Ein Bibelübersetzer entdeckt ...

Schlagwort: Siegel

Die Endzeit

Die Endzeit ist ein Thema, das viele Christen schon viel bewegt hat. Dabei schaut man leider oft in die Zukunft, ohne zu beachten, dass die Endzeit längst begonnen hat.

Am Pfingsttag erklärt Petrus das Geschehen mit Bezug auf eine Prophetie von Joel. Apg 2,17: „Es ist vielmehr das, was durch den Propheten Joel gesagt ist: ‚Es wird sein‘ in den letzten Tagen, sagt Gott, ‚da werde ich ausgießen von meinem Geist auf alle Menschen … . Die „letzten Tage“ hatten also damals begonnen. Eines ihrer Kennzeichen ist das Ausgießen des Heiligen Geistes durch Gott. Und das Ausgießen des Geistes geht ja weiter, jedesmal wenn ein Mensch neu aus Gott geboren wird, bis Jesus kommt.

Auch Paulus spricht von den „letzten Tagen“, die bereits angebrochen sind – 2 Tim 3,1-2: „Das musst du wissen, dass in den letzten Tagen schwierige Zeiten sein werden. Denn (so) werden die Menschen sein: egoistisch, geldgierig, Angeber, überheblich, Lästerer, Eltern widerstrebend, undankbar, würdelos, …“. Die einen erfüllt der Herr mit Heiligem Geist, die anderen offenbaren ihr sündiges Wesen. Auch das wird so weitergehen, bis der Herr kommt.

Und im 1. Korintherbrief sagt er mit Blick auf jene sündige Generation, die nach dem Auszug aus Ägypten in der Wüste sterben musste – 1 Kor 10,11: „Diese Dinge geschahen beispielhaft an jenen, geschrieben wurden sie aber zur Warnung für uns, zu denen das Ende der Zeiten gekommen ist.“ Das Ende der Zeiten könnte man auch mit „Ziel der Äonen“ übersetzen. Das Ziel der Geschichte Gottes ist also die jetzige Zeit, in der er sein Königreich in Gestalt der Gemeinde aufbaut. Die Entrückung bei der Ankunft des Herrn ist dann der Höhepunkt kurz vor dem Abschluss der Zeit.

Auch Petrus schreibt darüber – 1 Petr 1,20-21a – über den Messias: „Er war zwar vor Erschaffung der Welt schon bekannt, wurde aber sichtbar gemacht für die letzte der Zeiten wegen euch, die durch ihn gläubig sind an Gott.“ Mit dem ersten Erscheinen des Messias hat also die letzte der Zeiten begonnen. Bei seinem zweiten Erscheinen ist sie dann zu Ende.

Ganz deutlich sagt es Johannes – 1 Joh 2,18: „Kinder, es ist die letzte Zeit. Und wie ihr gehört habt, dass ein Antichrist kommt, so sind jetzt auch viele Antichristen entstanden. Daran erkennen wir, dass es die letzte Zeit ist.“ Die letzte Zeit, die Endzeit, ist demnach auch die antichristliche Zeit, und sie hatte damals schon angefangen.

Und auch der Hebräerbrief geht davon aus – Heb 1,1-2: „Nachdem Gott vielseitig und vielfältig schon lange zu unseren Vorfahren gesprochen hat durch die Propheten, hat er auf die letzte dieser Zeiten hin zu uns gesprochen durch den Sohn.“ Mit dem Sohn hat also die letzte der Zeiten dieser Welt begonnen.

Auch Jesus hat natürlich davon gesprochen. Seine Lehre über die Endzeit haben uns die neutestamentlichen Autoren in Mt 24, Mk 13 und Lk 21 berichtet. Besonders interessant ist es, die Themen, die Jesus in dieser „Endzeitrede“ anspricht, mit den Themen zu vergleichen, die in Offb 6 und 7 während des Öffnens der sechs Siegel erscheinen:

In Mt 23,4-5 und 23-24 spricht Jesus von falschen „Gesalbten“. – Beim ersten Siegel in Offb 6,2 erscheint der Antichrist.

Mt 23,6-7 spricht von kommenden Kriegen. – Beim zweiten Siegel in Offb 6,3-4 tritt der Krieg in Person auf.

In Mt 23,7 sagt Jesus Hungersnöte voraus. – Beim dritten und vierten Siegel in Offb 6,5-8 erscheinen Inflation und Tod.

