Ein Bibelübersetzer entdeckt ...

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Beten im Namen von Jesus

Beten im Namen von Jesus ist eine neue Art des Betens, die unter vielem anderen im Neuen Testament auftaucht. Wir wollen hier einmal versuchen zu verstehen, was es eigentlich heißt, „im Namen von Jesus“ zu beten. In der Tat ist es eine Formulierung, die fromm und eindrücklich klingt. Aber inhaltlich ist sie doch für manche auch irgendwie unklar und schwammig.

Was bei solchen Nachforschungen immer hilft, ist die Konkordanz (oder das Suchprogramm bei Onlinebibeln). Nach der Bibel selbst ist sie das zweitwichtigste Buch. Mit ihr kann man Bibelstellen finden, vergleichen und Zusammenhänge erkennen. Und so kann man auch andere Dinge entdecken, die „im Namen von Jesus“ oder „im Namen des Herrn“ getan werden. Ein paar Beispiele dafür (die Auswahl ist unvollständig):

Paulus: „… wie er in Damaskus ganz offen im Namen von Jesus gesprochen hatte.“ (Apg 9,27)

Petrus: „Und er ordnete an, sie im Namen von Jesus dem Messias unterzutauchen.“ (Apg 10,48)

„Als Paulus aber verärgert war, wandte er sich um und sagte zu dem Geist: ‚Ich befehle dir im Namen von Jesus dem Messias, von ihr hinauszugehen!’“ (Apg 16,18)

„Mit dem Leib bin ich freilich abwesend, mit dem Geist aber anwesend. Und ich habe wie ein Anwesender über den, der das verübt, bereits das Urteil gefällt im Namen von Jesus, unserem Herrn: Wenn ihr versammelt seid und mein Geist bei euch ist mit der Kraft unseres Herrn Jesus, wollen wir ihn dem Satan übergeben zum Verderben des Körpers, damit am Tag des Herrn der Geist gerettet wird.“ (1 Kor 5,3-5)

„Wir sind also Gesandte für den Messias, sodass Gott durch uns bittet. Wir bitten im Namen des Messias: Lasst euch versöhnen mit Gott!“ (2 Kor 5,20)

„Und alles, was ihr auch tut mit Wort oder mit Tat, (tut es) im Namen von Jesus, dem Herrn, und dankt Gott, dem Vater durch ihn!“ (Kol 3,17)

Ich denke, man kann an diesen Beispielen ablesen, dass „im Namen von Jesus“ soviel bedeutet wie „im Auftrag von Jesus“ oder „anstelle von Jesus“. Leicht macht es uns da die Tatsache, dass wir diesen Sprachgebrauch auch im Deutschen haben. Wenn z.B. ein städtischer Mitarbeiter „im Namen des Bürgermeisters“ einem 80-Jährigen zum Geburtstag gratuliert, dann tut er es im Auftrag bzw. anstelle des Bürgermeisters. Der Bürgermeister hat ihn beauftragt und bevollmächtigt, an seiner Stelle diese Gratulation auszusprechen. Wenn man in diesem Sinne die oben genannten Beispiele nochmal anschaut, merkt man sicher recht schnell, welch einen treffenden Sinn dieses Verständnis ergibt.

Nun aber die Frage: Wie kann man „im Namen von Jesus“ beten? Ich denke, dass es dazu eine Schlüsselstelle gibt, die uns Johannes berichtet hat. Es handelt sich um den letzten Abend, den Abschied, an dem Jesus seinen Jüngern (unter vielem anderen) sagte – Joh 16, 23-27:

„Amen, Amen, ich sage euch: Was ihr den Vater bitten werdet in meinem Namen, wird er euch geben. Bis jetzt habt ihr nichts gebeten in meinem Namen. Bittet, und ihr werdet empfangen, damit eure Freude vollendet ist! Das habe ich euch mit Vergleichen gesagt. Es kommt eine Zeit, da werde ich nicht mehr in Vergleichen mit euch sprechen, sondern werde euch ganz offen über den Vater berichten. Zu jener Zeit werdet ihr in meinem Namen bitten. Und ich sage euch nicht, dass ich den Vater für euch bitten werde. Denn der Vater selbst ist euer Freund, weil ihr meine Freunde geworden seid und glaubt, dass ich von Gott ausgegangen bin.“

Mit dem „Bis jetzt habt ihr nichts gebeten in meinem Namen“ setzt Jesus einen Zeitpunkt, an dem sich etwas gravierend ändert. Das Beten in seinem Namen ist Zeichen einer neuen Zeit. Jesus geht von der Erde weg und geht zu seinem Vater. Der Platz, den er bisher hier ausgefüllt hat, erscheint zunächst leer. Aber er bleibt nicht leer, denn seine Jünger werden ja als seine Gesandten seinen Auftrag und Dienst in der Welt weiterführen, in seinem Namen.

