Das Neue Testament verstehen

Ein Bibelübersetzer entdeckt ...

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Was kommt aus dem Mund?

Was kommt aus dem Mund? Diese Frage ist in Offb 1 schon aufgetaucht, ich habe im Beitrag „Prophetische Symbolsprache“ darüber geschrieben. Das Schwert, das aus dem Mund von Jesus kommt, ist ein Symbol für das Wort Gottes. In Wirklichkeit kommt also kein Schwert, sondern das Wort Gottes aus seinem Mund.

Das gleiche Bild erscheint noch einmal in der Offenbarung. Hier wird in Kapitel 19 ab Vers 11 die Ankunft des Herrn geschildert. Er kommt als Reiter auf einem weißen Pferd, gefolgt von seinen Truppen. Und in Vers 15 heißt es: „Aus seinem Mund kommt ein scharfes Schwert, um damit die Völker zu schlagen.“ Hier ist sicherlich nicht mehr allgemein das Wort Gottes gemeint, sondern das spezielle Wort des Richters, der das Urteil vollzieht. In Vers 21 heißt es dann: „Und alle anderen wurden getötet mit dem Schwert des Reiters auf dem Pferd, das aus seinem Mund kam.“

Zuvor wurden das Tier (die antichristliche Macht) und der falsche Prophet (der antichristliche Geist) „gefasst“, also verhaftet. Und man warf sie lebendig in den Feuersee – die Hölle. Auch dazu gibt es eine Parallele mit etwas, das aus dem Mund kommt. In 2 Thess 2 schreibt Paulus über das Kommen und Wirken des Antichristen. Und in Vers 8 sagt er dort: „Ihn wird Jesus, der Herr, mit dem Hauch seines Mundes beseitigen, zunichtemachen bei seiner sichtbaren Ankunft.“

Mit einem Hauch aus seinem Mund wird der Herr ihn beseitigen und zunichtemachen. Das ist derselbe Vorgang, den die Offenbarung mit „gefasst“ und „in den Feuersee geworfen“ beschreibt. Auch hier haben wir wieder ein Beispiel für „prophetische Unschärfe„: Zwei ganz verschiedene Bilder beschreiben denselben Vorgang, und doch ist völlig klar, was gemeint ist.

Wenn nun das Schwert, das aus dem Mund von Jesus kommt, ein prophetisches Bild für etwas anderes ist, zum einen für das Wort Gottes, zum anderen für das Gericht, dann kann man auch eine Parallele zu einem anderen Bild ziehen, in dem etwas „aus dem Mund“ kommt.

In Offb 11,5 steht über die zwei Zeugen: „Wenn ihnen jemand schaden will, kommt Feuer aus ihrem Mund und frisst ihre Feinde. Sollte ihnen jemand schaden wollen, muss er so getötet werden.“

Wir haben gesehen, dass das Schwert, das aus dem Mund von Jesus kommt, das Wort Gottes ist. Warum sollte dann das Feuer aus dem Mund der Zeugen nicht auch das Wort Gottes sein? Es ist ja schließlich ihr Auftrag, das Wort Gottes zu bezeugen. Und das Bild vom Feuer gebraucht der Herr schon im Alten Testament – Jer 23,29: „Ist mein Wort nicht so wie ein Feuer, sagt der Herr, und wie ein Hammer, der einen Felsen zerschlägt?“

Das Wort Gottes im Mund der Zeugen, das sich auswirkt wie ein brennendes Feuer, passt zur Schilderung in Offb 11 . Kein Wunder, dass man ihnen schaden will, gegen sie Krieg führt, sie besiegt und tötet und sich dann darüber freut.

Doch wie frisst das Feuer aus dem Mund der Zeugen ihre Feinde? Das Feuer, das am Ende die Feinde frisst, ist nach der sonstigen Aussage im Neuen Testament das Feuer der Hölle. Doch wie hängt dieses Feuer, das am Ende die Feinde frisst, zusammen mit dem Feuer des Wortes Gottes, das aus dem Mund der Zeugen kommt?

Hier kann uns ein Wort von Jesus auf die richtige Spur bringen – Joh 12,47-48: „Wenn jemand auf meine Worte hört und sie nicht einhält – ich richte ihn nicht. Denn ich bin nicht gekommen, um die Welt zu richten, sondern um die Welt zu retten. Wer mich verwirft und meine Worte nicht annimmt, hat seinen Richter: Das Wort, das ich gesagt habe, das wird ihn richten am letzten Tag.“

Das Wort, das sie gehört, aber nicht angenommen haben, das wird sie am Ende richten. Nun wissen wir also, was für ein Feuer aus dem Mund der Zeugen kommt. Und wir wissen, wie es zusammenhängt mit dem Feuer, das die Feinde fressen wird. Auch haben wir so den scheinbaren Widerspruch aufgelöst, dass niemand den Zeugen schaden kann, obwohl man sie doch bekämpft und tötet.

Und bei genauem Hinsehen bemerkt man, dass ja auch gar nicht dasteht, dass ihnen niemand schaden kann. Es steht nur da, dass ihnen jemand schaden will. Und dass das Feuer, das aus dem Mund der Zeugen kam, diese Feinde verzehren wird. Das Wort, das sie hörten und ablehnten, das wird sie richten …

Das zerteilte Heiligtum

Das zerteilte Heiligtum ist die Ausgangsvision für die Botschaft von den zwei Zeugen in Kapitel 11 der Offenbarung. Dass mit diesem Heiligtum die Gemeinde gemeint ist, habe ich schon im Beitrag „Prophetische Unschärfe“ dargestellt. Johannes bekommt zuerst einmal den Auftrag zum Messen: „Steh auf und miss das Tempelhaus Gottes, den Opferalter und die, die darin anbeten!“

Wenn wir die Bedeutung des Messens verstehen wollen, finden wir im Alten Testament eine Antwort dazu. Als Israel das Land Kanaan erobert hatte, teilte man erst den Stämmen und dann jedem Einzelnen sein Erbteil zu. Dabei musste man messen. Das Messen hat also etwas mit zugeteiltem Besitz zu tun.

