Entdeckungen eines Bibelübersetzers

Schlagwort: Ewigkeit

Das Gericht

(Das Gericht – ein Abschnitt aus dem Kapitel „Die Sünde, an der Vergebung der Sünden zu verzweifeln (Ärgernis)“ in dem Buch „Die Krankeit zum Tode“ von Sören Kierkegaard, erschienen am 30. Juli 1849.)

Ärgernis bezieht sich auf den einzelnen Menschen. Und damit beginnt das Christentum, indem es jeden Menschen zu einem Einzelnen, einem einzelnen Sünder macht. Und jetzt konzentriert es alles, was Himmel und Erde an Möglichkeit des Ärgernisses auftreiben kann (nur Gott kann darüber verfügen): und das ist Christentum. Es sagt zu jedem Einzelmenschen: Du sollst glauben, d. h.: du sollst entweder Ärgernis nehmen, oder du sollst glauben. Weiter kein einziges Wort, da ist nichts weiter hinzuzufügen. „Nun habe ich gesprochen“, sagt Gott im Himmel, „in der Ewigkeit sprechen wir uns wieder. Du kannst in der Zwischenzeit machen, was du willst, aber das Gericht steht bevor.“

Ein Gericht! Ja, Folgendes haben wir Menschen gelernt, das lehrt ja die Erfahrung: Wenn da eine Meuterei auf einem Schiff oder in einer Armee ist, dann gibt es so viele Schuldige, dass man auf die Strafe verzichten muss. Und wenn es das Publikum ist, das hochgeehrte, gebildete Publikum, oder das Volk, dann ist es nicht nur kein Verbrechen, sondern es ist der Zeitung zufolge, auf welche man sich verlassen kann wie auf das Evangelium oder die Offenbarung, wie der Wille Gottes.

Woher kommt das? Es kommt daher, dass der Begriff „Gericht“ sich auf den Einzelnen bezieht. Man urteilt nicht en masse. Man kann Menschen en masse totschlagen, auf sie en masse spritzen, ihnen en masse schmeicheln. Kurz, man kann die Leute auf viele Weise wie Vieh behandeln. Aber wie Vieh richten kann man sie nicht, denn Vieh kann man nicht verurteilen. Wenn da auch noch so viele verurteilt werden – wenn das Urteil Ernst und Wahrheit haben soll, dann wird jeder als Einzelner verurteilt. Wenn nun so viele die Schuldigen sind, dann lässt sich dies menschlich nicht machen. Deshalb gibt man das Ganze dann auf. Man sieht ein, dass hier nicht die Rede sein kann von irgendeinem Urteil. Es sind zu viele, um sie zu verurteilen. Man kann sie nicht fassen, oder man kann es nicht schaffen, den Einzelnen zu fassen. Deshalb muss man es aufgeben, zu richten.

Und da man nun in unserer aufgeklärten Zeit – wo man alle anthromorphistischen* und anthropopathischen* Vorstellungen von Gott unpassend findet – es doch nicht unpassend findet, sich Gott als Richter zu denken wie einen gewöhnlichen Bezirksrichter oder Generalauditeur, der eine so weitläufige Sache nicht überschauen kann, so schließt man: Das wird in der Ewigkeit akkurat ebenso gehen. Lasst uns deshalb bloß zusammenhalten und uns damit sichern, dass die Pfarrer auf diese Weise predigen.

Und sollte da ein Einzelner sein, der es wagte, anders zu reden, ein Einzelner, der töricht genug wäre, sich selbst sein Leben bekümmert und verantwortlich in Furcht und Zittern zu machen und dann auch noch andere plagen zu wollen: dann wollen wir uns dadurch sichern, dass wir ihn für verrückt erklären oder, falls es nötig werden sollte, ihn totschlagen. Wenn wir bloß dabei viele sind, dann ist es kein Unrecht. Es ist Unsinn und antiquiert, dass viele Unrecht tun können. Was die vielen tun, ist wie Gottes Wille.

Vor dieser Weisheit, das wissen wir aus Erfahrung – denn wir sind nicht unerfahrene Jünglinge, wir werfen nicht lose Worte hin, wir reden als Männer der Erfahrung -, haben sich bisher alle Menschen gebeugt, Könige und Kaiser und Exzellenzen. Mit Hilfe dieser Weisheit wurde bisher all unseren Kreaturen aufgeholfen. Dann soll, verdammtnochmal, auch Gott lernen, sich zu beugen. Es geht bloß darum, dass wir viele werden, richtig viele, die zusammenhalten. Wenn wir das machen, dann sind wir gesichert gegen das Gericht der Ewigkeit. –

Ja, freilich wären sie gesichert, wenn es erst in der Ewigkeit wäre, dass sie Einzelne werden sollten. Aber sie waren und sind vor Gott stets Einzelne. Wer in einem Glaskasten sitzt, ist nicht so bloßgestellt, wie es jeder Mensch ist vor Gottes Durchschauungsvermögen. Dies ist das Gewissensverhältnis. Mit Hilfe des Gewissens ist es so eingerichtet, dass die Anzeige sofort jede Schuld begleitet. Und der Schuldige ist derjenige, der die Anzeige selbst schreiben muss. Aber sie wird geschrieben mit Geheimtinte und wird deshalb erst recht deutlich, wenn sie in der Ewigkeit ins Licht gehalten wird, während die Ewigkeit die Gewissen revidiert.