Nun können wir uns vorstellen, was es heißt, in seinem Namen zu beten. Es heißt, in seinem Auftrag, an seiner Stelle hier auf der Erde zum Vater oder zu ihm zu beten. Also nicht nur den Menschen gegenüber, sondern auch Gott gegenüber die priesterliche Mittlerposition einnehmen, die auch Jesus auf Erden hatte. Wenn wir also im Sinne von Jesus bei Gott eintreten für Dinge, die Jesus wichtig sind, beten wir in seinem Namen.

Ich hoffe, wir merken, dass das eine anspruchsvolle Aufgabe und Tätigkeit ist. Man ist mit Jesus eins, kennt seine Gedanken und Anliegen und bringt sie an seiner Stelle beim Vater vor. Dass uns dabei der heilige Geist unterstützt und bei Gott für uns eintritt, gehört selbstverständlich dazu.

Um sich deutlich zu machen, was man dabei tut, kann es vielleicht hilfreich sein, es manchmal auch auszusprechen: „Vater, im Namen von Jesus bitte ich dich …“. Das wird aber nichts daran ändern, ob das Gebet wirklich im Namen von Jesus geschieht oder nicht. Man sollte die Formulierung nicht als Floskel gebrauchen, um ein Gebet frommer oder wirksamer erscheinen zu lassen. Man sollte das schon garnicht gewohnheitsmäßig oder gedankenlos tun. Das wäre ganz im Widerspruch zu dem, was Jesus gesagt und gemeint hat.

Der Ruheplatz für die Seele

Der Ruheplatz für die Seele ist mir beim Lesen in Kap. 6,16 beim Propheten Jeremia begegnet. Ich zitiere hier erst einmal die Lutherübersetzung: „Tretet hin an die Wege und schaut und fragt nach den Wegen der Vorzeit, welches der gute Weg sei, und wandelt darin, so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele!“

Bei „Ruhe finden für eure Seele“ hat sich bei mir die Erinnerung geregt an die Aussage von Jesus – Mt 11,29: „Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir, ich bin sanft und von Herzen bescheiden, und ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen!“ Offensichtlich hat Jesus mit dieser Zusage auch den Propheten Jeremia zitiert.

Bei Zitaten aus dem Alten Testament schaue ich auch gerne nach, wie es dort im Urtext steht. Und da habe im Hebräischen an dieser Stelle nicht das übliche Wort für „Ruhe“ gefunden, das „Menuchá“ heißt. Dort steht vielmehr das Wort „Margóa'“, das nicht allgemein „Ruhe“ meint, sondern konkret einen Ort der Ruhe, einen „Ruheplatz“.

(Schön wäre im Deutschen natürlich auch die Übersetzung „Rastplatz“. Aber der liegt heutzutage an der Autobahn und hat leider nicht mehr viel mit „Ruhe“ zu tun.)

Nach dieser Entdeckung kann ich nun auch die Aussage von Jesus in Mt 11,28-30 konkreter übersetzen. „Kommt alle zu mir, die ihr euch bemüht und beladen seid, ich will euch Ruhe verschaffen! Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir, ich bin sanft und von Herzen bescheiden, ‚und ihr werdet einen Ruheplatz finden für eure Seelen‘! Denn mein Joch ist angenehm, meine Last ist leicht.“

Der Ruheplatz für die Seele ist eben doch bei Jesus – und sonst nirgends …

Auferstehung „nach drei Tagen“

Die Auferstehung „nach drei Tagen“ hat mich einmal eine Zeit lang beschäftigt. Ich hatte in einem Buch gelesen – weiß aber nicht mehr welches -, dass Jesus eventuell nicht am Freitag verstorben sei. Das müsse schon früher, am Donnerstag oder gar Mittwoch gewesen sein. Das Hauptargument war, dass Jesus vorausgesagt hatte, der Menschensohn werde „drei Tage und drei Nächte im Herzen der Erde sein“ (Mt 12,40). Und die Aussage, er werde „nach drei Tagen“ auferstehen, klinge doch nach mehr als von Freitagnachmittag bis Samstagnacht.

