Ein Bibelübersetzer entdeckt ...

Kategorie: Neues Testament (Seite 12 von 18)

Schriftgelehrte

Schriftgelehrte als Zunft der in den heiligen Schriften ausgebildeten Theologen benennt das Neue Testament mit drei unterschiedlichen griechischen Begriffen. Da ist am häufigsten der „grammateús“, was von „grámma – Buchstabe, Schrift“ kommt und üblicherweise mit „Schriftgelehrter“ übersetzt wird. Daneben gibt es den „nomikós“, was von „nómos – Gesetz“ kommt und am besten mit „Gesetzeskundiger“ wiedergegeben wird. An drei Stellen kommt dann auch noch der „nomodidáskalos“ vor, was „Gesetzeslehrer“ bedeutet.

Schriftgelehrte kamen auch damals schon mit einem Studium und einer offiziellen Ordination zu ihrem Titel und Status und hoben sich damit vom gewöhnlichen Volk ab. Und so gleichen sie darin auch den heutigen Theologen, es ist immer noch dasselbe System. Aus Gründen der Aktualität benutze ich in meiner Übersetzung daher für das häufigere „grammateús“ den Begriff „Theologe“. Bei „nomikós“, das seltener vorkommt, bleibe ich bei „Gesetzeskundiger“. Den „nomodidáskalos“ habe ich bisher mit „Gesetzeslehrer“ wiedergegeben. So verwende ich für die drei gleichbedeutenden griechischen Begriffe auch im Deutschen drei unterschiedliche Wörter.

Jesus selbst war in diesem Sinne kein Theologe, auch seine Jünger nicht, und das war Absicht. Jesus hat die Zunft der Theologen gänzlich als Heuchler entlarvt und komplett abgelehnt. An verschiedenen Stellen der Evangelien wird das deutlich, ganz besonders in seiner Schlussabrechnung mit ihnen in Mt 23. Selbstverständlich hat er sich damit ihre bittere Feindschaft zugezogen.

In der neutestamentlichen Gemeinde spielen offizielle Theologen dann auch keine Rolle mehr. Paulus war zwar ein ausgebildeter Theologe von der pharisäischen Richtung. Er hatte in Jerusalem bei dem berühmten Lehrer (nomodidáskalos) Gamaliel studiert. Aber nach seiner Bekehrung zu Jesus als dem Messias hatte das in seinem Dienst und Auftrag keine Bedeutung mehr. Es war ein Teil seines alten Lebens, das er hinter sich gelassen hatte. So wie Jesus die offizielle Theologenzunft ausdrücklich abgelehnt hatte, galt das in seiner Gemeinde. Ein bekehrter Theologe war kein „Theologe“ mehr, sondern ein Bruder.

Nur an einer Stelle kommen auch im christlichen Bereich wieder „nomodidáskaloi“ vor. In 1 Tim 1,7 schreibt Paulus über falsche Lehrer: „Sie wollen Gesetzeslehrer sein, obwohl sie (selbst) nicht verstehen, was sie sagen und was sie uns fest versichern.“ Offensichtlich haben diese Herren nicht nur irreführend gelehrt, sondern auch versucht, sich mit einem Titel eine gewisse Lehrautorität zu verschaffen. Da irreführende „Gesetzeslehrer“ im christlichen Bereich aber nicht als problematisch bekannt sind, werde ich das Wort bei künftigen Gelegenheiten aktueller mit „Bibellehrer“ wiedergeben.

Aber in einem Sinn gibt es in der christlichen Gemeinde dann doch noch Theologen, nämlich in dem, dass alle Christen Theologen sind, weil sie alle Gott kennen.

Die Predigt

Die Predigt, wie wir sie aus dem kirchlichen Bereich kennen, findet in einem religiösen Raum statt. Dabei spricht ein kirchlich Beauftragter von einer Kanzel oder einem Pult „herab“ in einem Monolog an Zuhörer. Diese Art zu lehren ist innerhalb der neutestamentlichen Gemeinde so nicht denkbar. Im Alltagsdeutsch ist der Begriff ja auch in eine negative Bedeutung übergegangen, im Sinne von „Anpredigen“ oder „Moralpredigt“. Der negative Touch hat seinen Ursprung ganz sicher in Erfahrungen mit kirchlichen Predigten und Predigern.