Mt 23,9 bereitet die Jünger auf Verfolgung vor. – Beim fünften Siegel in Offb 6,9-11 erscheinen Seelen von Ermordeten am Altar im Himmel.

In Mt 23,14 geht die Botschaft hinaus in die ganze Welt. – Unter dem sechsten Siegel (Teil 2) in Offb 7,1-8 erhält die Vollzahl des Gottesvolkes die Versiegelung mit Heiligem Geist.

Mt 23,19 spricht dann von den Zeichen an Sonne Mond und Sternen am Ende der Zeit. Der entsprechende Inhalt wird ebenso unter dem sechsten Siegel (Teil 1) in Offb 6,12-17 offenbart.

In Mt 23,30-31 wird die Ankunft des Herrn und die Entrückung seiner Auserwählten angekündigt. – Und unter dem sechsten Siegel (Teil 3) in Offb 7,9-17 sehen wir die entrückte Gemeinde als unzählbare Schar im Himmel vor Gottes Thron.

Diese Parallelität kann kein Zufall sein. Was Jesus als Irdischer über die letzte Zeit gelehrt hat, bekräftigt er also noch einmal als Auferstandener in der Offenbarung. Der Inhalt der Siegel-Offenbarungen entspricht sehr deutlich der Endzeitrede in den Evangelien.

Und wenn die Visionen während der Siegelöffnung die Kurzfassung der Sache sind, dann dürfen wir erwarten, auch in der folgenden Langfassung wieder auf diese Inhalte zu treffen.

Mit dieser Betrachtungsweise erscheint die Offenbarung nun nicht mehr als Spekulationsobjekt. Sie ist vielmehr wieder ein neutestamentliches Buch, das mit den anderen übereinstimmt. Und am Ende kann man sie vielleicht sogar noch recht einfach verstehen …

Die apokalyptischen Reiter

Die apokalyptischen Reiter tauchen in Offb 6 nacheinander auf, während Jesus, das Lamm, die ersten vier Siegel der Schriftrolle öffnet. Man nennt sie „apokalyptisch“, weil man sie aus der „Apokalypse“ kennt. Das ist ein antiqierter Ausdruck für das Buch der Offenbarung. Schauen wir sie uns einmal an:

„Und ich sah, dass das Lamm eines der sieben Siegel öffnete. Und ich hörte eines der vier Lebewesen sagen wie mit einer Donnerstimme: ‚Geh!‘ Und ich sah: Da war ein weißes Pferd, und der Reiter darauf hatte einen Bogen. Man gab ihm einen Siegeskranz, und er zog los als Sieger, um zu siegen.

Als es das zweite Siegel öffnete, hörte ich das zweite Lebewesen sagen: ‚Geh!‘ Und ein anderes Pferd ging hinaus, ein feuerrotes. Dem Reiter darauf wurde gegeben, den Frieden von der Erde zu nehmen, damit sie einander töten. Man gab ihm ein großes Schwert.

Als es das dritte Siegel öffnete, hörte ich das dritte Lebewesen sagen: ‚Geh!‘ Und ich sah: Da war ein schwarzes Pferd, und der Reiter darauf hatte eine Waage in seiner Hand. Ich hörte etwas wie eine Stimme mitten zwischen den vier Lebewesen: ‚Ein Kilo Weizen um einen Denar und drei Kilo Gerste um einen Denar, dem Öl und dem Wein darfst du aber nicht schaden!‘

(Ein Denar entspricht ungefähr dem Wert von 25 Euro. Das Öl und der Wein stehen für Luxusgüter, die Reiche sich auch in der Teuerung immer noch leisten können.)

Als es das vierte Siegel öffnete, hörte ich die Stimme des vierten Lebewesens sagen: ‚Geh!‘ Und ich sah: Da war ein ein grünliches Pferd, und der Reiter darauf hatte einen Namen, ‚der Tod‘. Und die Totenwelt folgte ihm.

Ihnen wurde Macht gegeben über den vierten Teil der Erde, zu töten durch Schwert, durch Hunger, durch Krankheit und durch die wilden Tiere der Erde.“

Eines ist deutlich: Die apokalyptischen Reiter sind damals hinausgegangen auf die Erde; Johannes hat keine ferne Zukunft geschaut, sondern lebendige Realität. Und sie sind zwar hintereinander hinausgeritten, aber sie gehören zusammen. Sie sind gleichzeitig am Werk und bestimmen die Weltgeschichte mit – bis heute.