Nach einigem Drehen und Wenden musste ich dann aber doch beim Freitag bleiben. Denn die alte Tradition, nach der die frühen Christen freitags fasteten, weil Jesus da getötet wurde, ist nur verständlich, wenn sie wahr ist. In Israel gab es in den ersten Jahrhunderten ohne Unterbrechung eine große Einwohnerschaft von jesusgläubigen Juden. Diese erlaubte keine Veränderungen an den überlieferten Orten und Terminen aus dem Leben von Jesus. Und es gibt aus der alten Zeit tatsächlich keinerlei Nachricht, dass mit dem Freitag als Todestag etwas nicht stimmen könnte. Auch die Evangelien kann man – abgesehen von der oben genannten Stelle – nicht anders verstehen.

Der Samstag als Ruhetag bzw. Schabbat wird im Evangelium zwar als ein „großer“ oder „besonderer“ bezeichnet, das heißt aber nur, dass er kein gewöhnlicher Schabbat war. Er war gleichzeitig auch der erste große Feiertag des Pesach-Festes. Und der fiel in jenem Jahr nach pharisäischer Rechnung auf den Schabbat. Aber es bleibt ein Tag, und man kann keine zwei draus machen.

Und am ersten Tag der Woche (Sonntag) als Auferstehungstag ist genausowenig zu rütteln. Es ist eindeutig der Tag nach dem siebten Tag, dem Schabbat. Jesus ist in der Nacht zum Sonntag auferstanden, und die gehört nach jüdischem Verständnis seit kurz nach Sonnenuntergang schon zum Sonntag. Also ist am Zeitraum „von Freitag bis Sonntag“ nichts zu ändern. Die Auferstehung „nach drei Tagen“ kann also nicht im Widerspruch dazu stehen.

Wir können getrost den Aussagen vertrauen, dass im damaligen jüdischen Denken bei der Ausdrucksweise „nach drei Tagen“ der erste Tag mitgezählt wurde. Etwas Ähnliches haben wir im Deutschen (Schwäbischen?) mit der Bezeichung „acht Tage“ für eine Woche. Wenn ich sage „in acht Tagen“, und heute ist Montag, dann ist der nächste Montag gemeint und nicht der Dienstag. Jesus ist also ab Freitagnachmittag tot, das war der erste Tag. Dann war er den ganzen Samstag über tot, das war der zweite Tag. Und dann war er auch einen Teil der Nacht auf Sonntag noch tot, das war der dritte Tag. So sagten es auch die Emmausjünger am Sonntag: „Und heute ist es der dritte Tag, nachdem das geschehen ist.“

Hilfreich ist auch diese Beobachtung: In den Evangelien werden die Bezeichnungen „nach drei Tagen“ und „am dritten Tag“ für die Auferstehung nebeneinander und gleichbedeutend gebraucht.

Bleibt noch das Rätsel, was Jesus meinte, als er sagte: „Wie Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des Meerestieres war, so wird der Menschensohn drei Tage und drei Nächte im Herzen der Erde sein.“ Wenn wir das Phänomen der prophetischen Unschärfe zugestehen, dann können auch hier nur die „drei Tage“ zwischen Tod und Auferstehung von Jesus gemeint sein. Nachdem er beim Tod mit seinem Geist den Körper verlassen hatte, ging er in die Totenwelt. Diese ist in der bildhaften Vorstellung der prophetischen Symbolsprache „unten“, irgendwo unter der Erde, also auch „im Herzen der Erde“. Dieser Aufenthalt von Jesus ist in 1 Petr 3,19-20 und 4,6 gut bezeugt.

