Ein Bibelübersetzer entdeckt ...

Schlagwort: Gesetz

Homosexualität

Homosexualität ist in heutiger Zeit ein offen besprochenes und gesellschaftlich relevantes Thema. In der westlichen Welt hat sich die Haltung dazu von Verbot und Verfolgung zu Akzeptanz und Anerkennung gewandelt. Und im Buhlen um die Anerkennung der Welt wird auch in kirchlichen Kreisen die Segnung von gleichgeschlechtlichen (Ehe-)Paaren diskutiert und praktiziert.

Wirkliche Christen orientieren sich aber nicht an den wandelbaren Meinungen in der Welt, sondern an dem in der Bibel geoffenbarten Willen Gottes. Und den Willen Gottes gilt es, im eigenen Leben umzusetzen und nicht in einer gottlosen Welt. Es geht also in diesem Artikel über Homosexualität nicht um Politik, sondern um Gehorsam gegenüber Gott im eigenen Leben und in der Gemeinde Gottes.

Die Aussage der Bibel ist zunächst einmal eindeutig. Schon im Gesetz Moses gibt es ein klares Verbot – 3 Mo 18,22: „Bei einem Männlichen sollst du nicht liegen, wie man bei einer Frau liegt; es ist abscheulich.“

Dazu kommt dann noch die strafrechtliche Bestimmung: – 3 Mo 20,13: „Wenn ein Mann bei einem Männlichen liegt, wie man bei einer Frau liegt, haben beide etwas Abscheuliches getan. Sie sollen ganz gewiss getötet werden; ihre Blutschuld (liegt) bei ihnen.“

Ich habe diese Stellen in eigener Übersetzung zitiert. Die Aussagen sind für das Verhalten von Männern formuliert. Ein entsprechendes Verhalten von Frauen wird nicht erwähnt, dürfte aber sinngemäß mitgemeint sein. Damit war das Thema Homosexualität offensichtlich so geklärt, dass es im ganzen Alten Testament nirgendwo wieder vorkommt.

Auch im Neuen Testament begegnet uns das Phänomen zunächst nicht. Jesus hat in seiner Lehre nicht darüber gesprochen. Innerhalb Israels war die Sache offensichtlich auch damals kein Thema. Erst als die Botschaft von Jesus sich auch in der Heidenwelt ausbreitete, tauchte die Problematik auf. Paulus erwähnt sie, und zwar in drei seiner Briefe. In der Abgrenzung zum Heidentum und in der Heiligung der Heidenchristen musste man sich damit wohl befassen. Er erwähnt die Sache in zwei Aufzählungen von sündigem Verhalten und geht im Römerbrief dann etwas ausführlicher darauf ein:

1 Ko 6,9b-10: „Weder Unzüchtige noch Götterverehrer noch Ehebrecher noch Verführer noch praktizierende Homosexuelle noch Diebe noch Habgierige, keine Trinker, keine Verleumder, keine Räuber werden das Reich Gottes erben.“

1 Tim 1,8-10: „Wir wissen aber, dass das Gesetz gut ist, wenn jemand gesetzestreu damit umgeht und weiß, dass das Gesetz nicht für einen Gerechten gegeben ist, sondern für Verbrecher und Respektlose, Gottlose und Sünder, Würdelose und Unreine, Leute, die Vater und Mutter schlagen, Mörder, Unzüchtige, praktizierende Homosexuelle, Menschenhändler, Lügner, Meineidige – und alles andere, das der heilsamen Lehre entgegensteht.“

Rö 1,26-27: „Deswegen liefert Gott sie in verachtenswerte Leidenschaften aus: Ihre Frauen vertauschen den natürlichen Geschlechtsverkehr mit dem gegen die Natur. Genauso verlassen auch die Männer den natürlichen Geschlechtsverkehr mit der Frau und entbrennen in ihrer Gier zueinander. Männer vollbringen die Schande mit Männern, und den Gegenlohn, der ihrer Irreführung gebührt, bekommen sie an sich selbst zurück.“

Vielleicht ist aufgefallen, dass ich nicht einfach mit „Homosexuelle“ übersetzt habe, sondern mit „praktizierende Homosexuelle“. An allen Stellen verurteilt die Bibel nämlich allein die homosexuellen Handlungen. Die Gefühlslage, die homoerotische innere Ausrichtung eines Menschen steht offensichtlich auf einem anderen Blatt. Für seine Gefühle kann ein Mensch zunächst nichts, für seine Taten ist er aber voll verantwortlich.

