Ein Bibelübersetzer entdeckt ...

Schlagwort: Datierung

Die Offenbarung

Die Offenbarung an Johannes ist im Neuen Testament das Buch, über das große Verwirrung besteht. Viele unterschiedliche Auslegungen aus unterschiedlichen Richtungen haben die Situation nicht einfacher, sondern immer komplizierter gemacht. Die vielen bildhaften Visionen und teilweise rätselhaften Aussagen haben offensichtlich auch die Phantasie angeregt. Und so wurde aus dem Buch vieles heraus- bzw. in es hineingelesen, was gar nicht drin steht.

Um die Offenbarung zu verstehen, muss man also viel Ballast abwerfen von allem, was man schon darüber gehört und gelesen hat, und den Versuch machen, zu einem einfachen Verständnis des Bibeltextes zu kommen.

Wenn man nach dem Text selbst geht, hat hier der echte Jesus dem echten Johannes diese echte Offenbarung geschenkt, um sie aufzuschreiben. Und in diesem Buch sind sieben echte Briefe an sieben echte Gemeinden enthalten. Wir sollten auch davon ausgehen, dass schon Johannes selbst alles verstanden hat, was Jesus ihm offenbart hat. Und auch die Leser des Buchs konnten verstehen, was Johannes geschrieben hat. Die Offenbarung war nach ihrer Veröffentlichung schnell weit verbreitet. Im 2. Jahrhundert gehörte sie zu den viel gelesenen und geschätzten Büchern des Neuen Testaments. In den weiteren Verfolgungen im römischen Reich war sie das „Trostbuch“ der Gemeinde. Niemand hat sie damals in Zweifel gezogen.

Es ist dann genau wie bei den anderen Briefen im Neuen Testament: Sie sind von konkreten Autoren an konkrete Empfänger geschrieben. Aber durch ihre geistliche Inspiriertheit und Wirkung wurden sie als Reden Gottes an die ganze Gemeinde erkannt und in den Kanon des Wortes Gottes aufgenommen.

Wir müssen also versuchen, die Offenbarung mit den Augen der ersten Leser zu lesen. Wir müssen versuchen zu verstehen, was sie verstehen konnten. Dann können wir daraus die richtigen Lehren auch für uns und unsere Zeit ziehen – und das Reden Gottes vernehmen.

Zum Verstehen der Offenbarung als biblische Schrift werden uns auch parallele Aussagen in den anderen Schriften helfen. Genauso wird der gesamte Zusammenhang des Neuen Testaments einiges dazu beitragen.

Dass die Verbannung von Johannes auf die Insel Patmos zur Zeit der ersten Verfolgung unter dem Kaiser Nero im Jahr 65 n. Chr. stattfand, lässt sich aus der Zahl des Tieres in Kapitel 13 schließen. Um das Jahr 68 dürfte er dort die Offenbarung empfangen und aufgeschrieben haben.

Eine alte Überlieferung, die Tertullian berichtet, gibt Auskunft über das Schicksal von Petrus, Paulus und Johannes während dieser Verfolgung. Petrus wurde hingerichtet am Kreuz, Paulus als römischer Staatsbürger wurde (humanerweise schnell) geköpft, Johannes wurde in heißes Öl gesteckt. Zum Schrecken der Verfolger geschah aber das Wunder, dass Johannes das tödliche Ölbad unbeschadet überstand. Um den unheimlichen Wundermann loszuwerden, schickte man ihn dann in die Verbannung.

Dass der Johannes, der die Offenbarung aufgeschrieben hat, tatsächlich der Sohn von Zebedäus und der Jünger von Jesus ist, daran bestand in der frühen Zeit kein Zweifel. Spätere Datierungen sind demnach auch unwahrscheinlich, weil Johannes irgendwann zu alt gewesen wäre. Die Offenbarung sieht nicht aus wie das Werk eines Greises. Machen wir uns also auf, die Offenbarung zu verstehen, wie Johannes und die ersten Christen sie verstanden haben …

Die Apostelgeschichte

Die Apostelgeschichte ist die Fortsetzung des Lukasevangeliums, sozusagen der zweite Band. Das darin Berichtete folgt dem Grundmuster „von Jerusalem nach Rom“. Sie hat zwei Schwerpunktthemen: Zum einen ist da die Geschichte der Urgemeinde in Jerusalem mit ihrer Ausbreitung bis nach Antiochia und dem Übergang zu den Nichtjuden. Zum anderen berichtet sie die Geschichte des Gesandten (Apostels) Paulus und seines Dienstes mit seinem Weg bis nach Rom.

