Ein Bibelübersetzer entdeckt ...

Autor: Uli Wößner (Seite 12 von 24)

siehe Beitrag "Über mich"

Das Tier aus der Unterwelt

Das Tier aus der Unterwelt, das in Offb 11,7 schon kurz erwähnt wurde, „taucht“ dann in Offb 13 sogar im wörtlichen Sinne wieder „auf“. Johannes am Ufer der Insel Patmos sieht es aus dem Meer heraufkommen. Aber das ist natürlich die gleiche Herkunft „von unten“ wie „aus der Unterwelt“.

Das griechische Wort für „Tier“, das hier dieses Wesen bezeichnet, hat eine spezielle Bedeutung. Es bezeichnet im Unterschied zu den Nutz- oder Haustieren ein wildes Tier, ein Wildtier. Und „wild“ passt ja ganz offensichtlich zu ihm. Die königlichen Stirnbänder an seinen Hörnern zeigen auch gleich, was sein Auftrag bzw. seine Intention ist, nämlich zu regieren.

Über die gotteslästerlichen Namen an seinen Köpfen kann man rätseln. Aber man kommt sicherlich auf die richtige Spur, wenn man weiß, dass sich die römischen Kaiser jener Zeit gerne mit Titeln schmückten wie „göttlich“, „Retter“, „Wohltäter“, „Gottessohn“ und „Gott“. Besonders trifft das auf den Kaiser Nero zu, der sich als Gott verehren ließ und als erster die Christen verfolgte. Er ist dann wohl die erste mächtige menschliche Inkarnation dieses dämonischen Wesens gewesen. Die genannten Titel sind natürlich nicht lästerlich an sich. Aber wenn Menschen sich solche Titel selbst zulegen, wird es zur Gotteslästerung.

Es gibt allerdings eine Anzahl griechischer Handschriften, die an dieser Stelle nicht von mehreren Namen sprechen, sondern nur von einem: „an seinen Köpfen einen gotteslästerlichen Namen“. Offensichtlich hat sich schon in der frühen Zeit unter den Christen eine spezielle Bezeichnung für dieses Tier herauskristallisiert. Und diese wird auch im Neuen Testament schon erwähnt, nämlich „Antichrist„. Natürlich ist „Antichrist“, also „Anti-Messias“ eine sachliche und keine lästerliche Bezeichnung, genauso auch wie „Messias“. Aber nehmen wir an, der Name auf den Köpfen des Tieres ist „Messias“. Dann sind sowohl die Lästerung als auch der Antichrist perfekt.

Dass einer seiner Köpfe wie zu Tode geschächtet, die Todeswunde aber geheilt war, passt zu Nachahmung des echten Messias. Er war am Kreuz als Opferlamm getötet worden und nach drei Tagen wieder auferstanden. Opferlämmer musste man schächten.

Das Tier aus der Unterwelt zeigt in seiner Gestalt natürlich auch an, dass an diesem Wesen nichts Menschliches ist. Mit dem Ebenbild Gottes hat diese Dämonenwelt bei allen Nachahmungsversuchen nichts zu tun.

Mit der Macht Satans erwirbt das Tier aus der Unterwelt den Nimbus der Unbesiegbarkeit. Und mit seinem Großmaul redet dieser Antichrist große Dinge und Lästerungen. Dass ihm das „gegeben wurde“, ist ein kleiner Hinweis darauf, dass auch dieses Tier in den Plan und unter die Zulassung Gottes gehört.

Seine Aufgabe besteht zum einen darin, gegen die Nachfolger des wahren Messias Krieg zu führen. Zum anderen besteht sie darin, alle anderen vom wahren Messias abzuhalten, indem sie den Anti-Messias anbeten. Die Zeitangabe von 42 Monaten besagt, dass das während der gesamten Endzeit sein Werk ist.

Auffallend ist, dass es hier ausdrücklich heißt, dass alle Menschen ihn anbeten. Das heißt, das geschieht unbewusst unter Verführung. Wir alle kennen niemanden, der bewusst den Antichristen anbetet. Aber sie haben alle in irgendeiner Weise ihre Götzen. Sie haben Dinge, die ihnen wichtiger sind als alles andere. Und sie sind ihnen wichtiger als die Beziehung zu Gott und seinem Messias.

Gegenüber der Offenheit und Wahrheit auf der Seite des Messias Jesus steht hier also eine Welt von Manipulation, Verführung, Lüge, Betrug und Hass. Da ist auch der Gedanke an die Fake-News, Hate-Speeches, Shit-Storms und Lügengebäude unserer Zeit doch irgendwie naheliegend …

Aus der Darstellung dieser Hintergründe im Buch der Offenbarung haben Christen zu allen Zeiten unter Verfolgung Mut und Kraft geschöpft. Denn sie besagt, dass das alles unter Gottes Plan und Zulassung steht. Von der satanischen Seite aus kann man nicht willkürlich Christen töten. Nur diejenigen kann man fangen oder töten, für die Gott es bestimmt ist. Man darf sich hier auch gerne eine biblische Tatsache in Erinnerung rufen: Für Jesus zu leiden oder zu sterben ist eine Ehre.

Das Rezept, als Leute Gottes unter diesen Umständen dennoch den Sieg davonzutragen, liefert Johannes dann auch gleich mit:

„Hier ist die Ausdauer und der Glaube der Heiligen!“

Die Frau und der Drache

Die Frau und der Drache sind die Hauptfiguren der großen Vision in Kapitel 12 der Offenbarung. Zuvor war die Eigenart der Endzeit schon jeweils beim Öffnen der sieben Siegel und dann beim Ertönen der sieben Hornsignale überblicksartig dargestellt worden.

Nun enthüllen sich ab Kapitel 12 zuvor schon erwähnte Details in großer Ausführlichkeit, und das dämonische Gegenprogramm gegen Gottes Werk wird deutlich sichtbar: Der Satan als Anti-Gott, das Tier aus dem Meer als Anti-Messias bzw. Antichrist, der falsche Prophet als Anti-Geist und die Hure als Anti-Braut bzw. Anti-Gemeinde.