Die in frommen Kreisen so genannte und hochgehaltene „Wortverkündigung“ als Teil eines sonntäglichen Programms namens „Gottesdienst“ soll möglichst „gut“ sein. Das heißt, sie soll unterhaltsam und gehaltvoll sein und auf jeden Fall die frommen Ansichten des Hörers möglichst bestätigen. Auf keinen Fall darf sie jemandem zu nahe treten oder jemanden erschrecken. Die „Wortverkündigung“ verkündigt viele Wörter und – dazwischen versteckt – auch mehr oder weniger etwas vom Wort Gottes. Und zwischen den Zeilen kann man dann ganz gut heraushören, was der Prediger vielleicht meint, wenn man es hören will.

Das grundlegend Falsche an dieser Art der Predigt ist ihre Unverbindlichkeit. Der Prediger hat einen Auftritt vor Publikum. Er allein ist dafür zuständig, was er sagt und wie er es sagt. Und die Zuhörer sind allein dafür zuständig, was sie heraushören und was sie daraus machen. Es war eine interessante Erfahrung für mich, als eine Predigthörerin einmal begeistert eine meiner Predigten lobte – für etwas, das ich in der Predigt mit keinem Wort gesagt hatte.

Unverbindlich heißt, der eine darf sagen, was er will, die anderen dürfen hören, was sie wollen, von „umsetzen“ oder „tun“ ganz zu schweigen. Die Hauptsache ist, dass beide Seiten am Ende irgendwie mit sich zufrieden sein können, dann war es eine „gute“ Predigt. Nun, ich weiß, dass es auch Prediger gibt, die ihre Sache ernst meinen, aber es ändert nichts am System. Es ist keine biblische Art zu lehren.

Was im Neuen Testament mit der Botschaft Gottes geschieht, ist nach außen hin „verkünden“ bzw. „verkündigen“ und nach innen, in der Gemeinde, „lehren“. Und diese Lehre des Neuen Testaments ist maßgeblich, einheitlich und für alle verbindlich. Die uns bekannten „Predigten“ dagegen sind subjektive Darstellungen des jeweiligen Predigers und – zum Glück – völlig unverbindlich. Niemand muss sie ernst nehmen und sich danach richten. Ein Sonderfall ist es, wenn der Prediger seine Predigt verbindlich macht, dann wird er zum Sektierer.

Das griechische Wort „kerýssein/verkünden“, das kirchlicherseits gerne mit „predigen“ gleichgesetzt wird, beschreibt die Tätigkeit eines „kéryx“. Das ist ein öffentlicher Ausrufer bzw. ein offizieller Übermittler einer offiziellen Botschaft. Ein öffentlicher Ausrufer oder Übermittler einer Botschaft wäre früher ja auch niemals ein „Prediger“ gewesen.

Abgesehen von dem unbiblischen Rahmen, in der die Predigt stattfindet, ist sie auch pädagogisch die denkbar ineffektivste Form des Lehrens. Man zähle einmal alle Predigten zusammen, die alle Prediger an einem Sonntag in allen „Gemeinden“ vortragen. Und dann zähle man zusammen, was in Summe geistlich dabei herauskommt. An ihren Früchten werdet ihr sie klar erkennen …

Die griechischen Begriffe, die man anderweitig schon mit „predigen“ übersetzt hat, gebe ich in meiner Übersetzung wie folgt wieder: euangelízesthai – (gute) Botschaft bringen / katangéllein – verkündigen / kerýssein – verkünden.

