Ein Bibelübersetzer entdeckt ...

Schlagwort: Gebot

Schwören

(Schwören – ein Abschnitt des Kapitels „Volksmund“ in Ludwig Schnellers Buch „Kennst du das Land?„. Schneller hat seine Beobachtungen im damaligen Palästina in den Jahren 1884 bis 89 gemacht.)

Schwören und Fluchen hört man leider an allen Orten, auf Straßen und Märkten, in Werkstätten und Häusern. Es ist überall, wo man Menschen trifft. Fast jede Behauptung beginnt mit den Worten: So wahr Gott lebt, so wahr du lebst, bei meinem Haupt, bei meinem Leben usw.. Ähnliche Redensarten hören wir ja oft genug bei den Propheten. So begann z. B. Elija seine Reden stets mit den Worten: „So wahr der Herr, der Gott Israels lebt, vor dem ich stehe“. Hier haben die Worte eine ehrfurchtgebietende Majestät. Das Volk aber missbrauchte diese Schwüre damals, wie heute, in der gedankenlosesten, der sündlichsten Weise.

Man kann heute auf dem Markt an keinem Laden vorbeigehen, ohne fortwährend Schwüre zu hören. Denn man gibt kaum ein Zehnpfennigstück aus, ohne dass der Verkäufer schwört, er könne die Ware nicht billiger geben. Der Käufer schwört dagegen, er könne nicht so viel bezahlen. Und so kann man es verstehen, wie nötig und wichtig jene Regel der Bergpredigt ist: „Ihr sollt allerdings nicht schwören! Eure Rede sei ja-ja, nein-nein, was darüber ist, das ist vom Übel“ (Mt 5,37). …

Die Juden zur Zeit Jesu hatten zu viel Respekt vor dem Namen Gottes, als dass sie denselben im täglichen Leben zu Schwüren missbraucht hätten. Allerdings konnten sie von der orientalischen Unart doch nicht lassen. Und so pflegten sie beim Himmel, bei der Erde, bei Jerusalem, bei ihrem Haupt usw. zu schwören. Hierauf beziehen sich die Worte des Herrn.

Er weist nach, dass es leere Sophistik ist, wenn man meint, diese Schwüre enthielten keinen Missbrauch des Namens Gottes. Und er zeigt von jedem einzelnen Schwur, dass er im Grunde doch bei Gott, bei seinem Stuhl, seiner Füße Schemel, seiner Königsstadt usw. geschworen ist. Dieses gedankenlose und meist verlogene Schwören verbietet der Herr (s. auch die Parallelstelle Ja 5,12).

Hier mag auch erwähnt werden, dass die Araber bis zum heutigen Tage bei den geringfügigsten Anlässen den Namen Gottes in törichtem Aberglauben aus Furcht vor Gespenstern und bösen Geistern unzählige Male missbrauchen. Fast bei jeder Berührung eines kleinen Kindes, über jedem neuen Topf, über den albernsten Kleinigkeiten, wird der Name Gottes wie ein mächtiger Zauberspruch und geheimer Talisman ausgesprochen, um sich und sein Haus gegen unheimliche Mächte zu feien. Gegen einen ähnlichen Missbrauch wendet sich Gottes Gebot. „Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes nicht vergeblich führen!“ (2 Mo 20,7). Dagegen befiehlt der Herr aus Anlass des Segens Aarons: „Ihr sollt meinen Namen auf die Kinder Israels legen, dass ich sie segne!“ (4 Mo 6,27).

Der Sündenfall

Der Sündenfall ist ein Schlüsselereignis in der Geschichte zwischen Gott und den Menschen. In eigener Übersetzung folgt hier der biblische Bericht. Gott stellte den Menschen in Freiheit und Verantwortung, und so kam es zur Sünde und zur Trennung von Gott. 1 Mo 3,1-24:

Die Schlange war aber klüger als alle Tiere des Feldes, die der Herr, Gott, gemacht hatte.