In Ps 16,5-6 freut sich ein Israelit über das ihm zugeteilte Erbteil: „Herr! (Was) meinen Anteil am Erbland und meinen Becher (betrifft): Du bist es, der mein Erbteil erhält. Messschnüre sind mir auf das schönste (Land) gefallen, ja, mein Erbbesitz ist das Beste für mich.“

Wenn Johannes nun in Offb 11 den Auftrag erhält, das Heiligtum auszumessen, dann ist das natürlich nicht eine Inbesitznahme durch ihn, sondern durch seinen Auftraggeber. Es dient zur Klärung, dass dieser Ort das Eigentum des Herrn ist, sein Wohnplatz.

Eine Parallele dazu haben wir in Offb 21, wo die verherrlichte Gemeinde – die Frau des Lammes – in Gestalt des himmlischen Jerusalem vom Himmel auf die neue Erde herabkommt. Hier misst ein Engel – Verse 15-17: „Der, der mit mir sprach, hatte ein Maß, einen goldenen Messstab, um die Stadt und ihre Tore und ihre Stadtmauer zu messen. Die Stadt liegt viereckig, ihre Länge ist so groß wie die Breite. Er maß die Stadt mit dem Messstab auf zwölf Tausend Stadien, ihre Länge, ihre Breite und ihre Höhe sind gleich. Er maß ihre Stadtmauer auf hundertvierundvierzig Ellen nach menschlichem Maß, was (auch das) eines Engels ist.“

Da es hier eindeutig die Gemeinde ist, die man ausmisst, bekräftigt das die Annahme, dass es sich auch in Offb 11 um die Gemeinde handelt.

Johannes erhält aber auch einen Auftrag, etwas nicht zu messen – Vers 2: „Den Hof außerhalb des Tempelhauses verwirf aber und miss ihn nicht, weil er den Völkern gegeben wurde, die werden die heilige Stadt treten – zweiundvierzig Monate.“

Ein Teil vermessen, ein Teil verworfen, da ist das zerteilte Heiligtum. Das klingt doch sehr nach dem Volk Israel, das zum einen Teil den von Gott gesandten Messias Jesus angenommen hat und zum anderen Teil den Messias verworfen und an die Nichtjuden ausgeliefert hat, um ihn hinzurichten am Kreuz. So entstand diese Spaltung, das zerteilte Heiligtum.

Der eine Teil erhält in der Folge eine Ergänzung durch Gläubige aus den Nichtjuden und ist als Gemeinde der neue Tempel, der Wohnplatz Gottes auf Erden. Dem anderen Teil, der mit dem Messias Gott selbst abgelehnt hat, geschieht Verwerfung. Die Tragik dieser Geschichte hat Paulus in Röm 9-11 dargestellt. Und dieser ablehnende Teil wird an die Nichtjuden ausgeliefert, an die er den Messias ausgeliefert hatte.

Das irdische Jerusalem als Zentrum des Judentums ist das passende Bild für das verworfene Israel. Von den Völkern getreten – eine treffende Beschreibung der Geschichte Israels und auch der Stadt Jerusalem seither. Man beachte, dass die Völker sie nicht „zertreten“, wie es oft übersetzt wurde, sondern „treten“. Das heißt, dass man die Stadt und das Volk eben nicht zerstört bzw. ausrottet. Sie werden „getreten“, aber bleiben bestehen, bis der Herr kommt. Das bedeuten die 42 Monate – die ganze Endzeit hindurch.

Wenn Jesus in Vers 3 daraufhin unvermittelt von „meinen zwei Zeugen“ spricht, ist es naheliegend, dass kein neues Thema beginnt. Es geht vielmehr weiterhin um das Thema von Vers 1 „Das Heiligtum Gottes – die Gemeinde“. Dass Jesus nur „spricht“, ist zu beachten. Tatsächlich kommt nach der Vision vom Tempel in Vers 1 als Nächstes keine Vision von zwei Zeugen. Ab Vers 3 hört Johannes zunächst einmal nur etwas über sie.

Prophetische Symbolsprache

Prophetische Symbolsprache taucht in der Bibel überall auf, wo von Realitäten aus der unsichtbaren Welt gesprochen wird. Denn diese übersteigen den Horizont menschlichen Verstehens und menschlicher Vorstellungskraft.

Man sieht es an der Lehre von Jesus selbst. Er hat – wie z. B in der Bergpredigt (Mt 5-7 / Lk 6) – ganz klar und verständlich gelehrt, wo es um menschliche Verhaltensweisen geht. Aber in seiner Lehre über das Reich Gottes spricht er ein ganzes Kapitel lang (Mt 13 / Mk 4 / Lk 8) nur in Vergleichen und Beispielen. „Gleichnisse“ hat man das traditionell genannt.

Ich nenne es auch prophetische Symbolsprache. Jesus hat als Prophet über Realitäten gesprochen, die den Menschen nur mit Vergleichen oder Beispielen aus der menschlichen Erfahrungswelt annähernd verständlich gemacht werden können. Da sind ein Sämann, ein Weizenfeld mit Unkraut, ein Senfkorn, ein Sauerteig, ein Schatz, eine Perle und ein Fischernetz. Und selbst diese Vergleiche sind manchen noch unverständlich geblieben.

Auch in den Schriften der Gesandten von Jesus taucht diese prophetische Symbolsprache auf. Ein Beispiel dafür ist die geistliche Waffenrüstung, die Paulus in Eph 6 beschreibt. Der Gürtel um die Hüfte, an dem die Waffen hängen, ist die Wahrheit. Der schützende Brustpanzer steht für die Gerechtigkeit. Die Schuhe, die man an den Füßen haben sollte, bedeuten die Bereitschaft zur Weitergabe der Botschaft. Der Glaube ist ein Schild, die Rettung ein Helm und das Wort Gottes ein Schwert.