Der Ablauf der Passionswoche

Was ich in diesem Abschnitt schreibe, konnte ich selbst zunächst nicht gleich glauben, als ich es zum ersten Mal las. Aber die Argumente haben mich auf den zweiten und dritten Blick völlig überzeugt. Der Ablauf der Passionswoche in dieser Darstellung beruht auf den Büchern: „Bargil Pixner: Wege des Messias und Stätten der Urkirche“ und „Dr. Eugen Ruckstuhl: Die Chronologie des Letzten Mahles und des Leidens Jesu.“ Es geht grob gesagt darum, dass der Gründonnerstag nicht stimmt, weil das letzte Abendmahl von Jesus mit seinen Jüngern nicht erst am Abend vor seiner Hinrichtung gewesen sein kann.

Wir haben im Neuen Testament zwei Zeitangaben für den letzten Tag, also den Freitag: Johannes sagt Joh 19,14, dass die letzte Verhandlung bei Pilatus am Freitag (nach römischer Zeitrechnung) „um die sechste Stunde“ war. Das war also spätestens um sechs Uhr morgens. Markus sagt Mk 15,25 (nach jüdischer Zeitrechnung): „Es war die dritte Stunde, als sie ihn ans Kreuz hängten.“ Das war also spätestens neun Uhr vormittags.

Diese Zeitangaben passen gut zusammen für diesen letzten Tag. Aber wenn man Jesus erst in der Nacht davor verhaftet hat, wann hat dann der jüdische Oberste Rat getagt? Wann hat man ihn an Pilatus überstellt, wann der an Herodes und der wieder zurück an Pilatus? Man sieht, das geht nicht in der einen Nacht und auch nicht an dem einen Vormittag bis zur Hinrichtung. Der Ablauf der Passionswoche muss anders gewesen sein.

In der Zeit, die dem Neuen Testament folgte, begann man, wöchentliches und jährliches christliches Brauchtum zu entwickeln. Und da begannen die Christen, zweimal in der Woche zu fasten, und zwar nicht wie die Pharisäer am Dienstag und am Donnerstag. Sie fasteten vielmehr am Mittwoch und am Freitag, weil der Herr, Jesus, „am Mittwoch ausgeliefert“ und „am Freitag getötet“ wurde. Aus der Überlieferung von den Anfängen her wusste man damals noch, dass Jesus in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch, die nach jüdischem Verständnis zum Mittwoch zählt, ausgeliefert bzw. verhaftet wurde.

Dazu passt die Tatsache, dass in jener Woche nach dem essenischen Kalender das Pesach auf den Mittwoch fiel, das Pesach-Mahl also auf den Dienstagabend nach Sonnenuntergang, als der Mittwoch begonnen hatte. Jesus hat nach dem essenischen Kalender in einem essenischen Haus in Jerusalem mit seinen Jüngern das Pesach gefeiert. Der Ablauf der Passionswoche ergibt dann folgendes Bild:

In der Nacht zum Mittwoch: Abendmahl, Abschiedsreden, Gebet in Getsemani, Verhaftung, Verhör bei Hannas und Verleugnung durch Petrus.

Am Mittwoch: Erste Verhandlung im Obersten Rat bei Kajaphas, Verspottung und Misshandlung von Jesus, und (anzunehmen) sicherlich auch erste Kontakte in der Sache zu Pilatus. Dann bleibt auch Zeit, den jüdischen Rechtsgrundsatz einzuhalten: Ein Todesurteil muss noch einmal überschlafen werden, es darf frühestens am Tag nach der ersten Verhandlung definitiv gefasst werden.

In der Nacht auf Donnerstag: Jesus im Gewahrsam des Obersten Priesters.

Am Donnerstag: Zweite Verhandlung im Obersten Rat mit Todesurteil über Jesus. Überstellung an Pilatus und erste Verhandlung dort. Überstellung an Herodes, Verhör und Verspottung dort. Rücküberstellung an Pilatus mit dem vorläufigen Unschuldsurteil durch Pilatus.

In der Nacht auf Freitag: Jesus im Gewahrsam des römischen Regenten.