Hintergrund für die große Vision „die Frau und der Drache“ am Himmel könnten Sternbilder sein, die Werner Papke identifiziert und in seinem Buch „Das Zeichen des Messias“ dargestellt hat. Die Frau und der Drache sind, wenn man sie kennt, auch heute noch dort zu sehen. Besonders die Schlangenform des Drachen ist gut zu erkennen.

Aber nun hat Johannes dort keine stehenden Bilder gesehen, sondern dramatische Ereignisse. Die Frau ist am Gebären, mit Wehen geplagt. Mit der Frage, wer sie ist, werden wir uns nachher noch befassen. Von den anderen Figuren können wir eindeutig sagen, wer sie sind:

Der Sohn, der Männliche, den sie gebiert, soll alle Völker hüten mit einem eisernen Stab. Der eiserne Stab kommt aus Psalm 2 und kennzeichnet ihn als den Messias. Er wird nach seiner Geburt fast vom Drachen aufgefressen, wird dann aber entrückt zu Gott und seinem Thron.

Hier haben wir eine sehr kurze Fassung des Lebens von Jesus. Nach seiner Geburt wurde er erwachsen und präsentierte dem Volk Israel als von Gott mit Heiligem Geist gesalbter Messias das Reich Gottes. Während dieser Zeit wurden laufend Pläne gegen ihn geschmiedet, um ihn umzubringen. Und als er dann am Kreuz hing, meinte der Teufel vielleicht, das Ziel seiner Vernichtung („Auffressen“) erreicht zu haben. Aber mit der Auferstehung, der Himmelfahrt („entrückt zu Gott“) und der Einsetzung zur Rechten Gottes wurde ihm ein gewaltiger Strich durch die Rechnung gemacht.

Auch der Drache ist eindeutig, in Vers 9 auch als Schlange, Teufel und Satan bezeichnet. Und seine königlichen Stirnbänder zeigen seine Intention. Manche haben schon einmal gehört, der Satan habe bei seinem Fall ein Drittel der Engel mit in den Abfall gezogen. Diese Interpretation basiert auf der Aussage hier in Vers 4, dass er mit seinem Schwanz ein Drittel der Sterne vom Himmel gefegt und auf die Erde geworfen hat.

Als er nach seinem Hinauswurf aus dem Himmel dann die Frau verfolgen will und merkt, dass sie seinem Zugriff entzogen ist, wendet er sich gegen ihre „weiteren Nachkommen“. Das sind die, „die Gottes Gebote halten und das Zeugnis von Jesus haben“. Auch diese Personengruppe ist eindeutig. Es sind die Nachfolger von Jesus, es ist die Gemeinde. Durch ihre pure Existenz zieht sie sich den Hass des wütenden Satans zu.

Nun kommen wir zurück zu der Frage: Wer ist die Frau? Aus der katholischen Tradition kennen wohl manche die Sichtweise, es sei Maria, die hier mit den zwölf Sternen auf ihrem Haupt als „Himmelskönigin“ dargestellt sei. Aber die „Himmelskönigin“ ist eine aus dem Alten Testament wohlbekannte heidnische Gottheit. Und es gibt noch ein anderes Argument gegen diese Sichtweise:

Die Frau hat hier nicht nur den einen Sohn geboren, es gibt danach auch die „weiteren Nachkommen“ von ihr. Und die Christen als Nachkommen Marias zu bezeichnen, wäre zu den neutestamentlichen Zeiten ja keinem eingefallen. Eher darf man daran denken, dass sie dort als die legitimen Nachkommen Abrahams gesehen werden.

Und Abraham ist der Stammvater Israels. Und wenn wir uns daran erinnern, dass das Volk Israel im Alten Testament auch im Bild der Ehefrau Gottes dargestellt wird, nähern wir uns dem richtigen Verständnis. Der Messias entstammt dem alttestamentlichen gläubigen Teil Israels, der treu auf das Kommen des Messias wartete.

Dieses Israel hat es bis zum Beginn der neutestamentlichen Geschichte tatsächlich gegeben. Es begegnet uns in Gestalten wie Zacharias und Elisabet, Maria und Josef, den Hirten auf dem Feld, dem Propheten Simeon, der Prophetin Hanna und Johannes dem Täufer. Aus diesem Israel ist unter Wehen der Messias geboren.

Und dieses Israel war dann auch nicht mehr da, als der Teufel aus dem Himmel geworfen war. Der Platz in der Wüste, an dem es nicht mehr für ihn erreichbar ist, liegt sicherlich jenseits dieser Welt, wo Gott diesen verstorbenen Heiligen einen Platz bereitet hat. Und ihre „weiteren Nachkommen“, die kennen wir ja …

Psalm 16

(Psalm 16 in eigener Übersetzung:)

1 Ein Gedicht, mit Worten Davids.

Bewahre mich, Gott, denn ich vertraue mich dir an!

2 Ich sage zum Herrn, meinem Herrn:

„Du bist mein Gut – nichts (geht) über dich!“,

3 zu den Heiligen, die im Land sind:

„Sie sind Herrliche – mein ganzes Wohlgefallen ist mit ihnen!“

4 Zahlreich werden die Schmerzen derer,

die einem anderen (Gott) nacheilen.

Nie will ich ihre blutigen Gießopfer als Opfer ausgießen,

nie will ich ihre Namen auf meine Lippen nehmen.

5 „Herr! (Was) meinen Anteil am Erbland und meinen Becher (betrifft):

Du bist es, der mein Erbteil erhält.

(Der Becher ist wohl das Sinnbild für das Gute, das das Land hervorbringt.)

6 Messschnüre sind mir auf das schönste (Land) gefallen,

ja, mein Erbbesitz ist das Beste für mich.

7 Ich will den Herrn preisen, der mich berät,

auch in Nächten weist mich mein Innerstes zurecht.

(„Mein Innerstes“ ist wörtlich „meine Nieren“. Die Nieren sind im Hebräischen ein Bild für das innerste, verborgene, nur Gott allein zugängliche Wesen des Menschen.)

8 Ich halte mir den Herrn beständig vor Augen,

denn er ist an meiner rechten Seite, damit ich nicht wanke.

