Ein Bibelübersetzer entdeckt ...

Schlagwort: Jakobus

Gleichheit in der Gemeinde

Gleichheit in der Gemeinde – diese Lehre des Neuen Testaments bezieht sich auf die Stellung des Christen vor Gott. Hier sind alle gleich wiedergeboren, gleich erlöst und gleich in der Kindschaft gegenüber Gott. Ohne das alles sind sie ja auch gar keine Christen.

Mit „gleich“ ist gleich wichtig, gleich wertvoll und gleich-berechtigt gemeint. Unterschiede zwischen ihnen bestehen in ihren geistlichen Gaben und in ihrer geistlichen Reife. Auch darüber hat das Neue Testament einiges zu sagen. Aber Unterschiede in geistlichen Dingen tun der genannten Gleichheit in der Gemeinde keinen Abbruch. Was aber in dieser Gleichheit vor Gott keine Rolle mehr spielt, das sind die menschlichen Unterschiede. Es gibt kein Ansehen der Person vor Gott:

Jak 2,1-4: „Meine Geschwister, im Glauben an Jesus, unseren Herrn, den verherrlichten Messias, darf es kein Ansehen der Person bei euch geben! Wenn nämlich ein Mann in eure Versammlung kommt mit goldenen Ringen an den Fingern, in glänzender Kleidung, und ein Armer kommt herein mit schmutziger Kleidung, und ihr seht auf den, der die glänzende Kleidung trägt, und sagt: „Du, setz dich schön hierher!“, und dem Armen sagt ihr: „Du, stell dich dorthin!“ oder: „Setz dich unten an meinen Fußschemel!“, macht ihr dann nicht Unterschiede unter euch und seid Richter mit bösen Gedanken?“

Jakobus schreibt hier zunächst über den Unterschied zwischen Reich und Arm, also zwischen menschlich gesehen Bedeutenden und Unbedeutenden. Da dieser Unterschied vor Gott nicht zählt, darf er auch in der Gemeinde nicht zählen. Selbst neue Besucher, die vielleicht noch gar keine Christen sind, darf man nicht unterschiedlich behandeln. Der Mensch wird nicht nach seinem menschlichen Ansehen, sondern nach seiner Beziehung zu Gott beurteilt.

Auch Paulus hat diese Lehre. Rö 2,11: „Es gibt nämlich kein Ansehen der Person bei Gott.“

Diese Sichtweise hat er auch an mehreren Stellen in Bezug auf Personengruppen ausgeführt, die menschlich gesehen gravierend unterschiedlich sind:

Rö 10,12: „Es ist ja kein Unterschied zwischen einem Juden und einem Nichtjuden; er ist doch Herr aller, reich für alle, die ihn anrufen.“

Religiös gesehen gab es keinen größeren Unterschied als den zwischen einem Juden und einem Nichtjuden bzw. Heiden. Diese beiden Gruppen verachteten sich gegenseitig und dienen nun – bekehrt – dem einen Herrn, vor dem sie alle gleich sind. Vor Gott und in der Gemeinde ist es völlig unbedeutend, ob jemand aus dem Judentum oder aus dem Heidentum kommt. Die Gemeinde ist das neue Israel Gottes, in das die Nichtjuden integriert sind.

1 Ko 12,13: „Denn in einem Geist sind auch wir alle in einen Leib getaucht worden, seien wir Juden oder Nichtjuden, Sklaven oder Freie. Alle sind wir mit einem Geist getränkt worden.“

Gesellschaftlich gesehen gab es keinen größeren Unterschied als zwischen einem Sklaven und einem Freien. Der eine war Eigentum des anderen. Und nun haben beide die Gabe des Geistes empfangen und sind gleichwertige Gliedes des Leibes des Messias. Was das im Einzelnen bedeutete, kann man in meinem Beitrag „Sklaven Gottes“ nachlesen.

Ko 3,9b-11: „Zieht den alten Menschen ganz aus samt seinen Praktiken, und zieht den neuen an, der erneuert wird zu klarer Erkenntnis nach dem Bild dessen, der ihn geschaffen hat, wo es keinen „Griechen“ und „Juden“ mehr gibt, (keinen) „Beschnittenen“ und „Unbeschnittenen“, „Fremden“, „Wilden“, „Sklaven“ und „Freien“, sondern der Messias alles und in allen ist.“

Juden als Beschnittene und Griechen als Unbeschnittene sind gleich in dem neuen Menschen, den Gott geschaffen hat, genauso auch Sklaven und Freie. Paulus erweitert die Aufzählung hier noch durch „Fremde“ und „Wilde“. Auch Menschen von fremder Herkunft und von außerhalb der anerkannten Zivilisation sind die gleichen neuen Menschen im Messias. Durch die Gleichheit in der Gemeinde ist jede Art von Rassismus oder Nationalismus von vornherein ausgeschlossen.

