste Zeit der Gemeinde in Jerusalem kann Lukas sehr gut hier in Jerusalem bekommen haben. Man stelle sich die Szene vor: Maria im hohen Alter empfängt den Besuch des ihr fremden griechischen Bruders Lukas. Und sie erzählt ihm, wie es sich damals mit der Geburt von Johannes dem Täufer und der ihres eigenen Sohnes abgespielt hat, wie sie mit dem Zwölfjährigen im Tempel waren, und und. Und Lukas schreibt eifrig mit.

Unter diesen Gesichtspunkten kann man sich gut vorstellen, dass Lukas in den zwei Jahren in Cäsarea sein Evangelium fertiggestellt hat. Und nach der Romreise, als Paulus dort zwei Jahre unter Hausarrest stand, hat er die Apostelgeschichte vollendet. Die Apostelgeschichte endet auffallenderweise ohne richtigen Schluss. Man erfährt nicht mehr, wie es mit Paulus und seinem Prozess weiterging. Das ist am besten damit erklärbar, dass Lukas in diesen zwei Jahren in Rom die Arbeit an diesem Werk abschloss, um es zu veröffentlichen. Dann ist es sogar höchst wahrscheinlich, dass Paulus selbst es in dieser Zeit begleitet und autorisiert hat.

Wie sagt doch Lukas (1,3-4): „Es erschien auch mir gut, nachdem ich allem von Anfang an genau nachgegangen bin, es dir der Reihe nach aufzuschreiben, edler Theophilos, damit du klar erkennst, wie sicher die Worte sind, über die man dich unterrichtet hat.“

Markus

Markus heißt der Autor des Markusevangeliums. Im Gegensatz zu Matthäus und Lukas berichtet er keine Vorgeschichte über Geburt und Kindheit von Jesus. Er setzt wie mit einem Paukenschlag mit Johannes dem Täufer ein und der Botschaft: „Das Reich Gottes ist nahe gekommen!“

Sodann fällt auf, dass Markus wenig Bezüge zum Alten Testament herstellt. Das passt auch zum Fehlen einer Vorgeschichte, die ja auch immer am Vorhergehenden anknüpft. Er hat nur ganz wenige Stücke, die die anderen Evangelien nicht auch berichten. Und es ist das kürzeste der vier Evangelien.

Andererseites werden im Markusevangelium immer wieder Dinge näher erklärt. In Markus 7, wo die Jünger mit ungewaschenen Händen Brote aßen und damit Anstoß erregten, erklärt er: „Denn Pharisäer und alle Juden essen nicht, ohne dass sie sich eifrig die Hände waschen und sich so an die ‚Tradition der Älteren‘ halten. Auch vom Markt essen sie nichts, ohne dass sie es ins Wasser tauchen; und viele andere Dinge gibt es, die sie zu halten übernommen haben, Tauchbäder von Bechern und Krügen und Töpfen, auch von Betten.“

Er macht Erklärungen für Leute, die sich mit jüdischen Dingen offensichtlich nicht so gut auskennen. Das und der reduzierte Bezug zum Altern Testament deuten darauf hin, dass Markus beim Abfassen seiner Schrift vor allem Nichtjuden im Auge hatte. Das passt auch zu der alten Überlieferung, dass Markus als Übersetzer mit Petrus in Rom gewesen ist. Dort baten ihn die Leute dann, die Botschaft von Petrus doch für sie aufzuschreiben. Und das war sicherlich der Anstoß zur Zusammenstellung seines Berichts.

Sich selbst hat er wohl in Mk 14,51-52 mit eingeschmuggelt. Als hier alle Jünger nach der Verhaftung von Jesus flohen, erwähnt er: „Und ein junger Mann war mit ihm gegangen, der war mit einem Leinentuch bekleidet und darunter nackt. Und sie packten ihn, und er ließ das Leinentuch zurück und floh nackt.“ Wer weiß von dieser Sache außer ihm selbst? Nur, wenn er hier von sich spricht, hat diese kleine Episode einen Sinn. So erfahren wir auch, dass er einer aus dem weiteren Jüngerkreis war (also nicht von den „Zwölf“). Er kannte also Jesus persönlich, und war so nicht nur Sammler und Aufschreiber, sondern in manchen Dingen auch selbst ein Augenzeuge.

Dass er ein Jerusalemer war, lässt sich aus Apg 12,12 schließen. Als ein Engel Petrus aus dem Gefängnis befreit hatte, heißt es: „Und (Petrus) bemerkte, dass er zum Haus Marias gekommen war, der Mutter von Johannes, der auch ‚Markus‘ genannt wurde, wo ziemlich viele zusammengerufen worden waren und beteten.“ Das Haus seiner Mutter war also in Jerusalem. Er hatte den hebräischen Namen „Johannes“ und daneben auch den lateinisch/römischen Namen „Markus“. Und wir kennen im Neuen Testament nicht nur seine Mutter Maria. Barnabas, der in der Jerusalemer Gemeinde ein führender Mann war, war sein Onkel.

Das Phänomen des hebräischen und lateinischen Doppelnamens begegnet uns auch bei „Saul(us) Paulus“ und bei „Silas Silvanus“. Vielleicht war es ein Zeichen der römischen Staatsbürgerschaft, dass man als Jude dann auch einen römischen Namen trug.

So unrühmlich wie seine Flucht in der Nacht der Verhaftung von Jesus endete später auch seine Beteiligung an der ersten Missionsreise mit seinem Onkel Barnabas und dessen Mitarbeiter Paulus. Als es anfing, gefährlich zu werden, verließ er die beiden und kehrte zurück nach Jerusalem.

Später ging er dann aber wieder mit Barnabas auf Missionsreise. Und im Philemon- und Kolosserbrief taucht er auch wieder als Mitarbeiter von Paulus auf, während dieser in Cäsarea zwei Jahre im Gefängnis war. Paulus muss ihn von dort mit einem Auftrag ausgesandt haben. Denn in 2 Tim 4,11 will er ihn gerne wieder zurückhaben: „Nimm Markus auf und bring ihn mit dir mit, er ist mir nämlich sehr nützlich zum Dienst.“

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