Ein konkretes Bild kann offensichtlich besser zum Ausdruck bringen, was gemeint ist, als eine theoretische bzw. theologische Abhandlung. Vor allem auch für einfache Menschen, die Gott ja besonders am Herzen liegen.

Das Bild vom Schwert für das Wort Gottes verwendet dann auch der Autor des Hebräerbriefs – Kap. 4,12: „Lebendig ist ja das Wort Gottes, wirksam, schärfer als jedes zweischneidige Schwert, durchdringend bis zur Zerteilung von Seele und Geist, von Gelenken und Markknochen, und ein Beurteiler von Gedanken und Gesinnungen des Herzens.“

Bei Paulus im Epheserbrief ist das Wort Gottes als Waffe zu verstehen, wie etwa bei Jesus, der mit dem Wort Gottes den Satan abgewiesen hat (Mt 4 / Lk 4). Im Hebräerbrief erscheint es eher wie das Instrument eines Schlachters oder gar Operateurs. Dabei spielt die Schärfe sicherlich in beiden Bildern die gleiche Rolle.

Und das Bild mit dem Schwert erscheint dann auch an einer eigenartigen Stelle in der Offenbarung. Gleich am Anfang in Kap. 1,12-16 hat Johannes die einleitende Vision von Jesus:

„Und als ich mich umgewandt hatte, sah ich sieben goldene Leuchter und in der Mitte der Leuchter einen wie ein Menschensohn, mit einem langen Gewand bekleidet und an der Brust mit einem goldenen Gürtel umgürtet. Sein Kopf und die Haare waren weiß leuchtend, wie weiße Wolle, wie Schnee, seine Augen wie feurige Glut, seine Füße wie glühendes Metall, wie im Ofen glühend, und seine Stimme wie das Rauschen vieler Wasser. In seiner rechten Hand hatte er sieben Sterne. Aus seinem Mund kam ein scharfes zweischneidiges Schwert. Und sein Gesicht war wie die Sonne, wenn sie leuchtet mit ihrer Kraft.“

Man könnte hier denken, dass Johannes Jesus sieht, wie er in seiner Herrlichkeit wirklich ist. Die Herrlichkeit in Form von „weiß“, „feurig“, „glühend“ und „leuchtend“ ist ja nicht zu übersehen. Und doch erscheinen symbolhafte Elemente, die so bei Jesus in seiner Herrlichleit real nicht vorstellbar sind. Die Leuchter um ihn herum und die sieben Sterne in seiner Hand sind ja real weder Sterne noch Leuchter, sondern sieben Gemeinden.

Und dann ist da auch das scharfe zweischneidige Schwert, das aus seinem Mund kommt. Das mag man sich bildlich und praktisch eigentlich gar nicht vorstellen. Aber von der Symbolik her ist es klar: Aus seinem Mund ergeht das Wort Gottes. So stellt sich Jesus vor: Was er jetzt an Johannes zu offenbaren hat, ist das Wort Gottes, das wirkt wie ein scharfes zweischneidiges Schwert.

Und wenn schon das Anfangskapitel der Offenbarung voller prophetischer Symbole steckt, werden wir uns nicht wundern, wenn sie uns dann durch das ganze Buch hindurch auf Schritt und Tritt begegnen. Und wir haben auch schon gesehen, dass es in den anderen Schriften der Bibel Parallelen dazu gibt. Auch diese werden uns beim Einordnen und Verstehen der Symbole hilfreich sein.

Prophetische Unschärfe

Prophetische Unschärfe nenne ich das Phänomen, dass zwei Propheten dieselbe göttliche Realität schauen, sie aber in Einzelheiten unterschiedlich beschreiben. Dabei liegt das Problem sicherlich nicht in der göttlichen Realität selbst, hier herrschen immer Eindeutigkeit und Wahrheit. Es kann nur an der Schnittstelle liegen, wo die göttliche Realität eintaucht in die irdische Dimension, um für Menschen sichtbar zu werden.

Hier begegnet die Vollkommenheit der Unvollkommenheit, hier muss Göttliches in menschliche Vorstellungskraft und menschliche Sprache übersetzt werden. Ich denke, dass uns hierbei auch die Erklärung von Paulus hilft, dass wir aus Bruchstücken erkennen und aus Bruchstücken prophetisch sprechen. Ich nenne zwei Beispiele:

Da sind zum einen die Cherubim, Als Thronengel Gottes werden sie an mehreren Stellen in der Bibel genannt. Die Frage, warum der Schöpfer des Universums sie überhaupt braucht, bleibt – wie vieles in der göttlichen Dimension – unbeantwortet. Näher beschrieben werden sie nur an zwei Stellen. Zum einen hat Hesekiel sie gesehen, zum anderen Johannes.

Hesekiel hat sie beschrieben (Hes 2,4-12) als Gestalten mit vier Gesichtern und vier Flügeln. Die vier Gesichter an ihren Köpfen sind vorne das Gesicht eines Menschen, rechts das eines Löwen, links das eines Stieres und hinten das eines Adlers.

Johannes hat sie beschrieben (Offb 4,6-8) als Wesen mit je einem Gesicht, sechs Flügeln und außen und innen voller Augen. Und die vier Gesichter der vier Wesen waren jeweils das eines Löwen, eines Stiers, eines Menschen und eines Adlers.

Gemeinsam sind aber die vier Parallelen zur geschaffenen Welt: Mensch, Löwe, Stier und Adler. Dass hier der Mensch als Beherrscher der Schöpfung, der Adler als Herrscher im Luftraum, der Löwe als König der wilden Tiere und der Stier als das mächtigste der Nutztiere eine Fülle von Kraft und Herrschaft symbolisieren, dürfte deutlich sein.

Aber wie gesagt, wir sehen hier eine Realität in zwei Versionen, eine prophetische Unschärfe. Und wir müssen das so stehen lassen und uns anbetend auf die dahinter verborgene Realität Gottes einlassen.