An der Stelle im Römerbrief bestätigt Paulus ausdrücklich, dass auch die Frauen mitgemeint sind. Interessant sind auch seine Begründungen für die Verurteilung der Sache. Man praktiziert hier „verachtenswerte“ Leidenschaften, man vollbringt „Schande“. Das liegt voll und ganz auf der Linie der Bezeichnung „abscheulich“ im Gesetz Moses. Die gemeinten Praktiken verstoßen offensichtlich gegen die biblische Sicht von der Würde des Menschen. Und alles Verachtenswerte und Schändliche ist natürlich Sünde, was denn sonst.

In den oben zitierten Aufzählungen von besonderen Sündern stehen unter den anderen allerdings auch die „Unzüchtigen“. Das sind Heterosexuelle, die Unzucht treiben. Sie sind offensichtlich keinen Deut besser als unzüchtige Homosexuelle. Und so steht ein homoerotisch empfindender Christ mit einem heteroerotisch empfindenden Christen unter dem gleichen Gebot, das die Sünde der Unzucht verbietet. Nur, dass er nicht die Möglichkeit der Ehe hat, die von Gott her als Ort der sexuellen Gemeinschaft vorgesehen ist. Denn die Ehe ist in der Bibel immer die Ehe zwischen Mann und Frau.

Wenn man nun die generelle Empfehlung zur Ehelosigkeit im Neuen Testament ernst nimmt, dann hat ein homoerotisch empfindender Nachfolger von Jesus keine andere Stellung als ein Eheloser, der heteroerotisch empfindet. Jesus ist so sehr das Ein und Alles, dass man auf sexuelle Beziehungen verzichten kann. Verzicht ist ja eine der Ausformungen der Frucht des Geistes (Gal 5,22). Und dann ist ja bei Gott sowieso alles möglich: Kraft zum Verzicht, Befreiung von Bindungen, Heilung von Körper und Seele. Es gibt auch christliche Gruppen, die von der Möglichkeit zur Veränderung des sexuellen Empfindens Zeugnis ablegen.

Immerhin steht unter der Aufzählung 1 Kor 6,9b-10 in Vers 11 der bedeutsame Satz: „Und einige von euch waren solche. Aber ihr wurdet abgewaschen, ihr wurdet heilig gemacht, ihr wurdet gerecht gemacht, durch den Namen des Herrn, Jesus des Messias, und durch den Geist unseres Gottes.“

Die Welt retten

Die Welt retten, das ist in unserer modernen Zeit ein aktuelles Thema. Die Welt ist bedroht durch den Klimawandel mit Hitzewellen, Flutkatastrophen, Artensterben, Eisschmelze und Anstieg des Meerespiegels. Doch eine Minderheit – geleitet vom humanistischen Bild des gutwilligen und vernünftigen Menschen – versucht, mit verschiedensten Mitteln die Entwicklung aufzuhalten. Von der Mehrheit erntet sie dafür Ablehnung, Verleumdung und Hass.

Die Mehrheit der Menschen pflegt nämlich keine ethische, sondern eine traditionelle und ästhetische Lebensweise. Alles soll am besten bleiben, wie es ist. Nicht, was richtig ist, zählt, sondern was praktisch, nützlich und angenehm ist. Und vor allem, was Spaß macht oder reich oder am besten beides. Und so beißen die Weltretter auf Granit.

Leider ist auch in christlichen Kreisen die Sicht verbreitet, ein jeder müsse mithelfen, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Das ist eine wohlklingendere und weniger massive Umschreibung für „retten“. Und so werden von pseudochristlichen Moralaposteln mit einem neuen Gesetz den Menschen wieder einmal schwere Lasten auferlegt. Wir kennen das ja von Jesus: „Sie binden Lasten zusammen, die schwer und nicht zu tragen sind, und legen sie den Menschen auf die Schultern; selbst wollen sie diese aber nicht mit ihrem Finger bewegen!“ (Mt 23,4)

(In den gleichen christlichen Kreisen bleibt man intern aber gerne ästhetisch dabei, praktisch und nützlich ein angenehmes „Gemeindeleben“ zu gestalten. Auch hier zählt nicht, was von Gott her richtig ist, sondern was man gewohnt ist und keine allzugroße Mühe macht. Siehe dazu mein Buch „Die Gemeinde des Messias“ …)

In der Bibel finden wir zwei Gebrauchsarten des Begriffs „Welt“. Einerseits ist damit die geschaffene Welt gemeint, die ursprünglich gute Schöpfung Gottes. In ihr und von ihr lebt der Mensch, und in ihr ist „nichts verwerflich, was mit Dank angenommen werden kann.“ (1 Tim 4,4). Diese Welt geht aber ihrem Ende entgegen, während sie sehnlich auf die Enthüllung der Söhne und Töchter Gottes wartet. (Röm 8,19). Dann geht es in eine neue Schöpfung hinein.