Die Reiter zwei bis vier kann man gut erkennen. Der zweite Reiter ist der Krieg. Der dritte Reiter ist die Inflation, die immer auf den Krieg folgt. Und der vierte Reiter ist der Tod, der neben Krieg und Hunger auch durch Krankheit und wilde Tiere unter den Menschen sein Werk verrichtet. Und wenn man auch Viren und Bakterien zu den wilden Tieren zählt, ist diese Aussage bis heute hoch aktuell. Natürlich sind diese Reiter dämonische Mächte, die man – wohlgemerkt: vom Thronbereich Gottes – aussendet.

Schwieriger ist der erste Reiter einzuordnen, der Sieger mit seinem Bogen. Als „Sieger“ mag einem zuerst Jesus einfallen, aber er ist ja am Siegelöffnen und verursacht den Ausritt. Und so ist es nicht gut vorstellbar, dass er sich hier selbst aussendet. Und den Reiter auf die Siegesbotschaft zu deuten, das Evangelium, das siegreich hinauszieht, hat die gleiche Schwierigkeit, die auch die Deutung auf Jesus selbst hat. Die Gefolgschaft der anderen drei Reiter passt überhaupt nicht dazu. Zumal sich die Ausage in Vers 6 „ihnen wurde Macht gegeben … zu töten“ auf alle vier Reiter bezieht.

Wo finden wir in der Offenbarung bzw. im Neuen Testament eine Siegergestalt, die zu den drei anderen Reitern passt? Einen, der es auch noch fertigbringt, auszusehen wie Jesus? Da kommt nur der Antichrist in Frage. Auch er ist eine dämonische Macht. Und über ihn steht in Offb 13,7 der furchtbare Satz: „Es wurde ihm gegeben, Krieg zu führen mit den Heiligen und sie zu besiegen.“ Da haben wir unseren Sieger mit seinem Bogen. Und seine Gefolgschaft, bestehend aus Krieg, Inflation, Hunger und Tod, passt wunderbar dazu.

So werden die apokalyptischen Reiter hier kurzgefasst als Mächte enthüllt, die die Menschheitsgeschichte mitbestimmen. Das geht seit damals durch die ganze Endzeit, bis Jesus kommt und der Sache ein Ende macht.

Die Gemeinde des Herrn, die gegenüber diesen Mächten ihren Weg finden muss, kommt in diesen vier Siegelvisionen noch nicht vor. Wir werden sie unter dem fünften Siegel und in Kapitel 7 finden.

Das Buch mit sieben Siegeln

Das Buch mit sieben Siegeln erscheint in Offb 5,1: „Und ich sah auf der rechten Hand dessen, der auf dem Thron sitzt, eine Schriftrolle, beschrieben von innen und von hinten, mit sieben Siegeln versiegelt.“ Dieses Buch auf der Hand Gottes ist insofern eine etwas rätselhafte Angelegenheit, als dass wir weder in der Bibel noch in der biblischen Umwelt eine direkte Parallele dazu finden. Aber es gibt Ähnlichkeiten:

1) Bei der Einsetzung des Königs Joasch in 2 Kön 12 wurde ihm neben der Krönung und der Salbung auch eine „Ordnung“ übergeben.

2) Der Prophet Hesekiel erhielt nach seiner in Hes 1 beschriebenen Berufung in Hes 2 eine Schriftrolle mit prophetischen Botschaften, die er aufessen sollte.

3) Dem Kommentar von Adolf Pohl zur Offenbarung entnehme ich, dass römische Rechtsurkunden siebenfach versiegelt waren, vom Aussteller der Urkunde und von sechs Zeugen. Und mit dem Öffnen der Siegel wurde die Urkunde in Kraft gesetzt.

Vielleicht müssen wir von allen diesen ungefähren Parallelen etwas entnehmen. Das Buch bzw. die Schriftrolle in Offb 5 ist in Gottes Hand, kommt also von Gott. Sie kann nur Gottes Gedanken und Pläne enthalten. Die Frage ist, wer sie übernehmen und ausführen kann. Das Lamm, das die Sünde und den Tod besiegt hat, kann es. Jesus nimmt die Schriftrolle, und die himmlische Welt sagt unisono: „Das Lamm, das getötet war, ist würdig, die Macht zu empfangen …“. Hier wird ein König eingesetzt. Und er hat die Vollmacht, die Siegel zu brechen und den Plan Gottes zu offenbaren und auszuführen.