Und sie sagte zu der Frau: „Sollte es sein, dass Gott gesagt hat: ‚Ihr dürft nicht von allen Bäumen des Parks essen?‘ “

Die Frau sagte zu der Schlange: „Wir essen von den Früchten der Bäume des Parks. Aber über die Früchte des Baums, der in der Mitte des Parks ist, hat Gott gesagt: ‚Esst nicht von ihm, berührt ihn auch nicht, damit ihr nicht sterbt!‘ “

Und die Schlange sagte zu der Frau: „Ihr werdet ganz sicher nicht sterben! Denn Gott weiß: An dem Tag, an dem ihr davon esst, werden eure Augen geöffnet werden, und ihr werdet wie Götter sein, die wissen, was Gut und Böse ist.“

Die Frau sah dann, dass von dem Baum gut zu essen war, dass er eine Pracht für die Augen war und verlockend, weil er klug machte. Und sie nahm von seinen Früchten und aß. Sie gab dann auch ihrem Mann (davon), der bei ihr war, und er aß.

Da wurden die Augen der beiden geöffnet, und sie erkannten, dass sie nackt waren. Und sie nähten Blätter vom Feigenbaum zusammen und machten sich Röcke.

Als sie dann das Geräusch des Herrn, Gottes, hörten, der beim Abendwind im Park umherging, versteckten sie sich, der Adam und seine Frau, vor dem Blick des Herrn, Gottes, zwischen den Bäumen des Parks.

Und der Herr, Gott, rief den Adam und sagte ihm: „Wo bist du?“

Der sagte: „Dein Geräusch habe ich gehört im Park. Und ich habe mich gefürchtet, weil ich nackt bin, und habe mich versteckt!“

(Gott) aber sagte: „Wer hat dir erzählt, dass du nackt bist? Hast du etwa von dem Baum gegessen, von dem ich dir befohlen habe, nicht von ihm zu essen?“

Und der Adam sagte: „Die Frau, die du gegeben hast, um bei mir zu sein, sie hat mir von dem Baum gegeben, sodass ich aß.“

Der Herr, Gott, sagte dann der Frau: „Warum hast du das getan?“

Die Frau sagte: „Die Schlange hat mich betrogen, sodass ich aß.“

Da sagte der Herr, Gott, der Schlange: „Weil du das getan hast, bist du verflucht: Weg von allen Nutztieren und allen Tieren des Feldes wirst du dich auf deinem Bauch fortbewegen und Staub schlucken alle Tage deines Lebens! Und ich stifte Feindschaft zwischen dir und der Frau, zwischen deinem Nachkommen und ihrem Nachkommen. Er wird dich am Kopf packen, und du wirst ihn an der Ferse packen.

Und der Frau sagte er: „Ganz gewiss lasse ich zahlreich werden deine Schmerzen und dein Stöhnen. Mit Schmerzen wirst du Kinder gebären. Und gegen deinen Mann (geht) dein Begehren, er aber will herrschen über dich!“

Dem Adam aber sagte er: „Weil du auf die Stimme deiner Frau gehört und von dem Baum gegessen hast, von dem ich dir befohlen hatte: ‚Du darfst nicht von ihm essen!‘: Verflucht ist der Erdboden bei deiner Arbeit! Mit Schmerzen sollst du dich von ihm ernähren alle Tage deines Lebens. Dornen und Disteln wird er dir aufwachsen lassen, und du wirst Kräuter des Feldes essen. Im Schweiß deines Angesichts sollst du Brot essen, bis du zurückkehrst zum Erdboden, von dem du genommen bist. Denn du bist Erde, und zur Erde sollst du zurückkehren!“

Und der Adam gab seiner Frau den Namen „Eva“ (Leben), denn sie war die Mutter aller lebenden (Menschen).

Der Herr, Gott, machte Adam und seiner Frau aber Gewänder aus Leder und bekleidete sie.

Und Gott sagte: „Jetzt ist der Adam geworden wie einer von uns, er kennt Gut und Böse. Doch jetzt: Dass er ja nicht seine Hand ausstreckt und auch vom Baum des Lebens nimmt und isst und in Ewigkeit lebt!“

Und der Herr, Gott, schickte ihn hinaus aus dem Park von Eden, um den Erdboden zu bearbeiten, von dem er genommen worden war. Er warf den Adam hinaus und ließ ihn östlich des Parks von Eden wohnen. Und er bestellte die Cherubim und das blitzende Schwert, das sich hin- und herwendet, um den Weg zum Baum des Lebens zu bewachen.