Zum anderen ist „Welt“ die Bezeichnung der Menschenwelt. Diese Art der Welt ist böse. Beherrscht vom Fürsten dieser Welt, dem Satan, leben hier Menschen, die der Sünde und dem Tod verfallen sind. Einst als Ebenbild Gottes erschaffen, ist nun „das Denken des menschlichen Herzens böse von Jugend auf“ (1 Mo 8,21). Und „wie durch einen einzelnen Menschen die Sünde in die Welt gekommen ist und durch die Sünde der Tod, so geht der Tod auch weiter zu allen Menschen, weil alle sich versündigen.“ (Röm 5,12). Und mit diesem „Tod“ ist im Neuen Testament nicht nur der irdische, sondern auch der ewige Tod gemeint.

Um diese „Welt“ zu retten, ist Jesus gekommen. Johannes der Täufer sagte über ihn: „Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt trägt!“ (Joh 1,29). Und Jesus selbst sagte: „Ich bin nicht gekommen, um die Welt zu richten, sondern um die Welt zu retten.“ (Joh 12,47.) Das zweite Mal kommt er dann zum Retten und zum Richten …

Doch nun kommt die Rätselfrage: Wenn Jesus von Gott gekommen ist, die Welt zu retten, die „Welt“ aber gar nicht gerettet wird, sondern verloren geht, wie passt das zusammen? Die Frage beantwortet sich, wenn wir erkennen, dass die „Welt“ vor Gott keine Menschenmasse ist, sondern aus den vielen einzelnen Menschen besteht. Vor Gott zählt nicht die „Welt“, sondern jeder einzelne Mensch. Und so bezieht sich die Rettung, die Jesus der Welt bringt, immer auf den einzelnen Menschen.

Jesus hat das klar zum Ausdruck gebracht: „Geht durch das enge Tor hinein! Denn breit ist das Tor und weiträumig der Weg, die ins Verderben führen, und viele sind es, die da hineingehen. Wie eng ist das Tor und wie beengt der Weg, die ins Leben führen, und wenige sind es, die sie finden.“ (Mt 7,13-14). Jesus kennt sogar das Zahlenverhältnis: Wenige werden gerettet, viele gehen verloren. Natürlich darf man fragen: Wie kann das sein?

Dass Gott dem Menschen ein Angebot macht, ihn aber nicht dazu zwingt, ist eine Auswirkung seiner Liebe. Denn Liebe zwingt nicht, Liebe gibt frei. Gerade die Liebe ist es, die dieses freie Angebot der Rettung macht. „Auf diese Weise liebt Gott nämlich die Welt: Er hat den einziggeborenen Sohn gegeben, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat.“ (Joh 3,16). Der Glaube ist das Mittel, mit dem der Mensch die ihm in Liebe angebotene Rettung ergreift. Es sind natürlich Gottes Bedingungen, unter denen das alles stattfindet. „Auf diese Weise liebt Gott die Welt …“

Und dass die Ignoranz gegenüber dieser Liebe den Zorn Gottes erweckt, ist natürlich verständlich.

Paulus

Paulus ist im Neuen Testament der Mensch, über den wir am meisten erfahren. Sein Name wird in drei Versionen berichtet:

Sein hebräischer Name ist „Scha’úl“, das heißt „Erbetener“. Dieser Name war bekannt als der Name des ersten Königs in Israel. Und so hat ihn auch Jesus angesprochen auf dem Weg nach Damaskus: „Saul! Saul! Warum verfolgst du mich?“ Natürlich hat Jesus „Scha’úl“ gesagt.

Die Namensform „Saul“ kommt daher, dass man auf Griechisch kein „Sch“ sprechen und schreiben konnte. Dafür verwendete man ein „S“. Um den Namen beim Sprechen oder Schreiben zu verwenden, brauchte ein Grieche dann auch noch eine deklinierbare Endung dazu. Und so machte er „Saulos“ daraus. Über das Lateinische ist das dann als „Saulus“ zu uns gekommen.