Schauen wir uns das Buch mit den sieben Siegeln als Schriftrolle etwas genauer an. Sie ist „von innen und von hinten“ beschrieben. Schriftrollen waren aus Einzelblättern zusammengeklebt und konnten sehr lang sein. Sie wurden auf der Vorderseite beschrieben, und diese war beim Zusammenrollen dann „innen“. Zusammengerollt konnte die Rolle dann am Anfang auf dem senkrechten Rand des Papiers bzw. Papyrus versiegelt werden. Auf diesem Rand müssen wir uns die sieben Siegel in einer Reihe von oben nach unten vorstellen.

Nun sahen damals zusammengerollte Schriftrollen zunächst einmal alle gleich aus. Und es wäre mühsam gewesen, wenn man eine bestimmte Rolle suchte, zum Nachsehen alle erst aufmachen zu müssen. Deshalb bekamen sie im zusammengerollten Zustand außen, also „hinten“ auf der Rückseite eine Beschriftung, die den Inhalt der Rolle zusammengefasst darstellte, also eine Art Inhaltsangabe. So konnte man an jeder Rolle schon von außen den Inhalt erkennen.

So auch auf unserer Schriftrolle in der Hand des Lammes. Sie ist innen und hinten beschrieben. Solange also die Siegel geöffnet werden, ist die Rolle an sich noch geschlossen, das Innere ist noch nicht sichtbar. Also läuft jetzt nur die Kurzfassung, die außen drauf steht, vor den Augen von Johannes ab. Erst, wenn das siebte Siegel offen ist, ist auch die Rolle offen, und es erscheint der eigentliche Inhalt in der langen Fassung.

Und so haben wir von Offb 4,1 bis 8,1 ein zusammenhängendes Geschehen. Erst sehen wir Gott auf dem Thron, umgeben von der Engelwelt. Dann erscheint bei ihm das Lamm, der siegreiche Jesus, und übernimmt mit der Schriftrolle die Königsmacht. Dann öffnet er ein Siegel um das andere, bis die Rolle offen ist. Und währenddessen wird eine Kurzfassung dessen sichtbar, was dann ab Offb 8,2 als ausführlicher Inhalt der Schriftrolle erscheint.

Israel

Eine wichtige und in manchen christlichen Kreisen viel besprochene Frage ist, was das Neue Testament zum Thema „Israel“ sagt. Israel ist zunächst das alttestamentliche Volk Gottes. Ihm sandte Gott, „als die Zeit erfüllt war“, seinen Sohn, Jesus den Messias. Und an Jesus dem Messias hat sich Israel dann gespalten. Ein größerer Teil Israels hat Jesus als Messias abgelehnt. Ein kleinerer Teil Israels in Gestalt der Jünger und der ersten Gemeinde hat Jesus angenommen. Und der ablehnende Teil Israels war dann nicht nur bei der Hinrichtung von Jesus die treibende Kraft, sondern auch bei der Verfolgung der ersten Gemeinde.

Über das Verhältnis dieser beiden Teile Israels hat Paulus ausführlich im Römerbrief geschrieben, in den Kapiteln 9 bis 11. Er legt dar, dass es einen ungläubigen Teil Israels gibt, der sich mit seiner Ablehnung selbst vom Geschenk Gottes im Messias ausgeschlossen hat, und dass es den gläubigen „Rest“ Israels gibt, mit dem Gott nun seinen Weg weitergeht.

Und in den gläubigen Rest-Teil Israels werden dann auch Nichtjuden aufgenommen. Ihnen hat Gott die Türe geöffnet, ins Volk Gottes hereinzukommen. Und so sind sie nicht mehr „Fremde und Ausländer“, sondern „Mitbürger der Heiligen und Angehörige Gottes“ (Eph 2,19). Paulus stellt das im Bild des Olivenbaums dar: Alte Zweige wurden abgeschnitten, neue Zweige werden eingepfropft, die genauso dazugehören. Die gläubige Gemeinde aus Juden und Nichtjuden ist nun das gläubige und treue Volk Gottes – Israel.

Das hatte auch Jesus selbst schon dem ablehnenden Teil Israels angekündigt. Mt 21,47: „Das Reich Gottes wird von euch weggenommen werden und einem Volk gegeben werden, das dessen Früchte hervorbringt.“

Die Haltung der Gemeinde zum abtrünnigen Teil Israels ist aber eindeutig. Es ist die Haltung, die auch Jesus selbst hatte: Schmerz und Trauer und der Wunsch, sie auch weiterhin zu gewinnen. Sie zu verfolgen und möglichst auszurotten, war nie ein Gedanke der christlichen Gemeinde. Der „christliche“ Antisemitismus konnte erst auf dem Boden des kirchlichen Antichristentums aufkommen und seine bösen Früchte hervorbringen.