Etwas Ähnliches finden wir zum anderen bei den Ölbäumen und Leuchtern, die vor Gott stehen. Sacharia sieht sie in einer Vision (Sach 4,1-5) und bekommt eine Antwort zu ihrer Bedeutung (Sach 4,11-14). Sacharia sieht einen goldenen Leuchter und links und rechts davon zwei Olivenbäume (Ölbäume). Und als Antwort zu deren Bedeutung erfährt er, dass das die zwei Gesalbten sind, die vor dem Herrscher aller Lande stehen.

Johannes erhält in seiner Offenbarung über die zwei Zeugen (Offb 11,1-13) in Vers 4 die Erklärung: „Das sind die zwei Olivenbäume und die zwei Leuchter, die vor dem Herrn der Erde stehen.“ Bei Sacharia ist es ein Leuchter, bei Johannes sind es zwei. Aber es ist dieselbe Realität, es gibt in der Bibel keine andere Parallelstelle dazu.

Diese Realität vor Gott bestand offensichtlich schon zu Sacharias Zeiten und wird bei Johannes wieder als gegenwärtig beschrieben. Das bestärkt natürlich die Auffassung, dass es sich dabei nicht um menschliche Individuen handelt, auch wenn in Sach 4 der Statthalter und Davidsnachkomme Serubbabel eine große Zusage von Gott bekommt.

Das verbindende Thema zwischen den zwei Stellen in Sachaja und der Offenbarung ist – leider oft etwas unbeachtet – der Tempel Gottes. In Sach 4 geht es um den Wiederaufbau des Tempels in Jerusalem nach der babylonischen Gefangenschaft. Er soll durch das Wirken des Heiligen Geistes gelingen, und Serubbabel soll die Fertigstellung des Tempels durchführen und auch noch erleben.

In Offb 11 geht es nach Vers 1 um den Tempel Gottes in neutestamentlicher Zeit und die wahren Anbeter darin. Der Tempel Gottes, der jetzt gebaut wird, ist die Gemeinde.

Das Gemeinsame am Tempel zu Sacharias Zeiten und am Tempel zu Johannes‘ Zeiten ist, dass der Tempel der Wohnplatz Gottes auf Erden ist. Hier besteht die Verbindung zu Gottes Thron. Wer hier auf der Erde vor Gott steht, steht auch im Himmel vor Gott. Insofern stehen die zwei Gesalbten – die zwei Olivenbäume und die zwei Leuchter – gleichzeitig vor Gottes Thron und auf der Erde. Und wir kommen der Antwort näher auf die Frage, wer damit gemeint ist.

Die zwei genannten Beispiele machen deutlich, welche Art von Unstimmigkeiten ich als prophetische Unschärfe bezeichne. Wir sollten daraus lernen, dass wir nicht alle Einzelheiten aus prophetischen Bildern oder Botschaften bis ins Letzte ausdeuten sollten. Zum einen ist es erst einmal wichtig, die zentrale Aussage des Bildes oder der Botschaft wahrzunehmen. Zum anderen helfen dann Parallelstellen und der inhaltliche Zusammenhang in der Bibel, um die Prophetie einzuordnen und möglichst vieles richtig zu verstehen.

Vater und Mutter hassen

Vater und Mutter hassen, das ist es, was Jesus von denen, die seine Jünger sein wollen, verlangt, zumindest wenn es nach der Lutherübersetzung geht. Lk 14,26: „Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater, Mutter, Frau, Kinder, Brüder, Schwestern und dazu sich selbst, der kann nicht mein Jünger sein.“ Von solchen Konsequenzen der Nachfolge kann man tief beeindruckt sein, aber auch irritiert. Wie kann Jesus, der die Liebe in Person ist, von seinen Nachfolgern Hass verlangen? Müssen wir wirklich „Vater und Mutter hassen“?

Auch hier hilft wieder der Blick ins Wörterbuch. Und dort entdecken wir, dass das griechische „miseín“, das gewöhnlich mit „hassen“ übersetzt wird, eine weit größere Bandbreite an Bedeutungen hat als das deutsche „hassen“. Es kann auch „unwillig sein“ heißen, „vernachlässigen“, „sich nicht um etw. kümmern“, „nicht mögen“, „nicht wollen“.

Und mir fiel die Aussage eines weisen Bruders ein, der einmal sagte: „Das wirkliche Gegenteil der Liebe ist nicht der Hass, sondern die Gleichgültigkeit.“ Es gibt im Griechischen also Bedeutungen, die das Aggressive und Emotionale des deutschen „Hassens“ nicht beinhalten. Und ich habe ein paar Stellen gefunden, wo mir „gleichgültig sein“ als die passende Übersetzung erscheint:

„Kein Diener kann zwei Herren als Sklave dienen. Denn entweder wäre ihm der eine gleichgültig und er liebte den andern, oder er hielte sich an den einen und verachtete den andern. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon!“ (Mt 6,24 / Lk 16,13).

„Wer sein Leben liebt, wird es zugrunde richten. Wem sein Leben in dieser Welt aber gleichgültig ist, der wird es ins ewige Leben hinein bewahren.“ (Jo 12,25).

„Niemandem war doch jemals sein Körper gleichgültig, man gibt ihm vielmehr, was er braucht, und pflegt ihn. Und so (pflegt) auch der Messias die Gemeinde,“ (Eph 5,29).

„Auch wir waren ja einst unverständig, widerstrebend, im Irrtum, dienten verschiedensten Begierden und Lüsten als Sklaven, führten ein Leben mit Charakterlosigkeit und Neid, waren abscheulich und einander gleichgültig.“ (Tit 3,3)

Wenn wir nun nicht „Vater und Mutter hassen“, sollen uns dann Vater, Mutter, Frau, Kinder, Brüder und Schwestern vielleicht „gleichgültig“ sein? Am besten, wir lassen uns von Jesus belehren, der in allen Dingen das Vorbild ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ihm seine Familie gleichgültig war. Eine Parallelstelle hilft uns vielleicht ein bisschen weiter – Mt 10,37: „Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert, wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert.“ Es geht um ein relatives Verhältnis, nämlich Jesus mehr zu lieben als die nächsten Angehörigen.