Dass der Mann durch seine Bekehrung von einem „Saulus“ zu einem „Paulus“ geworden sei, ist eine fromme Legende. Lukas hat in seinem Bericht den Namenswechsel mit „Saulus, der auch Paulus heißt“ (Apg 13,9) erst auf der ersten Missionsreise in Paphos auf Zypern vollzogen. Also muss es für die zwei Namen eine andere Erklärung geben:

Paulus war nicht nur ethnischer Jude, sondern auch römischer Staatsbürger. Und als solcher trug er neben dem jüdischen auch einen römischen, also lateinischen Namen. Der Name „Paulus“ bedeutet „Kleiner“. Sicherlich hatte er ältere Geschwister, und so war er der „Kleine“ in der Familie. Römer waren manchmal wenig phantasievoll in ihrer Namensgebung.

Wenn man das weiß, dann versteht man auch, warum man in den Anfängen der Apostelgeschichte im jüdischen Umfeld seinen jüdischen Namen „Saulus“ verwendete. Auf seiner Mission in die nichtjüdische Welt spielte dann aber sein römischer Name „Paulus“ die wichtige Rolle.

Die Apostelgeschichte erzählt seine Geschichte ab der Steinigung von Stefanus (Apg 7,57-8,1a). Paulus hatte hier als junger Mann die Aufgabe übernommen, die Obergewänder derer zu bewachen, die diese ausgezogen hatten, um Bewegungsfreiheit beim Steinewerfen zu haben.

Informationen über sein Leben davor entnehmen wir den autobiografischen Angaben, die er in Briefen, Gesprächen und Reden selbst gemacht hat. Ich stelle sie hier zusammen:

„Hebräisch sprechen sie? Ich auch. Israeliten sind sie? Ich auch. Nachkommen Abrahams sind sie? Ich auch.“ (2 Kor 11,22)

„Ich bin doch auch ein Israelit, von den Nachkommen Abrahams, vom Stamm Benjamin.“ (Röm 11,1)

„Beschneidung am achten Tag, aus dem Volk Israel, vom Stamm Benjamin, ein Hebräisch-Sprechender von Hebräisch-Sprechenden, hinsichtlich des Gesetzes ein Pharisäer, hinsichtlich des Eifers ein Verfolger der Gemeinde, hinsichtlich der Gerechtigkeit im Gesetz tadellos gewesen.“ (Phil 3,5-6)

„Ich bin ein jüdischer Mann aus Tarsos in Kilikien, Bürger einer nicht unbekannten Stadt.” (Apg 21,39)

„Ich bin ein jüdischer Mann, geboren in Tarsos in Kilikien, aufgezogen (hier) in dieser Stadt (Jerusalem). Zu den Füßen Gamaliels bin ich geschult in der Genauigkeit des Gesetzes der Vorfahren.“ (Apg 22,3)

„Während sie ihn mit den Riemen nach vorne streckten, sagte Paulus aber zu dem Offizier, der dastand: ‚Ist es euch erlaubt, einen römischen Bürger ohne Gerichtsurteil auszupeitschen?‘ Als der Offizier das hörte, ging er zum General und berichtete: ‚Was willst du tun? Dieser Mann ist Römer!‘ Der General kam zu ihm und sagte: ‚Sag mir: Bist du Römer?‘ Er sagte: ‚Ja!‘ Der General antwortete: ‚Ich habe dieses Bürgerrecht um eine große Summe erworben.‘ Paulus sagte: ‚Ich bin ein gebürtiger (Römer).’” (Apg 22,25-27)

„Mein Lebenslauf von Jugend an war ja von Anfang an unter meinem Volk, und alle Juden in Jerusalem wissen es. Sie kennen mich schon von vorher – wenn sie es bezeugen wollen – dass ich von Anfang an nach der genauesten Richtung unserer Gottesverehrung gelebt habe, als Pharisäer.“ (Apg 26,4-5)

Alles Weitere steht dann in der Apostelgeschichte, deren Hauptperson er ist (außer Jesus natürlich). Lukas hat vieles mit ihm zusammen erlebt und darüber berichtet. Nur das Ende von Paulus kommt dort nicht mehr vor, weil Lukas seinen Bericht noch zu dessen Lebzeiten abgeschlossen hat.

Von Tertullian wissen wir aber, dass Paulus in der Christenverfolgung unter Nero in Rom getötet wurde. Weil er römischer Bürger war, durfte man ihn nicht qualvoll töten, wie z. B. Petrus am Kreuz. Die für römische Bürger vorgesehene Todesstrafe war (relativ kurz und schmerzlos) das Enthaupten.

Von Lukas erfahren wir in der Apostelgeschichte nichts darüber, dass Paulus auch Briefe geschrieben hat. Offenbar war das für Lukas in seiner Zeit so selbstverständlich, dass man es nicht extra erwähnen musste. Aber natürlich hat Paulus während seiner Reisen als Gesandter von Jesus je nach Bedarf und Anlass seine Briefe geschrieben, zuletzt in Cäsarea die Gefangenschaftsbriefe.