Das Gesetz im Neuen Testament

Das Gesetz im Neuen Testament – wird es noch erfüllt oder wurde es gar abgeschafft? Die Beantwortung dieser Frage ist nicht so einfach. Eine diffizile Fragestellung erfordert eine differenzierte Antwort. Gemeint ist natürlich das Gesetz Moses, das Gesetz, das Gott am Berg Sinai durch Mose gegeben hat. Insofern ist es keine menschliche, sondern eine göttliche Größe. Und entsprechend ernsthaft muss man damit umgehen.

Unbrauchbar ist das Gesetz auf jeden Fall in dem Sinne, dass man sich mit dem Einhalten des Gesetzes irgendwie vor Gott Anerkennung oder Verdienste erarbeiten könnte. In diesem Sinne war es nie gemeint, kann also auch nicht „abgeschafft“ worden sein. Vor Gott kann keiner irgendetwas vorweisen oder auf etwas pochen. Das Einhalten des Gesetzes wäre das Normale, das Übertreten des Gesetzes ist Sünde. Und eingehalten hat es keiner – bis Jesus.

Das war ja der Vorwurf von Jesus an die vermeintlich „gesetzestreuen“ Pharisäer, dass sie in Wahrheit das Gesetz gar nicht einhalten, sondern nur so tun, als ob – Mk 7,8: „Ihr verlasst das Gebot Gottes und haltet die Tradition der Menschen.“ (Die „Bibeltreuen“ mögen es ja auch heute noch nicht, wenn man ihnen nachweist, dass sie nicht bibeltreu sind.) Nach Jesus bleibt das Gesetz im Neuen Testament in voller Geltung, ja, es kommt erst zur vollen Geltung.

Als der Verdacht aufkam, er würde mit seiner Lehre selbst das Gesetz auflösen, sagte er – Mt 5,17: „Glaubt nicht, dass ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen! Ich bin nicht gekommen, um es aufzulösen, sondern um es zu erfüllen.“ Wie erfüllt Jesus also das Gesetz?

Zum ersten war er sicherlich derjenige, der erstmals in seinem ganzes Leben das Gesetz eingehalten hat – er war ohne Sünde.

Zum zweiten war er das sündlose Opferlamm, das ein für allemal als Opfer für die Sünden dargebracht wurde. Damit war der ganze kultische Teil des Gesetzes mit all den Regelungen betreffend heiliges Zelt, Tempel, Priester, Altar, Opfer etc. komplett erledigt – weil erfüllt. Diese Erfüllung durch Jesus, den neuen ewigen Obersten Priester, der sich selbst zum Opfer gebracht hat, ist im Hebräerbrief eindrücklich geschildert.

Zum dritten erfüllt Jesus das Gesetz im Neuen Testament mit der Gabe des heiligen Geistes an alle seine Jünger. Durch den Geist wird die Liebe Gottes ausgegossen in ihre Herzen, und die Liebe ist die Erfüllung des Gesetzes. Das Gesetz wird in ihre Herzen geschrieben, und sie erfüllen es gerne. Denn den Willen Gottes zu tun, ist ihr oberstes Ziel.

Nun müssen wir noch beachten, dass zwischen den Geboten des Alten Testaments und ihrer Erfüllung im Neuen Testament auch ein qualitativer Unterschied besteht. Paulus nennt die alten Vorschriften an einer Stelle mit diesem Bild – Kol 2,17: „Diese Dinge sind ein Schatten dessen, was kommen sollte“. Das Neue, das mit Jesus kam, hatte also seine „Schatten“ vorausgeworfen. Aber nun sind wir ins helle Licht getreten, und da sieht manches anders aus. Das Gesetz im Neuen Testament steht jetzt unter dem Gesichtspunkt der Erfüllung. Ich möchte es an drei Beispielen deutlich machen:

Der Zehnte:

Im Alten Testament war geboten, von allen Einkünften den zehnten Teil an Gott abzugeben zur Versorgung der Priesterschaft und des Heiligtums. Im Neuen Testament gehört das ganze Leben Gott, also auch der ganze Besitz. Wir können aber von etwas, das zu 100% Gott gehört, nicht noch 10% an ihn abgeben. Wir sind von Besitzern zu Verwaltern geworden und gehen unter der Leitung des Heiligen Geistes verantwortungvoll in Freiheit mit Gottes Besitz um, wozu natürlich auch das Geben gehört.

