(Wüste – eine Abschnitt aus dem Kapitel „Reisen“ des Buchs „Kennst du das Land?“ von Ludwig Schneller)
Die Wüste findet bei den Reisen von Jesus häufig Erwähnung. Um hierüber Klarheit zu haben, muss man festhalten, dass unter diesem Wort in der Bibel dreierlei zu verstehen ist:
1) Die eigentliche große Wüste, durch welche einst die Kinder Israel mit Mose zogen.
2) Die Wüste Juda, jenes merkwürdige Berg- und Hügelland, welches sich zwischen dem Toten Meer und dem kultivierten Palästina von Norden nach Süden erstreckt. Diese Wüste bebaut man zwar nirgends. Aber trotz aller öden Wildnis haben ihre Höhen und Schluchten dennoch einen genügenden Reichtum an würzigen Kräutern für die Herden der dort hausenden Ta’ámre-Beduinen. Dorthin flüchtete David vor Saul. Dort predigte anfangs Johannes der Täufer. Dort ward Christus versucht vierzig Tage lang.
3) Sehr oft, und namentlich in der Geschichte Jesu, wird aber das Wort in einem anderen Sinn gebraucht. Dieser ist von unseren gewohnten Begriffen sehr verschieden. Wenn wir z. B. lesen, dass sich Jesus nach der erschütternden Nachricht von der Hinrichtung des Täufers in die Einsamkeit einer Wüste zurückzog, so haben wir hier, wie bei allen galiläischen „Wüsten“, nur an einsame Gegenden zu denken, welche von den menschlichen Wohnungen der Städte und Dörfer abgelegen waren, ob sie nun zur Weide oder teilweise auch zum Ackerbau dienten.
Solche Gegenden heißen heute noch im Volksmund Wüste (barr oder barrje) im Gegensatz zu der engeren Markung der Ortschaften. Und es gab deren in der Umgebung des Sees Genezaret mehrere. Auch die Bergpredigt hat Jesus wohl in einer solchen Gegend unweit Kafarnaum gehalten. Daher rieten auch die Jünger dem Herrn, bevor er die 5000 speiste: „Es ist ein wüster Ort und die Stunde spät. Entlasse sie, damit sie in die Örter und Dörfer im Umkreis gehen und sich kaufen, was sie essen sollen“.