Entdeckungen eines Bibelübersetzers

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Die Welt retten

Die Welt retten, das ist in unserer modernen Zeit ein aktuelles Thema. Die Welt ist bedroht durch den Klimawandel mit Hitzewellen, Flutkatastrophen, Artensterben, Eisschmelze und Anstieg des Meerespiegels. Und eine Minderheit – geleitet vom humanistischen Bild des gutwilligen und vernünftigen Menschen – versucht, mit verschiedensten Mitteln die Entwicklung aufzuhalten. Von der Mehrheit erntet sie dafür Ablehnung, Verleumdung und Hass.

Denn die Mehrheit der Menschen pflegt eine traditionelle und ästhetische Lebensweise. Alles soll am besten so bleibe, wie es ist. Nicht, was richtig ist, zählt, sondern was praktisch, nützlich und angenehm ist. Und vor allem, was Spaß macht oder reich oder am besten beides. Und so beißen die Weltretter auf Granit.

Leider ist auch in christlichen Kreisen die Sicht verbreitet, ein jeder müsse mithelfen, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Das ist eine wohlklingendere und weniger massive Umschreibung für „retten“. Und so wird von pseudochristlichen Moralaposteln mit einem neuen Gesetz den Menschen wieder einmal eine schwere Last auferlegt. Wir kennen das ja schon von Jesus: „Sie binden Lasten zusammen, die schwer und nicht zu tragen sind, und legen sie den Menschen auf die Schultern; selbst wollen sie diese aber nicht mit ihrem Finger bewegen!“ (Mt 23,4)

(In den gleichen christlichen Kreisen bleibt man intern aber gerne ästhetisch dabei, praktisch und nützlich ein angenehmes „Gemeindeleben“ zu gestalten. Auch hier zählt nicht, was von Gott her richtig ist, sondern was man gewohnt ist und keine allzugroße Mühe macht. Siehe dazu mein Buch „Die Gemeinde des Messias“ …)

In der Bibel finden wir zwei Gebrauchsarten des Begriffs „Welt“. Einerseits ist damit die geschaffene Welt gemeint, die ursprünglich gute Schöpfung Gottes. In ihr und von ihr lebt der Mensch, und in ihr ist „nichts verwerflich, was mit Dank angenommen werden kann.“ (1 Ti 4,4). Diese Welt geht aber ihrem Ende entgegen, während sie sehnlich auf die Enthüllung der Söhne und Töchter Gottes wartet. (Rö 8,19). Denn dann geht es in eine neue Schöpfung hinein.

Zum anderen ist „Welt“ die Bezeichnung der Menschenwelt. Diese Art der Welt ist böse. Beherrscht vom Fürsten dieser Welt, dem Satan, leben hier Menschen, die der Sünde und dem Tod verfallen sind. Einst als Ebenbild Gottes erschaffen, ist nun „das Denken des menschlichen Herzens böse von Jugend auf“ (1 Mo 8,21). Und „wie durch einen einzelnen Menschen die Sünde in die Welt gekommen ist und durch die Sünde der Tod, so geht der Tod auch weiter zu allen Menschen, weil alle sich versündigen.“ (Rö 5,12). Und mit diesem „Tod“ ist im Neuen Testament nicht nur der irdische, sondern auch der ewige Tod gemeint.

Um diese „Welt“ zu retten, ist Jesus gekommen. Johannes der Täufer sagte über ihn: „Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt trägt!“ (Jo 29). Und Jesus selbst sagte: „Ich bin nicht gekommen, um die Welt zu richten, sondern um die Welt zu retten.“ (Jo 12,47.) Das zweite Mal kommt er dann zum Retten und zum Richten …

Doch nun kommt die Rätselfrage: Wenn Jesus von Gott gekommen ist, die Welt zu retten, die „Welt“ aber gar nicht gerettet wird, sondern verloren geht, wie passt das zusammen? Die Frage beantwortet sich, wenn wir erkennen, dass die „Welt“ vor Gott nicht eine Menschenmasse ist, sondern nur aus den vielen einzelnen Menschen besteht. Vor Gott zählt nicht die „Welt“, sondern jeder einzelne Mensch. Und so bezieht sich die Rettung, die Jesus der Welt bringt, immer auf den einzelnen Menschen.

Jesus hat das klar zum Ausdruck gebracht: „Geht durch das enge Tor hinein! Denn breit ist das Tor und weiträumig der Weg, die ins Verderben führen, und viele sind es, die da hineingehen. Wie eng ist das Tor und wie beengt der Weg, die ins Leben führen, und wenige sind es, die sie finden.“ (Mt 7,13-14). Jesus kennt sogar das Zahlenverhältnis: Wenige werden gerettet, viele gehen verloren. Natürlich darf man fragen: Wie kann das sein?

Dass Gott dem Menschen ein Angebot macht, ihn aber nicht dazu zwingt, ist eine Auswirkung seiner Liebe. Denn Liebe zwingt nicht, Liebe gibt frei. Gerade die Liebe ist es, die dieses freie Angebot der Rettung macht. „Auf diese Weise liebt Gott nämlich die Welt: Er hat den einziggeborenen Sohn gegeben, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat.“ (Jo 3,16). Der Glaube ist das Mittel, mit dem der Mensch die ihm in Liebe angebotene Rettung ergreift. Es sind natürlich Gottes Bedingungen, unter denen das alles stattfindet. „Auf diese Weise liebt Gott die Welt …“

Und dass die Zurückweisung dieser Liebe den Zorn Gottes erweckt, ist natürlich völlig verständlich.

Der Herr

Der Herr, das ist die Übersetzung des griechischen Wortes „Kýrios“. Als sprachliche Definition von „Kyrios“ könnte man sagen: Es ist ein Entscheider, der auch die Macht hat, seine Entscheidung durchzusetzen.

Mit gutem Grund wurde „Kyrios“ deshalb in der griechischen Übersetzung des Alten Testaments und im Judentum überhaupt als Übersetzung des hebräischen Gottesnamens JHWH gebraucht. Gott ist der „Herr“. Aber auch die Griechen bezeichneten ihre Götter als „Herren“. Und bei den Römern war es ein Titel des göttlichen Kaisers.

Auf der menschlichen Ebene war ein „Herr“ der Besitzer und Gebieter seiner Sklaven. In einer Nebenbedeutung wurde das Wort aber auch als eine respektvolle Anrede gebraucht an jemanden, der bedeutender und höher geachtet war als man selbst. Ein Sklave hatte seinen Herrn, dem er Gehorsam schuldig war. Neben diesem gab es aber auch andere „Herren“, denen er zwar nicht gehorchen, ihnen aber ebenfalls mit Achtung und Respekt begegnen musste. Hierin hat die respektvolle Anrede sicherlich ihre Wurzel.

Im Neuen Testament begegnet uns das Wort in seinen verschiedenen Facetten. Von Anfang an ist es die Bezeichnung bzw. der Name Gottes. Der Priester Zacharias und seine Frau Elisabet „waren beide gerecht vor Gott und gingen tadellos ihren Weg in allen Geboten und Grundsätzen des Herrn“ (Lk 1,6). Und so begegnen uns auch das Tempelhaus des Herrn, ein Engel des Herrn, das Gesetz des Herrn usw.

Aber auch als Bezeichnung des Messias taucht es schon sehr früh auf. So sagt Elisabet zu der sie besuchenden Maria: „Wie komme ich dazu, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt?“ (Lk 1,43). Ganz eindeutig ist es in der Botschaft, die ein Engel des Herrn den Hirten auf dem Feld bei Betlehem bringt. „Für euch ist heute der Retter geboren, der Messias und Herr ist, in der Stadt Davids.“ (Lk 2,11).

Auch als respektvolle Anrede an einen Höhergestellten wird es gegenüber Jesus gebraucht. So sagte z. B. Petrus nach dem wunderbaren Fischfang: „Geh weg von mir: Ich bin ein sündiger Mann, Herr!“ (Lk 5,8). Oder die Samariterin am Jakobsbrunnen: „Herr, du hast nichts zum Schöpfen und der Brunnen ist tief. Woher hast du denn das lebendige Wasser?“ (Jo 4,11).