Die Reinheit:

Im Gesetz Moses gibt es viele Bestimmungen, die die Berührung mit Unreinheit von außen her vermeiden sollen. Z. B. durfte man bestimmte Tiere nicht essen oder nichts Totes berühren. Und wenn man es tat oder tun musste, folgten aufwendige Rituale, um wieder rein zu werden. Bei den Jüngern von Jesus dagegen wird durch sein vergossenes Blut und durch die Kraft des Heiligen Geistes das Innere des Menschen, sein Herz, gereinigt. Nun hat die Sünde dort keinen Platz mehr. Diese Reinheit im Inneren kann von außen her nicht mehr verunreinigt werden. Paulus sagt – Tit 1,15: „Für die Reinen ist alles rein.“ Die Speisegebote und Reinigungsrituale sind überflüssig geworden.

Der Ruhetag:

Seit Gott nach den sechs Tagen der Schöpfung am siebten Tag geruht hat, gibt es den Ruhetag am siebten Tag der Woche. Der ist so auch im Gesetz Moses verbindlich vorgeschrieben. Dieser Tag, der auf hebräisch „schabbát“ heißt, ist über das Griechische als „Sabbat“ zu uns gekommen. Das ist der Wochentag, der Gott gehört. Sein Kennzeichen ist „Ruhe“, weshalb ich ihn auf Deutsch mit „Ruhetag“ übersetze. Nun hat aber mit Jesus eine neue Zeit begonnen. In ihr gehört nun der ganze Mensch Gott, also auch seine ganze Zeit. Alle sieben Tage der Woche sind Gottes Tage.

Die Kunst des Glaubens besteht nun darin, die ganze Zeit in der Ruhe Gottes zu leben. Ein großes Geschenk! Unter der Leitung des heiligen Geistes herrscht nun im Frieden Gottes die volle Freiheit über die ganze Zeit. Natürlich darf man den siebten Tag auch noch als Ruhetag einhalten, wenn man will, es wird einem sicherlich guttun. Paulus beschreibt es so – Röm 14,5: „Der eine beurteilt einen Tag höher als einen (anderen) Tag, der andere beurteilt jeden Tag (gleich). Jeder soll im eigenen Verständnis ganz überzeugt sein.“ Der biblische Ruhetag, wenn man ihn einhalten will, liegt auf dem Samstag. Der „christliche“ Sonntag ist kein Ersatz für den Sabbat, sondern eine unverbindliche kirchliche Sitte, die über das pseudochristliche Abendland zu einem weltlichen Gesetz geworden ist..

Das Gebot des Königs

Das Gebot des Königs – ein Vergleich von Sören Kierkegaard

(Diesen Vergleich habe in seinem Buch „Zur Selbstprüfung der Gegenwart anbefohlen“ gefunden. Es steht unter der Überschrift „Was erforderlich ist, um sich mit wahrem Segen im Spiegel des Wortes zu betrachten“.)

Denke dir ein Land. Es ergeht im Namen des Königs ein Gebot an alle Beamten und Untertanen, kurz an die ganze Bevölkerung.

Was geschieht? Mit allen geht eine merkwürdige Veränderung vor: Alles verwandelt sich in Erklärer. Die Beamten werden Schriftsteller. Jeder Tag bringt eine neue Erklärung, die immer gelehrter, scharfsinniger, geschmackvoller, tiefsinniger, geistvoller, wunderbarer, lieblicher und wunderbar lieblicher ist als die vorige. Die kritische Umschau kann diese ungeheure Literatur kaum bewältigen. Ja die Kritik selbst wird eine so weitläufige Literatur, dass man auch sie nicht übersehen kann. Aber niemand las das Gebot des Königs so, dass er danach getan hätte.

Und nicht genug damit, dass alles Erklärung wurde. Nein, man verrückte zugleich den Gesichtspunkt für das, was Ernst ist. Und man machte die Beschäftigung mit der Erklärung zum eigentlichen Gegenstand des Ernstes.