Paulus sagt, dass Gott auch für den abtrünnigen Teil Israels an seinen Zusagen festhält. Auch wenn es ein untreues Israel gibt, bleibt Gott doch treu. Und wenn Jesus wiederkommt, wird auch dieser Teil Israels ihn als seinen Messias erkennen und annehmen und gerettet werden. Aber bis dahin ist das einzige Volk Gottes und damit das „Israel Gottes“ die Gemeinde.

In Gal 6,16 schreibt Paulus: „Friede und Erbarmen über alle, die sich nach dieser Regel richten, über das (ganze) Israel Gottes!“ Nachdem er die Forderung nach der physischen Beschneidung der bekehrten Nichtjuden abgewehrt hat, hat er diese neue Regel in Vers 15 so beschrieben: „Weder Beschneidung noch Unbeschnittenheit ist etwas, sondern eine neue Schöpfung!“

Anstelle der physischen Beschneidung gibt es nun in der neuen Geburt eine geistliche Beschneidung. Röm 3,28-29: „Nicht der ist nämlich ein Jude, der es im Sichtbaren ist, und nicht das ist Beschneidung, was am Körper sichtbar ist. Vielmehr ist der ein Jude, der es im Verborgenen ist, und Beschneidung des Herzens (geschieht) im Geist, nicht mit Buchstaben. Das Lob eines solchen (Menschen) kommt nicht von Menschen, sondern von Gott.“ Die Beschneidung ist also nicht abgeschafft, sondern sie wird erfüllt in der Reinigung des Herzens durch den Heiligen Geist.

Paulus geht hier tatsächlich so weit, diese nach der neuen Regel „Beschnittenen“ nun auch als die wahren „Juden“ zu bezeichnen. Die abtrünnigen Juden haben also trotz ihrer physischen Beschneidung ihr eigentliches „Judentum“ verloren, ihre Beziehung zu Gott. Und ein hereinkommender Nichtjude wird nun durch die Beschneidung des Herzens zu einem Angehörigen des Volkes Gottes, zu einem „Juden“.

Von seiner Ursprungsgeschichte her bezeichnete sich Israel auch gerne als das „Zwölf-Stämme-Volk“. Und hier löst sich auch das Rätsel um die Frage, an wen Jakobus seinen Brief geschrieben hat. „Jakobus, ein Sklave Gottes und des Herrn, Jesus des Messias: an die zwölf Stämme in der Diaspora. Seid gegrüßt!“ (Jak 1,1). Dass Jakobus an Gläubige schreibt, ist vom Inhalt des Briefes her ganz klar. Wenn nun die Gläubigen das wahre „Israel Gottes“ sind, dann sind sie auch das Zwölf-Stämme-Volk.

Von hier aus fällt dann auch Licht auf eine der Visionen in der Offenbarung – Offb 7,1-8:

„Danach sah ich vier Engel an den vier Enden der Erde stehen, die halten die vier Winde der Erde fest, damit kein Wind wehen soll über die Erde, über das Meer und über jeglichen Baum. Und ich sah einen anderen Engel heraufkommen vom Aufgang der Sonne, der hatte ein Siegel des lebendigen Gottes und rief mit lauter Stimme zu den vier Engeln, denen es gegeben worden war, der Erde und dem Meer zu schaden: ‚Schadet weder der Erde, noch dem Meer, noch den Bäumen, bis wir die Sklaven unseres Gottes auf ihren Stirnen versiegelt haben!‘ Und ich hörte die Zahl derer, die versiegelt wurden: ‚hundertvierundvierzigtausend‘.

Es sind Versiegelte aus jedem Stamm der Nachkommen Israels: vom Stamm Juda zwölftausend Versiegelte, vom Stamm Ruben zwölftausend, vom Stamm Gad zwölftausend, vom Stamm Ascher zwölftausend, vom Stamm Naftali zwölftausend, vom Stamm Manasse zwölftausend, vom Stamm Simeon zwölftausend, vom Stamm Levi zwölftausend, vom Stamm Issachar zwölftausend, vom Stamm Sebulon zwölftausend, vom Stamm Josef zwölftausend, vom Stamm Benjamin zwölftausend Versiegelte.“

Für das „Versiegeln“ gibt es Parallelstellen im Neuen Testament:

„Es ist Gott, der uns samt euch festigt auf den Messias hin, der uns gesalbt hat, der uns versiegelt hat, der als Anzahlung den Geist gegeben hat, der in unseren Herzen ist.“ (1 Kor 1,21).