Ga 3,27-28: „Alle, die ihr in den Messias getaucht worden seid, habt den Messias angezogen. (In ihm) gibt es keinen „Juden“ und keinen „Nichtjuden“ mehr, keinen „Sklaven“ und keinen „Freien“, keinen „Mann“ und keine „Frau“, denn ihr seid alle eins im Messias Jesus.“

Zur Aufhebung der menschlichen Unterschiede nennt Paulus hier auch noch ausdrücklich den Unterschied zwischen Mann und Frau. Im neuen Menschen, im Messias, ist es also unerheblich, ob jemand ein Mann oder eine Frau ist. Wir haben hier eine grundlegende Stelle über die Stellung der Frau in der Gemeinde. So gleich wie Juden und Nichtjuden, Sklaven und Freie, Einheimische und Fremde, so gleich sind auch Männer und Frauen.

Leider hat sich diese revolutionäre Sichtweise des Neuen Testaments im Zuge der Verkirchlichung schon in der frühen Zeit des „Christentums“ verflüchtigt. Es entstanden (männlicher) Klerus, Hierarchie und Nationalkirchen mit all ihren geistlich verheerenden Auswirkungen.

Wer dagegen christliche, d. h. neutestamentliche Gemeinde bauen will, muss auch diese Gleichheit der Geschwister wieder herstellen. Aus der Gleichheit vor Gott ergibt sich die Gleichheit in der Gemeinde. Ohne diese ist es keine Gemeinde Gottes.

Mehr darüber lesen kann man in meinem Buch „Die Gemeinde des Messias„.

Maria

Maria war die junge Frau, die Gott in Israel auswählte zu der einzigartigen Aufgabe, die irdische Mutter seines Sohnes Jesus zu sein. Sie war in Nazaret aufgewachsen und gehörte zu der dort ansässigen Gruppe von Nazoräern. Ihr Vater war Eli, der Sohn von Mattat. „Nazoräer“ war die Bezeichnung für die leiblichen Nachkommen des Königs David. Von denen gab es damals – ca. 1000 Jahre nach David – eine ganze Menge. Die Nazoräer wussten, dass nach Gottes Zusage an David aus ihren Reihen der „Sohn Davids“, der Messias, kommen würde, und waren in entsprechender Erwartung.

Maria war verlobt mit Josef, der von Beruf Maurer war und aus Betlehem kam. Auch Josef war ein Nazoräer, von denen es in Betlehem, der „Stadt Davids“, ebenfalls eine Gruppe gab. Vermutlich war er als lediger junger Handwerker auf Arbeit im Land unterwegs und kam so nach Nazaret. Und da ist ihm eine hübsche junge stammverwandte Nazoräerin besonders aufgefallen.

Als Josef und Maria verlobt waren, galten sie – wie damals üblich – schon als Mann und Frau. Aber bis zur Hochzeit wurde die Ehe – ebenfalls wie üblich – sexuell nicht vollzogen. Das blieb der Hochzeitsnacht vorbehalten – nach der Heimholung der Braut durch den Bräutigam. Und so war es natürlich erklärungsbedürftig, als die Jungfrau Maria plötzlich schwanger war.

Josef erklärte sich die Sache natürlich zuerst auf die menschliche Weise. Aber ein Engel gab ihm im Traum die göttliche Erklärung, dass dieses Kind etwas Heiliges ist, das von Gott kommt. Und so respektierte er die Heiligkeit dieses Geschehens und nahm Maria zu sich, was Heirat bedeutet. Er war aber nicht ehelich mit ihr zusammen, bis das Kind geboren war. Maria blieb also Jungfrau bis zur Geburt von Jesus.

Danach haben die beiden offensichtlich eine normale Ehe geführt. Denn in Nazaret kannte man vier Brüder von Jesus: Jakobus, Josef, Simon und Judas. Und auch von Schwestern ist die Rede, ohne Zahlenangabe, also mindestens zwei. In dieser Familie ist Jesus aufgewachsen als ältester Sohn und ältester Bruder. Da zu der Zeit, als die Kinder erwachsen waren, der Vater Josef nicht mehr erwähnt wird, muss man annehmen, dass er inzwischen verstorben war.