Im Grunde kommt jeder in der Ewigkeit so an, dass er selbst die genaueste Anzeige über das geringste Unbedeutende, das er verbrach oder unterließ, mitbringt und übergibt. Gericht zu halten in der Ewigkeit könnte deshalb ein Kind leisten. Da ist nichts zu tun für einen Dritten. Alles, bis zu dem unbedeutendsten Wort, das gesprochen wurde, ist korrekt festgehalten.

Es geht dem Schuldigen, der auf der Reise durch das Leben zur Ewigkeit ist, wie es jenem Mörder ging, der auf der Eisenbahn mit deren Schnelligkeit fortflüchtete vom Tatort – und seinem Verbrechen. Ach, gerade unter dem Wagen, in dem er saß, lief der elektromagnetische Telegraf mit seinem Signalelement und dem Befehl, ihn anzuhalten auf der nächsten Station. Als er auf der Station ankam und aus dem Wagen stieg, war er Arrestant. Er hatte in gewisser Weise seine Anzeige selbst mitgebracht.

* Vorstellungen von Gott in menschlicher Gestalt bzw. mit menschlichen Empfindungen

Bequemlichkeit

(Bequemlichkeit – Eine Darlegung von Sören Kierkegaard)

„Ferne sei es von mir, von der Bequemlichkeit geringschätzig zu reden. Man möge sie überall anbringen, wo sie überhaupt angebracht ist. D. h. überall, wo es gleichgültig ist, wie man eine Sache bekommt, wenn man sie nur überhaupt, auf die eine oder andere Weise bekommt. Ist dies der Fall, so ist unleugbar die bequemere und komfortablere Weise vorzuziehen. So z. B. beim Wasser. Das Wasser kann man auf beschwerliche Weise bekommen, indem man es vom Brunnen holt. Und man kann es auf bequeme Weise bekommen durch eine Wasserleitung; selbstverständlich ziehe ich die bequeme Weise vor.“

Aber das Ewige ist nicht eine solche Sache, bei der es gleichgültig ist, wie man sie bekommt. Nein, das Ewige ist eigentlich nicht eine Sache, ein Etwas, sondern es ist: die Weise, wie man es bekommt. Das Ewige bekommt man nur auf eine Weise. Und dadurch unterscheidet sich das Ewige gerade von allem anderen, dass es nur auf eine Weise zu bekommen ist. Was man nur auf eine Weise bekommen kann, das ist das Ewige. Denn dies erhält man nur auf die eine beschwerliche Weise der Ewigkeit, die Christus mit den Worten beschreibt: „Der Weg ist schmal und die Pforte ist eng, die zum Leben führt, und nur wenige sind ihrer, die sie finden.“

Das war ein schlimmes Notabene. Die Bequemlichkeit – just das, worin sich unsere Zeit auszeichnet – ist schlechterdings nicht anzubringen, wenn es sich um eine ewige Seligkeit handelt. Wird z. B. verlangt, dass man gehe, so nützt es lediglich nichts, das behaglichste Fuhrwerk zu erfinden und mit demselben diejenigen befördern zu wollen, denen die Aufgabe gesetzt ist zu – gehen. Und wenn das Ewige das ist: die Weise, wie man es bekommt, so hilft es nichts, diese Weise bewunderungswürdig bequem zu machen. Denn das Ewige ist nur auf die schwierige Weise zu haben, nicht etwa gleichgut auf eine leichte oder schwere Weise. Nein, es ist die Weise, auf welche es zu bekommen ist, und diese Weise ist die schwierige.