Pastor

„Pastor“ ist das lateinische Wort für „Hirte“, griechisch „poimén“. Im Neuen Testament kommt es im wörtlichen Sinn vor, z. B. bei den Hirten auf dem Feld im Bericht von der Geburt des Messias (Lukas 2). Im übertragenen Sinn ist es an mehreren Stellen eine bildhafte Bezeichnung für Jesus. Er ist der von Gott gesandte gute Hirte, der Anführer und Versorger seiner Herde, der Gemeinde.

Als Bezeichnung von Verantwortlichen in der Gemeinde taucht „Hirten“ nur ein einziges Mal auf. Das ist in der Aufzählung der Gaben Eph 4,11, und zwar in der Kombination „Hirten und Lehrer“. Aus dieser Tatsache kann man vielleicht auch schließen, dass es keine häufige Bezeichnung war. Das „Hüten“ als deren Tätigkeit wird zweimal genannt, in Apg 20,28 und 1 Pe 5,2.

In 1 Pe 5,4 wird in der Unterweisung gegenüber den „Älteren“ Jesus als der „oberste Hirte“ bezeichnet. Das macht deutlich, wem allein die Vorrang- und Machtstellung in der Gemeinde gehört. Gegenüber dem „obersten Hirten“ sind die menschlichen „Hirten“ dann eben die Älteren in der Gemeinde. In der Verantwortung vor Jesus üben sie innerhalb der geschwisterlichen Gemeinde ihre dienende Funktion aus.

Natürlich hat man das Wort ins Lateinische als „pastor“ übersetzt, weil „Hirte“ auf Lateinisch eben „pastor“ heißt. Das lateinische Wort „pastor“ aber im Deutschen als Titel eines ordinierten Amtsträgers zu verwenden, ist der Sache nicht angemessen und der gemeinschaftlichen Struktur der christlichen Gemeinde fremd. Die Sonderrolle des „Pastors“, wie wir ihn aus protestantischen und freikirchlichen Traditionen kennen, hat in der geschwisterlichen Gemeinde keinen Platz. Außerdem hat Jesus das Führen von religiösen, kirchlichen oder „geistlichen“ Titeln in Mt 23,8-10 eindeutig verboten.

In der Gemeinde, wie Gott sie gewollt hat, sind „Pastoren“ oder „Pfarrer“ (Pfarrherren) nicht vorgesehen. Im Neuen Testament sind sie nirgends zu finden.

Ausführlich bearbeitet habe ich diese Thematik in meinem Buch „Die Gemeinde des Messias„.

Das Kreuz

Das griechische Wort „staurós“ heißt eigentlich „Pfahl“ oder „Balken“. Es wird aber auch für das römische Hinrichtungsinstrument verwendet, das auf Lateinisch „crux“ heißt. Das Kreuz bestand aus einem senkrecht feststehenden Pfahl und einem abnehmbaren Querbalken.

Einen Verurteilten band oder nagelte man zunächst mit den Armen an den Querbalken. Dann wurde der Querbalken mit dem daran hängenden Verurteilten hinaufgehoben und oben auf dem Pfahl befestigt. Danach wurden die herabhängenden Füße links und rechts mit je einem Nagel seitlich an den Pfahl genagelt. Da der Querbalken also oben auf dem Pfahl war, sah das „Kreuz“ aber nicht wie das übliche „t“ aus, sondern wie ein „T“.

(Jesus wurde also nicht mit drei, sondern mit vier Nägeln angenagelt – zwei durch die Unterarme, zwei durch die Fußknöchel. Die Tafel mit der Anschuldigung gegen ihn wurde auch nicht über ihm „am“ Kreuz befestigt, sondern nach Joh 19,19 „auf“ dem Kreuz, also oben auf dem Querbalken.)

Diese Art des Kreuzes als Hinrichtungsinstrument war ein Machtsymbol des römischen Staates und in den ersten zwei bis drei Jahrhunderten als christliches Symbol undenkbar. Das Symbol der Christen war der Fisch. Mit Kreuzen zu hantieren, ist in der christlichen Gemeinde niemandem in den Sinn gekommen. Erst als sich das Christentum mit dem römischen Staat vermischte, wurde das heidnische Kreuz als christliches Symbol ausgegeben, als Symbol der „christlichen“ Macht im römischen Staat.