Freitag: Bis 6 Uhr morgens Volksmenge bei Pilatus mit der Bitte um Freilassung eines Gefangenen. Dann Freilassung des Bar Abbas, Geißelung von Jesus. Nach der letzten Verhandlung Todesurteil über Jesus auf Druck des Obersten Rats und der Volksmenge. Jesus von den römischen Soldaten mit Purpurgewand und Dornenkrone als ohnmächtiger König der Juden verspottet. Dann nach Golgota geführt und zwischen 8 und 9 Uhr ans Kreuz gehängt. Die weiteren Ereignisse jenes Tages um die Hinrichtung von Jesus setze ich als bekannt voraus …

Jesus von Nazaret

In neueren Bibelübersetzungen wird Jesus gerne als „Jesus von Nazaret“ bezeichnet. Dass Jesus trotz seiner Geburt in Betlehem in Nazaret in Galiläa aufgewachsen ist, ist aus dem Neuen Testament bekannt. Hinter der Bezeichnung „von Nazaret“ stecken im griechischen Text aber zwei unterschiedliche Wörter. Das sind Jesus der „Nazarener“ und Jesus der „Nazoräer“, die auch eine unterschiedliche Bedeutung haben:

Der Begriff „Nazoräer“ leitet sich von dem hebräischen Wort „Nezer“ ab. Dieses bedeutet bei Pflanzen „Trieb, Spross“ und kommt in Jes 11,1 als Ankündigung des Messias vor: Der untaugliche Stamm des israelitischen Königshauses wird abgehauen. Aber aus dem Baumstumpf soll ein neuer „Trieb“ hervorkommen, der neue, endgültige König, der Messias. In Israel gab es die Menschen, die sich bewusst waren, von König David abzustammen. Sie warteten darauf, dass aus ihren Reihen der Messias kommen sollte. Nach diesem „Nezer“ aus Jesaja trugen sie die Bezeichnung „Nazoräer“. Vermutlich kommt von daher auch der Name des Ortes „Nazaret“, in dem eine Gruppe von ihnen wohnte. An den Stellen, an denen Jesus „Nazoräer“ genannt wird, wird damit also seine Abstammung von König David bezeichnet. Da wo er „Nazarener“ heißt, bezeichnet das seine Herkunft aus Nazaret, dem Ort der Nazoräer.

Josef als offizieller Vater und Maria als leibliche Mutter von Jesus waren beide Nazoräer, also Nachkommen von David, wie auch die beiden unterschiedlichen Stammbäume von Jesus bei Matthäus und Lukas bezeugen. Josef muss einer der Nazoräer aus Betlehem, der „Stadt Davids“ gewesen sein, weil er sich bei der großen Eintragung zu Ehren des Kaisers Augustus dort registrieren lassen musste. Als lediger Maurer war er im Land herumgekommen und hatte seine Maria wohl „auf Arbeit“ in Nazaret gefunden, wo ebenfalls eine Gruppe von Nazoräern wohnte.

Es ist bemerkenswert, dass Jesus nie seine Geburt aus Betlehem ins Feld geführt hat. Seine Gegner wollten ja aufgrund seiner Herkunft aus Nazaret in Galiläa beweisen, das er nicht der Messias sei. Der musste ja nach Micha 5,1 aus Betlehem kommen. Jesus suchte aber Glauben. Und es war klar, dass der auch nicht kommen würde, wenn er eine Geburtsurkunde aus Betlehem vorlegen würde. Er hatte eine andere Linie:

Mt 11, 4-6: „Geht und sagt Johannes, was ihr gesehen und gehört habt: Blinde sehen wieder und Gelähmte gehen, Aussätzige werden gereinigt und Gehörlose hören, Tote stehen auf und Armen wird gute Botschaft gebracht. Und glücklich ist, wer keinen Anstoß an mir nimmt.“

Und Joh 8,37-38: „Wenn ich die Werke meines Vaters nicht tue, dürft ihr mir nicht glauben. Wenn ich sie aber tue – wenn ihr auch mir nicht glaubt -: dann glaubt den Werken, damit ihr wisst und erkennt, dass der Vater in mir ist und ich im Vater!“

Jesus sagte die Worte Gottes und tat die Werke Gottes. So etwas wie sich rechtfertigen, sich ausweisen, werben oder überreden war ihm fremd. Wer ihm glaubt, empfängt seine Gaben. Wer nicht glaubt, bekommt auch kein Zeichen aus dem Himmel.