9 Deswegen ist mein Herz fröhlich, meine Zunge jubelt,

auch mein Körper wird sich zur Ruhe betten mit Vertrauen.

10 Denn du wirst meine Seele nicht der Totenwelt überlassen

und nicht zulassen, dass dein Geheiligter Verwesung erfährt.

11 Du lässt mich Wege des Lebens wissen,

willst mich sättigen mit Fröhlichkeit in deiner Gegenwart,

Erquickungen sind an deiner rechten Seite für immer.

– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

Über Psalm 16 spricht Petrus dann in seiner „Pfingstpredigt“ in Apg 2:

25 „David sagt nämlich auf ihn hin:

‚Ich halte mir den Herrn beständig vor Augen,

denn er ist an meiner rechten Seite, damit ich nicht wanke.

26 Deswegen ist mein Herz fröhlich, meine Zunge jubelt,

auch mein Körper wird sich zur Ruhe betten mit Vertrauen.

27 Denn du wirst meine Seele nicht der Totenwelt überlassen

und nicht zulassen, dass dein Geheiligter Verwesung erfährt.

28 Du lässt mich Wege des Lebens wissen,

willst mich sättigen mit Fröhlichkeit in deiner Gegenwart.‘

29 Ihr Männer und Brüder, es sei mir erlaubt, ganz offen über den Stammvater David zu euch zu sprechen: Auch er ist gestorben und begraben worden. Sein Grabmal ist hier bei uns bis auf den heutigen Tag.

30 Weil er allerdings ein Prophet war und wusste, dass Gott ihm mit einem Eid geschworen hatte, jemanden aus seinen leiblichen Nachkommen auf seinem Thron einzusetzen, 31 sprach er vorausschauend über die Auferstehung des Messias, dass er weder der Totenwelt überlassen werde noch sein Körper Verwesung erfahre.

32 Diesen, Jesus, hat Gott auferweckt, wofür wir alle Zeugen sind.“

Das sechste Hornsignal

Das sechste Hornsignal leitet Ereignisse ein, die sich an die Geschehnisse der ersten fünf Hornsignale zunächst gut anschließen. Die vier Engel, die am Fluss Eufrat gebunden sind, werden losgebunden. Und eine symbolische Zahl von umgerechnet 200 Millionen Reitertruppen macht sich auf den Weg.

Dabei sollte man diese vier Engel am Fluss Eufrat nicht verwechseln mit den vier Engeln, die in Kap. 7,1 an den vier Enden der Erde stehen und die vier Winde festhalten. Die vier Winde werden festgehalten, bis alle Heiligen versiegelt sind, also bis zum Ende der Endzeit. Und wenn sie dann losgelassen werden, bringen sie sicherlich die letzten Katastrophen, die in Kap. 16 unter den sieben Schalen der Wut Gottes beschrieben werden.

Die vier Engel am Eufrat dagegen sind zunächst selbst gebunden und werden dann losgelassen, um ein Drittel der Menschen zu töten. Diese teilweise Art des Gerichts spricht dafür, dass sie schon während der Endzeit unterwegs sind. Und ihre Reitertruppen sind – gerade auch auch von der Beschreibung her – keine irdischen Truppen, sondern dämonische Wesen. Auch hier taucht wieder das dämonische Prinzip auf „Einer, der viele ist“ bzw. „Vier, die 200 Millionen sind“.

Dass sie auch irdische Truppen in Bewegung setzen, damit in Kriegen Menschen einander umbringen, kann man sich allerdings gut vorstellen. Wir hätten dann hier eine Parallele zum zweiten oder auch dritten und vierten der apokalyptischen Reiter aus Kap. 6 vor uns. Denn auch Hungersnot und Tod passen zum Ziel und Zweck dieser Reitertruppen.

Der erste der apokalyptischen Reiter, der auf dem weißen Pferd, der Antichrist, wäre also unter dem fünften Hornsignal noch einmal dargestellt, die anderen drei Reiter unter dem sechsten Hornsignal.

Am Ende von Kap. 9, im Anschluss an die Reitertruppen, kommt noch ein Blick aufs Ende: „Und die übrig gebliebenen Menschen, die nicht getötet worden waren während dieser Plagen, waren nicht bereit sich zu ändern, …“.

Während der Endzeit, also auch während der genannten Plagen, wird ja immer noch die Gemeinde gebaut, kommen Menschen zum Glauben und sind bereit, sich zu ändern. Aber am Ende, das heißt dann auch nach der Entrückung der Gemeinde, bleibt eine Menschheit übrig, die nicht mehr bereit ist, sich zu ändern. Dann ist es zu spät.

Die gleiche Formulierung taucht in Kap. 16,9 wieder auf, während der Ausgießung der Schalen der Wut Gottes: „Die Menschen … lästerten den Namen Gottes, der die Macht über diese Plagen hat, und waren nicht bereit sich zu ändern, um ihm Ehre zu geben.“

Und zum Blick auf das Ende passt dann auch die Ankunft des gewaltigen Engels in Kap. 10,1-3. „Und ich sah einen anderen gewaltigen Engel, er kam aus dem Himmel herab, gekleidet mit einer Wolke, der Regenbogen auf seinem Kopf, sein Gesicht wie die Sonne, seine Beine wie feurige Pfeiler, und in seiner Hand hatte er eine kleine Schriftrolle, die geöffnet war. Er setzte seinen rechten Fuß auf das Meer und den linken auf die Erde und schrie mit lauter Stimme, wie ein Löwe brüllt.“

Zum Ende passt er wunderbar, wenn wir ihn mit Hilfe von Parallelstellen in der Offenbarung anhand seiner Beschreibung als den wiederkommenden Jesus identifizieren:

Er ist gekleidet mit einer Wolke – Er kommt mit den Wolken (Offb 1,7).

Der Regenbogen auf seinem Kopf – Ein Regenbogen ist rings um den Thron (Gottes und des Lammes) (Offb 4,3).

Sein Gesicht wie die Sonne – Sein Gesicht war wie die Sonne (Offb 1,16).

Seine Beine wie feurige Pfeiler – Seine Füße wie glühendes Metall (Offb 1,15).