Das Verhältnis zwischen Sklaven und Herren hat Jesus oft als Beispiel oder Vergleich für geistliche Wahrheiten herangezogen. So z. B. in der Bergpredigt, als er sagte: „Niemand kann zwei Herren als Sklave dienen. Denn entweder wäre ihm der eine gleichgültig und er liebte den anderen, oder er hielte sich an den einen und verachtete den anderen. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon!“ (Mt 6,24).

Die Bezeichnung „Herr“ in ihrer eigentlichen Bedeutung hat Jesus für sich selbst in Anspruch genommen. „Was ruft ihr mich ‚Herr, Herr!‚ und tut nicht, was ich sage? Nicht jeder, der mir sagt ‚Herr, Herr!‘, wird in das Königreich der Himmel hineingehen, sondern wer den Willen meines Vaters in den Himmeln tut.“ (Mt 7,21 / Lk 6,46). Seine Autorität hat Jesus nicht aus sich selbst, sondern von seinem Vater in den Himmeln. Und er bestätigt es gegenüber seinen Jüngern. „Ihr nennt mich ‚der Lehrer‘ und ‚der Herr‚, und ihr sagt es richtigerweise, denn ich bin es.“ (Jo 13,13).

Besonders Lukas nennt Jesus in seinem Bericht ganz unbefangen oft so, z. B. in der Geschichte über die Witwe aus Nain, die ihren Sohn verloren hatte. „Als der Herr sie sah, war er tief bewegt wegen ihr und sagte ihr: ‚Weine nicht!'“ (Lk 7,13). Auch Johannes nennt ihn so, z. B. im Anschluss an die Speisung der 5000. „Aber von Tiberias kamen andere Boote nahe an den Platz, wo sie das Brot gegessen hatten, nachdem der Herr gedankt hatte.“ (Jo 6,23).

Die Bezeichnung von Jesus als „Herr“ wirft auch ein Licht auf die Stelle in Jo 15,15. „Ich nenne euch nicht mehr ‚Sklaven‘, denn der Sklave weiß nicht, was sein Herr tut. Euch nenne ich ‚Freunde‘, denn alles, was ich von meinem Vater gehört habe, habe ich euch wissen lassen.“ Warum sollte Jesus seine Jünger überhaupt „Sklaven“ nennen? Weil er ihr „Herr“ ist. Aber nun sind sie doch keine Sklaven für ihn, sondern seine Freunde, auch wenn er ihr Herr bleibt. Dieses Verhältnis drückt sich auch in dem aus, was Maria von Magdala am leeren Grab von Jesus sagte. „Man hat meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wo man ihn hingelegt hat.“ (Jo 20,13). So spricht keine Sklavin, sondern eine Freundin, trotzdem ist er ihr Herr.

Nach der Auferstehung ist es dann ganz offenbar. So nennt ihn Thomas: „Mein Herr und mein Gott!“ (Jo 20,28). Fortan wird Jesus verkündigt als Messias und Herr. Das wird zum Lebenselement der Gemeinde. Jesus ist der Herr, dem sie dienen und den sie bekennen. Und am Ende werden es alle bekennen müssen:

„Deshalb erhöhte Gott ihn auch über alles und schenkte ihm den Namen, der über jedem Namen ist, damit im Namen von Jesus jedes Knie sich beugen soll, von Himmlischen und Irdischen und Unterirdischen, und jede Zunge eingestehen soll: ‚Herr ist Jesus der Messias‘, zur Ehre Gottes des Vaters.“ (Phil 2,9-11). Der Name, den Gott ihm geschenkt hat, ist „Herr“ – Gottes eigener Name.

Ehelosigkeit

Ehelosigkeit ist eine leider wenig beachtete Empfehlung des Neuen Testaments. Dabei ist natürlich nicht der Verzicht auf eine formelle Heirat gemeint, sondern der Verzicht auf jegliche sexuelle Beziehung überhaupt. Das schönere und positive Wort dafür wäre „Keuschheit“. Aber dieses Wort ist aus dem modernen Sprachgebrauch wegen des Desinteresses an der Sache fast ganz verschwunden. Dieses Schicksal teilt es auch mit seinem Gegenbegriff, der „Unzucht„. Natürlich schließt der Verzicht auf die Ehe auch den Verzicht auf eigene Kinder mit ein.

Vom Alten Testament her war ein Interesse an der Ehelosigkeit nicht zu erwarten. Das irdische Volk Israel war von seinem Ursprung her auf Abstammung und Fortpflanzung angelegt. Das ging bis hin zur Schwagerehe, in der ein Mann für seinen kinderlos verstorbenen Bruder mit dessen Frau noch einen Nachkommen erzeugen sollte. Auch die Pharisäer zur Zeit von Jesus waren auf Ehe und Nachkommenschaft fixiert, wie auch ihre geistigen Nachkommen, die orthodoxen Juden, bis heute.

Anders dagegen die Richtung der Essener, die damals schon den Gedanken entwickelt hatten, dass zu einer ganzen Hingabe an Gott die Ehelosigkeit am besten sei. Sie hatten deshalb neben Verheirateten auch viele Ehelose als Mitglieder in ihrer Gemeinschaft. Im Lukasevangelium begegnen uns die drei ledigen Geschwister Lazarus, Marta und Maria, die in Betanien zusammen wohnten. Ihre Lebensform ist in damaliger Zeit eigentlich nur denkbar, wenn sie Mitglieder oder zumindest Sympathisanten der Essener waren.

Auch bei Jesus selbst wird zu wenig beachtet, dass in seinem ganz an den Vater und die Menschen hingegebenen Leben eine Ehefrau keinen Platz hatte. (Und die ihm von der Welt angedichteten Verhältnisse wie z. B. mit Maria Magdalena sind natürlich völliger Unsinn.) Aber er hat es nicht nur vorgelebt, er hat auch davon gesprochen.

Seine Jünger kamen einmal im Gespräch über die Schwierigkeiten der Ehe zu dem Schluss: „Wenn die Sache des Ehemannes mit der Ehefrau so steht, ist es nicht gut zu heiraten.“ Und da stimmte ihnen Jesus zu und erklärte ihnen: „Nicht alle erfassen diese Sache, sondern nur die, denen es gegeben ist. Es gibt ja Eunuchen, die aus dem Mutterleib so geboren werden. Es gibt auch Eunuchen, die von den Menschen dazu gemacht werden. Und es gibt Eunuchen, die sich wegen des Königreichs der Himmel selbst dazu machen. Wer das erfassen kann, soll es erfassen!“ (Mt 19,10-12).

Ein Eunuch ist im engeren Sinne ein durch Kastration zeugungs- und damit eheunfähig gemachter Mann. Ím weiteren Sinne galt es damals offensichtlich auch für einen, der von Geburt an eine entsprechende Unfähigkeit hatte. Jesus erweiterte dieses Spektrum dann noch auf die, welche für sich selbst „wegen des Königreichs der Himmel“ auf sexuelle Beziehungen ganz verzichten. Und er geht davon aus, dass es solche Leute tatsächlich gibt. Es ist also keine Theorie, es ist Praxis. Natürlich hatte er damals das Beispiel der Essener vor Augen. Aber eine indirekte Empfehlung an seine Jünger darf man dabei sicherlich heraushören.

Eine deutlichere Sprache in dieser Richtung sprechen die mehrmals vorkommenden Stellen, an denen Jesus davon spricht, dass das Reich Gottes die natürliche Familie außer Kraft setzt. Man soll ihn mehr lieben als Vater und Mutter. Man kann Vater, Mutter, Frau und Kinder verlassen, um ihm zu folgen. Einem potentiellen Nachfolger verweigert er die Erlaubnis, die Beerdigung von dessen verstorbenem Vater auszuführen. Der Bruch mit der leiblichen Familie beinhaltet natürlich auch den Bruch mit der Ehe.