Das Gesetz im Neuen Testament

Das Gesetz im Neuen Testament – wird es noch erfüllt oder wurde es gar abgeschafft? Die Beantwortung dieser Frage ist nicht so einfach. Eine diffizile Fragestellung erfordert eine differenzierte Antwort. Gemeint ist natürlich das Gesetz Moses, das Gesetz, das Gott am Berg Sinai durch Mose gegeben hat. Insofern ist es keine menschliche, sondern eine göttliche Größe. Und entsprechend ernsthaft muss man damit umgehen.

Unbrauchbar ist das Gesetz auf jeden Fall in dem Sinne, dass man sich mit dem Einhalten des Gesetzes irgendwie vor Gott Anerkennung oder Verdienste erarbeiten könnte. In diesem Sinne war es nie gemeint, kann also auch nicht „abgeschafft“ worden sein. Vor Gott kann keiner irgendetwas vorweisen oder auf etwas pochen. Das Einhalten des Gesetzes wäre das Normale, das Übertreten des Gesetzes ist Sünde. Und eingehalten hat es keiner – bis Jesus.

Das war ja der Vorwurf von Jesus an die vermeintlich „gesetzestreuen“ Pharisäer, dass sie in Wahrheit das Gesetz gar nicht einhalten, sondern nur so tun, als ob – Mk 7,8: „Ihr verlasst das Gebot Gottes und haltet die Tradition der Menschen.“ (Die „Bibeltreuen“ mögen es ja auch heute noch nicht, wenn man ihnen nachweist, dass sie nicht bibeltreu sind.) Nach Jesus bleibt das Gesetz im Neuen Testament in voller Geltung, ja, es kommt erst zur vollen Geltung.

Als der Verdacht aufkam, er würde mit seiner Lehre selbst das Gesetz auflösen, sagte er – Mt 5,17: „Glaubt nicht, dass ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen! Ich bin nicht gekommen, um es aufzulösen, sondern um es zu erfüllen.“ Wie erfüllt Jesus also das Gesetz?

Zum ersten war er sicherlich derjenige, der erstmals in seinem ganzes Leben das Gesetz eingehalten hat – er war ohne Sünde.

Zum zweiten war er das sündlose Opferlamm, das ein für allemal als Opfer für die Sünden dargebracht wurde. Damit war der ganze kultische Teil des Gesetzes mit all den Regelungen betreffend heiliges Zelt, Tempel, Priester, Altar, Opfer etc. komplett erledigt – weil erfüllt. Diese Erfüllung durch Jesus, den neuen ewigen Obersten Priester, der sich selbst zum Opfer gebracht hat, ist im Hebräerbrief eindrücklich geschildert.

Zum dritten erfüllt Jesus das Gesetz im Neuen Testament mit der Gabe des heiligen Geistes an alle seine Jünger. Durch den Geist wird die Liebe Gottes ausgegossen in ihre Herzen, und die Liebe ist die Erfüllung des Gesetzes. Das Gesetz wird in ihre Herzen geschrieben, und sie erfüllen es gerne. Denn den Willen Gottes zu tun, ist ihr oberstes Ziel.

Nun müssen wir noch beachten, dass zwischen den Geboten des Alten Testaments und ihrer Erfüllung im Neuen Testament auch ein qualitativer Unterschied besteht. Paulus nennt die alten Vorschriften an einer Stelle mit diesem Bild – Kol 2,17: „Diese Dinge sind ein Schatten dessen, was kommen sollte“. Das Neue, das mit Jesus kam, hatte also seine „Schatten“ vorausgeworfen. Aber nun sind wir ins helle Licht getreten, und da sieht manches anders aus. Das Gesetz im Neuen Testament steht jetzt unter dem Gesichtspunkt der Erfüllung. Ich möchte es an drei Beispielen deutlich machen:

Der Zehnte:

Im Alten Testament war geboten, von allen Einkünften den zehnten Teil an Gott abzugeben zur Versorgung der Priesterschaft und des Heiligtums. Im Neuen Testament gehört das ganze Leben Gott, also auch der ganze Besitz. Wir können aber von etwas, das zu 100% Gott gehört, nicht noch 10% an ihn abgeben. Wir sind von Besitzern zu Verwaltern geworden und gehen unter der Leitung des Heiligen Geistes verantwortungvoll in Freiheit mit Gottes Besitz um, wozu natürlich auch das Geben gehört.