So haben wir exemplarisch wenigstens die Geschichte eines der Gesandten von Jesus überliefert. Die anderen Gesandten haben sicherlich ähnlich interessante Geschichten, Thomas zum Beispiel ging bis nach Indien. Aber die Informationen aus frühen christlichen Schriften darüber sind eher spärlich. Es wäre eine interessante Aufgabe, das einmal zusammenzustellen.

Die Apostelgeschichte lässt sich mit den Angaben von Lukas auch gut datieren. Sie beginnt im Jahr 30 n. Chr. mit der Himmelfahrt des am Kreuz hingerichteten und auferstandenen Herrn. Am darauffolgenden Pfingstfest geschah die Gründung der christlichen Gemeinde mit der Ausgießung des Heiligen Geistes. Besonders mit Hilfe der von Lukas genannten Regenten, König Agrippa in Jerusalem, Gallio in Korinth, Felix und Festus in Cäsarea bzw. Judäa, kann man auch die weitere Apostelgeschichte gut datieren. Sie endet mit dem zweijährigen Hausarrest von Paulus in Rom von 60 bis 62 n. Chr.. Sie umfasst also einen Zeitraum von ca. 30 Jahren.

Die Apostelgeschichte gibt uns auch die einzige ausführliche Erzählung einer spannenden Abenteuergeschichte im Neuen Testament. Bei der Reise von Paulus als Gefangener von der Verhaftung in Jerusalem bis nach Rom, mit einem schweren Sturm auf See und einem Schiffbruch bei der Anlandung am Strand der Insel Melite, war Lukas selbst dabei und konnte uns so einen authentischen Augenzeugenbericht liefern.

Sehr erhellend war für mich dazu das Buch von Heinz Warneke: „Die tatsächliche Romfahrt des Apostels Paulus“. Warneke, der sich mit Seefahrt und Meteorologie auskennt, zeigt darin, wie die von Lukas geschilderte Fahrt tatsächlich abgelaufen sein muss, wo die genannten Orte an den griechischen Küsten tatsächlich zu finden sind, und vor allem, dass die von Lukas genannte Insel „Melite“als Ort der Anlandung nicht die Insel Malta sein kann. Der Ort muss nach der Fahrtbeschreibung von Lukas in der Adria zu finden sein. Und der einzige Ort, der dort einen zum Bericht passenden flach ansteigenden Meeresgrund hat, ist die Halbinsel von Argostoli an der großen westgriechischen Insel Kephallenia, die damals auch Melite genannt wurde.

Malta ist weit weg von der Adria und hat keinen zur Beschreibung passenden Strand. Die lokalen Traditionen von der Landung des Paulus dort sind also nicht ursprünglich. Aber natürlich lässt sich auf Malta mit der Tradition von Paulus, der in Wirklichkeit gar nie dort war, mit entsprechenden Pilgern ganz gut Geld verdienen.

Die Datierung der Ereignisse

Die Datierung der Ereignisse im Neuen Testament ist eine anspruchsvolle und vielschichtige Aufgabe. Der Bibelleser hat es demgegenüber eher einfach: Er schlägt hinten in seiner Bibel die Zeittafel auf, und dann steht dort, wann sich was ereignet hat. Dass hinter dieser Zeittafel eine Menge historischer Forschung und Arbeit steckt, ist manchem dabei wohl nicht so bewusst. Man denkt auch nicht, dass manche Daten der Zeittafel durchaus nicht so eindeutig sind, wie sie da stehen.