Diese Prioritätensetzung bestätigt Paulus in seinen Ausführungen zu Ehe und Ehelosigkeit in 1 Kor 7. Zunächst weist er eine generelle Ablehnung der Ehe zurück. „Was das betrifft, was ihr geschrieben habt: ‚Es ist gut für einen Mann, keine Frau zu berühren!‘ (Dazu sage ich:) Wegen der Unzucht soll aber jeder seine Frau haben und genauso jede den eigenen Mann.“ (Verse 1-2). Aber die Empfehlung zur Ehelosigkeit spricht der ehelose Gesandte des Herrn dann deutlich aus. Betrachten wir die Stellen dazu in der Zusammenstellung:

„(Wenn ihr mich fragt, dann) will ich, dass alle Menschen (unverheiratet) sind wie auch ich; aber jeder hat eine eigene Gabe von Gott, der eine so, der andere so.“ (Vers 7)

„Ich sage den Unverheirateten und den Witwen: Es ist gut für sie, wenn sie bleiben wie ich. Wenn sie aber nicht verzichten können, sollen sie heiraten. Es ist doch besser, verheiratet zu sein, als sich (vor Verlangen) zu verzehren.“ (Verse 8-9)

„Was die Jungfrauen betrifft, habe ich keine Anordnung des Herrn. Eine Meinung gebe ich aber als jemand, der beim Herrn das Erbarmen gefunden hat, gläubig zu sein: Ich glaube, dass Folgendes gut ist wegen der gegenwärtigen Not, dass es also gut ist für einen Menschen: Bist du an eine Frau gebunden, suche keine Loslösung, bist du von einer Frau gelöst, suche keine Frau!“ (Verse 25-27)

„Der Unverheiratete sorgt für die Dinge des Herrn, wie er dem Herrn gefällt. Der geheiratet hat, sorgt aber für die Dinge der Welt, wie er der Frau gefällt, und er ist zerteilt. Sowohl die unverheiratete Frau als auch die Jungfrau sorgt für die Dinge des Herrn, dass sie heilig ist, mit dem Leib und mit dem Geist. Die geheiratet hat, sorgt aber für die Dinge der Welt, wie sie dem Mann gefällt. Das sage ich, weil es gut für euch selbst ist, und nicht, um euch eine Schlinge überzuwerfen. Aber es soll angesehen sein, dem Herrn auch ungehindert zur Verfügung zu stehen!“ (Verse 32-35)

„Wenn aber jemand glaubt, er würde seine Jungfrau beschämen, wenn sie eine alte Jungfer würde, und es müsse so sein, dann soll er tun, was er will, er versündigt sich nicht, er soll sie heiraten lassen. Wer in seinem Herzen aber fest steht, keine Notwendigkeit sieht, Freiheit über seinen Willen hat und so in seinem Herzen beschlossen hat, seine Jungfrau zu bewahren, der tut gut daran. Deshalb macht es der, der seine Jungfrau heiraten lässt, gut, und der, der sie nicht heiraten lässt, macht es besser.“ (Verse 36-37)

„Eine Frau ist auf so lange Zeit gebunden, wie ihr Mann lebt. Wenn der Mann entschläft, ist sie frei, sich heiraten zu lassen, von wem sie will, nur im Herrn. Glücklicher ist sie meiner Meinung nach aber, wenn sie so bleibt. Und ich meine, dass auch ich Geist Gottes habe.“ (Verse 38-39)

Auch bei der Anerkennung der „wirklichen Witwen“ im ersten Timotheusbrief klingt diese Sichtweise durch: „Zu „Witwen“ darfst du (nur) die bestimmen, die wirkliche Witwen sind. … Die wirkliche Witwe, die niemanden mehr hat, hat ihre Hoffnung auf Gott gesetzt und bleibt beim Bitten und Beten Tag und Nacht.“ (1 Tim 6,1+3). Diese Bestimmung zeigt auch, dass die ehelose Lebensart zumindest bei diesen „wirklichen Witwen“ auf einer Entscheidung beruhte, die in der Gemeinde bekannt und anerkannt war. Sie sollte wohlüberlegt sein, man durfte sich dazu nicht leichtfertig verpflichten.

Offensichtlich hatte man damit auch schon entsprechende Erfahrungen gemacht. „Jüngere Witwen musst du aber zurückweisen! Denn wenn sie – entgegen dem Messias – üppig leben wollen, dann wollen sie (wieder) heiraten und haben das Urteil, dass sie mit der anfänglichen Treue gebrochen haben. Zugleich lernen sie auch, unnütz in den Häusern umherzugehen, und nicht nur unnütz, sondern auch schwatzhaft und neugierig, und zu reden, was sich nicht gebührt. Ich will also, dass jüngere (Witwen wieder) heiraten, Kinder haben, ein Haus führen, dem Gegner keinen Anlass zur Verleumdung geben. Schon haben sich ja einige abgewandt hinter dem Satan her.“ (1 Tim 6,11-15). Es geht also nicht darum, dass die Ehelosigkeit einen eigenen Wert an sich hätte, es geht vielmehr um den geistlichen Lebensstil, den sie ermöglicht.

Die christliche Lebensweise, die wir heutzutage im Allgemeinen kennen, beinhaltet die Wertschätzung von Ehe und Familie. Die Ehelosigkeit ist als Ausnahmefall institutionalisiert im katholischen Mönchs- und Nonnenwesen. Im evangelischen Bereich gibt es traditionell die Diakonissenhäuser und in moderneren Zeiten die Einrichtung von Kommunitäten, in denen die ehelose Lebensform ihren Platz hat. Beiden Bereichen ist gemeinsam, dass die Ehelosigkeit als Ausnahme und Sonderform angesehen wird. Der allgemeinen christlichen Gemeinde, die im Alltag lebt, ist sie entnommen. Die Gemeinde bleibt weiterhin im Denkmuster von Ehe und Familie als Normalfall. Und es gibt ja auch die Geschwister, denen es ein Anliegen ist, die noch vorhandenen Unverheirateten miteinander zu verkuppeln.

Die ganze Hingabe in der Nachfolge, die auf Ehe und Familie verzichtet, ist in der neutestamentlichen Gemeinde aber eine Realität. Die Ehelosigkeit gehört vor Ort in die Gemeinde als gleichwertige und anerkannte Lebensform neben der Ehe. In der Zeit der frühen Christen waren im römischen Reich immer wieder die Christenverfolgungen zu bestehen. Und in den Berichten über die Märtyrer tauchen immer wieder sogenannte „heilige Jungfrauen“ auf, die willig für Jesus in den Tod gingen. Die Sache war also auch damals noch eine Realität.

Die Endzeit, in der die Gemeinde steht, hat auch ihre Rückwirkungen auf die Sicht von Ehe und Familie. „Das sage ich, Geschwister: Die Zeit ist begrenzt. Im Weiteren sollen auch alle, die Frauen haben, wie solche sein, die keine haben.“ (1 Ko 7,29). Mit dieser Relativierung ist auch die romantische Vorstellung erledigt, die Ehe sei dazu da, einander glücklich zu machen. Das Glück des Christen kommt von Gott und nicht vom Ehepartner. Nebenbei bemerkt, kann der Verzicht auf solche weltlichen Vorstellungen eine große Entlastung für die Ehe bedeuten. Und die zerstörerische Vergötterung des Ehepartners und/oder der Kinder ist damit ausgeschlossen.