„In ihm wurdet ihr auch, als ihr zum Glauben kamt, versiegelt mit dem versprochenen Heiligen Geist, der eine Anzahlung unseres Erbes ist auf die erworbene Erlösung hin, zum Lob seiner Herrlichkeit.“ (Eph 1,13b+14).

„Und macht nicht den Heiligen Geist Gottes traurig, mit dem ihr versiegelt wurdet auf den Tag der Erlösung hin!“ (Eph 4,30).

Das ist die neutestamentliche Lehre von der „Versiegelung“.

Und mit dieser Erkenntnis verstehen wir nun auch die Vision in der Offenbarung. Die vier Winde (die das letzte Gericht über die Erde bringen sollen) müssen still bleiben, bis die zwölf Stämme (die gläubige Gemeinde aus Juden und Nichtjuden) versiegelt sind mit dem Heiligen Geist. Das ist ja ein fortlaufender Prozess, solange noch immer durch neue Geburt neue Gläubige hereinkommen. Das geht so lange, bis es hundervierundvierzigtausend sind (die volle – symbolische – Zahl, die Gott in seinem Plan festgelegt hat).

Und dann kommt das Ende. Jesus holt die Gemeinde weg, und wir sehen sie in der darauf folgenden Vision in Offb 7,9-17 als unzählbare Menge, als vollendete Gemeinde vor dem Thron Gottes. (Dass die unzählbare Menge aus 144.000 besteht, ist nur scheinbar ein Widerspruch: Gott kann sie zählen, Menschen können es nicht.)

Heiligen Geist bekommen

In meinem letzten Beitrag habe ich die Ankündigung des Geistes im Alten und Neuen Testament dargestellt. In einem früheren Beitrag hatte ich besprochen, warum wir nicht „den“ Heiligen Geist haben, sondern „nur“ Heiligen Geist haben. Auch über die Frage, was es heißt, Im Geist zu sein, hatte ich schon viele Bibelstellen zusammengestellt. Dazwischen fehlt jetzt noch das Thema: „Heiligen Geist bekommen“.

Auch hier gilt in der griechischen Ausdrucksweise wieder die Differenzierung, dass der einzelne Christ nicht „den Heiligen Geist“ bekommt. Er bekommt „Heiligen Geist“ als Anteil am Heiligen Geist. Zunächst ist die Apostelgeschichte dafür das maßgebende Buch. Hier schildert Lukas nämlich in etlichen Fällen, wann und wie Menschen Heiligen Geist bekommen.

Der Start ist bekanntermaßen das Kommen des Geistes auf die damalige Gemeinde an jenem denkwürdigen Pfingstfest, wie in Apg 2 berichtet. Achten wir auch gleich auf die unterschiedlichen Formulierungen: Der Geist „kam“ und „erfüllte“ das Haus. Und dann erschien etwas wie Feuerzungen und „setzte sich“ auf jeden von ihnen, und sie wurden von Heiligem Geist „erfüllt“.

Erst Petrus nennt das Geschehen in seiner erklärenden Rede an die Zusammengelaufenen dann ein „Ausgießen“, und zwar anhand der Prophetie von Joel. Allerdings spricht er aber erst über Jesus, dass er der Messias ist. Und als sie – tief getroffen – bereit sind, sich zu bekehren, fordert er sie zunächst zur Taufe im Wasser auf. Daran anschließend sagt er, dann würden sie auch „das Geschenk des Heiligen Geistes bekommen“.

Lukas erzählt uns an dieser Stelle nicht weiter, wie die damaligen Zuhörenden dieses Geschenk konkret bekommen haben. Aber in späteren Fällen gibt er wieder Schilderungen davon.

In Kapitel 5 kommen durch Philippus viele Leute in Samaria zum Glauben, also hauptsächlich Samariter. Davon hören die Gesandten in Jerusalem und schicken Petrus und Johannes dorthin. Lukas erzählt: „Als die zu ihnen hinabkamen, beteten sie für sie, dass sie Heiligen Geist bekämen. Der war nämlich noch auf niemanden von ihnen gefallen. Sie waren nur untergetaucht worden in den Namen von Jesus, dem Herrn. Dann legten sie ihnen die Hände auf, und sie bekamen Heiligen Geist.“ Wir haben also auch hier die Ausdrücke „fallen auf“ und „bekommen“. In der Auseinandersetzung mit dem Magier Simon heißt es dann auch noch, dass der Geist „gegeben wird“. Und Petrus spricht wieder vom „Geschenk Gottes“.