Die Reinheit:

Im Gesetz Moses gibt es viele Bestimmungen, die die Berührung mit Unreinheit von außen her vermeiden sollen. Z. B. durfte man bestimmte Tiere nicht essen oder nichts Totes berühren. Und wenn man es tat oder tun musste, folgten aufwendige Rituale, um wieder rein zu werden. Bei den Jüngern von Jesus dagegen wird durch sein vergossenes Blut und durch die Kraft des Heiligen Geistes das Innere des Menschen, sein Herz, gereinigt. Nun hat die Sünde dort keinen Platz mehr. Diese Reinheit im Inneren kann von außen her nicht mehr verunreinigt werden. Paulus sagt – Tit 1,15: „Für die Reinen ist alles rein.“ Die Speisegebote und Reinigungsrituale sind überflüssig geworden.

Der Ruhetag:

Seit Gott nach den sechs Tagen der Schöpfung am siebten Tag geruht hat, gibt es den Ruhetag am siebten Tag der Woche. Der ist so auch im Gesetz Moses verbindlich vorgeschrieben. Dieser Tag, der auf hebräisch „schabbát“ heißt, ist über das Griechische als „Sabbat“ zu uns gekommen. Das ist der Wochentag, der Gott gehört. Sein Kennzeichen ist „Ruhe“, weshalb ich ihn auf Deutsch mit „Ruhetag“ übersetze. Nun hat aber mit Jesus eine neue Zeit begonnen. In ihr gehört nun der ganze Mensch Gott, also auch seine ganze Zeit. Alle sieben Tage der Woche sind Gottes Tage.

Die Kunst des Glaubens besteht nun darin, die ganze Zeit in der Ruhe Gottes zu leben. Ein großes Geschenk! Unter der Leitung des heiligen Geistes herrscht nun im Frieden Gottes die volle Freiheit über die ganze Zeit. Natürlich darf man den siebten Tag auch noch als Ruhetag einhalten, wenn man will, es wird einem sicherlich guttun. Paulus beschreibt es so – Röm 14,5: „Der eine beurteilt einen Tag höher als einen (anderen) Tag, der andere beurteilt jeden Tag (gleich). Jeder soll im eigenen Verständnis ganz überzeugt sein.“ Der biblische Ruhetag, wenn man ihn einhalten will, liegt auf dem Samstag. Der „christliche“ Sonntag ist kein Ersatz für den Sabbat, sondern eine unverbindliche kirchliche Sitte, die über das pseudochristliche Abendland zu einem weltlichen Gesetz geworden ist..

Verschleierung der Frauen?

Verschleierung der Frauen, diese Forderung in 1 Kor 11 hat schon viel Unruhe gestiftet und Not bereitet. Im griechischen Text ist es mehr als die Forderung nach einem Kopftuch als Kopfbedeckung. Da wird eine Verhüllung (peribállaion / Umhüllung) verlangt, wie etwa heute noch in konservativen bis extremen islamischen Kreisen. Das Problem löst sich aber, wenn man erkennt, dass es sich bei dieser Forderung um eine unrichtige Meinung aus Kreisen der Korinther Gemeinde handelt.

Neben einer liberalen Richtung gab es in Korinth auf der anderen Seite des Spektrums auch eine gesetzliche Richtung. Diese kam vom jüdischen Hintergrund her und forderte die Verschleierung der Frauen in der Gemeinde, teilweise auch ihr komplettes Schweigen. Auch mit dieser Richtung setzte sich Paulus intensiv auseinander. Das Buch von Thomas Schirrmacher „Paulus im Kampf gegen den Schleier“ hat diesen Sachverhalt sehr überzeugend aufgedeckt und dargestellt. Die Sichtweise dieser jüdischen Richtung kommt in zwei Texten zum Ausdruck, in 1 Kor 11 und 1 Kor 14, wo Paulus sie erst zitiert und anschließend widerlegt. Ich habe die Abschnitte wie folgt übersetzt und aufbereitet (mit Erklärungen in Klammern zum besseren Verständnis):

1 Kor 11,3-16 – die Verschleierung der Frauen:

„Ich will aber, dass ihr wisst: (Einige bei euch vertreten folgende Lehre:) „Das Haupt jedes Mannes ist der Messias, Haupt einer Frau der Mann, Haupt des Messias Gott. Jeder Mann, der betet oder prophetisch spricht und etwas auf dem Kopf hat, beschämt seinen Kopf. Jede Frau, die betet oder prophetisch spricht mit unverhülltem Kopf, beschämt ihren Kopf. Es ist ein und dasselbe (wie) bei einer, (der der Kopf) rasiert wurde. Wenn eine Frau sich nicht verhüllt, soll sie auch geschoren werden! Wenn es für eine Frau aber schändlich ist, geschoren oder rasiert zu werden, soll sie sich verhüllen! Ein Mann muss sich freilich nicht den Kopf verhüllen, denn er ist Bild und Herrlichkeit Gottes, die Frau ist Herrlichkeit eines Mannes. Denn der Mann ist nicht von der Frau, sondern die Frau vom Mann, und der Mann wurde ja nicht wegen der Frau geschaffen, sondern die Frau wegen des Mannes.