Ehelosigkeit ist nach Jesus dann auch die Lebensform der Zukunft, ein Hinweis auf die Existenzweise in der neuen Welt Gottes. Mt 29,30 / Mk 12,25 / Lk 20,35-36: „Die aber, die für wert gehalten werden, zu jener Welt zu kommen und zur Auferstehung von den Toten, die heiraten nicht und sind nicht verheiratet, wenn sie von den Toten auferstehen. Sie können ja auch nicht mehr sterben, sondern sie sind Engeln in den Himmeln gleich und sind Söhne und Töchter Gottes, weil sie Söhne und Töchter der Auferstehung sind.“

Auf der Baustelle

(Auf der Baustelle – Teil 2 des Kapitels „Der Baumeister“ aus dem Buch „Kennst du das Land?“ von Ludwig Schneller)

Gewiss wird es den freundlichen Leser interessieren, sich einmal einen orientalischen Bauplatz anzusehen. Ich lade ihn ein, einen solchen mit mir zu betreten:

Der Grund ist gelegt, und zwar so tief, dass er auf dem Felsen steht. Die Mauern haben sich schon zu beträchtlicher Höhe erhoben. Mehrere Meister stehen mit Hammer und Kelle hoch oben auf den Mauern. Sie messen Quadern ab und fügen sie mit Mörtel und Zwischensteinchen lotrecht ein. Neben ihnen stehen die Handlanger, welche Mörtel auf Brettchen bereit halten. Schief gelegte, starke Bretter führen vom Erdboden bis hinauf. Auf diesem schwankenden Boden gehen langsamen Schrittes die Lastträger, welche die Bausteine in die Höhe schaffen.

Dort in einer Grube wird Kalk abgelöscht. Daneben wird der Mörtel vermischt und verarbeitet. Zehn bis fünfzehn Arbeiter bewegen sich hurtig auf der Baustelle und tragen Steine, Mörtel, Wasser herzu. Derweil ertönt aus einer Ecke der gleichmäßige Takt hämmernder Steinmetzen.

Seinen Höhepunkt erreicht dies bunte Treiben, wenn die fertiggestellten Mauern mit dem Gewölbe gekrönt werden sollen. Alle Nachbarn und Freunde des Bauherrn kommen herzu und arbeiten mit den bezahlten Arbeitern. Das ist dann ein emsiges, fröhliches Schaffen auf der Baustelle. Der allgemeine Eifer steckt Alt und Jung an. Hier steht der geachtete Dorthäuptling neben dem geringsten Tagelöhner. Dort schaufelt ein Mädchen mit sichtlicher Anstrengung am Mörtel herum, dort schleppt ein Greis Wasser zum Ablöschen des Kalks herbei. Selbst kleine Kinder trippeln, mit einem Mörtelbrett in der Hand, halb so groß wie sie selbst, oder mit einem nach ihren Begriffen ungeheuer großen Wölbstein mit possierlichem Eifer auf der Baustelle herum, – alles, um nachher an dem üblichen Festmahl teilzuhaben, welches der Bauherr den Arbeitern zum Schluss zu geben pflegt.

Unter allgemeinem rhythmischem Gesang kurzer Liedstrophen oder charakteristischer im Takt gerufener Worte wie heejalíssa heejalíssa, welche in unermüdlicher Wiederholung von 50 bis 100 Kehlen angestimmt werden, schreitet die Arbeit erstaunlich rasch vorwärts. Kurze Augenblicksgedichte wiederholt der Chor nach dem Vorgang eines Vorsängers ungezählte Male. Sie handeln mit besonderer Vorliebe von den Herrlichkeiten des zu erwartenden Festschmauses, eine zarte Andeutung für den mitarbeitenden Bauherrn.

In langer Kette stehen sie da, von dem Ort an, wo die Wölbsteine liegen, bis hinauf zu dem alles dirigierenden Baumeister. Mit starkem Schwung wirft einer dem anderen die Wölbsteine zu. Auf diese Weise wandern sie von ihrem Lagerort von Hand zu Hand rasch hinauf bis zu dem hohen Gewölbe.

Der Baumeister dort droben scheint bei dieser letzten Arbeit seine Kräfte verzehnfacht zu haben. Es ist wahrhaft erstaunlich, wie rasch ihm die Arbeit von der Hand geht. Mit fliegender Eile nimmt er den dastehenden Trägern abwechslnd Mörtel und Wölbsteine ab und wirft sie mit sicherem Wurf an ihren Platz. Denn niemand soll ihm nachsagen können, dass er mit der, ob auch noch so sehr angewachsenen Zahl der Arbeiter nicht fertig geworden sei.

Eine freudige Stimmung beherrscht die ganze Arbeiterschar. Und allgemeiner Jubel bricht aus, und schallt, vermischt mit den eigentümlich trillernden Jubelrufen der Frauen fröhlich über das ganze Dorf und die benachbarten Hügel hin, wenn endlich der Schlussstein oben ins Gewölbe eingesetzt ist, und das Haus, mit grünem Zweig gekrönt, seine längst gebauten Kameraden in Stadt und Dorf begrüßt.

Alle, welche mitgearbeitet, versammeln sich alsdann zu einem frohen Festmahl. Der Bauherr veranstaltet es in seinem Haus oder auf der Baustelle, indem er ein oder mehrere Schafe oder Böcklein schlachtet und zum besten gibt.

Drunten ruht nun der Eckstein an seinem tiefen Ort und trägt die wuchtige Last. Und über ihm wächst der ganze Bau wohlgefügt empor zu seiner höchsten Höhe, wo die lustigen Wimpel wehen.

So baut der einstige irdische Baumeister seine Gemeinde, seine himmlische Kathedrale, hinein in die vergängliche Welt. Sie hat einen weisen Baumeister: er selbst ist der Baumeister. Auf den Felsen ist sie gegründet: er selbst ist der Fels. Sie ruht auf einem auserwählten köstlichen Eckstein, der allem die Richtung gibt: er selbst ist der Eckstein, „auf welchem der ganze Bau in einander gefügt wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn“. Darum „auch ihr, als die lebendigen Steine, bauet euch zum geistlichen Haus auf den erwählten köstlichen Eckstein in Zion“.

Denn auch dort, wenn der strahlende Bau vollendet ist bis zu seiner Krönung in Herrlichkeit, wird der Bauherr hervortreten in Majestät und reicher Freigebigkeit und ein Festmahl geben für alle, welche sich auch mit in die Kette gestellt und im Blick auf den alles dirigierenden Baumeister auf der Höhe mitgeholfen haben, sich und andere als Steine einfügend in den lebendigen Bau. Und es wird keiner vergessen sein, der auch mit seiner geringen Kraft gerne und freiwillig mitgeholfen hat. „Sie werden kommen von Morgen und Abend, die zu Tische sitzen werden im Reich Gottes!“ (Lk 13,29).

Der Baumeister

(Der Baumeister – Teil 1 des Kapitels „Der Baumeister“ aus Ludwig Schnellers Buch „Kennst du das Land?„)

Auf unseren Bildern, welche Jesus während seines Aufenthalts in Nazaret darstellen, sehen wir ihn gewöhnlich mit Hobel und Säge bewaffnet an der Hobelbank stehen. Meist noch als Kind, um Josef zu helfen, während Maria irgendwo im Hintergrund der Tischlerwerkstatt zu sehen ist. Wir haben aber schon oben ausgeführt, dass „Tektoon“, d. h. einer, welcher Häuser baut, in Palästina, wo auf dem Gebirge alle Häuser aus Stein erbaut werden, nur einen Baumeister bedeuten kann. Sämtliche Gleichnisse des Herrn, welche auf Bauten Bezug nehmen, reden von Steinbauten.

Noch heutzutage wollen die Betlehemer Baumeister die Geheimnisse ihrer Kunst nur auf ihre eigenen Söhne vererben. Und so hat auch Josef den jungen Jesus in seine Kunst eingeführt. Er hat ihm die beste Art Steine zu fügen, Gewölbe zu runden usw. gezeigt. Als Josef dann starb, führte Jesus das Handwerk selbständig fort. Jene Stelle, aus welcher man folgern muss, dass Josef schon seit längerer Zeit gestorben war, zeigt uns Jesus als selbständigen Meister. Denn er wird dort (Mk 6,3) nicht etwa der Sohn des Baumeisters, sondern „der Baumeister, Marias Sohn“ genannt.