Das „Wort vom Kreuz“, von dem Paulus spricht, bezieht sich also nicht auf einen heilbringenden Gegenstand. Es bezieht sich auf ein historisches Ereignis, die Hinrichtung des Messias, die Grundlage der Rettung. Im Neuen Testament verkündet man also nicht das „Kreuz“, sondern den „Kreuzestod“ des Messias. Deshalb verwende ich in meiner Übersetzung zwar „Kreuz“, wenn vom Hinrichtungsinstrument die Rede ist, aber „Kreuzestod“, wenn es um das Zentrum der christlichen Botschaft geht. Das zugehörige Verbum gebe ich nicht mit „kreuzigen“ wieder, sondern aussagekräftiger mit „ans Kreuz hängen“ oder „hinrichten am Kreuz“.

Als Symbol der pseudochristlichen bzw. antichristlichen Macht steht das Kreuz auch heute noch auf Kirchtürmen, Feldfluren und Bergspitzen, hängt in kirchlichen und staatlichen Einrichtungen, wird am Revers, um den Hals und am Rosenkranz getragen, wird als heiliger Gegenstand verehrt und dient – auch in der Form des Bekreuzigens – als Symbol der Unterwerfung unter die kirchliche Macht und als Segens- und Schutzzauber.

Wer sich mit der Geschichte des abendländischen „Christentums“ beschäftigt, wird darauf stoßen, dass man mit dem Kreuz nicht nur Jesus selbst tötete. Unter diesem Zeichen verfolgte man auch zahllose seiner Nachfolger. Man nannte sie „Ketzer“, sperrte sie ein, folterte sie unter Vorhaltung des Kreuzes und brachte sie um. „Kreuz“-Züge wurden nicht nur gegen Muslime im Orient und in Spanien geführt. Sie wurden auch im Herzen Europas gegen abweichende christliche Gruppierungen wie die Waldenser, Albigenser und die Katharer geführt.

Ich habe den dringenden Verdacht, dass wir es hier mit dem Zeichen des Antichristen zu tun haben. Jedenfalls kenne ich kein anderes Zeichen, auf das die Beschreibung aus der Offenbarung besser passen würde: “ … dass sie sich ein Kennzeichen machen auf ihre rechte Hand oder auf ihre Stirn, … „.

Ein Beweisfoto aus unserer Zeit (Osternachtgottesdienst Moskau 2023):

Neben Putin war auch der Moskauer Bürgermeister Sergej Sobjanin vor Ort. Dieses von der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Sputnik via AP veröffentlichte Foto zeigt, wie die beiden das Kreuzzeichen machen. Bild: dpa

(Quelle: tagesschau.de)

Aus der Historie (Quelle: Spiegel Geschichte, Ausgabe 3/2023):

Eine Illustration aus dem 19. jahrhundert zum „Wirken“ von Konrad von Marburg. Konrad war ein Ketzerjäger im frühen 13. Jahrhundert, der im Auftrag des Papstes Hunderte Menschen auf den Scheiterhaufen brachte. Spätere Inqisitoren orienterten sich an dem „kurzen Prozess“, den Konrad eingeführt hatte – einem Verfahren ohne Freispruch, ohne Verteidigung und mit erzwungenen Geständnissen.
Mit einer Garotte (undatiertes Originalexemplar) konnte man angebliche Ketzer quälen und hinrichten.

Kirche

Das Wort, das in katholischen Bibelübersetzungen an einigen Stellen als „Kirche“, in anderen Bibeln meist als „Gemeinde“ auftaucht, heißt auf Griechisch „ekklesía“. Als „ecclesia“ ist es ins Lateinische gekommen, als Fachausdruck dann auch ins Deutsche.