In Apg 9 erzählt uns Lukas die Bekehrung von Paulus. In Damaskus kommt der Jünger Hananias im Auftrag des Herrn zu dem erblindeten und fastenden Paulus. Und er sagt zu ihm: „Saul, Bruder! Der Herr hat mich gesandt, Jesus, der dir erschienen ist auf dem Weg, den du gekommen bist, damit du wieder sehen kannst und von Heiligem Geist erfüllt wirst.“ Auch hier schildert uns Lukas nicht, wie dieses „Erfülltwerden“ dann ausgesehen hat.

In Apg 10, während Petrus dem Römer Cornelius und seiner Hausgemeinde in Cäsarea die Botschaft verkündete, da „fiel der Heilige Geist auf alle, die das Wort hörten. Und die Gläubigen von den Beschnittenen, die mit Petrus gekommen waren, waren fassungslos, weil auch auf die Nichtjuden das Geschenk des Heiligen Geistes ausgegossen war. Denn sie hörten, dass sie in Gebetssprachen sprachen und Gott rühmten. Daraufhin sprach Petrus laut aus: „Kann denn jemand das Wasser verwehren, dass diese nicht untergetaucht werden, die den Heiligen Geist empfangen haben genau wie wir?“ In wenigen Zeilen haben wir hier die drei Ausdrücke „fiel auf“, „ausgegossen“ und „empfangen“.

In Apg 11 musste sich Petrus in Jerusalem dann noch dafür rechtfertigen, dass er Nichtjuden getauft hatte. Dabei sagte er: „Und als ich begonnen hatte zu sprechen, fiel der Heilige Geist auf sie, wie am Anfang auch auf uns. Ich wurde an das Wort des Herrn erinnert: ‚Johannes hat untergetaucht mit Wasser, ihr aber werdet untergetaucht werden in Heiligem Geist.‘ Wenn Gott ihnen dasselbe Geschenk gegeben hat wie auch uns, die wir an den Herrn, Jesus den Messias, glauben, hätte jemand wie ich dann vielleicht Gott davon abhalten sollen?“ Petrus sagt, der heilige Geist „fiel auf sie“, und Gott hat ihnen dasselbe „Geschenk gegeben“.

Und er begründete es auch mit der Erinnerung an das Wort von Jesus, sie würden „untergetaucht werden in Heiligem Geist“. Er bestätigt hier also, das das hier geschehene Empfangen des Geistes die Erfüllung der angekündigten Geisttaufe ist. Und die Verbindung zur ersten Geistausgießung an Pfingsten stellt er her mit der zweimaligen Formulierung „wie auf uns“. Es ist hier also geschehen, was Jesus angekündigt hat und die Jerusalemer an Pfingsten als Erste erlebt haben.

Und dann das denkwürdige Ereignis in Ephesus als Paulus dort einige Jünger traf – Apg 19:

Er sagte zu ihnen: „Habt ihr Heiligen Geist bekommen, als ihr zum Glauben gekommen seid?“ Sie (antworteten) ihm: „Aber wir haben nicht einmal davon gehört, dass es Heiligen Geist (für uns) gibt!“ Er sagte: „In was seid ihr denn untergetaucht worden?“ Sie sagten: „In die Taufe des Johannes.“ Paulus sagte: „Johannes hat untergetaucht mit einer Taufe der Sinnesänderung und dem Volk gesagt, dass sie an den glauben sollten, der nach ihm kommt, das heißt, an Jesus.“ Als sie das hörten, ließen sie sich untertauchen in den Namen von Jesus, dem Herrn. Und als Paulus ihnen die Hände auflegte, kam der Heilige Geist auf sie, und sie redeten in Gebetssprachen und sprachen prophetisch.“

Von hier an wendet sich Lukas in der Apostelgeschichte anderen Ereignissen zu, und das Thema „Heiligen Geist bekommen“ taucht nicht mehr auf. Wir dürfen annehmen, dass er es, nachdem er es ein paar Mal beschrieben hat, einfach auch als bekannt voraussetzt.