Josef war ein Handwerker, der auf den Bau von Häusern spezialisiert war. Und da man damals die Häuser nicht aus Holz, sondern aus Stein baute, ist es richtig, als seinen Beruf nicht Zimmermann, sondern Maurer anzugeben. Natürlich haben seine Söhne dieses Handwerk von ihm erlernt und in seinem Betrieb gearbeitet. Man darf sicher annehmen, dass er in Nazaret auch seiner eigenen Familie ein Haus gebaut hatte.

Maria als Mutter müssen wir uns als tüchtige und fleißige Hausfrau und Versorgerin der Familie vorstellen. Und jede Familie betrieb damals auch ein gewisses Maß an landwirtschaftlicher Selbstversorgung. Es ist unter diesen Gesichtspunkten direkt auffallend, wie häufig Jesus in seiner Lehre Vergleiche und Beispiele sowohl aus der Landwirtschaft als auch vom Bau benutzt hat.

Als der Vater Josef verstarb, nahm nach der Tradition der älteste Sohn den Platz des Familienoberhauptes ein. Maria war nun Witwe und Jesus Chef der Familie und des dazugehörigen Bauunternehmens. Deshalb ging die Familie auch noch mit, als Jesus von Nazaret im Bergland nach Kafarnaum an den See Genezaret zog.

Doch Jesus entwickelte dann die Idee, in Kafarnaum alles stehen und liegen zu lassen, um mit seinen Jüngern – die ihm offensichtlich wichtiger waren – auf Reisen zu gehen. Und da setzte in der Familie etwas aus, als ihr Oberhaupt Jesus sie so zurückließ. Sie beobachteten die Sache eine Weile und beschlossen dann, etwas zu unternehmen. Sie „zogen los, um ihn zu ergreifen, denn sie sagten: ‚Er ist völlig daneben!'“ (Mk 3,21). Dieser Versuch, noch einmal mit ihm zu reden, ging gründlich schief. Sie drangen nicht einmal zu ihm vor. Jesus ließ sie vor allen Leuten abblitzen und behauptete, seine Jünger seien jetzt seine Mutter und seine Geschwister (Mk 3,31-35). Damit war vorläufig der Bruch komplett.

In der Zeit, als Jesus großen Zulauf hatte und bei vielen Leuten Begeisterung auslöste, ereignete sich einmal etwas Denkwürdiges: „… da erhob eine Frau aus der Menge ihre Stimme: ‚Glücklich ist der Mutterleib, der dich trug, und die Brust, an der du gestillt wurdest!‘ Er aber sagte: ‚Nein! Vielmehr sind die glücklich, die das Wort Gottes hören und einhalten.’“ (Lk 11,27-28). Jesus selbst hat den ersten Ansatz einer aufkommenden Verehrung seiner Mutter sofort im Keim erstickt.

Natürlich wusste Maria, was um die Geburt von Jesus herum alles geschehen und gesagt worden war. Aber höchstwahrscheinlich hatte auch sie sich den Messias zunächst noch anders vorgestellt. In der Nähe von Jesus tauchte sie jedenfalls nicht mehr auf, z. B. unter den Jüngerinnen, die Lukas mit Namen erwähnt. Erst an dem Pessachfest, an dem Jesus hingerichtet wurde, stand sie mit den anderen in der Nähe des Kreuzes. Vermutlich war sie als fromme Jüdin wie jedes Jahr zu Pessach nach Jerusalem gekommen. Und hier bekam sie die turbulenten Ereignisse um ihren ältesten Sohn direkt mit.

Joh 19,25-27: „Beim Kreuz von Jesus standen seine Mutter, die Schwester seiner Mutter, Maria, die (Frau) von Klopas, und Maria von Magdala. Als Jesus seine Mutter sah und den Jünger, den er liebte, dabeistehen, sagte er dann der Mutter: ‚Frau, das ist dein Sohn!‘ Danach sagte er dem Jünger: ‚Das ist deine Mutter!‘ Und von jener Stunde an nahm der Jünger sie zu sich.“

Hier erfahren wir, dass Maria auch eine Schwester hatte. Aus den verschiedenen Aufzählungen der Frauen, die beim Kreuz waren, sein Begräbnis beobachteten und seine Auferstehung bezeugten, kann eigentlich nur Salome ihre Schwester sein. Denn die anderen erwähnten Frauen hießen ebenfalls Maria, und zwei Schwestern hätte man ja nicht denselben Namen gegeben.