Denke dir, dieser König sei nicht ein menschlicher König. Auch ein solcher würde ja gewiss verstehen, dass man ihn mit dieser Verkehrung der Sache eigentlich zum Narren habe. Aber ein menschlicher König ist abhängig, besonders von der Gesamtheit seiner Beamten und Untertanen. Und so müsste er wohl gute Miene zum bösen Spiel machen, tun, als wäre das in seiner Ordnung, den geschmackvollsten Erklärer zur Belohnung in den Adelsstand erheben und den tiefsinnigsten durch einen Orden auszeichnen usw.

Aber denke dir also, dieser König sein ein allmächtiger. Ihn brächte es nicht in Verlegenheit, auch wenn sämtliche Beamten und Untertanen so ein falsches Spiel mit ihm trieben. Was meinst du, würde dieser allmächtige König dazu denken? Gewiss würde er sagen: Dass sie dem Gebot nicht nachkommen, könnte ich noch verzeihen. Dass sie mich in einer Bittschrift um Nachsicht oder vielleicht um völlige Verschonung mit diesem für sie zu schweren Gebot angingen, könnte ich ihnen auch noch verzeihen. Nicht verzeihen kann ich aber, dass man sogar den Gesichtspunkt für das, was Ernst ist, verrückt.

Und nun Gottes Wort! „Mein Haus ist ein Bethaus, ihr aber habt eine Mördergrube daraus gemacht.“ Und Gottes Wort, was ist dies nach seiner Bestimmung, und was haben wir daraus gemacht? All dies Erklären und Erklären, diese Wissenschaft und neue Wissenschaft betreibt man unter dem feierlichen, ernsthaften Schein, dass man durch sie Gottes Wort recht verstehen wolle. Siehst du jedoch näher zu, so findest du, dass man sich damit nur gegen Gottes Wort wehren will. …

Es ist menschlich, dass einer Gott um Geduld bittet, wenn er nicht sofort kann, was er soll, dass er aber doch einen ehrlichen Versuch verspricht. Es ist menschlich, dass einer Gott um Mitleid bittet, weil ihm die Forderung zu hoch ist. Will das sonst niemand von sich gestehen, gestehe ich es von mir.

Aber es ist doch nicht menschlich, dass man der Sache eine ganz andere Wendung gibt. Dass ich listig Erklärung und Wissenschaft und wieder Wissenschaft, eine Schicht auf die andere einschiebe. (Wie etwa ein Knabe sich ein Polster unter seine Hosen macht, wenn Prügel auf ihn warten.) Dass ich das alles zwischen das Wort und mich einschiebe und dann diese Erklärung und Wissenschaftlichkeit Ernst und Wahrheitseifer nenne. Und dass ich diese Beschäftigung zu einer solchen Weitläufigkeit aufbausche, dass ich nie einen Eindruck von Gottes Wort gewonnen habe, mich nie selbst im Spiegel betrachte.

Es sieht aus, als brächte all dieses Forschen und Sinnen, Suchen und Ergründen mir Gottes Wort ganz nahe. Die Wahrheit ist aber, dass ich eben dadurch auf die listigste Weise Gottes Wort mir möglichst ferne rücke. Unendlich ferner, als es dem ist, der es nie sah. Unendlich ferner, als es dem ist, der es aus Angst und Scheu davor soweit als möglich von sich warf.

Dass man jahraus jahrein, Tag für Tag ruhig dasitzen und – den Spiegel betrachten kann: Das bedeutet einen noch größeren Abstand von der Forderung, sich im Spiegel zu betrachten, als dass man nie den Spiegel sieht.

(Inhaltliche Parallelen zu diesem Vergleich bieten auch die zwei Parabeln im Beitrag Matthias Caudius.)

Die Frucht des Geistes

Die Frucht des Geistes beschreibt Paulus in Gal 5,22-23. Ich zitiere den Satz zunächst einmal aus der Lutherübersetzung. Ich lasse aber die Satzzeichen weg, die es ursprünglich nicht gab: „Die Frucht aber des Geistes ist Liebe Freude Friede Geduld Freundlichkeit Güte Treue Sanftmut Keuschheit“.