1000 Jahre keine Zeit

1000 Jahre keine Zeit – diese Formulierung klingt natürlich paradox. Aber sie ergibt sich, wenn man die Aussage des Engels in Offb 10,5-7 kombiniert mit der Angabe der 1000 Jahre aus Offb 20,1-6. Betrachten wir zuerst die einmalige Aussage des Engels im Rahmen der sieben Hornsignale in Offb 10,5-7:

„Und der Engel, den ich auf dem Meer und auf der Erde stehen sah, erhob seine rechte Hand in den Himmel. Und er schwor bei dem, der von Ewigkeit zu Ewigkeit lebt, der erschaffen hat den Himmel und alles darin, die Erde und alles darauf, das Meer und alles darin: „Es wird keine Zeit mehr sein! In den Tagen des Tons des siebten Engels, wenn er das Horn blasen wird, wird vielmehr das Geheimnis Gottes vollendet sein, wie er seinen Sklaven, den Propheten, die Botschaft gebracht hat.“

Man hat vielleicht schon einmal gehört, dass es im Griechischen zwei Wörter für „Zeit“ gibt. Diese sind „chrónos“ und „kairós“. (Mit dem Akzent bezeichne ich die Betonung des Wortes.)

Chronos ist die ständig und unaufhaltsam ablaufende Zeit. Das meinen wir, wenn wir z.B. sagen: „Wie die Zeit vergeht.“ Zeit im Sinne von Chronos ist im Grunde die Vergänglichkeit.

Kairos dagegen ist eine bestimmte Zeit, ein Zeitpunkt, ein Termin, auch eine Gelegenheit. Wenn wir z.B. fragen: Wann hast du Zeit?“, dann meinen wir einen Kairos. Als die „Zeit“ erfüllt war und Gott seinen Sohn sandte, war das ein „Kairos“.

Der Engel in der Offenbarung sagt nun aber: „Es wird kein Chronos mehr sein!“ Das heißt nichts anderes, als dass es keinen Zeitablauf mehr geben wird. Wenn gemeint wäre, er sei jetzt keine Zeit mehr, z.B. um etwas zu tun, z. B. sich zu bekehren, dann müsste an dieser Stelle „Kairos“ stehen. Jetzt sagt der Engel aber „keine Zeit mehr“ im Sinne von Chronos. Damit haben wir einen prinzipiellen Umbruch bzw. Abbruch der Weltgeschichte, die ja vom Zeitablauf diktiert wird. Und was ist dann? Natürlich Ewigkeit.

Wenn der Chronos tatsächlich einmal ein Ende hat, kann man auch zurückfragen, wann er einen Anfang hat. Wenn er mit der Vergänglichkeit gleichzusetzen ist, hat er am Anfang der Schöpfung noch nicht bestanden. Denn die Vergänglichkeit beginnt erst mit dem Sündenfall und der Vertreibung aus dem Paradies. Seither muss der Mensch sterben, und seine Zeit läuft ab.

Wenn wir nun bei der Aussage des Engels nachschauen, wann die Zeit sein wird, also wann der „Kairos“ ist, an dem der „Chronos“ aufhört, dann finden wir: „In den Tagen des Tons des siebten Engels, wenn er das Horn blasen wird, …“ Dass über dieses letzte Hornsignal schon Jesus und Paulus gelehrt haben, habe ich bereits im Beitrag „Die sieben Posaunen“ dargelegt.

Der Engel in Offb 10 hat nun allerdings nicht gesagt, dass mit diesem letzten Hornsignal der Zeitablauf endet. Er hat vielmehr gesagt, dass „in den Tagen“ dieses Signaltons der Chronos aufhört. Am Ende der Geschichte steht nicht die Entrückung, sondern die sichtbare Ankunft des Herrn auf der Erde, die letzte Schlacht (von Har Mageddon), die Entfernung der dämonischen Mächte und dann der Anbruch des 1000-jährigen Friedensreiches – als Schabbat der Weltgeschichte.

Wann endet nun in jenen Tagen der Chronos? Das kann eigentlich nur der Beginn der 1000 Jahre sein, in denen völlig andere Bedingungen auf der Erde herrschen werden. In diesen 1000 Jahren ist der Satan gebunden und die auferstandenen Heiligen regieren mit dem Messias zusammen über die Erde. Und auch das irdische Israel hat sich nun endlich zu seinem Messias bekehrt. So sagt es Paulus in Röm 11 voraus. Und dazu gehört sicherlich auch, dass sich alle noch ausstehenden Zusagen Gottes an Israel erfüllen werden.

Dass der Begriff der „1000 Jahre“ in diesem Zusammenhang symbolisch zu verstehen ist, liegt auf der Hand. Wo keine Vergänglichkeit mehr ist, ist Ewigkeit. Im Rahmen unserer irdischen Vorstellungskraft können wir leider nur innerhalb des Chronos denken. Wir kommen hier an unsere Genzen, an die Grenzen der Ewigkeit. Schon wenn wir uns Ewigkeit als endlos lange Zeit vorstellen, liegen wir falsch. Am ehesten können wir sie uns vielleicht als ein Art „Zustand“ vorstellen, aber natürlich keinen „andauernden“.