Schauen wir einfach, wie Jesus mit seiner irdischen Familie umgegangen ist. Als er seinen Dienst antrat, verließ er sie, trennte sich buchstäblich von ihnen. Allein mit seinen Jüngern war er unterwegs. Und als sie ihn zwischendurch einmal holen wollten, weil sie glaubten, er sei jetzt völlig daneben, da ignorierte er sie komplett und sagte, seine Jünger seien seine Familie. Lk 8,21: „Meine Mutter und meine Geschwister sind die, die das Wort Gottes hören und tun.“

Ich kann mir nicht vorstellen, dass er sie „gehasst“ hat oder sie ihm „gleichgültig“ waren. Aber er musste sich von ihnen trennen, um das Werk zu tun, zu dem er von Gott gesandt war. Doch Christen müssen nach ihrer Bekehrung ja nicht gleich von zu Hause ausziehen. Daher finde ich es hilfreich, hier eine Unterscheidung zwischen „innerlicher“ und „äußerlicher“ Trennung zu machen.

Wer das Reich Gottes betreten hat, hat sich innerlich von der Welt und also auch von der weltlichen Familie gelöst. Auch hier gilt, dass niemand zwei Herren dienen kann. Jesus hat immer den Vorrang. Der Nachfolger folgt ihm, wo immer er hinführt. Welche Konsequenzen das im Laufe des Christenlebens haben wird, ist am Anfang noch nicht absehbar. Nach der innerlichen Trennung kann je nach den Umständen und der Führung Gottes auch eine äußerliche Trennung erforderlich sein. Die innerliche Trennung beinhaltet die Bereitschaft zur äußerlichen Trennung. Die Familie darf der Nachfolge nicht im Wege stehen!

Ich meine also, mit gutem Grund annehmen zu dürfen, dass Jesus mit seiner Aussage genau diese innerliche Trennung als Voraussetzung und Bedingung der Nachfolge gemeint hat. Und ich übersetze die Stelle so: „Wenn jemand zu mir kommt, und er trennt sich nicht innerlich von seinem Vater, der Mutter, der Frau, den Kindern, den Brüdern, den Schwestern und dazu von seinem eigenen Leben, kann er nicht mein Jünger sein.“ (Lk 14,26).

Eine interessante Paralle dazu steht in 5 Mo 33,9+10, im Segen Moses über den Stamm Levi. Aus diesem Stamm kommen ja auch die Priester, und sie sind hier gemeint. „Der (Priester) sagt zu seinem Vater und seiner Mutter ‚Ich sehe sie nicht‘ und zu seinen Brüdern ‚Ich kenne (sie) nicht‘ und zu seinen Kindern ‚Ich erkenne sie nicht an‘. Denn die (Priester) hüten deine Worte und bewahren deine Bestimmung. Sie legen Jakob deine Grundsätze dar und Israel dein Gesetz. Sie bringen Weihrauchopfer dar wegen deines Zorns und Ganzopfer auf deinem Altar.“

Wann hat Johannes geschrieben?

Wann hat Johannes geschrieben? Diese Frage kann für die Offenbarung einerseits im Zeitablauf mit einer wahrscheinlichen Jahreszahl beantwortet werden. Die Antwort heißt dann: im Jahr 68. Andererseits können wir die Frage im zeitlichen Verhältnis zum Empfangen der Prophetie beantworten. Die Antwort heißt dann: sofort.

Wenn wir der Offenbarung glauben, dann ist sie im Wesentlichen eine Mitschrift dessen, was Johannes gesehen und gehört hat. Man überliest im Interesse an den sonstigen Inhalten vielleicht gerne die Belegstellen dafür. Aber bei genauem Hinsehen ist die Sache eindeutig.

Wir haben hier die klaren Befehle zum Schreiben: 1,11 – „Schreibe, was du siehst, in eine Schriftrolle und schick sie den sieben Gemeinden: …“ 1,19 – „Schreibe nun, was du siehst: Was ist, und was danach geschehen soll.“ Und dann kommen die Einleitungen zu den Briefen an die sieben Gemeinden: 2,1 – „Dem Boten Gottes – der Gemeinde – in Ephesus schreibe: …“ Und genauso auch bei jedem anderen Brief.

Wer vielleicht noch denkt, dass Johannes die Dinge auch aus dem Gedächtnis zu einem späteren Zeitpunkt geschrieben haben könnte, wird in Kap. 10,4 eines Besseren belehrt: „Als die sieben Donner gesprochen hatten, wollte ich schreiben. Und ich hörte eine Stimme aus dem Himmel: ‚Versiegle, was die sieben Donner gesprochen haben, schreibe es nicht!’” Johannes wollte an Ort und Stelle aufschreiben, was die sieben Donner gesprochen hatten, aber er durfte nicht.

Er saß also tatsächlich mit dem Schreibzeug da und schrieb. Daraus kann man natürlich auch schließen, dass er ein geübter Schreiber gewesen sein muss. Aber man darf auch annehmen, dass ihm die Offenbarungen in einem passenden Tempo gezeigt wurden. Er musste ja in aller Ruhe mitschreiben können. Wenn man die Offenbarung lesen will, wie Johannes sie gesehen hat, muss man sie also eher langsam lesen.

Und dann gibt es an einzelnen Stellen auch spezielle Aufforderungen, ganz bestimmte, wichtige Sätze unbedingt mitzuschreiben:

Kap. 14, 13 – Und ich hörte eine Stimme aus dem Himmel: „Schreibe: Glücklich sind die Toten, die von jetzt an im Herrn sterben! Ja, der Geist sagt, dass sie ruhen werden von ihren Mühen, denn ihre Taten folgen ihnen.”

Kap. 19,9 – Und er sagte mir: „Schreibe: Glücklich sind die, die zum Hochzeitsmahl des Lammes eingeladen sind!“

Kap. 21,5 – Er sagte: „Schreibe: Diese Worte sind verlässlich und wahr.“

Natürlich hat Johannes seine Aufschriebe hinterher ins Reine geschrieben. Und mit einer Einleitung, persönlichen Zwischenbemerkungen und einem Schlusswort hat er dann ein ganzes und abgerundetes Buch daraus gemacht. So ist dieses prophetische Buch über die Endzeit und die neue Schöpfung entstanden.