Vielleicht könnten wir für das, was wir „Evangelisation“ nennen, noch einiges davon lernen …

Der Name Jesus

Der Name Jesus ist im Hebräischen ursprünglich der Name, den wir als Josua kennen. Jehoschua, auf dem ‚u‘ betont, ist zusammengesetzt aus dem Namen Gottes, JHWH, und dem Wortstamm jascha, was „helfen, retten“ bedeutet. Jesus heißt also „Der Herr ist Rettung“ bzw. „Hilfe“ oder „Der HERR rettet“ bzw. „hilft“.

Nun hat sich aber schon zu altestamentlichen Zeiten der Name im Sprachgebrauch abgenutzt und man kürzte ihn ab. Wir können ja auch statt Margarete Margret, Gretel oder Grit sagen, statt Benjamin Beni oder Ben und statt Ulrich Uli. Aus „Jehoschua“ wurde zunächst „Jeschua“, und zuletzt „Jeschu“. Den Namen betont man in allen Formen immer auf dem langen „u“. Den Namen Jeschu gab der Engel dann Josef und Maria an als Namen des zu erwartenden neugeborenen Königs der Juden, „denn er wird sein Volk retten von ihren Sünden“. So berichten es uns Matthäus (1,21) und Lukas (1,31).

(In heutigen messianisch-jüdischen Kreisen ist es umstritten, ob Jesus auf Hebräisch „Jeschu“ oder „Jeschua“ heißt. So weit ich weiß, bevorzugt man dort eher die Form „Jeschua“. Andererseits wird der Name „Jeschu“ von jüdischer Seite bis heute auch als Schimpfwort für Jesus verwendet. Das könnte dann auch eher dafür sprechen, dass es die originale Bezeichung ist für den, den sie als Messias verwerfen.)

Bei der Übertragung ins Griechische erfuhr der Name zwei Änderungen: Zum einen konnte der Grieche ein „sch“ weder sprechen noch schreiben und nahm dafür ein „s“. Zum anderen brauchte er eine deklinierbare Substantivendung und hängte deshalb hinten noch ein „s“ an. So entstand der Name Jesus, auch im Griechischen hinten betont, mit langem ‚u‘. (Die griechische Version bestätigt im Übrigen die Namensform „Jeschu“, denn „Jeschua“ hätte auf Griechisch eher so etwas wie „Jesuas“ ergeben.)

Nun hat der Name aber nicht nur eine eigene Bedeutung, sondern auch eine Vorgeschichte. Wir kennen Josua aus dem Alten Testament. Das Alte Testament wurde übrigens um 250 – 100 vor Christus in Alexandria in Ägypten ins Griechische übersetzt. Dort konnten viele Juden kein Hebräisch mehr, auch wollte der König Ptolemäus dieses bedeutende Schriftwerk auf Griechisch in seiner berühmten Bibliothek haben. Und so wurde die Übersetzung bewerkstelligt, der Überlieferung nach durch siebzig jüdische Gelehrte. Deshalb heißt das griechische Alte Testament von damals auch „die Siebzig“, lateinisch „Septuaginta„.

Allerdings war der Name Josua damals schon auf Jeschu geschrumpft. Und es ist ein eigentümlicher Eindruck, in der Septuaginta zu lesen, wie „Jesus“ die Israeliten durch den Jordan in das verheißene Land geführt, die Kriege geführt, das Land verteilt und am Ende gesagt hat: „Ich und mein Haus wollen dem HERRN dienen!“. Aber „Jesus“ als der, der das Volk Gottes in ein neues Land führt, passt ja auch irgendwie zu dem im Neuen Testament.

Und dann gibt es im Alten Testament noch einen „Jesus“, an einer etwas versteckteren Stelle. Es war in der Zeit, als die Israeliten aus der babylonischen Gefangenschaft zurückgekommen waren und in Jerusalem wieder den Tempel aufbauen sollten. Damals waren ihre Führer der Regent und Davidsnachkomme Serubbabel und der Oberste Priester Jeschua, griechisch „Jesus“. Und dieser Jeschua wurde von Gott gewürdigt, durch den Propheten Sacharja als Beispiel für den kommenden Messias zu dienen – Sach 6,11-12:

„Und du sollst Silber und Gold nehmen und eine Krone machen. Und du sollst sie auf den Kopf von Jeschua, dem Sohn von Jozedek, dem Obersten Priester, setzen und sollst zu ihm sagen: ‚So sagt der HERR, der Allmächtige: Schau, ein Mann, ‚Sonnenaufgang‘ ist sein Name. Unter ihm wird es aufgehen, und er wird das Tempelhaus des HERRN bauen!’“

