Schriftgelehrte als Zunft der in den heiligen Schriften ausgebildeten Theologen benennt das Neue Testament mit drei unterschiedlichen griechischen Begriffen. Da ist am häufigsten der „grammateús“, was von „grámma – Buchstabe, Schrift“ kommt und üblicherweise mit „Schriftgelehrter“ übersetzt wird. Daneben gibt es den „nomikós“, was von „nómos – Gesetz“ kommt und am besten mit „Gesetzeskundiger“ wiedergegeben wird. An drei Stellen kommt dann auch noch der „nomodidáskalos“ vor, was „Gesetzeslehrer“ bedeutet.

Schriftgelehrte kamen auch damals schon mit einem Studium und einer offiziellen Ordination zu ihrem Titel und Status und hoben sich damit vom gewöhnlichen Volk ab. Und so gleichen sie darin auch den heutigen Theologen, es ist immer noch dasselbe System. Aus Gründen der Aktualität benutze ich in meiner Übersetzung daher für das häufigere „grammateús“ den Begriff „Theologe“. Bei „nomikós“, das seltener vorkommt, bleibe ich bei „Gesetzeskundiger“. Den „nomodidáskalos“ habe ich bisher mit „Gesetzeslehrer“ wiedergegeben. So verwende ich für die drei gleichbedeutenden griechischen Begriffe auch im Deutschen drei unterschiedliche Wörter.

Jesus selbst war in diesem Sinne kein Theologe, auch seine Jünger nicht, und das war Absicht. Jesus hat die Zunft der Theologen gänzlich als Heuchler entlarvt und komplett abgelehnt. An verschiedenen Stellen der Evangelien wird das deutlich, ganz besonders in seiner Schlussabrechnung mit ihnen in Mt 23. Selbstverständlich hat er sich damit ihre bittere Feindschaft zugezogen.

In der neutestamentlichen Gemeinde spielen offizielle Theologen dann auch keine Rolle mehr. Paulus war zwar ein ausgebildeter Theologe von der pharisäischen Richtung. Er hatte in Jerusalem bei dem berühmten Lehrer (nomodidáskalos) Gamaliel studiert. Aber nach seiner Bekehrung zu Jesus als dem Messias hatte das in seinem Dienst und Auftrag keine Bedeutung mehr. Es war ein Teil seines alten Lebens, das er hinter sich gelassen hatte. So wie Jesus die offizielle Theologenzunft ausdrücklich abgelehnt hatte, galt das in seiner Gemeinde. Ein bekehrter Theologe war kein „Theologe“ mehr, sondern ein Bruder.

Nur an einer Stelle kommen auch im christlichen Bereich wieder „nomodidáskaloi“ vor. In 1 Tim 1,7 schreibt Paulus über falsche Lehrer: „Sie wollen Gesetzeslehrer sein, obwohl sie (selbst) nicht verstehen, was sie sagen und was sie uns fest versichern.“ Offensichtlich haben diese Herren nicht nur irreführend gelehrt, sondern auch versucht, sich mit einem Titel eine gewisse Lehrautorität zu verschaffen. Da irreführende „Gesetzeslehrer“ im christlichen Bereich aber nicht als problematisch bekannt sind, werde ich das Wort bei künftigen Gelegenheiten aktueller mit „Bibellehrer“ wiedergeben.

Aber in einem Sinn gibt es in der christlichen Gemeinde dann doch noch Theologen, nämlich in dem, dass alle Christen Theologen sind, weil sie alle Gott kennen.