Freilich wird Jesus wohl nicht ausschließlich mit der Bauarbeit beschäftigt gewesen sein. Teils weil dieser Beruf nur für einen Teil des Jahres Beschäftigung und Verdienst bietet, teils aus Neigung geben sich z. B. in Betlehem fast alle Baumeister, mehr oder weniger, auch mit Landbau ab. Die Gleichnisse von Jesus deuten darauf hin, dass dies auch bei ihm der Fall war. Denn jedermann nimmt seine Vergleiche aus solchen Gebieten, in denen er heimisch ist. Wir finden aber in den Gleichnissen des Herrn auf nichts so viel Bezug genommen, wie auf Landbau und Bauarbeit. Betreffs des Landbaus, welcher naturgemäß die meisten Gleichnisse darbot, bedarf es keiner besonderen Beispiele. Aber auch auf den Häuserbau spielt der Herr besonders gerne an. Ansonsten zieht er außer dem Fischergewerbe seiner Jünger gar kein Handwerk, jedenfalls nicht die Zimmermannskunst, zu seinen Gleichnissen heran.

Gleich am Anfang seiner Tätigkeit, nachdem er kaum Hammer und Kelle niedergelegt hat und zum ersten Mal in seinem neuen göttlichen Beruf vor dem herrlichen Tempel in Jerusalem steht, spricht er (Jo 2,19): „Brecht diesen Tempel ab, und in drei Tagen will ich ihn aufrichten!“. Jesus hat dabei natürlich nicht mit dem Finger auf seinen Leib gedeutet, wie manche es erklären wollen. Sonst hätte ihn jedermann verstehen müssen. Es war vielmehr ein Rätselwort, wie es der Herr manchesmal gesprochen hat. Auch wenn niemand in seiner Umgebung den wahren Sinn verstand. Selbst seine Gleichnisse, z. B. von viererlei Ackerfeld, blieben oft zunächst ganz unverstanden, solange er keine Erklärung hinzufügte. Die Leute nun, welche wussten, dass der, welcher jenes Wort vor dem Tempel stehend sprach, ein Baumeister war – und dazu gehörten vor allem seine Jünger -, konnten den Sinn nicht erfassen.

Jesus aber wollte durch solche Worte das Nachdenken anregen. Solche Rätselworte waren wie Saatkörner, welche erst einige Zeit in der Tiefe der Seele ruhen mussten, bis sie aufgehen konnten. Ihre scheinbare Unverständlichkeit machte sie nur um so behaltbarer. Denkende Leute kamen allmählich auf den Gedanken, dass der Herr in einem weit tieferen Sinn, als bisher, ein Baumeister sein könnte. Die Mehrzahl der Gedankenlosen dagegen bezog das Wort einfach auf sein bisheriges Handwerk und machte ihn lächerlich. „Dieser Tempel ist in 46 Jahren erbaut, und du willst ihn in drei Tagen aufrichten?“

Der Zweck des Herrn, das Nachdenken zu wecken, wurde auch trefflich erreicht. So großes Aufsehen machte jenes Wort, dass man es ihm selbst im Todesgericht noch vorwarf. Und auch später noch bei der Steinigung des Stefanus wurde es als Verbrechen vorgebracht. Aber erst nach der Auferstehung, so bemerkt Johannes, ging den Jüngern ein Licht darüber auf, was der Herr vor einigen Jahren mit dem seltsamen Wort gemeint hatte. …

Wie oft hören wir auch sonst aus den Gleichnissen des Herrn den früheren Baumeister reden. Für sein eigenes Schicksal, die Verwerfung vonseiten Israels, nimmt er ein Gleichnis vom Bauplatz. Es wurde, so sagt er ungefähr, ein Bau aufgeführt. Die Bauleute stehen auf dem Bauplatz zusammen und besehen die Bausteine. Einen Stein werfen sie als ganz untauglich weg. Aber gerade dieser Stein wurde zur großen Verwunderung aller zum Eckstein des Hauses. Der Bauherr hatte es so bestimmt. (Mt 21,42; Mk 12,10).

Oder Lk 14,28 sehen wir den Baumeister, der vor Ausführung eines Baues seinen Kostenüberschlag macht: Wer wollte einen Turm bauen und sitzt nicht zuvor und überschlägt die Kosten! Aber hat er erst den Grund gelegt, was bei den Bauten in Palästina oft besonders kostspielig ist, und kann es nachher doch nicht ausführen, so wird er von jedermann ausgelacht.

Gerade die Grundlegung beim Bau führt der Herr öfters an. Bekanntlich muss der Grund eines Hauses in Palästina auf dem Fels liegen, wenn man auch noch so tief graben muss. Diesem Grundsatz gemäß, den jeder Baumeister befolgen muss, will Jesus, wie früher bei seinen Bauten, seine Gemeinde auf den Felsen bauen. Und so stark und fest soll der Bau gegründet und gefügt sein, dass selbst die Pforten der Hölle ihn nicht überwältigen sollen. Ja den ganzen Ernst, die Summa der Bergpredigt, fasst der Herr am Schluss derselben in ein vom Bauplatz genommenes Gleichnis. „Darum wer diese meine Rede hört und tut sie, den vergleiche ich mit einem klugen Mann, der sein Haus auf den Felsen baute. Wer sie aber hört und tut sie nicht, der gleicht einem törichten Mann, der sein Haus auf den Sand baute.“ (Mt 6,24-26). …

Aus diesen Beispielen ist ersichtlich, wie sehr auch später noch die Regeln der Baukunst in den Gedanken des Herrn lagen. Und sie bestätigen uns, dass nicht Tischlerei oder Zimmerei, sondern Häuserbau der Beruf des Herrn vor seinem Amtsantritt war.

Jünger

„Jünger“ ist im Neuen Testament die bekannte Bezeichnung für die Nachfolger von Jesus. Das Wort ist die Übersetzung des griechischen „mathetés“. Das kommt von dem Wort „manthánein / lernen“ und bezeichnet also im eigentlichen Sinne einen „Lernenden“. Wir hätten im Deutschen dafür auch Worte wie Schüler, Student, Lehrling oder Auszubildender. Aber sie bringen nicht die richtige Vorstellung von der Sache zum Ausdruck.

Bei einem „Schüler“ sehen wir vor unserem geistigen Auge eine Schulklasse, bei einem „Studenten“ einen Hörsaal, bei einem „Azubi“ einen Ausbildungbetrieb. Das alles passt nicht zur antiken Jüngerschaft. Ein Jünger ist natürlich ein Schüler, deshalb ist das Gegenstück dazu auch der Lehrer. Aber er lernt nicht stundenweise in einem Klassenzimmer, sondern er tritt in eine Lebensgemeinschaft mit einem Lehrer ein. Er sucht sich den Lehrer aus, dieser muss ihn aber auch annehmen. Die Worte seines Lehrers sind dann so wichtig für ihn, dass er sie auswendig lernt. Aber er will nicht nur die Worte des Lehrers lernen, sondern auch das daraus folgende Handeln. Und deshalb muss er die vorbildliche Umsetzung der Worte im Leben des Lehrers auch mit eigenen Augen beobachten.

Es gibt eine nette Anekdote aus der jüdischen Überlieferung dazu. Ein Rabbi (die jüdische Bezeichnung für einen Lehrer) wollte abends mit seiner Frau zu Bett gehen. Dabei entdeckte er zwei seiner Jünger, die sich in seinem Schlafzimmer versteckt hatten. Empört stellte er die beiden zu Rede, was sie hier zu suchen hätten? Die bezeichnende Antwort der beiden war: „Rabbi, wir wollen lernen!“

Im Neuen Testament finden wir deshalb nicht nur Jünger von Jesus, wir finden auch Jünger von Johannes dem Täufer und Jünger der jüdischen Theologen. Paulus z. B. war ein Jünger des hoch geachteten Rabbinen Gamaliel gewesen, der in der Apostelgeschichte auch einmal in Erscheinung tritt.

Insofern war es nichts Neues, dass auch Jesus diese Art von Jüngern hatte. Neu bei ihm war die große Zahl von Jüngern, die er hatte. Denn bei Jesus waren es nicht nur die „Zwölf“, sondern alle, die ihm folgten, und das ging zeitweise in die Tausende. Und das ganz Neue dabei war, dass er Frauen als Jüngerinnen akzeptierte.

So konnten letztlich alle, die an ihn als den Messias glaubten, als seine Jünger bezeichnet werden. In Ablehnung dagegen nannten sich die Theologen dann die „Jünger von Mose“ (Jo 9,28).