Wenn Salome die Schwester von Maria war, dann waren ihre Söhne Jakobus und Johannes sogar Cousins von Jesus. Und dann liegt es auch etwas näher, dass Jesus am Kreuz Johannes mit der Fürsorge für seine Mutter betraute. Die Verborgenheit dieser verwandtschaftlichen Beziehungen zeigt aber auch, dass Jesus seine Lehre, dass menschliche Verwandtschaft im Reich Gottes keinerlei Bedeutung hat, selbst praktizierte.

Nach der Himmelfahrt von Jesus waren aber alle wieder da. „Diese alle hielten sich einmütig ans Gebet, mit den Frauen und Maria, der Mutter von Jesus, und seinen Geschwistern.“ (Apg 1,14). Sicherlich spielte dabei auch eine Rolle, dass – wie Paulus berichtet – Jesus als Auferstandener seinem Bruder Jakobus erschienen war. Nun gehörte auch seine Familie zur Gemeinde.

Danach hören wir im Neuen Testament nichts mehr über Maria. Sie war eine einfache Gläubige in der Gemeinde wie alle anderen auch. Natürlich konnte sie noch alles bezeugen, was sich um Jesus auch schon vor seiner Geburt und danach ereignet hatte. Auch Lukas hat sie in ihren späteren Jahren für seinen Bericht über Jesus noch interviewt.

Dass sie irgendwann verstarb und begraben wurde, wird mit der Tradition über das „Begräbnis Mariens“ in der orthodoxen Kirche zuverlässig überliefert. Es ist also nichts mit einer leiblichen Himmelfahrt, die ihr in der römischen Tradition angedichtet wurde. Aber sicherlich ist sie im geistlichen Sinne nicht gestorben. Sie ist heimgegangen zu ihrem Herrn, der auf Erden einmal ihr Sohn gewesen war.

Jakobus

Jakobus ist der Name von drei wichtigen Persönlichkeiten im Neuen Testament. Hebräisch heißt der Name Ja’akóv. Die Griechischsprechenden haben dann mit einer griechischen Endung „Jákobos“ daraus gemacht, die Lateiner „Jakobus“ und die Deutschen „Jakob“.

Den ersten Jakobus treffen wir bei den Fischern am See Genezaret. Er war der Sohn von Zebedäus und der Bruder von Johannes. Auf den Ruf von Jesus hin ließ er alles stehen und liegen und folgte ihm als Jünger nach. Jesus berief ihn dann in den Kreis seiner „Zwölf“ Gesandten. Er gehörte auch zum ganz engen Jüngerkreis und war dabei, wenn Jesus manchmal nur drei seiner Jünger zu etwas mitnahm. Von den zwölf Gesandten war er derjenige, der mit seinem Sendungsauftrag nie über Jerusalem hinauskam, denn im Jahr 42 ließ ihn der damalige König Agrippa umbringen.

Der zweite Jakobus begegnet uns ebenfalls unter den zwölf Jüngern. Er heißt „Jakobus, der Sohn von Alfäus“. Wir erfahren im Neuen Testament nichts weiter über ihn persönlich, außer dass er bei den „Zwölf“ natürlich immer mit gemeint ist. Er soll nach alter Tradition sein Missionsgebiet auf der iberischen Halbinsel gefunden haben. Noch heute pilgern Leute auf den verschiedenen „Jakobswegen“ zu seinem angeblichen Grab in Santiago de Compostela. (Statt einfach Jesus nachzufolgen …)

Der dritte Jakobus ist der leibliche Bruder bzw. Halbbruder von Jesus. Er wird erstmals genannt, als sich die Leute von Nazaret über die Botschaft von Jesus in ihrem Versammlungshaus wunderten. „Ist das nicht der Maurer, der Sohn von Josef dem Maurer? Heißt nicht seine Mutter Maria und seine Brüder Jakobus, Josef, Simon und Judas? Seine Schwestern, sind sie nicht alle hier bei uns?“ Da hier der Vater Josef nicht genannt wird, muss er damals bereits verstorben gewesen sein.