Ekklesía“ ist im Griechischen eigentlich kein religiöser Begriff, sondern gehört in den politischen Raum. Er bezeichnet die „Volksversammlung“ in der griechischen Stadt-Demokratie, die Versammlung der freien und stimmberechtigten Bürger eines Stadt-Staates (nach damaligen Verständnis ohne Frauen und Sklaven). In diesem säkularen Sinn kommt das Wort auch im Neuen Testament in Apg 19 dreimal vor: „ … die Volksversammlung war völlig durcheinander gekommen, … wird es in der gesetzmäßigen Volksversammlung aufgeklärt werden, … als er dies gesagt hatte, entließ er die Volksversammlung.“

Der Hintergrundbegriff des Alten Testamentes ist das Hebräische „qahál“, das ebenfalls für die Volksversammlung – in diesem Fall Israels – steht.

Die Bezeichnung ist im Neuen Testament bewusst gewählt, um zu zeigen, dass hier ein neues Volk Gottes aus freien, gleichberechtigten und mündigen Bürgern entsteht. Das Wesen dieser neuen Volksversammlung hat nichts gemein mit allem, was wir uns üblicherweise unter dem Namen „Kirche“ vorstellen. Nichts mit Großorganisation, Pfarrer, Kirchengebäude oder „Gottesdienst„.

Bei meiner Übersetzung habe ich mich nach einigem Überlegen dazu entschieden, für „ekklesía“ ebenfalls den geläufigen Begriff „Gemeinde“ zu verwenden. Eine Alternative wäre „Gemeinschaft“ gewesen. Aber dafür gibt es im Griechischen auch ein eigenes Wort (koinonía), und in christlichen Kreisen hat auch „Gemeinschaft“ schon wieder einen kirchlichen Klang.

Für die Übersetzung „Gemeinde“ spricht, dass der Begriff im Deutschen auch in der säkularen Sprache geläufig ist. Abgesehen vom kommunalen Verständnis bezeichnet er hier die Gesamtheit oder Versammlung einer bestimmten Anhängerschaft oder Gruppierung (z. B. eine Fan-Gemeinde, eine Trauergemeinde, die türkische Gemeinde etc.). Damit kommt man dem Verständnis der „christlichen Gemeinde“ am ehesten nahe.

Eine Schwierigkeit besteht aber darin, dass man sich in christlichen Kreisen unter „Gemeinde“ leider auch wieder etwas anderes vorstellt. Etwas, das wiederum stark in Richtung „Kirche“ geht. Der „Pastor“ hält in der „Gemeinde“ einen „Gottesdienst“. Nicht umsonst spricht man da von der Frei-„Kirche“. Und wenn sich eine Freikirche einfach „Ekklesia“ nennt oder „Gemeinde für Urchristentum“, ist damit natürlich nichts gewonnen. Man hat dann nur wieder neue Plaketten im konfessionellen Etikettenschwindel erfunden.

Vom Neuen Testament her müsste man radikal umdenken, aber das eingespielte System will bzw. kann dann doch niemand ändern.

Hilfreich ist es, anhand einer Konkordanz oder eines Suchprogramms im Neuen Testament die Stellen zu erforschen, wo von der Gemeinde die Rede ist. Man wird dort die Dinge nicht finden, die einem sofort einfallen, wenn man an Kirche oder Gemeinde denkt. Es gibt keine Pfarrer oder Pastoren. Es gibt keine Kirchengebäude oder Gemeindezentren. Und es gibt keine Gottesdienste im Sinne von rituell ablaufenden und gesteuerten Veranstaltungen. Die neutestamentliche Gemeinde ist wesensmäßig völlig anders. Sie ist von Glaube, Gemeinschaft und Gleichwertigkeit bestimmt. Sie wird nicht von Menschen geleitet, sondern vom Heiligen Geist.

Die „Kirche“, wie wir sie kennen, ist allerdings auch dem Neuen Testament nicht unbekannt. In der Offenbarung wird sie prophetisch im Bild der Hure Babylon dargestellt.

