(Handel – ein Abschnitt aus dem Kapitel „Vermischte biblische Spuren“ im Buch „Kennst du das Land?“ Ludwig Schneller beschreibt darin seine Erfahrungen im Palästina der Jahre 1884-89.)

Handel gehört in Palästina zu jedem Kauf, wenn man nicht exemplarisch geprellt werden will.

Neulich wollte ich in Betlehem für einen Freund eine Olivenholzarbeit kaufen. Ich fragte einen Händler um den Preis. Er antwortete: „Für gewöhnlich hundert Piaster, aber weil du es bist, siebzig.“ Wäre ich so gutmütig gewesen, wie so manche fromme Pilger, deren jährlich viele Tausende ins Land kommen, so hätte er wahrscheinlich seine siebzig bekommen und ein Trinkgeld dazu. Auch mir kam die Ware nicht allzu teuer vor. Ich besann mich aber, dass ich es mit einem arabischen Händler zu tun habe und bot zwölf. Darob furchtbarer Schreck auf der anderen Seite. Er verschwur sich hoch und teuer, das er dabei über die Hälfte einbüße. Nach langem fruchtlosem Handel ließ ich ihn stehen und ging meiner Wege.

Es verging aber nur ein Tag, da kam er demütig hergegangen und bat mich, ihm die Sache doch abzukaufen. „Wieviel willst du?“ „Vierzehn Piaster!“ „Gut“, sagte ich, „da hast du sie.“ Nun meinte ich, sehr schlau gewesen zu sein und ein vortreffliches Handeln geübt zu haben. Nach ein paar Tagen erfuhr ich aber, dass er es sonst für zehn Piaster herzugeben pflege. –

Will man einen Kauf abschließen, so wird einem gewöhnlich die Sache zuerst umsonst, als Geschenk angeboten. Im Sommer 1884 sandte ich im Auftrag des Jerusalemvereins zwei Kundschafter nach Hebron, um das Terrain zu untersuchen, und, wenn möglich, ein Haus für die neue Missionsstation zu mieten. Diese Kundschafter ritten durch das schöne Tal Eschkol, durch welches einst Josua und Kaleb, die israelitischen Kundschafter zogen, in Hebron ein. Nach langen, fruchtlosen Bemühungen wurden sie endlich von einem Efendi (Edelmann oder Regierungsbeamten) eingeladen, in sein Haus zu kommen, das er zu vermieten geneigt schien. Sie traten mit ihm ein. Und nachdem sie sich nach Landessitte etwa zehnmal guten Abend gewünscht und über allerlei Gleichgültiges gesprochen hatten, kamen sie, wie gewöhnlich, ganz zufällig und als ob das nur die Nebensache wäre, auch aufs Geschäft. Das Haus gefiel ihnen gut und sie fragten nach dem Preis.

Sie sagten ihm: „Wir wollen bezahlen, was recht ist, was denkst du wohl über die Mietsumme?“

Efendi: „Wie? Ihr fragt nach Geld? Nein, ihr Herren, ich will euch das Haus schenken!“

Die Kundschafter: „Wir danken dir sehr für deine große Liebe und Freundlichkeit. Aber wir wollen es nicht geschenkt haben; wir wollen zahlen, was recht ist!“

Der Efendi aber verneigte sich höflich und sprach: „Wie? Ist das unsere Freundschaft, dass wir nach Geld fragen sollten? Nein, ich will es umsonst geben und mich dazu.“

Die Unseren: „Du bist ein freundlicher Mann. Aber sage uns doch einen Preis, wir möchten sehen, was du darüber denkst.“

Efendi: „Ihr müsst nicht denken, dass ich aufs Geld sehe! Aber es ist ein schönes Haus!“

Die Unseren: „Ja, aber was denkst du über den Preis?“

Efendi: „Was soll der Preis zwischen mir und euch? Sind wir nicht Freunde? Aber freilich ist es ein sehr schönes Haus und mindestens hundert Napoleonsd’or Mietzins wert.“

Großes Erstaunen auf der anderen Seite. Endlich, nachdem sie sich von ihrem Schreck etwas erholt hatten, sagten sie ihm: „Nein, das ist doch gar zu viel. Soweit dürfen wir nicht gehen. Geh du ein wenig herunter!“

Aber trotz stundenlangem Handel war er absolut nicht zu bewegen, den Preis zu ändern. Und derselbe Mann, der es uns vorher schenken wollte, war so hartnäckig, dass er wiederholt versicherte, keinen roten Para würde er von seinen hundert Lira lassen. Sie mussten Hebron unverrichterter Dinge verlassen. Da, bei Halhul, dem Dorf, welches unter demselben Namen schon bei Josua vorkommt, eine gute Stunde von Hebron entfernt, hören sie Pferdegetrappel hinter sich. Ein Reiter kommt ihnen nachgeritten und holt sie wieder zurück. Der Efendi hatte sich besonnen, das Haus um siebzig zu geben. Aber soweit durften sie auch nicht gehen. Und erst, nachdem ich ihn noch einige Tage als Gast im Haus gehabt hatte und die hartnäckigsten Verhandlungen mit ihm gepflogen waren, zwischen welche hinein er natürlich wiederholt versicherte, er wolle es es uns schenken, konnte er dazu gebracht werden, von seinen hundert Lira auf fünfzig herunter zu gehen.

Wem fiele da nicht jene Geschichte ein, die sich lange, lange vorher, schon vor viertausend Jahren in dieser Stadt zugetragen hat? Abraham kommt, die Tränen noch im Auge, denn er kommt von der Leiche seiner Lebensgefährtin, die einst in Jugendtagen mit ihm gezogen war aus Mesopotamien. Und er verhandelt mit Efron, denn er möchte die liebe Tote nicht in fremder Erde und in einem fremden Grab bestatten.

Er trägt Efron, dem Hetiter, die Bitte vor, ihm die Höhle Machpela zu überlassen, „um Geld, so viel es wert ist, zum Erbbegräbnis.“

Aber Efron sprach: „Nein, nein, Herr, sondern höre mir zu! Ich schenke dir den Acker und die Höhle darinnen dazu!“

Da bückte sich Abraham vor dem Volk des Landes, den Kindern Het, und sprach: „Willst du mir ihn lassen, so bitte ich, nimm von mir das Geld für den Acker, so will ich meinen Toten daselbst begraben.“

Da antwortete der schlaue Hetiter: „Mein Herr, höre doch mich! Das Feld ist vierhundert Schekel Silbers wert. Was ist das aber zwischen mir und dir? Begrabe nur deinen Toten.“

Abraham gehorchte Efron und wog ihm das Geld dar. (1 Mo 23,3-18).

Ist es nicht merkwürdig, wie sich solch ein Handel viertausend Jahre später in derselben Stadt noch in derselben Weise abspielen kann?