In seiner Hand hatte er eine kleine Schriftrolle, die geöffnet war – Du bist würdig, die Schriftrolle zu bekommen und ihre Siegel zu öffnen! (Offb 6,9).

Er schrie mit lauter Stimme, wie ein Löwe brüllt – Der Löwe aus dem Stamm Juda (Offb 6,5). Letzteres ist dann sicherlich sein Siegesschrei …

Natürlich klingt es ungewöhnlich, wenn Jesus als Engel bezeichnet wird. Aber erinnern wir uns an den „Engel des Herrn“, der im Alten Testament an entscheidenden Stellen bei den Menschen auftaucht. In diesem „Engel des Herrn“ erscheint immer der Herr selbst. Hier haben wir wieder einen erklärenden Genitiv: der Engel ist der Herr. Er ist sozusagen die sichtbare Erscheinung des unsichtbaren Gottes. Und er wurde dann auch Mensch und repräsentierte Gott in Menschengestalt. „Wer mich sieht, sieht den, der mich gesandt hat.“ (Joh 12,45). Und dann erinnern wir uns auch daran, dass das Wort „Engel“ ursprünglich „Bote“ heißt. Und der einzigartige und zentrale Bote Gottes, das ist Jesus. Der gewaltige Engel in Offb 10 ist dann wohl dieser Engel des Herrn, der seit seiner menschlichen Geburt Jesus heißt.

Nach dem Siegesgebrüll des Löwen aus Juda sprechen die sieben Donner, und Johannes darf nicht aufschreiben, was sie sagen. Der Inhalt und der Grund der Versiegelung dieser Donnerreden bleibt ein Geheimnis. Aber im Zusammenhang des Textes, also der Wiederkunft des Herrn, könnte das Reden der sieben Donner eine Parallele zur Ausgießung der sieben Schalen der Wut Gottes in Kap. 16 sein. Der Rest der unbelehr- und unbekehrbaren Menschheit erfährt nach den teilweisen Gerichten der Endzeit am Ende ein totales Gericht. Auch der Schwur des „Engels“ bestätigt, dass jetzt das Ende da ist.

Der Befehl an Johannes, die Schriftrolle zu nehmen und aufzuessen, hat eine Parallele in Hes 2,10-3,2. Auch Hesekiel sollte eine Schriftrolle aufessen, und auch sie war im Mund süß wie Honig. Aber es ist natürlich ein prophetisches Bild dafür, dass der Prophet die Worte Gottes ganz in sich aufnehmen muss, um sie dann auch wieder richtig weitergeben zu können. Eine kleine „Brotzeitpause“ für Johannes, der neue Kraft braucht und Gottes Gedanken tief in sich aufnehmen muss, um „weiter prophetisch (zu) sprechen über viele Völker, Volksgruppen, Sprachen und Könige!”

Bei all den Geschehnissen in der Welt während der Endzeit und an ihrem Ende, die unter den Hornsignalen bildhaft geschildert werden, ist auch nach dem sechsten Hornsignal bis hierher ein wichtiges Thema unerwähnt geblieben, nämlich die Gemeinde des Herrn. Und deshalb folgt beim sechsten Hornsignal in Kap. 11 noch ein Einschub, der aber ganz dazugehört. Im Bild des Tempels und der zwei Zeugen wird die Gemeinde in der Endzeit dargestellt.

Und diese Zeit endet mit dem letzten schweren Erdbeben, das auch in Kap. 16,18 bei der Ausgießung der siebten Schale der Wut Gottes beschrieben wird. Dann schließt das siebte Hornsignal die Geschichte ab und bläst zum Ende der Welt, wie wir sie gekannt haben.

Hinweise

Hinweise zu meinen Blogbeiträgen:

Die zitierten Texte aus dem Neuen Testament entstammen meiner eigenen Übersetzung. Sie trägt den Titel „Jesus der Messias“ und ist als Buch und als eBook zu erwerben. Zitate aus anderen Übersetzungen sind jeweils entsprechend gekennzeichnet.

Für meine Übersetzung habe ich im Wesentlichen benutzt:
Nestle-Aland, Novum Testamentum Graece, 28. Auflage
Kurt Aland, Synopsis Quattuor Evangeliorum, 9. Auflage
Alfred Schmoller, Handkonkordanz zum Griechischen Neuen Testament, 15. Auflage
Hermann Menge, Langenscheidts Großwörterbuch Griechisch Deutsch, 22. Auflage
Matthias Stehle, Griechische Sprachlehre, 3. Auflage

Die folgenden Autoren und Bücher waren mir für das Verständnis des neutes-tamentlichen Textes und seiner Hintergründe besonders hilfreich (in alphabetischer Reihenfolge der Autoren):
Hartmut Gese, Der Johannesprolog (im Sammelband „Zur biblischen Theologie“)
Ernst Kutsch, Neues Testament – neuer Bund? – Eine Fehlübersetzung wird korrigiert
Otto Michel, Der Brief an die Römer
Otto Michel, Der Brief an die Hebräer
Werner Papke, Das Zeichen des Messias
David Pawson, Wiedergeburt
David Pawson, Der Weg zur Hölle
Bargil Pixner, Wege des Messias und Stätten der Urkirche
Adolf Pohl, Die Offenbarung des Johannes (Wuppertaler Studienbibel)
Fritz Rienecker / Gerhard Maier, Lexikon zur Bibel
John A.T. Robinson, Wann entstand das Neue Testament?
Eugen Ruckstuhl, Die Chronologie des letzten Mahles und des Leidens Jesu
Thomas Schirrmacher, Paulus im Kampf gegen den Schleier
Adolf Schlatter, seine wissenschaftlichen Kommentare zu den vier Evangelien und den Korintherbriefen
Adolf Schlatter, seine Erläuterungen zum ganzen Neuen Testament
Ludwig Schneller, Kennst du das Land?
Heinz Warnecke, Die tatsächliche Romfahrt des Apostels Paulus

Das fünfte Hornsignal

Das fünfte Hornsignal in Offb 9 leitet Ereignisse ein, die sich von den ersten vier Hornsignalen in Offb 7 unterscheiden. Diese beschreiben relativ kurz schädigende Ereignisse an der sichtbaren Schöpfung. Betroffen sind: die Erde, das Meer, die Flüsse und das Tages- und Nachtlicht. Gemeinsam haben sie, dass die Ursache für die Schäden jeweils vom Himmel her kommt. Das spricht sehr dafür, dass wir es hier mit Gerichten Gottes an den natürlichen Lebensgrundlagen der Menschen zu tun haben. Diese treten dann dem Charakter der Endzeit entsprechend immer wieder teilweise (ein Drittel) ein.