Josef und Maria hatten also nach Jesus, ihrem Ältesten, noch mindestens sechs weitere Kinder, vier Söhne und mindestens zwei Töchter. Übrigens waren Josef und Jesus keine Zimmerleute, wie eine bekannte Tradition behauptet. Sie waren Leute, die Häuser bauten, aber damals baute man nicht mit Holz, sondern mit Stein. Der Gedanke liegt sicherlich nahe, dass alle Söhne das Handwerk des Vaters lernten, also auch Jakobus.

Als Jesus seinen öffentlichen Dienst angetreten hatte, fand er bei seinen Angehörigen dafür kein Verständnis. Markus hat es uns deutlich überliefert. Mk 3,20-21: „Er ging in ein Haus, und wieder kam die Menschenmenge zusammen, so dass sie nicht einmal Brot essen konnten. Seine Angehörigen hörten es und zogen los, um ihn zu ergreifen, denn sie sagten: ‚Er ist völlig daneben!'“ Wir müssen natürlich annehmen, dass Jakobus als verbliebener ältester Sohn an dieser Aktion führend beteiligt war.

Die Antwort von Jesus war deutlich. Mk 3,31-35: „Als seine Mutter und seine Geschwister dann kamen, standen sie draußen und schickten zu ihm, um ihn zu rufen. Eine Menge saß um ihn herum und man sagte ihm: ‚Deine Mutter, deine Brüder und deine Schwestern sind da draußen, sie suchen dich.‘ Er antwortete ihnen: ‚Wer sind meine Mutter und meine Geschwister?‘ Und er schaute umher über die, die rings um ihn saßen, und sagte: ‚Seht, meine Mutter und meine Geschwister! Denn wer den Willen Gottes tut, der ist mein Bruder, meine Schwester und meine Mutter.’“

Auch Johannes berichtet über die Ablehnung von Seiten seiner Angehörigen. Joh 7,2-5: „Das Fest der Juden, das Laubhüttenfest, war aber nahe. Seine Geschwister sagten nun zu ihm: ‚Geh weg von hier und geh nach Judäa, damit auch deine Jünger (dort) deine Taten sehen, die du tust! Niemand tut doch etwas im Verborgenen, wenn er in der Öffentlichkeit sein will! Wenn du diese Dinge tust, mach dich der Welt sichtbar!‘ Seine Geschwister glaubten nämlich auch nicht an ihn.“

Ansonsten hört man nichts mehr von ihnen, solange Jesus unterwegs war. Erst als Jesus am Kreuz hing, war zumindest seine Mutter Maria wieder da.

Doch als Jesus auferstanden war, geschah etwas, das uns wiederum nur Paulus berichtet. In 1 Kor 15 zählt er in einer authentischen Überlieferung verschiedene Erscheinungen des auferstandenen Jesus auf, darunter die Folgende. V. 7: „Danach ist er Jakobus erschienen.“ Hier kann nur sein leiblicher Bruder Jakobus gemeint sein, denn den Zwölf hatte er sich ja zuvor schon gezeigt.

Jesus hatte also als Auferstandener eine besondere Begegnung mit seinem bis dahin vermutlich noch ungläubigen Bruder Jakobus. Das liegt dann auf der Linie wie später die Begegnung mit dem noch ungläubigen Paulus. Für Jakobus war das jedenfalls lebensverändernd, sogar für die ganze Familie. Denn am Anfang der Apostelgeschichte heißt es dann über die in Jerusalem mit den Jüngern Versammelten (1,14): „Diese alle hielten sich einmütig ans Gebet, mit den Frauen und Maria, der Mutter von Jesus, und seinen Geschwistern.“

Von da an waren sie Teil der Jerusalemer Urgemeinde. Jakobus wurde mit der Zeit sogar einer der führenden Männer dort. Im Galaterbrief (1,9) schreibt Paulus viele Jahre später, dass Jakobus, Kefas (Petrus) und Johannes als die „Pfeiler“ der Gemeinde in Jerusalem angesehen wurden.

Nachdem unter dem König Agrippa Jakobus, der Sohn von Zebedäus, ermordet worden war, verließ auch Petrus nach seiner wunderbaren Befreiung aus dem Gefängnis vorübergehend die Stadt. Auch die anderen der Zwölf werden – außer Johannes – im Folgenden nicht mehr erwähnt. Offensichtlich waren sie in ihrer Mission unterwegs.