Und wenn wir nun Johannes als einen geübten Schreiber kennen gelernt haben, kann man vielleicht noch einen Rückschluss wagen. Wenn er das auch in jüngeren Jahren schon war, dann hat er wohl als Jünger auch schon bei Jesus gesessen und seine Reden mitgeschrieben, die wir im Johannesevangelium so eindrücklich berichtet finden …

Die zwei Zeugen

Die zwei Zeugen Gottes treten auf in Offb 11 unter den Ereignissen, die auf das Signal des sechsten Signalhorns folgen. Vielfach wurde gerätselt, wer diese zwei Zeugen wohl seien. Angefangen von alttestamentlichen Gestalten wie Mose und Elija ging es über neutestamentliche wie Petrus und Paulus bis dahin, dass etliche fromme Brüder sich auch schon selbst für einen dieser zwei Zeugen gehalten haben.

Auf die richtige Spur kommen wir aber, wenn wir wieder auf den Zusammenhang achten. Da ist zum einen der Zeitraum. Wenn das siebte Hornsignal das Zeichen des Endes ist, dürfen wir annehmen, dass auch die sieben Hornsignale – wie zuvor die Öffnung der sieben Siegel – den Zeitraum der Endzeit umfassen, von den ersten Christen bis zur Wiederkunft des Herrn.

Und dann ist da auch noch die Zeitangabe. In der Offenbarung taucht sie öfters auf, als dreieinhalb Jahre, 42 Monate oder 1260 Tage – immer der gleiche Zeitraum. Im Propheten Daniel stehen die dreieinhalb Jahre schon für die antichristliche Zeit, und so umfassen sie auch in der Offenbarung die letzte Zeit, die schon in der ersten Christengeneration begonnen hat. Wir sollten also versuchen, die zwei Zeugen als etwas zu verstehen, das diesen Zeitraum umfasst.

Wenn wir zunächst einmal die Angabe „zwei“ weglassen, dann sehen wir unter dem Stichwort „Zeugen“ eine wohlbekannte neutestamentliche Erscheinung. Das sind die Jünger des Herrn, die beauftragt sind, seine Zeugen zu sein bis ans Ende der Erde. Wir haben dann auch hier wieder ein Bild der Gemeinde vor uns.

Mit folgenden Zügen werden sie charakterisiert: Sie sind Zeugen Gottes. Niemand kann ihnen schaden. Sie sprechen prophetisch. Sie haben Kraft und Vollmacht. Andererseits sind sie das Ziel der antichristlichen Macht, die sie bekriegt, verfolgt und tötet. Die Menschen sind froh, ihre Botschaft nicht mehr hören zu müssen. Am Ende werden sie durch den Geist Gottes auferweckt und entrückt in den Himmel. Wenn das nicht die neutestamentlichen Aussagen über die Gemeinde sind?

Nun kommt noch die Frage, warum es „zwei“ Zeugen sind. Natürlich schwingt hier die biblische Bestimmung mit, dass jede Zeugenaussage von mindestens zwei Zeugen bestätigt sein muss. Aber die zwei Zeugen haben wir ja im Neuen Testament. Die Gemeinde besteht aus zwei Teilen, den Gläubigen aus den Juden und den Gläubigen aus den Nichtjuden. Diese zwei bezeugen der Welt die Botschaft von Jesus dem Messias.

Am Anfang von Offb 8 erschien am Beginn der Hornsignale die Gemeinde schon einmal, und zwar in Gestalt ihrer Gebete, die mit den Weihrauchopfern vom goldenen Altar vor dem Thron Gottes aufsteigen. Und am Ende der Hornsignale wird sie mit dem Bild der zwei Zeugen beschrieben.

Da ist wieder die doppelte Existenz der Christen: Im Gebet vor Gott und als Zeugen in der Welt. So werden die Gemeinden ja schon am Anfang der Offenbarung dargestellt, in den Bildern der Leuchter und der Sterne. – Und als Leuchter werden ja auch die zwei Zeugen hier in Kap. 11,4 wieder beschrieben. – Und wir bemerken, dass sich mit dieser Sichtweise innerhalb der Offenbarung und im ganzen Neuen Testament alles wunderbar zusammenfügt zu der einen klaren und verständlichen Botschaft.

Die sieben Posaunen

Die sieben Posaunen, die in Offb 8 – 11 ertönen, sind keine Musikinstrumente, sondern Signalgeber. Es könnten auch „Trompeten“ aus Metall sein. Aber wir werden nicht fehlgehen, wenn wir sie in ihrer urspünglichen Form, von der auch der Name „Horn“ kommt, als Widderhörner betrachten. Das Widderhorn heißt auf Hebräisch „Schofár“ und ist im Judentum bis heute bei besonderen Anlässen im Einsatz.

Auf Griechisch heißt das Wort „sálpingx“. Es meint einerseits das Instrument an sich, andererseits aber auch den Ton, den es beim Blasen von sich gibt. Da das Horn dazu da ist, Signale zu geben, übersetze ich es mit „Signalhorn“. Und den Ton, den es erschallen lässt, nenne ich ein „Hornsignal“.

Nachdem die sieben Siegel geöffnet sind, ist am Anfang von Offb 8 die Schriftrolle dann offen. Als Nächstes erscheinen die sieben Erzengel und die sieben Posaunen bzw. Signalhörner. Die Ereignisse, welche die sieben Hornsignale in den Kapiteln 8-11 auslösen, lassen sich untergliedern in 4 + 3.

Nach den ersten vier Hornsignalen erscheint in 8,13 der Adler, der dreimal „Wehe“ ruft wegen der noch kommenden drei Signale. Und die Ereignisse dieser letzten drei Hornsignale werden im Text dann auch ausdrücklich als diese drei „Wehe“ bezeichnet.