Aufgrund dieser Stelle hat es schon mancherlei Lehren über die neun Früchte des Geistes gegeben. Mit einer alternativen Zeichensetzung gibt es aber eine andere und stimmigere Sichtweise dieses Satzes. Ausgangspunkt dazu ist die Tatsache, dass im Griechischen nicht von „Früchten“ in der Mehrzahl, sondern von „Frucht“ in der Einzahl die Rede ist. Es geht um eine Frucht, nicht um mehrere. Der Satz heißt dann am Anfang zunächst: „Die Frucht aber des Geistes ist Liebe“. Das passt schon gleich zum neuen Gebot, dem Liebesgebot, von Jesus (Joh 13,34). Und es passt zur Aussage von Paulus, dass die Liebe Gottes in unsere Herzen ausgegossen ist durch heiligen Geist (Röm 5,5).

Was ist dann der Rest der Aufzählung? Das können nur verschiedene Ausgestaltungen dieser einen Frucht „Liebe“ sein. Der Vers aus der Lutherübersetzung heißt mit entsprechenden Satzzeichen dann so: „Die Frucht aber des Geistes ist Liebe: Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Keuschheit.“ Das alles gehört zur Liebe. Es geht also nicht um neun Früchte des Geistes, sondern um Liebe als Frucht des Geistes in acht Konkretionen.

Die letzte dieser acht Ausgestaltungen der Liebe, die Luther mit „Keuschheit“ wiedergegeben hat, war mancherlei Übersetzungsversuchen ausgesetzt. Man liest da in den Bibelversionen auch „Enthaltsamkeit“, „Besonnenheit“ oder vielleicht sogar „Disziplin“. Das griechische Wort, das hier steht, ist „enkráteia“. Dieses meint in seiner Grundbedeutung etwas wie „sich zusammennehmen“.

Es gibt eine aufschlussreiche Parallelstelle, in der Paulus dieses Wort in Verbform benutzt hat. Von ihr her bin ich auf einen anderen Begriff gekommen, den ich nun benutze – 1 Kor 9,25: „Jeder, der kämpft, verzichtet aber auf alles; jene, damit sie dann einen vergänglichen Siegeskranz bekommen, wir aber einen unvergänglichen.“

Dieses Enthalten von unnötigen Dingen nennen wir im Deutschen doch wohl am ehesten „Verzicht“. Der Satz im Galaterbrief heißt dann in meiner Übersetzung: „Die Frucht des Geistes ist aber Liebe: Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftheit, Verzicht.“

Mit diesen Konkretionen der Liebe darf man sich gerne auch prüfen, wie es bei einem selbst damit steht. Und wenn der Satan wieder einmal etwas anbietet, um uns vom Wesentlichen abzulenken oder zu verführen, dann gibt es eine wunderbare Möglichkeit, darauf zu reagieren: Wir verzichten einfach.

Das Thema „Verzicht“ taucht auch an einer eher unerwarteten Stelle auf, nämlich in einer evangelistischen Verkündigung – Apg 24,24-25: „Nach einigen Tagen kam Felix mit Drusilla, seiner Frau, die Jüdin war, ließ Paulus holen und hörte ihn an über den Glauben an den Messias Jesus. Als (Paulus) aber über Gerechtigkeit, Verzicht und das kommende Gericht sprach, wurde Felix voller Furcht und antwortete: ‚Für jetzt geh! Wenn ich eine Gelegenheit bekomme, will ich dich zu mir rufen lassen‘.“

Felix, ein heidnischer Römer, hört Paulus an, der über den Glauben an Jesus den Messias spricht. In diesem Zusammenhang thematisiert Paulus dann auch die Themen „Gerechtigkeit“, „Verzicht“ und „das kommende Gericht“. Das ist für unsere modernen Ohren durchaus ungewohnt in einer evangelistischen Verkündigung. Aber Paulus war offensichtlich darauf aus, einem Interessierten das ganze Christenleben mit all seinen Aspekten zu erklären. Der sollte ja schließlich wissen, was auf ihn zu käme, wenn er Christ würde. Und unter anderem erklärte Paulus ihm, dass er in diesem Fall sicherlich auf einiges würde verzichten müssen …

Die zehn Gebote

Die zehn Gebote kommen im Alten Testament zweimal vor, nämlich in 2 Mo 20, wo Gott die Worte vom Berg herab direkt zum Volk Israel spricht, und in 5 Mo 5, wo Mose sie vor dem Einzug ins Land Kanaan dem Volk noch einmal wiederholt.