Mit den 1000 Jahren ist der Chronos aber noch nicht ganz zu Ende, sondern nur unterbrochen. Ein Kennzeichen dieser 1000 Jahre ist ja, dass der Satan zu deren Beginn weggeschlossen und zu deren Ende losgelassen wird. In Offb 20,3 heißt es: „Danach muss er losgebunden werden für eine kurze Zeit“. Für einen kurzen „Chronos“ wird der Satan losgelassen – bis er in die Hölle geworfen wird. Da läuft die Weltenuhr also noch einmal kurz weiter. Danach ist nur noch Ewigkeit – mit dem Weltgericht, der ewigen Bestrafung und der neuen Schöpfung.

In Ewigkeit kein Tod

In Ewigkeit kein Tod – betrachten wir dazu einmal die folgende Stelle im Johannesevangelium – Joh 8,51-52:

„Amen, Amen, ich sage euch: Wenn jemand mein Wort hält, wird er in Ewigkeit keinen Tod sehen.“ Die Judäer sagten ihm nun: „Jetzt wissen wir, dass du etwas Dämonisches hast. Abraham ist gestorben, und die Propheten, und du sagst: ‚Wenn jemand mein Wort hält, wird er nichts schmecken vom Tod bis in Ewigkeit“?

Jesus befindet sich hier in einer Diskussion mit seinen judäischen Gegnern. Eigenartig ist, dass seine Aussage „keinen Tod sehen“ von ihnen wiedergegeben wird mit „nichts schmecken vom Tod“. Wir gehen wie immer davon aus, dass Johannes hier keinen Fehler gemacht hat und weiß, was er schreibt. Dann müssen die beiden Ausdrücke gleichbedeutend sein. Und sie bestätigen die Lehre von Jesus, dass die, die an ihn glauben, nicht mehr sterben. Das heißt, dass deren Sterben kein „Tod“ mehr ist.

Aber woher haben die Gegner ihre Formulierung „nichts schmecken vom Tod“? Jesus hat sie an dieser Stelle doch zuvor gar nicht gebraucht. Im ganzen Johannesevangelium taucht sie auch nirgendwo anders auf. Allerdings erscheint sie in den anderen drei Evangelien an entscheidender Stelle, in Mt 16,28, Mk 9,1 und Lk 9,27. Ich zitiere aus meiner Evangelienharmonie:

Und er sagte zu ihnen: „Amen, ich sage euch, wahrhaftig: Es sind einige derer, die hier stehen, die werden nichts schmecken vom Tod, bis sie den Menschensohn kommen sehen mit seinem Königreich, dem Reich Gottes mit Kraft.“

Ich ziehe daraus drei Schlüsse:

1) Dieses Wort von Jesus war offensichtlich sehr bekannt und verbreitet, auch bei seinen Gegnern. Man hat ihn also beobachtet, seine Lehre gehört und verstanden, wenn auch nicht geglaubt. Nur so ist es erklärbar, dass die Gegner dieses Wort in der Diskussion nennen. Denn Jesus selbst hatte es unmittelbar davor gar nicht gesagt, sondern eine andere Formulierung gebraucht.

2) Diese Beobachtung ist ein weiteres Argument, das dafür spricht, dass Johannes die anderen Evangelien kannte und mit seinem Evangelium einen ergänzenden Bericht dazu geschrieben hat. Er setzt den Ausdruck „nichts schmecken vom Tod“ bei seinen Lesern als bekannt voraus. Er lässt ihn einfach und unvermittelt in einer Aussage der Gegner von Jesus auftauchen.

3) Die Gleichsetzung von „nichts schmecken vom Tod“ und „keinen Tod sehen“ wirft auch ein helles Licht darauf, wie die ansonsten etwas rätselhafte Aussage von Jesus in den anderen Evangelien gemeint ist. Es gibt ja mehrere Erklärungsversuche dazu, aber die Parallele im Johannesevangelium gibt eine eindeutige Antwort. „Bis sie den Menschensohn kommen sehen“ kann dann einfach und wörtlich verstanden werden. Es wird ja noch übertroffen von der Parallele „bis in Ewigkeit“. So bezeugen also auch die anderen Evangelien die Lehre von Jesus, dass, wer an ihn glaubt, nicht mehr stirbt:

Joh 5,24: „Amen, Amen, ich sage euch: Wer mein Wort hört und dem glaubt, der mich gesandt hat, hat ewiges Leben und kommt nicht ins Gericht, sondern er ist aus dem Tod ins Leben übergegangen.“

Joh 11,25-26: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt. Und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird in Ewigkeit nicht sterben.“

Dass „an Jesus glauben“ in diesem Zusammenhang nicht christliche Mittelmäßigkeit meint, sondern ernsthafte Nachfolge, dürfte deutlich sein …