In Ewigkeit kein Tod – betrachten wir dazu die folgende Stelle im Johannesevangelium – Joh 8,51-52:
„Amen, Amen, ich sage euch: Wenn jemand mein Wort hält, wird er in Ewigkeit keinen Tod sehen.“ Die Judäer sagten ihm nun: „Jetzt wissen wir, dass du etwas Dämonisches hast. Abraham ist gestorben, und die Propheten, und du sagst: ‚Wenn jemand mein Wort hält, wird er nichts schmecken vom Tod bis in Ewigkeit“?
Jesus befand sich hier in einer Diskussion mit seinen judäischen Gegnern. Eigenartig ist, dass seine Aussage „keinen Tod sehen“ von ihnen wiedergegeben wurde mit „nichts schmecken vom Tod“. Wir gehen wie immer davon aus, dass Johannes keinen Fehler gemacht hat und wusste, was er schrieb. Demzufolge müssen die beiden Ausdrücke dasselbe bedeuten. Und sie bestätigen die Lehre von Jesus, dass die, die an ihn glauben, nicht mehr sterben. Weder sehen sie den Tod, noch schmecken sie etwas von ihm. Das heißt, ihr Sterben ist kein „Tod“ mehr.
Aber woher hatten die Gegner diese Formulierung „nichts schmecken vom Tod“? Jesus hatte sie doch in diesem Gespräch zuvor gar nicht gebraucht. Im ganzen Johannesevangelium taucht sie auch sonst nirgends auf. Allerdings erscheint sie in den drei anderen Evangelien an einer besonderen Stelle: in den Parallelstellen Mt 16,28, Mk 9,1 und Lk 9,27. Ich zitiere deren Zusammenstellung aus der Evangelienharmonie:
Und er sagte zu ihnen: „Amen, ich sage euch, wahrhaftig: Es sind einige derer, die hier stehen, die werden nichts schmecken vom Tod, bis sie den Menschensohn kommen sehen mit seinem Königreich, dem Reich Gottes mit Kraft.“
Ich ziehe daraus drei Schlüsse:
1) Diese Aussage von Jesus war offensichtlich bekannt und verbreitet, auch bei seinen Gegnern. Man hat ihn also beobachtet, man hat seine Lehre gehört und gekannt, nur nicht geglaubt. So ist es erklärbar, dass die Gegner diesen Ausdruck „nichts schmecken vom Tod“ in der Diskussion mit Jesus nannten, obwohl dieser ihn direkt davor selbst gar nicht gebraucht hatte.
2) Diese Beobachtung ist ein weiteres Argument dafür, dass Johannes die anderen Evangelien kannte und mit seinem Evangelium einen ergänzenden Bericht dazu geschrieben hat. Er setzte die Formulierung von Jesus „nichts schmecken vom Tod“ bei seinen Lesern als bekannt voraus. Er berichtete, dass die Gegner von Jesus ihn benutzten, ohne dass er angeben musste, woher diese ihn hatten.
3) Die Gleichsetzung von „nichts schmecken vom Tod“ und „keinen Tod sehen“ wirft auch ein Licht darauf, wie die etwas rätselhafte Aussage von Jesus in den anderen Evangelien gemeint ist. Es gibt mehrere Erklärungsversuche zu dieser Stelle, aber die Parallele im Johannesevangelium gibt eine eindeutige Antwort. „Bis sie den Menschensohn kommen sehen“ kann jetzt einfach und wörtlich verstanden werden. Es wird ja noch übertroffen von der dazu parallelen Formulierung bei Johannes „bis in Ewigkeit“. So bezeugen also auch die anderen Evangelien die Lehre von Jesus, dass, wer an ihn glaubt, nicht mehr stirbt:
„Amen, Amen, ich sage euch: Wer mein Wort hört und dem glaubt, der mich gesandt hat, hat ewiges Leben und kommt nicht ins Gericht, sondern er ist aus dem Tod ins Leben übergegangen.“ (Joh 5,24)
„Amen, Amen, ich sage euch: Wenn jemand mein Wort hält, wird er in Ewigkeit keinen Tod sehen.“ (Joh 8,51-52)
„Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt. Und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird in Ewigkeit nicht sterben.“ (Joh 11,25-26)
Dass „glauben“ in diesem Zusammenhang nicht pseudochristliche Mittelmäßigkeit meint, sondern ernsthafte Nachfolge, dürfte deutlich sein.