Beachtenswert ist, dass die Bezeichnung „Jünger“ für die Gläubigen in der Apostelgeschichte einfach weitergeht. Überall, wo man hinkommt, findet man Jünger. Und das ist eine aufschlussreiche Benennung. Auch die Christen in der Gemeinde sind und bleiben Jünger. Sie bleiben Lernende. Eine interessante Frage an einen Christen: Bist du ein Lernender? Bist du immer noch ein Lernender?

Und wer ist der Lehrer? Diese Frage hat Jesus ein für alle Mal beantwortet. Mt 23,8: „Ihr aber sollt euch nicht ‚Rabbi‘ nennen lassen! Einer ist nämlich euer Lehrer, ihr alle seid Geschwister.“

Natürlich gibt es in der Gemeinde des Neuen Testaments auch Lehrer – Geschwister mit der Gabe des Lehrens. Aber auch ihr Lehrer ist Jesus, und man folgt nicht ihnen, sondern ihm. Ein falscher Lehrer bindet Menschen an sich, ein richtiger Lehrer weist sie in die Nachfolge von Jesus.

Auch das Ziel eines Jüngers hat Jesus klar definiert. Lk 6,40: „Es ist kein Jünger über dem Lehrer. Als Ausgebildeter soll aber jeder wie sein Lehrer sein.“ Wenn Jesus der Lehrer des Jüngers ist, dann ist das Ziel der Ausbildung, wie Jesus zu sein. Deswegen bleiben Christen wohl auch zeitlebens Jünger …

Warum ich „Messias“ übersetze

Warum ich „Messias“ übersetze – das haben mich Leser meiner Übersetzung schon angefragt. Im Beitrag „Der Messias“ habe ich die Begriffe „Christus“, „Messias“, „gesalbter (König)“ ja schon erklärt. Ich habe diese Begriffe im Lauf der Jahre als Übersetzungsmöglichkeiten auch selbst mehrfach hin und her durchgekaut und ausprobiert. Und ich bin zu einem eindeutigen Ergebnis gekommen.

Das in den üblichen Bibelübersetzungen Gewohnte ist zunächst einmal „Christus“. Aber damit hatte ich meine Probleme. Ich komme in meinem Werdegang ja aus dem kirchlichen Heidenchristentum, das neutestamentlich gesehen überhaupt kein Christentum ist. Und von dort her ist mir die Bezeichnung „Christus“ eigentlich unmöglich geworden. Sie ist dort zu einem nichtssagenden Beinamen geworden, zu einer Floskel, die im Munde geführt wird, ohne die eigentliche Bedeutung zu bedenken oder gar zu kennen. Wenn z. B. einer der Kirchenfunktionäre von „Jesus Christus“ spricht, dann hat niemand den Eindruck, dass er vom Herrn der Welt spricht, von Gottes gesalbtem König, dem er unbedingten Gehorsam schuldig wäre.

Die Bezeichnung „Messias“ dagegen ist nicht nur gegenüber Juden ein Zeugnis, sie ist auch im weltlichen Sprachgebrauch präsent. Und es ist mir wichtig, in meiner Übersetzung Begriffe zu verwenden, die auch in der säkularen Sprache verständlich sind. Und hier hat „Messias“ eine interessante Bedeutung.

Als zum Beispiel Obama damals in den USA zum Präsidenten gewählt wurde, hieß es in den Medien angesichts der großen Begeisterung, er würde aber doch wohl auch kein Messias sein. Oder umgekehrt, als Bolsonaro in Brasilien die Wahl zum Präsidenten gewann, haben ihn manche („christliche“!) Kreise zum Messias ernannt, was ihm selber auch sehr gut gefallen hat.

So weit ich sehe, kann sich also die Welt unter „Messias“ irgendwie etwas Richtiges vorstellen, eine Art Heilsbringer. Das ist weit mehr, als sie sich unter dem Beinamen „Christus“ vorstellt.

Und Jesus ist in der Tat nicht nur der Messias Israels, sondern der ganzen Welt. Das ist ja das grundlegende Ärgernis für die Juden, dass unser Messias Jesus eigentlich ihr Messias sein soll. Und umgekehrt ist es das Ärgernis für die Welt, dass Gott von ihr verlangt, Jesus, den jüdischen Messias, als ihren Messias anzuerkennen. Doch die Zumutungen, die Gott selbst den Menschen macht, darf man auf keinen Fall abschwächen.

Warum ich „Messias“ übersetze, dürfte hiermit beantwortet sein. Ich habe in dem Begriff „Messias“ die verständlichste und prägnanteste Möglichkeit der Übersetzung gefunden. So prägnant, dass ich es auch zum Titel meiner Übersetzung des Neuen Testaments gemacht habe: „Jesus der Messias„. Im ganzen Buch geht es nur um ihn.

Maria

Maria war die junge Frau, die Gott in Israel auswählte zu der einzigartigen Aufgabe, die irdische Mutter seines Sohnes Jesus zu sein. Sie war in Nazaret aufgewachsen und gehörte zu der dort ansässigen Gruppe von Nazoräern. Ihr Vater war Eli, der Sohn von Mattat. „Nazoräer“ war die Bezeichnung für die leiblichen Nachkommen des Königs David. Von denen gab es damals – ca. 1000 Jahre nach David – eine ganze Menge. Die Nazoräer wussten, dass nach Gottes Zusage an David aus ihren Reihen der „Sohn Davids“, der Messias, kommen würde, und waren in entsprechender Erwartung.

Maria war verlobt mit Josef, der von Beruf Maurer war und aus Betlehem kam. Auch Josef war ein Nazoräer, von denen es in Betlehem, der „Stadt Davids“, ebenfalls eine Gruppe gab. Vermutlich war er als lediger junger Handwerker auf Arbeit im Land unterwegs und kam so nach Nazaret. Und da ist ihm eine hübsche junge stammverwandte Nazoräerin besonders aufgefallen.

Als Josef und Maria verlobt waren, galten sie – wie damals üblich – schon als Mann und Frau. Aber bis zur Hochzeit wurde die Ehe – ebenfalls wie üblich – sexuell nicht vollzogen. Das blieb der Hochzeitsnacht vorbehalten – nach der Heimholung der Braut durch den Bräutigam. Und so war es natürlich erklärungsbedürftig, als die Jungfrau Maria plötzlich schwanger war.

Josef erklärte sich die Sache natürlich zuerst auf die menschliche Weise. Aber ein Engel gab ihm im Traum die göttliche Erklärung, dass dieses Kind etwas Heiliges ist, das von Gott kommt. Und so respektierte er die Heiligkeit dieses Geschehens, nahm Maria zwar zu sich, war aber nicht ehelich mit ihr zusammen, bis das Kind geboren war. Maria blieb also Jungfrau bis zur Geburt von Jesus.

Danach haben die beiden offensichtlich eine normale Ehe geführt. Denn in Nazaret kannte man vier Brüder von Jesus: Jakobus, Josef, Simon und Judas. Und auch von Schwestern ist die Rede, ohne Zahlenangabe, also mindestens zwei. In dieser Familie ist Jesus aufgewachsen als ältester Sohn und ältester Bruder. Da zu der Zeit, als die Kinder erwachsen waren, der Vater Josef nicht mehr erwähnt wird, muss man annehmen, dass er inzwischen verstorben war.

Josef war ein Handwerker, der auf den Bau von Häusern spezialisiert war. Und da man damals die Häuser nicht aus Holz, sondern aus Stein baute, ist es richtig, als seinen Beruf nicht Zimmermann, sondern Maurer anzugeben. Natürlich haben seine Söhne dieses Handwerk von ihm erlernt und in seinem Betrieb gearbeitet. Man darf sicher annehmen, dass er in Nazaret auch seiner eigenen Familie ein Haus gebaut hatte.

Maria als Mutter müssen wir uns als tüchtige und fleißige Hausfrau und Versorgerin der Familie vorstellen. Und jede Familie betrieb damals auch ein gewisses Maß an landwirtschaftlicher Selbstversorgung. Es ist unter diesen Gesichtspunkten direkt auffallend, wie häufig Jesus in seiner Lehre Vergleiche und Beispiele sowohl aus der Landwirtschaft als auch vom Bau benutzt hat.