Wenn ich beim Übersetzen der alttestamentlichen Texte auch die griechische Übersetzung mitlese, dann habe ich vier Versionen davon, zwei hebräische und zwei griechische. Und hier fällt auf, dass die Reihenfolge von drei der zehn Gebote in den Versionen verschieden ist. Und auch an anderen Stellen der Bibel werden diese Gebote in unterschiedlicher Reihenfolge aufgezählt. Es handelt sich um die Gebote (nach biblischer Zählung) 6 – 8, ich zitiere hier die Versionen:

2 Mo 20 hebräisch:

Du sollst nicht morden! Du sollst nicht die Ehe brechen! Du sollst nicht stehlen!

2 Mo 20 griechisch:

Du sollst nicht die Ehe brechen! Du sollst nicht stehlen! Du sollst nicht morden!

5 Mo 5 hebräisch:

Du sollst nicht morden! Du sollst nicht die Ehe brechen! Du sollst nicht stehlen!

5 Mo 5 griechisch:

Du sollst nicht die Ehe brechen! Du sollst nicht morden! Du sollst nicht stehlen!

Wir sehen: Die zwei hebräischen Versionen sind gleich, und die griechischen Versionen stimmen darin überein, dass das Verbot des Ehebruchs zuerst kommt. Und ich erinnere daran, dass von der Textüberlieferung her die griechischen Texte die älteren sind. Die griechischen Übersetzer haben also zu ihrer Zeit „Du sollst nicht die Ehe brechen!“ als 6. Gebot vorgefunden.

Das passt zusammen mit der Darstellung, die ich von meinem damaligen Professor für Altes Testament Hartmut Gese gelernt habe. Der Kern seiner Aussage besteht nämlich darin, dass sich das Gebot „Du sollst nicht stehlen!“ ursprünglich auf den Menschen bezog. Du sollst nicht (Menschen) stehlen, also nicht rauben, entführen, versklaven, etc.. Es bezieht sich auf alles, was auch heute noch als Menschenhandel und Freiheitsberaubung strafbar ist.

Und damit ergibt es eine sehr sinnvolle Reihenfolge. Die zehn Gebote lassen sich dann einteilen in fünf Gebotspaare, die sich jeweils auf ein gemeinsames Thema beziehen. Ich zitiere die Gebote in Kurzform:

1. Gebotspaar – es geht um Gott an sich

a) Es soll für dich keine anderen Götter geben gegen mich!

b) Du sollst dir kein Gottesbild machen!

2. Gebotspaar – es geht um die Beziehung zu Gott:

a) Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht für Nichtiges verwenden!

b) Bewahre den Tag der Ruhe, dass du ihn heilig hältst!

3. Gebotspaar – es geht um die dem Menschen übergeordnete Gruppe, die Familie:

a) Ehre deinen Vater und deine Mutter!

b) Du sollst nicht die Ehe brechen!

4. Gebotspaar – es geht um den Menschen an sich, sein Leben und seine Freiheit:

a) Du sollst nicht morden!

b) Du sollst nicht stehlen!

5. Gebotspaar – es geht um den Mitmenschen, sein Recht und seinen Besitz:

a) Du sollst nicht als falscher Zeuge aussagen gegen deinen Mitmenschen!

b) Du sollst nicht gierig sein nach der Frau deines Mitmenschen, du sollst nicht gierig sein nach dem Haus deines Mitmenschen, seinem Feld, seinem Knecht, seiner Magd, seinem Rind, seinem Esel und allem, was deinem Mitmenschen gehört!”

Wir sehen hier eine Lebensordnung, die vom Schöpfer des Universums bis zum Esel im Stall des Nachbarn alle Lebensbereiche umfasst, regelt und schützt. Und ich denke, dass die Weisheit, die diese zehn Worte hervorgebracht hat, nicht menschlichen Ursprungs ist. Das hätte auch der Weiseste so nicht hingekriegt …