Diesen ‚Sonnenaufgang‘ kannte übrigens auch der Priester Zacharias, der Vater von Johannes dem Täufer – Lk 1,78-79: „… durch das mitfühlende Erbarmen unseres Gottes, durch das uns der ‚Sonnenaufgang‘ aus der Höhe besuchen wird, um denen zu erscheinen, die in Finsternis und Schatten des Todes sitzen, um unsere Füße auf den Weg des Friedens zu lenken.“

Frauen bei Lukas

Frauen bei Lukas – dieser besondere Gesichtspunkt soll hier betrachtet werden. Bei dieser Thematik hebt sich Lukas von den anderen Evangelien ab.

Auch bei Matthäus, Markus und Johannes spielen die Frauen im Bericht über die Hinrichtung am Kreuz und die Auferstehung eine wichtige Rolle. Bei Lukas erfahren wir aber schon vorher von ihnen, Lk. 8,1-3: „Und als er der Reihe nach durch Stadt und Dorf zog, da verkündete er und brachte die gute Nachricht vom Reich Gottes, auch die Zwölf mit ihm und einige Frauen. Diese waren geheilt von bösen Geistern und Gebrechen. (Es waren) Maria, die ‚Magdalena‘ genannt wurde, von der sieben dämonische Geister hinausgegangen waren, Johanna, die Frau von Chuzas, einem Verwalter des Herodes, Susanna und viele andere, die ihnen (mit Mitteln) aus ihrem Vermögen dienten.“

Jesus hatte also im größeren Jüngerkreis außerhalb der Zwölf nicht nur männliche Jünger. Er hatte auch Jüngerinnen, was den Gepflogenheiten der damaligen Zeit widersprach. Damit verstehen wir auch besser, warum Maria, als sie „zu Füßen des Herrn“ saß und ihm zuhörte, „sich den guten Teil ausgewählt“ hatte, statt Marta in der Küche zu helfen. Auch das berichtet uns natürlich Lukas (Lk 10,38-42).

Auch wichtige Frauengestalten würden wir ohne ihn nicht kennen: Elisabeth, die Mutter von Johannes dem Täufer, die Prophetin Hanna, die Sünderin, die Jesus die Füße salbte, und in der Apostelgeschichte Tabitha, Lydia und Damaris. Und an vielen Stellen seines Berichts legt Lukas nebenbei Wert darauf, dass „auch Frauen“ dabei waren oder dazukamen.

Zur obigen Stelle Lk 8,1-3 gibt es noch eine Feinheit zu beachten. Ich hatte sie ursprünglich einmal so übersetzt, wie sie in den meisten Übersetzungen steht: „Und als er der Reihe nach durch Stadt und Dorf zog, da verkündete er und brachte die gute Nachricht vom Reich Gottes. Und die Zwölf waren bei ihm und einige Frauen, die geheilt waren von bösen Geistern und Gebrechen: Maria, die ‚Magdalena‘ genannt wurde, von der sieben dämonische Geister hinausgegangen waren, Johanna, die Frau von Chuzas, einem Verwalter des Herodes, und Susanna und viele andere, die ihnen (mit Mitteln) aus ihrem Vermögen dienten.“

Durch einen Vortrag, den ich als Aufzeichnung von einer Tagung der Studiengemeinschaft Wort und Wissen bekam, wurde ich auf die oben genannte alternative Übersetzungsmöglichkeit aufmerksam. Sie überzeugte mich sofort. In der griechischen Schreibkultur von damals setzte man keine Satzzeichen, man machte nicht einmal Abstände zwischen den Wörtern. Das Schreibmaterial war teuer, deshalb sparte man Platz. Der erste Satz hätte in der damaligen Schreibweise etwa so ausgesehen:

UNDALSERDERREIHENACHDURCH

STADTUNDDORFZOGDAVERKÜNDE

TEERUNDBRACHTEDIEGUTENACHR

ICHTVOMREICHGOTTES

Kein Wunder, dass nicht nur Schreiben, sondern auch Lesen eine Kunst war! Und das heißt nun, dass alle Satzzeichen im Deutschen vom Übersetzer stammen. Er hat die Aufgabe, Satzzeichen zu setzen und damit das Lesen erheblich leichter zu machen.