Aber wir sind damit noch nicht fertig. In den Briefen des Neuen Testaments gibt es nämlich im Rückblick noch etliche Erwähnungen dazu. Die Geschwister haben alle Heiligen Geist bekommen, und man erfährt auch, was es bedeutet.

Etwas indirekt in 1 Thess 1,6: „Ihr … habt das Wort angenommen unter viel Bedrängnis mit Freude des Heiligen Geistes.“ Die Freude des Heiligen Geistes setzt voraus, dass sie Heiligen Geist bekommen haben.

1 Kor 2,12: „Und wir haben nicht den Geist der Welt bekommen, sondern den Geist aus Gott, damit wir wissen sollen, was uns von Gott geschenkt ist.“

1 Kor 12,13: „Denn in einem Geist sind auch wir alle in einen Leib getaucht worden, seien wir Juden oder Griechen, Sklaven oder Freie. Alle sind wir mit einem Geist getränkt worden.“

Man beachte hier die Ausdrücke „tauchen“ und „tränken“. Mit dem Eintauchen im Geist geschieht gleichzeitig das Eintauchen in den Leib. Der Leib des Messias ist die Gemeinde. Und im Eintauchen wird man mit Geist „getränkt“ – das geht durch und durch.

2 Kor 1,21: „Es ist Gott, der uns samt euch festigt auf den Messias hin, der uns gesalbt hat, der uns versiegelt hat, der als Anzahlung den Geist gegeben hat, der in unseren Herzen ist.“

Hier sind drei Ausdrücke für dieselbe Sache. Mit Heiligem Geist „salben“, das ist der alttestamentliche Ausdruck, der vom Bild des Öls herkommt. Daher ist ja auch Jesus der „Gesalbte“ – der Messias – nicht mit Öl, sondern mit Heiligem Geist. „Versiegeln“ mit Heiligem Geist, das kommt vom Bild des Siegels. Mit einem Siegel wird offiziell das Besitz- bzw. Zugriffsrecht an einer Sache geklärt. Niemand anderer hat Zugriff darauf. Und schließlich sagt Paulus, dass der Geist „als Anzahlung gegeben“ wird, also als Vorausgabe für etwas noch viel Größeres.

Gal 3,2+3: „Nur das will ich von euch erfahren: Habt ihr den Geist durch das Tun des Gesetzes bekommen oder durch die Nachricht vom Glauben? Seid ihr so unverständig, dass ihr, die ihr mit Geist angefangen habt, es jetzt mit menschlichem Tun ‚vollendet‘?“

Gal 4,6: „Weil ihr Söhne und Töchter seid, hat Gott den Geist seines Sohnes in unsere Herzen gesandt, der laut ruft: ‚Papa! Vater!'“

Röm 8,15: „Ihr habt ja keinen Geist der Versklavung bekommen, wieder auf Angst hin, ihr habt vielmehr einen Geist der Kindschaft bekommen, in dem wir rufen: ‚Papa! Vater!’“

Eph 1,13+14: „In ihm wurdet ihr auch, als ihr zum Glauben kamt, versiegelt mit dem versprochenen Heiligen Geist, der eine Anzahlung unseres Erbes ist auf die erworbene Erlösung hin, zum Lob seiner Herrlichkeit.“

2 Tim 1,7: „Gott hat uns doch keinen Geist von Furchtsamkeit gegeben, sondern von Kraft und Liebe und klarem Denken.“

1 Joh 3,24: „Wer seine Gebote hält, bleibt in ihm und er in ihm. Und daran erkennen wir, dass er in uns bleibt: an dem Geist, von dem er uns gegeben hat.“ Und 1 Joh 4,13: „Daran erkennen wir, dass wir in ihm bleiben und er in uns: dass er uns von seinem Geist gegeben hat.“

Hebr 6,4: „… die das Geschenk des Himmels geschmeckt haben, die Teilhaber am Heiligen Geist geworden sind, …“

Wir sehen also, dass „Heiligen Geist bekommen“ für das Christsein konstituiv ist. Das ganze Leben im Geist als Einzelner und als Gemeinde beruht darauf.

An der Vielgestaltigkeit der Ereignisse und der Begriffe zeigt sich auch deutlich, dass „Heiligen Geist bekommen“ im Neuen Testament nichts mit einem festgelegten Ritual zu tun hat, schon gar nichts mit einem Sakrament der „Firmung“. Es ist offensichtlich: Der Heilige Geist im Leben des Christen und der Gemeinde ist lebendige Realität.

Wenn nicht, muss man sich fragen …