In dieser Zeit, vermutlich in den Jahren 47 oder 48, sah Jakobus dann wohl die Verantwortung, an die sich immer weiter ausdehnende Gesamtgemeinde einen Brief zu schrieben. Diese war den Inhalten des Briefs nach damals noch stark judenchristlich geprägt. Die spätere Auseinandersetzung um die Beschneidung der Nichtjuden spielte noch keine Rolle. Der Jakobusbrief ist damit der früheste von allen neutestamentlichen Briefen.

Fischer vom See Genezaret

Fischer vom See Genezaret machen ein Drittel der zwölf Jünger von Jesus aus. Doch viele Jahre hatte ich mich immer wieder etwas gewundert über den Ruf in die Nachfolge, den uns Matthäus berichtet hat – Mt 4,18-22: „Als er am See von Galiläa entlangging, sah er zwei Brüder, Simon, der ‚Petrus‘ genannt wird, und Andreas, seinen Bruder, wie sie ein Wurfnetz in den See warfen. Sie waren nämlich Fischer. Und er sagte ihnen: ‚Kommt mit mir! Ich will euch zu Menschenfischern machen.‘ Sogleich verließen sie die Netze und folgten ihm. Als er von dort weiterging, sah er zwei andere Brüder, Jakobus, den Sohn von Zebedäus, und Johannes, seinen Bruder, im Schiff mit Zebedäus, ihrem Vater, wie sie ihre Netze richteten, und er rief sie. Sogleich verließen sie das Schiff und ihren Vater Zebedäus und folgten ihm.“

Wie kam es, dass Fischer vom See Genezaret für einen eher zufällig daherkommenden unbekannten neuen Lehrer auf einen Zuruf hin alles stehen und liegen ließen, um ihm zu folgen? Und woher wusste Jesus, dass ausgerechnet diese vier Männer die Richtigen für seine Nachfolge waren? Das konnte eigentlich nur eine geheime Offenbarung Gottes sein, wie sie im Leben von Jesus natürlich immer wieder vorkam. Sicherlich hat man diese wunderbare Geschichte in der Kinderstunde auch recht spannend erzählt bekommen. Aber das Geheimnis dieses Ereignisses lüftete sich, als ich die Geschichte beim Erstellen meiner Evangelienharmonie mit den ergänzenden Informationen aus dem Johannesevangelium zusammenbrachte. Alle Beteiligten kannten sich nämlich bereits.

In Joh 1,35-51 wird berichtet, dass Jesus bei Johannes dem Täufer vorbeikam, der sich damals auf der Ostseite des Sees Genezaret aufhielt. Jesus hatte gerade vierzig Tage Gebet und Fasten samt Versuchung durch den Teufel überstanden. Johannes der Täufer bezeichnete Jesus dort als das Lamm Gottes, das die Sünden der Welt trägt. Daraufhin folgten zwei der Johannesjünger Jesus. Einer der zwei war Andreas, der Bruder von Simon Petrus. Den anderen hat Johannes in seinem Bericht nicht mit Namen genannt. Aber wenn Johannes in seinem Bericht einen der Jünger nicht mit Namen nennt, dann meint er sich selbst. Also, Andreas und Johannes waren damals zuerst bei Johannes dem Täufer und dann bei Jesus. Dann brachte Andreas seinen Bruder Simon mit zu Jesus, dann kamen noch Philippus und Natanael dazu. Natanael ist wohl der Jünger, der an anderer Stelle „Bartholomäus“ heißt, „Sohn von Tholomäus“.

Diese fünf Jünger gingen dann von der Ostseite des Sees aus schon mindestens einen Monat lang mit Jesus. Sie folgten ihm durch Galiläa bis nach Nazaret und Kana. Dort erlebten sie das Wunder auf der Hochzeit mit und, wie Johannes sagt, „glaubten an ihn“. Drei der vier Fischer vom See Genezaret waren also in dieser Zeit schon bei Jesus gewesen. Und Johannes hat seinem Bruder Jakobus natürlich alles berichtet. Nachdem Jesus von Nazaret nach Kafarnaum umgezogen war und nach einer kurzen Pause von dort zu seinem Antrittsbesuch in Jerusalem aufbrach, war es dann doch kein so großes Wunder mehr, dass sie sich am See so willig von ihm rufen ließen, mit ihm zu gehen.

Wobei eine wirkliche Nachfolge von Jesus doch immer irgendwie ein großes Wunder ist …