Das fünfte Hornsignal, das ja auch zugleich das erste der „Wehe!“ ist, das der Adler in Offb 8,13 über die Erde ausgerufen hat, ist dagegen recht ausführlich und richtet den Blick in die unsichtbare Welt.

Aber auch hier ist zuerst einmal etwas aus dem Himmel gefallen. Ein Stern, der die Macht bekommt, den Schacht zur Unterwelt zu öffnen. Erinnern wir uns daran, dass „Stern“ in der Bibel immer wieder auch ein Bild für Engel ist. Und dem „Engel“, der vom Himmel gefallen ist, begegnen wir in Offb 12, wo sich im Himmel nach der Entrückung des Messias zum Thron Gottes ein Krieg ereignet – Offb 12,7-9:

„Im Himmel fand dann eine Schlacht statt, Michael und seine Engel führten Krieg mit dem Drachen. Auch der Drache und seine Engel führten Krieg, er konnte aber nicht bestehen, und es war im Himmel kein Platz mehr für sie zu finden. Und er wurde hinausgeworfen, der große Drache, die Schlange vom Anfang, der „Teufel“ und „der Satan“ genannt wird, der die ganze Welt irreführt. Er wurde auf die Erde geworfen, und seine Engel wurden mit ihm geworfen.“

Und die laute Stimme im Himmel sagt dann noch – Offb 12,12: „Wehe der Erde und dem Meer, denn der Teufel ist hinabgekommen zu euch; er hat große Wut und weiß, dass er wenig Zeit hat!“

Das fünfte Hornsignal bringt mit sich, dass diesem gefallenen „Stern“ bzw. „Engel“ der Schlüssel für den Schacht zur Unterwelt „gegeben wird“. Dieses „gegeben wird“ heißt, dass auch das unter der Zulassung und Planung Gottes geschieht. Dass aus diesem Schacht zur Unterwelt nicht irdische, sondern dämonische Wesen hervorkommen, dürfte klar sein. Die bildhafte Schilderung dieser Dämonen als so etwas wie Heuschrecken ist recht eindrücklich. Und ihr Auftrag ist, die Menschen zu quälen, aber nicht zu töten. Allerdings sind die Menschen ausgenommen, die das Siegel Gottes auf ihren Stirnen haben. Dämonen haben kein Recht, sie zu quälen.

Und dann taucht auch noch ein Anführer dieser Dämonentruppe auf – Offb 9,11: „Einen König haben sie über sich, den Engel der Unterwelt, der auf Hebräisch den Namen ‚Abaddon‘ hat und auf Griechisch den Namen ‚Apollyon‘.“ Beides heißt auf Deutsch „Zerstörer“.

Auch dazu, dass der Teufel aus der Unterwelt einen Anführer und „Zerstörer“ holt, haben wir eine Parallele – Offb 12,18-13,2:

„Er (der Drache) trat auf den Sand am Meer. Und ich sah, dass aus dem Meer ein wildes Tier heraufkam, das hatte zehn Hörner und sieben Köpfe, an seinen Hörnern zehn königliche Stirnbänder und an seinen Köpfen gotteslästerliche Namen. Das wilde Tier, das ich sah, war einem Panther gleich, seine Beine wie die eines Bären und sein Maul wie das Maul eines Löwen. Und der Drache gab ihm seine Kraft, seinen Thron und große Macht.“

Dass dieses wilde Tier, das aus dem Meer „heraufkommt“, und der „Zerstörer“ aus dem Schacht zur Unterwelt ein und dieselbe dämonische Macht sind, liegt doch recht nahe. Dann zeigt das Bild aus Offb 9 auch, dass das Tier aus Offb 13 sein Werk nicht alleine ausübt, sondern eine ganze Dämonenarmee befehligt. Auch hier sehen wir, dass der Antichrist einer ist und gleichzeitig viele.

Dieses Prinzip finden wir schon bei der Begegnung von Jesus mit dem Dämon, der in dem belasteten Gergesener am Werk war – Lk 5,9: Jesus fragte ihn: „Wie ist dein Name?“ Er antwortete: „’Legion‘ ist mein Name, weil wir viele sind.“ Einer, der viele ist – ein interessanter Einblick in die dämonische Welt …

Wir haben nun schon drei Stellen in der Offenbarung, die vom Erscheinen des Antichristen berichten. In Offb 6 ist es der Reiter auf dem weißen Pferd. In Offb 9 ist es der Anführer des Heuschrecken-Heeres. Und in Offb 13 ist es das Tier aus dem Meer. Auch Im Zusammenhang der zwei Zeugen tauchte in Kap. 11,7 das Tier schon einmal auf: „… das Tier, das aus der Unterwelt heraufsteigt, …“. Das „Meer“ und die Unterwelt sind hier offensichtlich ein und dasselbe. Aus beidem kommt man von „unten“.

Das fünfte Hornsignal war also der Auftakt zum darauf folgenden ersten „Wehe!“. Und es kommen noch zwei

1000 Jahre keine Zeit

1000 Jahre keine Zeit – diese Formulierung klingt natürlich paradox. Aber sie ergibt sich, wenn man die Aussage des Engels in Offb 10,5-7 kombiniert mit der Angabe der 1000 Jahre aus Offb 20,1-6. Betrachten wir zuerst die einmalige Aussage des Engels im Rahmen der sieben Hornsignale in Offb 10,5-7:

„Und der Engel, den ich auf dem Meer und auf der Erde stehen sah, erhob seine rechte Hand in den Himmel. Und er schwor bei dem, der von Ewigkeit zu Ewigkeit lebt, der erschaffen hat den Himmel und alles darin, die Erde und alles darauf, das Meer und alles darin: „Es wird keine Zeit mehr sein! In den Tagen des Tons des siebten Engels, wenn er das Horn blasen wird, wird vielmehr das Geheimnis Gottes vollendet sein, wie er seinen Sklaven, den Propheten, die Botschaft gebracht hat.“

Man hat vielleicht schon einmal gehört, dass es im Griechischen zwei Wörter für „Zeit“ gibt. Diese sind „chrónos“ und „kairós“. (Mit dem Akzent bezeichne ich die Betonung des Wortes.)