Für das Verständnis der Signalereignisse finde ich es hilfreich, hinten beim letzten bzw. siebten Hornsignal zu beginnen. Denn hier ist mit den Stichworten „Zorn“ und „Lohn“ eindeutig das Ende beschrieben. Das Königreich der Welt gehört jetzt dem Messias, er belohnt seine Heiligen, die übrigen trifft der Zorn Gottes.

Das bekräftigt auch der gewaltige Engel in Offb 10,6: „Es wird keine Zeit mehr sein! In den Tagen, wenn der siebte Engel das Signalhorn blasen wird, wird vielmehr das Geheimnis Gottes vollendet sein.“ Auch hier ist das letzte Hornsignal das Zeichen des Endes.

Das wird umso deutlicher, wenn wir beachten, dass dieses letzte Hornsignal auch schon vorher im Neuen Testament bekannt ist. Paulus hat davon geschrieben:

„Das sagen wir euch mit einem Wort des Herrn: Wir, die Lebenden, die übrig bleiben bis zur Ankunft des Herrn, werden den Entschlafenen nicht zuvorkommen. Denn er selbst, der Herr, wird beim Befehl, bei der Stimme des obersten Engels und beim Hornsignal Gottes vom Himmel herabkommen, und die Toten im Messias werden zuerst auferstehen. Danach werden wir, die Lebenden, die übrig bleiben, zugleich mit ihnen in Wolken weggeholt werden in den Luftraum zur Begegnung mit dem Herrn“ (1 Thess 4,15-17). Paulus gibt uns sogar Auskunft darüber, woher er das hatte: Es war ein Wort des Herrn.

„Ich sage euch jetzt ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, aber alle verwandelt werden, in einem Moment, in einem Augenzwinkern, beim letzten Hornsignal. (Gott) wird nämlich das Horn blasen lassen, und die Toten (von uns) werden unvergänglich auferweckt werden, und wir (die noch leben) werden verwandelt werden“ (1 Kor 15,51-52).

Tatsächlich hatte schon Jesus davon gesprochen: „Und dann wird das Zeichen des Menschensohns im Himmel erscheinen. Und dann werden sich alle Stämme der Erde aus Trauer schlagen. Sie werden den Menschensohn kommen sehen auf den Wolken des Himmels, mit Kraft und großer Herrlichkeit. Mit einem lauten Hornsignal wird er seine Engel senden, und sie werden seine Auserwählten zusammenholen aus den vier Windrichtungen von einem Ende des Himmels bis zu seinen (anderen) Enden.“ (Mt 24,30-31).

Wir sehen also auch hier wieder eine Parallele zwischen der Endzeitrede von Jesus und der Offenbarung. Die ersten Christen wussten wohl so manches, was ihnen auch half, die Offenbarung zu verstehen. Obwohl – vielleicht würden auch wir einiges mehr wissen, wenn wir das Neue Testament aufmerksamer lesen würden.

Die sieben Posaunen bzw. die ersten sechs Hornsignale werden uns dann natürlich noch weiter beschäftigen …

Die Endzeit

Die Endzeit ist ein Thema, das viele Christen schon viel bewegt hat. Dabei schaut man leider oft in die Zukunft, ohne zu beachten, dass die Endzeit längst begonnen hat.

Am Pfingsttag erklärt Petrus das Geschehen mit Bezug auf eine Prophetie von Joel. Apg 2,17: „Es ist vielmehr das, was durch den Propheten Joel gesagt ist: ‚Es wird sein‘ in den letzten Tagen, sagt Gott, ‚da werde ich ausgießen von meinem Geist auf alle Menschen … . Die „letzten Tage“ hatten also damals begonnen. Eines ihrer Kennzeichen ist das Ausgießen des Heiligen Geistes durch Gott. Und das Ausgießen des Geistes geht ja weiter, jedesmal wenn ein Mensch neu aus Gott geboren wird, bis Jesus kommt.

Auch Paulus spricht von den „letzten Tagen“, die bereits angebrochen sind – 2 Tim 3,1-2: „Das musst du wissen, dass in den letzten Tagen schwierige Zeiten sein werden. Denn (so) werden die Menschen sein: egoistisch, geldgierig, Angeber, überheblich, Lästerer, Eltern widerstrebend, undankbar, würdelos, …“. Die einen erfüllt der Herr mit Heiligem Geist, die anderen offenbaren ihr sündiges Wesen. Auch das wird so weitergehen, bis der Herr kommt.

Und im 1. Korintherbrief sagt er mit Blick auf jene sündige Generation, die nach dem Auszug aus Ägypten in der Wüste sterben musste – 1 Kor 10,11: „Diese Dinge geschahen beispielhaft an jenen, geschrieben wurden sie aber zur Warnung für uns, zu denen das Ende der Zeiten gekommen ist.“ Das Ende der Zeiten könnte man auch mit „Ziel der Äonen“ übersetzen. Das Ziel der Geschichte Gottes ist also die jetzige Zeit, in der er sein Königreich in Gestalt der Gemeinde aufbaut. Die Entrückung bei der Ankunft des Herrn ist dann der Höhepunkt kurz vor dem Abschluss der Zeit.

Auch Petrus schreibt darüber – 1 Petr 1,20-21a – über den Messias: „Er war zwar vor Erschaffung der Welt schon bekannt, wurde aber sichtbar gemacht für die letzte der Zeiten wegen euch, die durch ihn gläubig sind an Gott.“ Mit dem ersten Erscheinen des Messias hat also die letzte der Zeiten begonnen. Bei seinem zweiten Erscheinen ist sie dann zu Ende.

Ganz deutlich sagt es Johannes – 1 Joh 2,18: „Kinder, es ist die letzte Zeit. Und wie ihr gehört habt, dass ein Antichrist kommt, so sind jetzt auch viele Antichristen entstanden. Daran erkennen wir, dass es die letzte Zeit ist.“ Die letzte Zeit, die Endzeit, ist demnach auch die antichristliche Zeit, und sie hatte damals schon angefangen.