Als der Vater Josef verstarb, nahm nach der Tradition der älteste Sohn den Platz des Familienoberhauptes ein. Maria war nun Witwe und Jesus Chef der Familie und des dazugehörigen Bauunternehmens. Deshalb ging die Familie auch noch mit, als Jesus von Nazaret im Bergland nach Kafarnaum an den See Genezaret zog.

Doch Jesus entwickelte dann die Idee, in Kafarnaum alles stehen und liegen zu lassen, um mit seinen Jüngern – die ihm offensichtlich wichtiger waren – auf Reisen zu gehen. Und da setzte in der Familie etwas aus, als ihr Oberhaupt Jesus sie so zurückließ. Sie beobachteten die Sache eine Weile und beschlossen dann, etwas zu unternehmen. Sie „zogen los, um ihn zu ergreifen, denn sie sagten: ‚Er ist völlig daneben!'“ (Mk 3,21). Dieser Versuch, noch einmal mit ihm zu reden, ging gründlich schief. Sie drangen nicht einmal zu ihm vor. Jesus ließ sie vor allen Leuten abblitzen und behauptete, seine Jünger seien jetzt seine Mutter und seine Geschwister. Damit war vorläufig der Bruch komplett.

In der Zeit, als Jesus großen Zulauf hatte und bei vielen Leuten Begeisterung auslöste, ereignete sich einmal etwas Denkwürdiges: „… da erhob eine Frau aus der Menge ihre Stimme: ‚Glücklich ist der Mutterleib, der dich trug, und die Brust, an der du gestillt wurdest!‘ Er aber sagte: ‚Nein! Vielmehr sind die glücklich, die das Wort Gottes hören und einhalten.’“ (Lk 11,27-28). Jesus hat den ersten Ansatz einer aufkommenden Verehrung seiner Mutter sofort im Keim erstickt.

Natürlich wusste Maria, was um die Geburt von Jesus herum alles geschehen und gesagt worden war. Aber es kann sein, dass auch sie sich unter dem Messias zunächst noch etwas anders vorgestellt hat. In der Nähe von Jesus taucht sie jedenfalls nicht mehr auf, z. B. unter den Jüngerinnen, die Lukas mit Namen erwähnt. Erst an dem Pessachfest, an dem Jesus hingerichtet wurde, stand sie mit den anderen in der Nähe des Kreuzes. Vermutlich war sie als fromme Jüdin wie jedes Jahr zu Pessach nach Jerusalem gekommen. Und hier bekam sie die turbulenten Ereignisse um ihren ältesten Sohn direkt mit.

Joh 19,25-27: „Beim Kreuz von Jesus standen seine Mutter, die Schwester seiner Mutter, Maria, die (Frau) von Klopas, und Maria von Magdala. Als Jesus seine Mutter sah und den Jünger, den er liebte, dabeistehen, sagte er dann der Mutter: ‚Frau, das ist dein Sohn!‘ Danach sagte er dem Jünger: ‚Das ist deine Mutter!‘ Und von jener Stunde an nahm der Jünger sie zu sich.“

Hier erfahren wir, dass Maria auch eine Schwester hatte. Aus den verschiedenen Aufzählungen der Frauen, die beim Kreuz waren, sein Begräbnis beobachteten und seine Auferstehung bezeugten, kann eigentlich nur Salome ihre Schwester sein. Denn die anderen erwähnten Frauen hießen ebenfalls Maria, und zwei Schwestern hätte man ja nicht denselben Namen gegeben.

Wenn Salome die Schwester von Maria war, dann waren ihre Söhne Jakobus und Johannes sogar Cousins von Jesus. Und dann liegt es auch etwas näher, dass Jesus am Kreuz Johannes mit der Fürsorge für seine Mutter betraute. Die Verborgenheit dieser verwandtschaftlichen Beziehungen zeigt aber auch, dass Jesus seine Lehre, dass menschliche Verwandtschaft im Reich Gottes keinerlei Bedeutung hat, selbst praktizierte.

Nach der Himmelfahrt von Jesus waren aber alle wieder da. „Diese alle hielten sich einmütig ans Gebet, mit den Frauen und Maria, der Mutter von Jesus, und seinen Geschwistern.“ (Apg 1,14). Sicherlich spielte dabei auch eine Rolle, dass – wie Paulus berichtet – Jesus als Auferstandener seinem Bruder Jakobus erschienen war. Nun gehörte auch seine Familie zur Gemeinde.

Danach hören wir im Neuen Testament nichts mehr über Maria. Sie war eine einfache Gläubige in der Gemeinde wie alle anderen auch. Natürlich konnte sie noch alles bezeugen, was sich um Jesus auch schon vor seiner Geburt und danach ereignet hatte. Auch Lukas hat sie in ihren späteren Jahren für seinen Bericht über Jesus noch interviewt.

Dass sie irgendwann verstarb und begraben wurde, wird mit der Tradition über das „Begräbnis Mariens“ in der orthodoxen Kirche zuverlässig überliefert. Es ist also nichts mit einer leiblichen Himmelfahrt, die ihr in der römischen Tradition angedichtet wurde. Aber sicherlich ist sie im geistlichen Sinne nicht gestorben. Sie ist heimgegangen zu ihrem Herrn, der auf Erden einmal ihr Sohn gewesen war.

Der Messias kommt

Der Messias kommt – dieses zentrale Ereignis schildert der Bericht in Offb 19. Nicht nur die ganze Offenbarung, sondern die ganze Bibel und die ganze Weltgeschichte laufen darauf zu.

Auch diese Ankunft kann man offensichtlich nur in prophetischer Bildersprache schildern. Denn nirgends sonst wird Jesus bei seinem Kommen als Reiter auf einem weißen Pferd beschrieben. Aber dieses Bild zeigt zum einen den Gegensatz zu dem Reiter in Offb 6 auf, der als Antichrist mit seinem Bogen siegreich hinauszieht. Ihm und seinem „siegreichen“ Wirken macht Jesus in Gestalt des neuen Reiters jetzt ein Ende. Das Bild zeigt zum anderen aber auch den Gegensatz zum ersten Einzug des Messias in Jerusalem, als er in Niedrigkeit auf einem Esel saß. Jetzt kommt er in Macht und Herrlichkeit auf einem weiß leuchtenden Pferd.

Dass es Jesus ist, daran lässt die Beschreibung keinen Zweifel. „Und der Reiter darauf heißt ‚Treu und wahr‘, mit Gerechtigkeit richtet er und führt er Krieg. Seine Augen sind wie feurige Glut, auf seinem Kopf sind viele königliche Stirnbänder, er trägt einen Namen geschrieben, den niemand kennt außer ihm, er ist bekleidet mit einem Gewand, das in Blut getaucht ist, und sein Name heißt: ‚Das Wort Gottes‘. Auf weißen Pferden folgten ihm die Truppen im Himmel, bekleidet mit feinstem, weiß leuchtendem, reinem Leinen. Aus seinem Mund kommt ein scharfes Schwert, um damit die Völker zu schlagen. Er wird sie ‚hüten mit eisernem Stab‘, er wird die Weinkelter der Wut des Zornes Gottes des Allmächtigen treten. Auf dem Gewand, auf seinem Schenkel, trägt er einen Namen geschrieben: „König der Könige und Herr der Herren“.

Die Wiederkunft des Herrn geschieht sozusagen in zwei Stufen. Erst kommt er vom Himmel herab, um seine Gemeinde wegzuholen „in den Luftraum“ (1 Thess 4,17). Darauf folgen im Himmel die Hochzeit des Lammes und auf der Erde die Ausgießung der sieben Schalen der Wut Gottes. Danach kommt er als Messias sichtbar auf die Erde, um diesem Abschnitt der Weltgeschichte ein Ende zu machen.