Die Datierung der Ereignisse hat zunächst die Schwierigkeit, dass die Zeitrechnung „vor“ oder „nach“ „Christi Geburt“ in der Antike noch nicht existierte. Erst historisch forschende Mönche (die damaligen Wissenschaftler) im 9. Jahrhundert haben sie erfunden und errechnet, sogar mit erstaunlicher Genauigkeit. Bis dahin hatte man die verschiedensten parallel laufenden Zeitrechnungen, meistens nach den Regierungszeiten der Herrscher oder der Päpste. In Japan z. B. beginnt nach einer Kaiserkrönung auch heute noch wieder ein Jahr 1. Es ist ein Puzzlespiel, mit allen verfügbaren Chroniken diese Regierungszeiten einander zuzuordnen und einen gemeinsamen Zeitablauf darzustellen. Die Mönche haben damals diese Aufgabe mit Bravour bewältigt und dann mit der Geburt des Erlösers einen sinnvollen Fixpunkt gewählt, von dem aus man vor- oder zurückrechnen konnte.

Das Neue Testament fällt also in eine Zeit, in der man diesen Fixpunkt noch nicht hatte. Die Datierung der Ereignisse war damals noch auf andere aktuelle Zeitrechnungen angewiesen. Unter den Autoren des Neuen Testaments ist es hier wieder Lukas, der präzise Angaben macht. Als forschender Geist liefert er uns an entscheidender Stelle eine für damalige Verhältnisse sehr präzise Datierung, in Lk 3,1-2: „Im Jahr 15 der Regierung des Kaisers Tiberius, als Pontius Pilatus römischer Regent von Judäa war, Herodes Fürst von Galiläa, Philippus, sein Bruder, Fürst von Ituräa und dem Land Trachonitis, und Lysanias Fürst von Abilene, unter den Obersten Priestern Hannas und Kajafas, kam das Wort Gottes zu Johannes, dem Sohn von Zacharias, in der Wüste.“

Lukas kombiniert hier sechs Regierungszeiten, um eine präzise Angabe für das erste Auftreten Johannes des Täufers anzugeben. Damit war dann auch das Auftreten von Jesus verknüpft. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Johannes am Jordan anfing, wo man sich nicht in der drückenden Hitze des Sommers, sondern in der angenehmen Wärme des Winters aufhielt, kommt man mit dem Puzzle der Regierungszeiten, das Lukas uns bietet, besonders mit dem Jahr 15 des Kaisers Tiberius, auf den Winter vom Jahr 27 auf 28 n. Chr..

Das Ende der irdischen Wirkungszeit Jesu müsste dann ein paar Jahre danach zu finden sein. Hier wird gerne eine andere Methode der Zeitbestimmung mit verwendet, nämlich die astronomische Rückrechnung. Die astronomische Wissenschaft kann erstaunlich präzise zurückrechnen, wann genau in welchem Jahr Vollmond und Neumond war, oder gar eine totale oder teilweise Sonnen- oder Mondfinsternis.

Beim Tod von Jesus ist der entscheidende Zeitpunkt das Pesach-Fest. Dieses richtet sich nach dem jüdischen (pharisäischen) Jahreskalender, der sich an den Mondperioden orientiert. Danach ist der wahrscheinlichste Zeitpunkt das Jahr 30, und zwar am 7. April nach unserem Kalender. Das ist der 14. Tag des jüdischen Monats Nisan. Mit dem Auftreten von Johannes im Winter 27/28 und den vom Johannesevangelium berichteten zwei Jahren der Wirkungszeit von Jesus passt das wunderbar zusammen.

Von Tod und Auferstehung im Jahr 30 an waren es 40 Jahre, bis im Jahr 70 der Tempel zerstört wurde. Das war das Ende des alttestamentlichen Opferkults. 40 Jahre nach dem Opfertod von Jesus am Kreuz werden die Tieropfer abgeschafft. Ich finde diesen Zeitraum von 40 Jahren auch aus geistlichen Gründen bedeutsam. Die 40-er Zahl als 40 Jahre oder 40 Tage hat in der Geschichte Gottes immer wieder eine auffallende Rolle gespielt.

Allerdings gedenken die Kirchen weder am 14. Nisan noch am 7. April feierlich des Todes von Jesus. Karfreitag und Ostern liegen immer auf dem ersten Wochenende nach dem ersten Frühlingsvollmond. Das hat nach langem und teilweise erbittertem Streit in der frühen Kirche das Konzil von Nicäa im Jahr 325 n. Chr. festgelegt.