(Dazu sage ich:) Deswegen muss die Frau Macht über ihren Kopf haben: wegen der Engel! Abgesehen davon gibt es beim Herrn keine Frau ohne einen Mann und keinen Mann ohne eine Frau, denn wie die Frau aus dem Mann (gekommen) ist, so (kommt) auch der Mann durch die Frau, und das alles von Gott. Urteilt bei euch selbst: Es ist angemessen, dass eine Frau unverhüllt zu Gott betet! Selbst die Natur lehrt euch nicht, dass es für einen Mann, wenn er sich die Haare wachsen lässt, eine Entehrung ist, für eine Frau aber, wenn sie sich die Haare wachsen lässt, eine Ehre ist. Die Haare sind doch (allen von Gott) als Kleidung gegeben. Wenn aber jemand meint, streitlustig sein zu müssen: Wir haben einen solchen Brauch (einer Verschleierung) nicht, auch die Gemeinden Gottes nicht!“

(Anmerkung zu den Engeln in Vers 10: Laut 1 Kor 6,3 wird die Frau mit über Engel richten. Dann wird sie ja wohl auch über ihren eigenen Kopf bestimmen dürfen!)

Dafür, dass die Verse 3-9 eine Meinung aus Korinth darstellen, sprechen im Wesentlichen drei Argumente. 1) Der Abschnitt steht inhaltlich im Gegensatz zu den Versen 10-16. Paulus würde sich selbst widersprechen. 2) Die Aussage des Abschnitts findet sich in keiner anderen damaligen christlichen Schrift, wohl aber bei jüdischen Theologen. 3) Sie widerspricht generell der neutestamentlichen Sicht der Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung der Frauen in der Gemeinde. Siehe dazu die ausführliche Argumentation im oben genannten Buch von Schirrmacher.

1 Kor. 14,34-36 – das Schweigen der Frauen:

„(Einige bei euch sagen auch:) Die Frauen sollen schweigen in den Gemeinden, es ist ihnen nicht erlaubt zu sprechen. Sie sollen sich vielmehr unterordnen, wie auch das Gesetz es sagt. Wenn sie etwas lernen wollen, sollen sie zu Hause ihre Männer fragen. Es ist doch schändlich, wenn eine Frau in der Gemeinde spricht.

(Ich sage dazu Nein:) Ist denn das Wort Gottes von euch ausgegangen? Ist es denn allein zu euch gekommen? Wenn jemand meint, ein Prophet zu sein oder geistlich, dann soll er klar erkennen, dass das, was ich euch schreibe, ein Gebot des Herrn ist. Wenn jemand es aber nicht erkennt, soll man (auch) ihn nicht kennen!“

Anmerkung dazu: Das Gesetz im Sinne des Alten Testaments sagt zum Schweigen der Frauen überhaupt nichts. Aber einige jüdische Theologen aus der damaligen Zeit fordern es. Auch das spricht dafür, dass Paulus hier noch einmal eine Meinung aus Korinth zitiert.

Für manche Leser mag diese Sicht neu sein, wie sie für mich neu war, als ich Schirrmachers Buch zum erstenmal las. Aber sie war sehr befreiend. Mir ist bewusst, dass diese Darstellung in anderen Bibelübersetzungen nicht zum Tragen kommt. Für viele Leser ist sie neu, vielleicht auch wieder etwas verwirrend. Aber ich gebe zu bedenken, dass ohne das Verständnis von 1 Kor 11 und 14 als Zitate aus Korinth mit Antworten von Paulus im Prinzip nur zwei Möglichkeiten bleiben:

1) Wir müssen entweder klare Anweisungen von Paulus ganz einfach befolgen und folglich die Frauen in der Gemeinde verschleiern und zum Schweigen bringen.

2) Oder wir müssen klare Anweisungen von Paulus missachten und in diesen Dingen einfach tun, was uns gefällt.