Und auch der Hebräerbrief geht davon aus – Heb 1,1-2: „Nachdem Gott vielseitig und vielfältig schon lange zu unseren Vorfahren gesprochen hat durch die Propheten, hat er auf die letzte dieser Zeiten hin zu uns gesprochen durch den Sohn.“ Mit dem Sohn hat also die letzte der Zeiten dieser Welt begonnen.

Auch Jesus hat natürlich davon gesprochen. Seine Lehre über die Endzeit haben uns die neutestamentlichen Autoren in Mt 24, Mk 13 und Lk 21 berichtet. Besonders interessant ist es, die Themen, die Jesus in dieser „Endzeitrede“ anspricht, mit den Themen zu vergleichen, die in Offb 6 und 7 während des Öffnens der sechs Siegel erscheinen:

In Mt 23,4-5 und 23-24 spricht Jesus von falschen „Gesalbten“. – Beim ersten Siegel in Offb 6,2 erscheint der Antichrist.

Mt 23,6-7 spricht von kommenden Kriegen. – Beim zweiten Siegel in Offb 6,3-4 tritt der Krieg in Person auf.

In Mt 23,7 sagt Jesus Hungersnöte voraus. – Beim dritten und vierten Siegel in Offb 6,5-8 erscheinen Inflation und Tod.

Mt 23,9 bereitet die Jünger auf Verfolgung vor. – Beim fünften Siegel in Offb 6,9-11 erscheinen Seelen von Ermordeten am Altar im Himmel.

In Mt 23,14 geht die Botschaft hinaus in die ganze Welt. – Unter dem sechsten Siegel (Teil 2) in Offb 7,1-8 erhält die Vollzahl des Gottesvolkes die Versiegelung mit Heiligem Geist.

Mt 23,19 spricht dann von den Zeichen an Sonne Mond und Sternen am Ende der Zeit. Der entsprechende Inhalt wird ebenso unter dem sechsten Siegel (Teil 1) in Offb 6,12-17 offenbart.

In Mt 23,30-31 wird die Ankunft des Herrn und die Entrückung seiner Auserwählten angekündigt. – Und unter dem sechsten Siegel (Teil 3) in Offb 7,9-17 sehen wir die entrückte Gemeinde als unzählbare Schar im Himmel vor Gottes Thron.

Diese Parallelität kann kein Zufall sein. Was Jesus als Irdischer über die letzte Zeit gelehrt hat, bekräftigt er also noch einmal als Auferstandener in der Offenbarung. Der Inhalt der Siegel-Offenbarungen entspricht sehr deutlich der Endzeitrede in den Evangelien.

Und wenn die Visionen während der Siegelöffnung die Kurzfassung der Sache sind, dann dürfen wir erwarten, auch in der folgenden Langfassung wieder auf diese Inhalte zu treffen.

Mit dieser Betrachtungsweise erscheint die Offenbarung nun nicht mehr als Spekulationsobjekt. Sie ist vielmehr wieder ein neutestamentliches Buch, das mit den anderen übereinstimmt. Und am Ende kann man sie vielleicht sogar noch recht einfach verstehen …

Das sechste Siegel

Das sechste Siegel offenbart das Ende der Geschichte dieser Welt, wie wir sie kennen. Wir gehen ja davon aus, dass die Visionen der Siegel die Kurzfassung der versiegelten Schriftrolle enthalten. Diese Kurzfassung steht als Inhaltsangabe außen auf der verschlossenen Rolle. Mit dem Öffnen des siebten Siegels ist die Rolle dann offen. Es entsteht eine Pause, und anschließend wird der Inhalt der Rolle in der Langfassung offenbart. Wir werden alle Elemente der Kurzfassung in ihr wiederfinden.

Als das sechste Siegel geöffnet wird, entfalten sich drei Bilder vor unseren Augen. Im ersten erkennen wir die Kennzeichen des Endes für die gottlose Welt: Das große Erdbeben, die Veränderungen an Sonne, Mond und Sternen, der Zorn Gottes wird offenbart, und die Menschen fürchten sich zurecht vor dem, was da kommt. Mit dem Erscheinen des Lammes endet dann diese Geschichte.

Aber nicht nur die Geschichte der Welt endet, sondern auch die Geschichte der Gemeinde in der Welt. Im zweiten Bild erscheint sie als das neue Zwölf-Stämme-Volk, das während der ganzen Zeit gesammelt und mit Heiligem Geist versiegelt wird. Doch die Zahl 144 000 zeigt nun auch das Ende an: Die Zahl ist voll. Nun holt Jesus sie heim. Zwischen Vers 8 und Vers 9 in Offb 7 muss man sich die Entrückung denken.

Im dritten Bild steht die große Menge der Geretteten vor dem Thron Gottes und preist Gott für ihre Rettung. Und einer der Älteren erklärt auch, wer sie sind: Sie kommen aus der großen Bedrängnis, sie haben sich gereinigt durch das Blut des Lammes, und sie bleiben nun in Ewigkeit in der Herrlichkeit Gottes.

Nebenbei nennt der Ältere hier zwei Grundelemente des Lebens der Gemeinde: Sich reinigen von der Sünde und Durchhalten in der Bedrängnis.

Hier lüftet sich auch des Geheimnis der „großen Trübsal“, der großen Bedrängnis, aus der sie kommen. Im Zusammenhang des Textes kann es nur das Leben unter den Bedingungen der ersten fünf Siegel gewesen sein: Antichrist, Krieg, Hunger, Tod und Verfolgung. So hat man es auch schon der ersten Christengeneration beigebracht. Apg 14,22: „Durch viele Bedrängnisse müssen wir ins Reich Gottes hineingehen!“

Am Ende sehen wir dann auch hier die doppelte Auswirkung der Wiederkunft des Herrn: Die Rettung bzw. Entrückung der Gemeinde und das Zorngericht über die Welt. (Im Bild von Noahs Arche gesprochen: Die Arche hebt ab, und die Welt ertrinkt.)

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