Chronos ist die ständig und unaufhaltsam ablaufende Zeit. Das meinen wir, wenn wir z.B. sagen: „Wie die Zeit vergeht.“ Zeit im Sinne von Chronos ist im Grunde die Vergänglichkeit.

Kairos dagegen ist eine bestimmte Zeit, ein Zeitpunkt, ein Termin, auch eine Gelegenheit. Wenn wir z.B. fragen: Wann hast du Zeit?“, dann meinen wir einen Kairos. Als die „Zeit“ erfüllt war und Gott seinen Sohn sandte, war das ein „Kairos“.

Der Engel in der Offenbarung sagt nun aber: „Es wird kein Chronos mehr sein!“ Das heißt nichts anderes, als dass es keinen Zeitablauf mehr geben wird. Wenn gemeint wäre, er sei jetzt keine Zeit mehr, z.B. um etwas zu tun, z. B. sich zu bekehren, dann müsste an dieser Stelle „Kairos“ stehen. Jetzt sagt der Engel aber „keine Zeit mehr“ im Sinne von Chronos. Damit haben wir einen prinzipiellen Umbruch bzw. Abbruch der Weltgeschichte, die ja vom Zeitablauf diktiert wird. Und was ist dann? Natürlich Ewigkeit.

Wenn der Chronos tatsächlich einmal ein Ende hat, kann man auch zurückfragen, wann er einen Anfang hat. Wenn er mit der Vergänglichkeit gleichzusetzen ist, hat er am Anfang der Schöpfung noch nicht bestanden. Denn die Vergänglichkeit beginnt erst mit dem Sündenfall und der Vertreibung aus dem Paradies. Seither muss der Mensch sterben, und seine Zeit läuft ab.

Wenn wir nun bei der Aussage des Engels nachschauen, wann die Zeit sein wird, also wann der „Kairos“ ist, an dem der „Chronos“ aufhört, dann finden wir: „In den Tagen des Tons des siebten Engels, wenn er das Horn blasen wird, …“ Dass über dieses letzte Hornsignal schon Jesus und Paulus gelehrt haben, habe ich bereits im Beitrag „Die sieben Posaunen“ dargelegt.

Der Engel in Offb 10 hat nun allerdings nicht gesagt, dass mit diesem letzten Hornsignal der Zeitablauf endet. Er hat vielmehr gesagt, dass „in den Tagen“ dieses Signaltons der Chronos aufhört. Am Ende der Geschichte steht nicht die Entrückung, sondern die sichtbare Ankunft des Herrn auf der Erde, die letzte Schlacht (von Har Mageddon), die Entfernung der dämonischen Mächte und dann der Anbruch des 1000-jährigen Friedensreiches – als Schabbat der Weltgeschichte.

Wann endet nun in jenen Tagen der Chronos? Das kann eigentlich nur der Beginn der 1000 Jahre sein, in denen völlig andere Bedingungen auf der Erde herrschen werden. In diesen 1000 Jahren ist der Satan gebunden und die auferstandenen Heiligen regieren mit dem Messias zusammen über die Erde. Und auch das irdische Israel hat sich nun endlich zu seinem Messias bekehrt. So sagt es Paulus in Röm 11 voraus. Und dazu gehört sicherlich auch, dass sich alle noch ausstehenden Zusagen Gottes an Israel erfüllen werden.

Dass der Begriff der „1000 Jahre“ in diesem Zusammenhang symbolisch zu verstehen ist, liegt auf der Hand. Wo keine Vergänglichkeit mehr ist, ist Ewigkeit. Im Rahmen unserer irdischen Vorstellungskraft können wir leider nur innerhalb des Chronos denken. Wir kommen hier an unsere Genzen, an die Grenzen der Ewigkeit. Schon wenn wir uns Ewigkeit als endlos lange Zeit vorstellen, liegen wir falsch. Am ehesten können wir sie uns vielleicht als ein Art „Zustand“ vorstellen, aber natürlich keinen „andauernden“.

Mit den 1000 Jahren ist der Chronos aber noch nicht ganz zu Ende, sondern nur unterbrochen. Ein Kennzeichen dieser 1000 Jahre ist ja, dass der Satan zu deren Beginn weggeschlossen und zu deren Ende losgelassen wird. In Offb 20,3 heißt es: „Danach muss er losgebunden werden für eine kurze Zeit“. Für einen kurzen „Chronos“ wird der Satan losgelassen – bis er in die Hölle geworfen wird. Da läuft die Weltenuhr also noch einmal kurz weiter. Danach ist nur noch Ewigkeit – mit dem Weltgericht, der ewigen Bestrafung und der neuen Schöpfung.

Die besiegten Zeugen

Die besiegten Zeugen in Offb 11 sind zunächst ein Rätsel. Feuer kommt aus ihrem Mund und verzehrt ihre Feinde, sie haben Vollmacht, den Himmel zu verschließen, und dann geschieht das Unglaubliche – 11,7-10:

„Und wenn sie ihr Zeugnis vollenden sollen, wird das Tier, das aus der Unterwelt heraufsteigt, Krieg mit ihnen führen, sie besiegen und sie töten. Ihr Leichnam (liegt) auf den Straßen der großen Stadt, die geistlich ‚Sodom und Ägypten‘ heißt, wo auch ihr Herr hingerichtet wurde am Kreuz. Und Leute aus den Völkern, Stämmen, Sprachen und Volksgruppen sehen dreieinhalb Tage ihren Leichnam und lassen nicht zu, dass ihre Leichname in einem Grabmal beigesetzt werden. Die Bewohner der Erde freuen sich darüber, sind fröhlich und senden einander Geschenke, denn diese zwei Propheten quälten die Bewohner der Erde.“

Man wird in diesen Versen nicht alle Einzelheiten ausdeuten können, aber der Anfang ist klar. Das Tier, das aus der Unterwelt heraufsteigt, ist der Antichrist. Dieser Dämon wird in Offb 13 ausführlich beschrieben. Und dort steht auch der unfassbare Satz – V. 7: „Es wurde ihm gegeben, Krieg zu führen mit den Heiligen und sie zu besiegen.“ Aber es entspricht genau der Aussage in Kap. 11, dass das Tier die Zeugen besiegen wird. Die besiegten Zeugen entsprechen also den besiegten Heiligen.