Eine Evangelienharmonie

Im Zuge meiner Übersetzungsarbeit habe ich auch eine chronologisch geordnete und datierte Version des Neuen Testaments erstellt. Dazu habe ich insbesondere die vier Evangelien zu einem einzigen Bericht zusammengestellt. Eine solche Zusammenfassung der vier Evangelien nennt man in der christlichen Tradition eine „Evangelienharmonie“. Eine solche ist auch schon aus den ersten christlichen Jahrhunderten bekannt. In syrischer (aramäischer) Sprache war sie in den syrischen Gemeinden sehr weit verbreitet. Sie hatte dort eine Zeit lang die vier Evangelien fast verdrängt.

Die ersten drei Evangelien (Matthäus, Markus, Lukas) sind in Aufbau und Inhalt einander auffallend ähnlich. Viele Berichte haben sie auch parallel, oft mit unterschiedlichen Details und manchmal unterschiedlicher Reihenfolge. Johannes, das vierte Evangelium, ist dagegen ganz anders, im Aufbau und im Inhalt. Nur wenige wesentliche Teile sind parallel zu den anderen drei. Nun wollte ich zum einen alle Details aus allen vier Evangelien einmal zusammenhaben. Und zum anderen wollte ich einen zeitlichen Ablauf für die ganze Geschichte von Jesus finden. Das war nicht so einfach. Es gehörten drei Stränge dazu, die ich für meine Evangelienharmonie – im Bild gesprochen – wie einen Zopf zusammenflechten musste:

1) Als erstes stellte ich den Handlungsablauf der drei ersten Evangelien zusammen. Dabei habe ich Matthäus als einem Augenzeugen den Vorrang eingeräumt und die Reihenfolge von Matthäus nur da geändert, wo Markus und Lukas als zwei Zeugen gemeinsam davon abweichen. Damit erhält man einen Handlungsstrang, der nach dem Grundmuster „von Galiläa nach Jerusalem“ einen sinnvollen Ablauf bietet. Dieser hat allerdings wenig konkrete zeitliche Angaben. Nur Lukas gibt eine Zeit für das Auftreten Johannes des Täufers an, und am Schluss steht das Pesach-Fest, an dem Jesus hingerichtet wurde am Kreuz.

2) Dann habe ich als Nächstes das Johannesevangelium damit kombiniert. Dieses enthält mehrere Zeitangaben, indem Jesus immer wieder Feste in Jerusalem besucht, die jahreszeitlich zu bestimmen sind. Das zeitliche Grundmuster im Johannesevangelium besteht in drei Pesach-Festen. Am Anfang seiner Wirksamkeit war Jesus dort und hat sich mit einer Tempelreinigung den Jerusalemern vorgestellt. Dann war er ein Jahr später zu Pesach nicht in Jerusalem, sondern blieb in Galiläa, wo als äußerlicher Höhepunkt seiner Tätigkeit die Speisung der 5000 stattfand. Und noch ein Jahr später wurde er an Pesach in Jerusalem am Kreuz hingerichtet. Hier tauchte für mich die Überraschung auf, dass Jesus , wie immer gedacht, drei Jahre lang in Israel unterwegs war, sondern nur etwas mehr als zwei.

3) Dazu habe ich für die Evangelienharmonie dann weitere zeitliche Angaben verarbeitet. Zum einen gibt es jahreszeitliche Erwähnungen in den Berichten selbst, z.B. wenn die Felder weiß sind zur Ernte oder wann es auf dem See Genezaret Stürme gibt. Zum anderen gibt es Informationen aus der historischen Forschung, wobei der Tod und die Auferstehung von Jesus im Frühjahr des Jahres 30 n. Chr. der Fixpunkt ist. Das beste Buch dazu, das mir sehr viel Inspiration und Information gegeben hat, ist von Bargil Pixner: „Wege des Messias und Stätten der Urkirche“, herausgegeben von Rainer Riesner (Brunnen-Verlag).