Und so gibt es in Lk 8,1-3 zwei Möglichkeiten – ist der Unterschied aufgefallen? In der üblichen (zweiten) Version tut Jesus seinen Dienst, und die zwölf Jünger und die Frauen sind bei ihm. In der alternativen (ersten) Version sind die Zwölf und die Frauen mit ihm im Dienst. Wen wundert’s, dass ich im Zusammenhang des Neuen Testaments das letztere für die wahrscheinlichere und glaubwürdigere Version halte? Im Reich Gottes sind Frauen gleichwertig und gleichberechtigt – und Lukas ist ein wichtiger Zeuge dafür.

Wer bei Jesus ein Theologe ist

Wer bei Jesus ein Theologe ist, ist eine wichtige Frage. Denn er hat immer die entscheidende richtige Sichtweise. Die zu seiner Zeit bekannten „Schriftgelehrten“ sind zwar die offiziellen Theologen ihrer Zeit. – Deshalb gebe ich das Wort in meiner Übersetzung auch als „Theologen“ wieder. – Jesus hat diese Leute aber scharf kritisiert.

Wer bei Jesus ein Theologe ist, kommt bei ihm an einer Stelle deutlich zum Ausdruck. Für viele meiner Entdeckungen habe ich Hilfe aus entsprechender Literatur bekommen. Deshalb füge ich hier an, dass mich in dieser Sache die Erklärung von Adolf Schlatter überzeugt hat.

Es geht um die Stelle Matthäus 13,52. In der herkömmlichen Tradition wird der Vers sinngemäß so übersetzt:

„Jeder Theologe, der ein Jünger des Königreichs der Himmel geworden ist, ist deshalb einem Menschen gleich, einem Hausherrn, der aus seinem Vorrat Neues und Altes austeilt.“

So habe auch ich den Vers früher gelesen und hatte ihn zunächst so übersetzt. Aber dann kam die Entdeckung, dass man dieselben Worte auch so lesen kann:

„Deshalb ist jeder, der ein Jünger des Königreichs der Himmel geworden ist, ein Theologe. Er ist einem Menschen gleich, einem Hausherrn, der austeilt aus seinem Vorrat, Neues und Altes.“

Nun gibt es also zwei Möglichkeiten, den Vers zu verstehen. Und als Übersetzer muss man entscheiden, welche davon wohl richtig ist. Die Entscheidung ist in diesem Fall aber nicht schwer: Denn zum einen spielt die Bekehrung von offiziellen Theologen in der neutestamentlichen Jüngergemeinde erkennbar nirgends eine Rolle. Und zum anderen kennen in der Gemeinde alle Gott, sind von Gott gelehrt und werden vom Heiligen Geist in alle Wahrheit geleitet. So passt es also wunderbar, dass Jesus an dieser Stelle alle seine Jünger als „Theologen“ bezeichnet.

Wer bei Jesus ein Theologe ist, ist also klar: Es sind die, die angenommen haben, was das Reich Gottes von ihnen fordert und ihnen schenkt. Sie haben verstanden, worum es geht. Sie können darüber reden, darin wachsen und davon weitergeben. Aus ihrem Vorrat können sie Neues und Altes hervorholen und austeilen, wie man es braucht.

Wenn sich also jemand einen „Theologen“ nennt und damit zum Ausdruck bringt, dass er mehr ist als ein gewöhnlicher Christ, ein Jünger des Herrn oder gar ein „Laie“, sondert er sich von der Jesus-Gemeinde ab. Er stellt sich damit tatsächlich auf die Seite jener Leute, die Jesus so scharf kritisiert hat.

Andererseits sollten die Christen endlich anfangen, sich nach dem Wort von Jesus auch selbst für Theologen zu halten. Sie haben ihre persönliche Beziehung zu Gott und nehmen beständig zu in der Kenntnis des Wortes Gottes. Auf jeden Fall haben sie keinen Grund mehr, an einem „Theologen“ hinaufzuschauen und ihn für etwas Besonderes zu halten. Die biblischen Maßstäbe sind nicht Gelehrtheit, Gelehrsamkeit und Wissen, sondern Glaube, Erkenntnis, Weisheit und Heiligkeit.

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