Natürlich kommt er damit auch als Messias zur Rettung Israels. Auf ihn haben sie gewartet, und nun sehen sie den, den sie durchbohrt haben (Sach 12,10), und trauern und bekehren sich. Und so wird ganz Israel gerettet werden, wie Paulus es in Röm 11 gesagt hat. Von all dem ist in Offb 19 aber kaum die Rede, man muss hier den Zusammenhang zu den anderen Aussagen der Bibel über die Ankunft des Messias herstellen.

Man erfährt nur von der Vernichtung des Völkerheeres, das schon bis zum Berg von Megiddo (Har Mageddon) ins Land Israels eingedrungen ist. Diese Vernichtung geschieht dann aber nicht mit militärischen Mitteln. Sie geschieht vielmehr durch das Schwert, das aus dem Mund des Reiters kommt, also durch das, was er sagt. Ich denke, da wird ein Wort genügen, und alle fallen tot um. In Hesekiel 39 steht ein Bericht über diese Schlacht. Dort wird sogar angegeben, wieviel Zeit man dann brauchen wird, um das Schlachtfeld wieder aufzuräumen.

Eindrücklich und einmalig ist in Offb 19 aber – wie auch sonst in der Offenbarung – der Blick in die unsichtbare Welt.

Hier geschieht zum einen die Entfernung der beiden Tiere, die in Offb 13 beschrieben sind. „Und das Tier wurde gefasst und mit ihm der falsche Prophet, der die Zeichen vor ihm getan hatte, mit denen er die irreführte, die das Kennzeichen des Tieres annahmen und sich vor seinem Bild niederwarfen. Lebendig wurden die beiden in den Feuersee geworfen, der mit Schwefel brennt.“

Sicherlich dürfen wir annehmen, dass mit den beiden Dämonen ihre ganzen Dämonenheere mit entfernt bzw. entsorgt werden. Der „Feuersee“ ist eine Beschreibung und ein anderer Name der Hölle.

Zum anderen sehen wir dann am Anfang von Offb 20 auch die Verhaftung des Satans. „Und ich sah einen Engel vom Himmel herabkommen, der hatte den Schlüssel zur Unterwelt und eine große Kette in seiner Hand. Und er packte den Drachen, die Schlange vom Anfang – das ist der Teufel und der Satan – und fesselte ihn für tausend Jahre: Er warf ihn in die Unterwelt und verschloss und versiegelte (den Eingang) über ihm, damit er die Völker nicht mehr irreführen soll, bis die tausend Jahre vollendet sind.“

Den Satan warf man mit seinen Engeln aus dem Himmel auf die Erde, als der auferstandene Jesus dort ankam. Und nun kommt Jesus vom Himmel auf die Erde, und man sperrt ihn von der Erde weg in die Unterwelt. Sicherlich dürfen wir annehmen, dass „seine Engel“ ihn auch auf diesem Weg begleiten.

So verschwindet also endlich die gesamte Dämonenwelt von der Erde. Kein Wunder, dass nun Friede einkehrt – tausend Jahre lang …

Prophetische Symbolsprache

Prophetische Symbolsprache taucht in der Bibel überall auf, wo von Realitäten aus der unsichtbaren Welt gesprochen wird. Denn diese übersteigen den Horizont menschlichen Verstehens und menschlicher Vorstellungskraft.

Man sieht es an der Lehre von Jesus selbst. Er hat – wie in der Bergpredigt (Mt 5-7) – ganz klar und verständlich gelehrt, wo es z. B. um menschliche Verhaltensweisen geht. Aber in seiner Lehre über das Reich Gottes spricht er ein ganzes Kapitel lang (Mt 13/Mk 4) nur in Vergleichen und Beispielen. „Gleichnisse“ hat man das traditionell genannt.

Ich nenne es auch prophetische Symbolsprache. Jesus hat als Prophet über Realitäten gesprochen, die den Menschen nur mit Vergleichen oder Beispielen aus der menschlichen Erfahrungswelt annähernd verständlich gemacht werden können. Da sind ein Sämann, ein Weizenfeld mit Unkraut, ein Senfkorn, ein Sauerteig, ein Schatz, eine Perle und ein Fischernetz. Und selbst diese Vergleiche sind manchen noch unverständlich geblieben.

Auch in den Schriften der Gesandten von Jesus taucht diese prophetische Symbolsprache auf. Ein Beispiel dafür ist die geistliche Waffenrüstung, die Paulus in Eph 6 beschreibt. Der Gürtel um die Hüfte, an dem die Waffen hängen, ist die Wahrheit. Der schützende Brustpanzer steht für die Gerechtigkeit. Die Schuhe, die man an den Füßen haben sollte, bedeuten die Bereitschaft zur Weitergabe der Botschaft. Der Glaube ist ein Schild, die Rettung ein Helm und das Wort Gottes ein Schwert.

Ein konkretes Bild kann offensichtlich besser zum Ausdruck bringen, was gemeint ist, als eine theoretische bzw. theologische Abhandlung. Vor allem auch für einfache Menschen, die Gott ja besonders am Herzen liegen.

Das Bild vom Schwert für das Wort Gottes verwendet dann auch der Autor des Hebräerbriefs – Kap. 4,12: „Lebendig ist ja das Wort Gottes, wirksam, schärfer als jedes zweischneidige Schwert, durchdringend bis zur Zerteilung von Seele und Geist, von Gelenken und Markknochen, und ein Beurteiler von Gedanken und Gesinnungen des Herzens.“

Bei Paulus im Epheserbrief ist das Wort Gottes als Waffe zu verstehen, wie etwa bei Jesus, der mit dem Wort Gottes den Satan abgewiesen hat (Mt 4 / Lk 4). Im Hebräerbrief erscheint es eher wie das Instrument eines Schlachters oder gar Operateurs. Dabei spielt die Schärfe sicherlich in beiden Bildern die gleiche Rolle.

Und das Bild mit dem Schwert erscheint dann auch an einer eigenartigen Stelle in der Offenbarung. Gleich am Anfang in Kap. 1,12-16 hat Johannes die einleitende Vision von Jesus:

„Und als ich mich umgewandt hatte, sah ich sieben goldene Leuchter und in der Mitte der Leuchter einen wie ein Menschensohn, mit einem langen Gewand bekleidet und an der Brust mit einem goldenen Gürtel umgürtet. Sein Kopf und die Haare waren weiß leuchtend, wie weiße Wolle, wie Schnee, seine Augen wie feurige Glut, seine Füße wie glühendes Metall, wie im Ofen glühend, und seine Stimme wie das Rauschen vieler Wasser. In seiner rechten Hand hatte er sieben Sterne. Aus seinem Mund kam ein scharfes zweischneidiges Schwert. Und sein Gesicht war wie die Sonne, wenn sie leuchtet mit ihrer Kraft.“

Man könnte hier denken, dass Johannes Jesus sieht, wie er in seiner Herrlichkeit wirklich ist. Die Herrlichkeit in Form von „weiß“, „feurig“, „glühend“ und „leuchtend“ ist ja nicht zu übersehen. Und doch erscheinen symbolhafte Elemente, die so bei Jesus in seiner Herrlichleit real nicht vorstellbar sind. Die Leuchter um ihn herum und die sieben Sterne in seiner Hand sind ja real weder Sterne noch Leuchter, sondern sieben Gemeinden.

Und dann ist da auch das scharfe zweischneidige Schwert, das aus seinem Mund kommt. Das mag man sich bildlich und praktisch eigentlich gar nicht vorstellen. Aber von der Symbolik her ist es klar: Aus seinem Mund ergeht das Wort Gottes. So stellt sich Jesus vor: Was er jetzt an Johannes zu offenbaren hat, ist das Wort Gottes, das wirkt wie ein scharfes zweischneidiges Schwert.

Und wenn schon das Anfangskapitel der Offenbarung voller prophetischer Symbole steckt, werden wir uns nicht wundern, wenn sie uns dann durch das ganze Buch hindurch auf Schritt und Tritt begegnen. Und wir haben auch schon gesehen, dass es in den anderen Schriften der Bibel Parallelen dazu gibt. Auch diese werden uns beim Einordnen und Verstehen der Symbole hilfreich sein.

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