Keine der beiden Möglichkeiten erscheint annehmbar, die zweite wäre geistlich gesehen noch gefährlicher. Denn wo fängt es an, dass wir von Lehre und Praxis der neutestamentlichen Gemeinde abweichen, weil uns irgendetwas daran nicht passt?

Soweit ich sehe, ist das Verständnis als Zitate die einzige Möglichkeit, die Texte an sich vollkommen ernst zu nehmen. Denn das Verschleiern oder gar Schweigen der Frauen ist angesichts ihrer Mit-Sohnschaft und ihrer Mit-Brüderlichkeit im Neuen Testament generell nicht denkbar.

Der Zehnte von Küchenkräutern?

Zur Zeit von Jesus hatten die Pharisäer ihr System der Ablieferung des zehnten Teils aller ihrer Einnahmen weit entwickelt. Es war so verfeinert, dass sie sogar von selbst geernteten oder eingekauften Küchenkräutern penibel genau den zehnten Teil abgaben. Diese Praxis spricht Jesus zweimal in Stellungnahmen gegen die Pharisäer an. Ich zitiere die Stellen zunächst nach der Elberfelder Bibel:

Mt 23,23: „Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, Heuchler! Denn ihr verzehntet die Minze und den Anis und den Kümmel und habt die wichtigsten Dinge des Gesetzes beiseite gelassen: das Gericht und die Barmherzigkeit und den Glauben; diese hättet ihr tun und jene nicht lassen sollen.“

Lk 11,42: „Aber wehe euch Pharisäern! Denn ihr verzehntet die Minze und die Raute und alles Kraut und übergeht das Gericht und die Liebe Gottes; diese Dinge hättet ihr tun und jene nicht lassen sollen.“

Was mir an diesen Stellen schon immer eigenartig erschien, ist, dass Jesus hier zwar das Einhalten der wichtigen Dinge des Gesetzes verlangt, aber daneben auch weiterhin das Verzehnten der Küchenkräuter. Zumal diese Stellen dann gerne von Auslegern herangezogen werden als Beleg dafür, dass angeblich auch von der neutestamentlichen Gemeinde das Abgeben des zehnten Teils der Einkünfte verlangt wird, was sonst nirgends im Neuen Testament belegt ist.

Aber manchmal hilft dann der nochmalige Blick ins Lexikon. Ich benutze das Griechischlexikon von Hermann Menge, dem Bibelübersetzer. Da entdeckte ich zuerst eine alternative Bedeutung (von „pareínai“) für den Umgang mit den Kräutern an der Stelle bei Lukas. Die heißt jetzt so:

„Aber wehe euch Pharisäern: Ihr gebt den zehnten Teil von der Pfefferminze, der Raute und jeglichen Küchenkräutern und umgeht das Recht und die Liebe Gottes. Diese müsstet ihr aber ausüben – und (dürftet) euch nicht bei jenen aufhalten!“

Sich nicht bei solchen Kleinigkeiten aufhalten, das klingt doch schon viel besser. Davon ermutigt, schaute ich auch nochmal nach für die Matthäus-Stelle „jene nicht lassen“. Das griechische Wort („aphiénai“) heißt wirklich „lassen“, mit verschiedenen Bedeutungen. Wie erstaunt war ich aber, dass es nicht nur so etwas heißt wie „loslassen“, „erlassen“ oder „zurücklassen“. Es kann auch „zulassen“ heißen im Sinne von „erlauben, gestatten“. Mit dieser Bedeutung wendet sich die Aussage von Jesus ins genaue Gegenteil:

„Wehe euch, Theologen und Pharisäer, ihr Heuchler: Ihr gebt den zehnten Teil von der Pfefferminze, vom Dill und vom Kümmel und habt die gewichtigeren Dinge des Gesetzes verlassen: das Recht und das Mitgefühl und den Glauben! Diese müsste man aber ausüben – und jene (dürfte man) nicht zulassen!“

Nun heißt es nicht nur, man müsste sich an die wichtigen Dinge des Gesetzes halten. Es heißt auch, man dürfte Lehren über solche Kleinigkeiten – wie den Zehnten von Küchenkräutern – nicht einmal zulassen.

Beide Möglichkeiten sind von den Wortbedeutungen her legitime Übersetzungen. Der Übersetzer muss in einem solchen Fall vom Zusammenhang her die am ehesten richtige Übersetzung wählen. Das war in diesem Fall nun aber nicht mehr schwer. Sich auf gesetzliche Art bei Kleinigkeiten aufhalten, das ist pharisäischer Geist. Beständig und wahrhaftig in den wesentlichen Dingen leben, das ist der Geist von Jesus.