In beiden Kapiteln stellt das Tier den antichristlichen Dämon dar. Und dann ist es auch deutlich, dass sein Gegenüber in beiden Kapiteln ebenfalls dasselbe ist. Die Zeugen sind die Heiligen. Und die Heiligen sind die Gemeinde, wie es das ganze Neue Testament bezeugt. Und die Vollendung ihres Zeugnisses ist, treu zu sein bis zum Tod – wenn es sein muss, zum Märtyrertod.

Die genannte „große Stadt“ ist zunächst einmal das irdische Jerusalem. Die Aussage „wo auch ihr Herr hingerichtet wurde am Kreuz“ ist eindeutig. Insofern sind die besiegten Zeugen auch noch im Tod die Nachfolger ihres Herrn. „Sodom und Ägypten“ sind aus dem Alten Testament bekannt. Der Ort der sprichwörtlichen Sünde und der Ort der Sklaverei geben dieser „großen Stadt“ ihren Namen. Das sollte einige Jerusalembegeisterte vielleicht ein bisschen ins Nachdenken bringen.

Andererseits ist diese „große Stadt“ aber doch wohl auch eine nicht ortsgebundene geistige Realität. Denn die tatsächlich getöteten Zeugen der ersten Generation zu Johannes‘ Zeiten waren in Rom und in den Verfolgungen der folgenden Jahre im gesamten römischen Reich zu finden. Und die Offenbarung bezeichnet in den folgenden Kapiteln auch Rom als die „große Stadt“. Das würde heißen, dass überall, wo man Christen wegen ihres Bekenntnisses zu Jesus tötet, die Realität dieser „großen Stadt“ ist.

Dass man die Getöteten nicht begräbt, bleibt irgendwie rätselhaft. Aber der Reliquienkult in den katholischen und orthodoxen Kirchen, wo man Leichenteile von Heiligen als wundertätige Kultgegenstände verehrt, könnte vielleicht in diese Richtung gehen. Die Heiligen töten und dann ihre Gebeine nicht begraben sein lassen, sondern als magische Segensspender in der Welt verteilen, das passt schon irgendwie zusammen.

Natürlich muss man die „dreieinhalb Tage“ ihres Getötetseins als symbolische Zeit auffassen, wie alle Zeitangaben in der Offenbarung. Am ehesten passt es, wenn sie sich den „dreieinhalb Jahren“ der gesamten Endzeit einfügen.

Auf jeden Fall ist die Freude über die ausgeschalteten Zeugen groß. Dass man in Zeiten allgemeiner Freude einander Geschenke sendet, ist ein schon im Alten Testament erwähnter Brauch. Keine Rede mehr von Sünde, Umkehr, Gericht und Hölle, alles ausgeschaltet. Und wehe, jemand fängt noch einmal davon an! Und wenn da jemandem eine Parallele zur heutigen Zeit auffällt, ist das sicherlich kein Zufall …

Die Vollmacht der Zeugen

Die Vollmacht der Zeugen in Offb 11 ist auffällig. Wenn, wie wir annehmen, die Zeugen ein Bild der christlichen Gemeinde sind, müssen wir uns auf die biblische Spurensuche dazu begeben. Andere Parallelen zu den Zeugen sind uns in der Bibel schon aufgefallen. Dass sie prophetisch sprechen, ist eine davon. Die mit Heiligem Geist erfüllte Gemeinde des Neuen Testaments ist eine prophetische Gemeinde. Denn der Heilige Geist ist auch der Geist der Prophetie.

In Offb 19,10 sagt der Engel, der mit Johannes spricht: „Ich bin ein Mitsklave von dir und deinen Geschwistern, die das Zeugnis von Jesus haben, bete Gott an!“ Und dazu folgt die Erklärung: „Das Zeugnis von Jesus ist der Geist der Prophetie.“ Die Geschwister von Johannes sind die Gläubigen. Und diese haben das Zeugnis von Jesus in sich. Vielleicht erinnern wir uns an das Wort von Paulus – Röm 8,16: „Der Geist selbst bestätigt unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind.“

Und wenn die Gemeinde den Geist der Prophetie hat, dann steht sie auch in der prophetischen Tradition der ganzen Bibel. Denn echte Prophetie kommt immer aus dem Heiligen Geist, und der ist zu allen Zeiten derselbe.

Damit sind wir auch bei der Vollmacht der Zeugen – Offb 11,6: „Diese (Zeugen) haben die Vollmacht, den Himmel zu verschließen, dass er es nicht regnen lässt während der in ihrer Prophetie (genannten) Zeit. Sie haben Macht über die Wasser, sie in Blut umzuwandeln, und die Erde mit jeder Plage zu schlagen, sooft sie wollen.“

Diese Art der Vollmacht mag beim ersten Lesen etwas krass erscheinen, aber unbekannt sind die Phänomene nicht. Der Prophet Elija hat es zu Zeiten des Königs Ahab und der Königin Isebel dreieinhalb Jahre nicht regnen lassen. Und Mose hat in Ägypten das Wasser in Blut verwandelt und das Land noch mit neun anderen Plagen geschlagen. Natürlich hat Gott selbst das alles getan, aber er hat seine Propheten als Werkzeuge und Zeugen dazu gebraucht.

Es ist immer dieselbe Kraft desselben Geistes. Dass es auch im Neuen Testament dieselbe ist, leuchtet im Brief von Jakobus auf – 5,16b-18: „Die Bitte eines Gerechten hat Kraft und wirkt sich aus. Elija war ein genauso sterblicher Mensch wie wir, und er betete ein Gebet zu Gott, es nicht mehr regnen zu lassen, und Gott ließ es nicht mehr regnen auf die Erde drei Jahre und sechs Monate. Und er betete wieder, und der Himmel gab Regen, und die Erde brachte ihre Frucht hervor.“

Für Jakobus ist das also keine ferne Vergangenheit, sondern ein aktuelles Beispiel zum Thema Gebet. Elija war ein Mensch wir, sagt er. Und wenn Gott so etwas durch Elija tun konnte, dann kann er es auch durch uns tun.

Die Zeugen der Offenbarung bzw. des Neuen Testaments stehen also nicht nur in der Nachfolge von Jesus. Sie stehen auch in der Nachfolge von Mose und Elija. Und in der Gemeinschaft mit Gott können auch sie die gewaltigsten Dinge tun. Dass es hier für die heutige christliche Gemeinde noch einiges zu entdecken gäbe, dürfte deutlich sein. Aber natürlich nur in der Spur der prophetischen Gemeinde des Neuen Testaments …

Der Sack

Der Sack ist in der Bibel ursprünglich das, was er bei uns auch ist. Er ist ein Behälter aus grobem Tuch zur Aufnahme von trockenen, schüttbaren Inhalten. Als Getreidesack spielte er in der Josefsgeschichte eine Rolle. Jakobs Söhne zogen nach Ägypten, um das lebensnotwendige Getreide zu kaufen und es in Säcken nach Hause zu transportieren.

Der Sack heißt übrigens auch im Hebräischen „saq“, und das griechische „sákkos“ hat nur eine griechische Endung drangehängt.

Der „saq“ in der Bibel meint aber auch das Material, aus dem der Sack hergestellt wird, das „Sacktuch“. Und das grobe, meist aus Ziegen- oder Kamelhaaren hergestellte Sacktuch hatte auch eine spezielle Bedeutung. In extremen Situationen der Trauer und der Not wurde es zum Zeichen der Ernsthaftigkeit als Gewand auf der Haut getragen.

Das Tragen des Sacktuchs gehörte so auch in den Zusammenhang des Fastens. Öfters streuten sich die Leute dabei auch Erde auf den Kopf und/oder setzten sich in Asche oder Staub. Am besten sieht man sich einmal mit der Konkordanz die ganzen Bibelstellen an, wo der Sack oder das Sacktuch vorkommen. Es sind sehr interessante Geschichten dabei zu entdecken.

Das Tragen des Sacktuchs drückt Trauer, Verzweiflung, Demütigung vor Gott und die dringende Bitte um Hilfe oder Gnade aus. Gott gegenüber gehört aber auch die Bereitschaft zur Umkehr und Sinnesänderung dazu. Damit sind wir dann auch bei einem Grundelement der neutestamentlichen Botschaft – Mt 3,2 / Mk 1,15: „Seid bereit euch zu ändern! Denn das Königreich der Himmel ist nahegekommen.“

Sowohl Johannes der Täufer als auch Jesus selbst haben das als Voraussetzung zum Eintritt in das Reich Gottes verkündet. Dazu gehört das Eingestehen der Sünden, die Beugung vor Gott, das Eintauchen ins Wasser zur Reinigung von den Sünden und die Bereitschaft zur Beendigung des sündigen Lebens mit einer völligen und bedingungslosen Übergabe an Gott.

Das Entscheidende dabei geht im Inneren des Menschen vor. Und dabei wird kein äußerliches Anlegen eines Sacktuchs verlangt. Aber das Gewand aus Kamelhaaren, das Johannes der Täufer trug, zeigt in diese Richtung. Glanz, Pomp und Bequemlichkeit der menschlichen Äußerlichkeiten sind ausgeblendet, wenn es um die Begegnung mit dem lebendigen Gott geht.

In diesem Zusammenhang hat auch Jesus an einer Stelle den Sack erwähnt. Beim Rückblick auf seine Tätigkeit in Galiläa heißt es – Mt 10,20-22 / Lk 10,13-4: „Dann fing er an, die Städte zu schelten, in denen die meisten seiner Kraftwirkungen geschehen waren, denn sie waren nicht bereit, sich zu ändern: ‚Wehe dir, Chorazin, weh dir, Betsaida! Denn wenn in Tyros und Sidon die Kraftwirkungen geschehen wären, die bei euch geschehen sind, hätten sie sich längst in Sack und Asche sitzend geändert. Jedenfalls sage ich euch: Für Tyros und Sidon wird es am Tag des Gerichts erträglicher sein als für euch.'“

Bei der Erwähnung dieser zwei heidnischen Städte dachte Jesus vielleicht auch an das Vorbild der heidnische Stadt Ninive. Zu ihr hatte Gott den Propheten Jona gesandt. Er hatte zu verkünden, Gott würde die Stadt Ninive in vierzig Tagen zerstören. Und die Leute in Ninive glaubten ihm, riefen ein Fasten aus und kleideten sich in Sacktuch. Auch der König kleidete sich in Sacktuch und setzte sich in den Staub. Und er ließ verkünden, alle sollten zu Gott rufen und jeder solle umkehren und sich von jeglichem Bösen abwenden, damit Gott vielleicht noch einmal Gnade walten lasse und das Gericht abwende. Nachzulesen im Buch Jona.

Und nun verstehen wir auch, warum in Offb 11 die zwei Zeugen in der Endzeit in Sacktuch gekleidet sind. Zum einen ist es ihre geistliche Existenz, dass sie in der andauernden und emsthaften Umkehr und Hinkehr zu Gott leben. Zum anderen ist es natürlich auch der Inhalt ihrer Botschaft: In ihr ist sicherlich deutlich der Ruf Gottes zu vernehmen: „Seid bereit euch zu ändern! Denn das Königreich der Himmel ist nahegekommen.“

Dass die zwei Zeugen, die hier im Bild für die Gemeinde von Jesus stehen, mit dieser Botschaft die Bewohner der Erde quälen, dürfte verständlich sein.

Und dass in dieser Gemeinde alles echt und ernsthaft auf Gott ausgerichtet ist, ohne fromme Leichtfertigkeit und Überheblichkeit, ist auch klar.

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