Die ausführliche Darlegung der neutestamentlichen Sicht auf „Kirche“ und „Gemeinde“ habe ich in meinem Buch „Die Gemeinde des Messias“ veröffentlicht.

Der Oberste Priester

Der „Oberste Priester“ ist der verständlichere Begriff für das traditionelle Wort „Hohepriester“, das zum religiösen Insiderwort geworden ist. „Oberster Priester“, wie ich es übersetze, stellt gegenüber „Hohepriester“ auch eine wörtlichere Übersetzung des griechischen „archiereús“ dar.

Der erste Oberste Priester in Israel war Aaron, der Bruder Moses. Jeder weitere Oberste Priester musste in direkter Linie von Aaron abstammen. Seine wichtigste Aufgabe war, im Tempeldienst das Volk vor Gott zu vertreten, insbesondere am großen Versöhnungstag, dem Jom Kippur.

Der Oberste Priester zur Zeit der öffentlichen Wirksamkeit von Jesus war Kajafas. Außer ihm wird in den Evangelien aber auch Hannas als Oberster Priester bezeichnet. Der war nicht nur der Schwiegervater von Kajafas, sondern auch dessen Amtsvorgänger. Eigentlich amtierte ein Oberster Priester lebenslang, bis zu seinem Tod. Doch die Römer hatten darauf keine Rücksicht genommen und Hannas aus politischen Gründen abgesetzt. Der blieb nach seiner Absetzung aber als graue Eminenz im Hintergrund aktiv, zog die Fäden und führte inoffiziell auch weiterhin den Titel.

Außerdem werden „oberste Priester“ auch als Gruppe genannt. Dabei handelt es sich um die männlichen näheren Verwandten des Obersten Priesters. Diese waren in die Verwaltung des Tempeldienstes und die politischen Geschäfte mit eingebunden. Und aus ihrem Kreis würde bei der Absetzung oder dem Ableben des amtierenden Obersten Priesters auch wieder dessen Nachfolger bestimmt.

Die Obersten Priester aus dem Alten Testament werden im Neuen Testament abgelöst durch Jesus. Er hat sich am Kreuz auf Golgota selbst als endgültiges Sühneopfer dargebracht und wurde dann von Gott eingesetzt als ewiger Oberster Priester im himmlischen Heiligtum. Der Hebräerbrief beschreibt ausführlich, wie das alte Priestertum nach der Ordnung Aarons endete, als Gott – in Erfüllung der Prophetie von Ps 110,4 – Jesus zum Obersten Priester nach der Ordnung Malki-Zedeks machte.

„Weil wir nun, Geschwister, durch das Blut von Jesus Freiheit haben zum Zugang ins Heiligtum, den er für uns in Kraft gesetzt hat als neuen und lebendigen Weg durch den Vorhang, das ist durch seinen menschlichen Körper, und (weil wir) einen mächtigen Priester über das Haus Gottes (haben), wollen wir hingehen: mit wahrem Herzen, mit Überzeugung des Glaubens, die Herzen gereinigt vom bösen Gewissen und den Leib gebadet mit reinem Wasser!“ (Hebr 10,19-22.)

Gottesdienst

Was „Gottesdienst“ ist, steht ausdrücklich und klar im Neuen Testament. Paulus hat es so formuliert: „Ich ermutige euch also, Geschwister, wegen des Erbarmens Gottes, dass ihr eure Leiber zur Verfügung stellt als Opfer, lebendig, heilig und Gott wohlgefällig, als eure Gottesverehrung, die dem Wort entspricht.” (Römer 12,1). Das Wort „latreía“, das ich hier mit „Gottesverehrung“ übersetze, würde am ehesten dem deutschen „Gottesdienst“ entsprechen.

Es ist fast überflüssig zu bemerken, dass eine solche Art des Gottesdienstes natürlich nichts mit ein oder zwei organisierten Veranstaltungen pro Woche zu tun hat.

Die neue Form der Gottesverehrung im neuen „Haus Gottes“ beschreibt Jakobus so: „Eine Gottesverehrung, die rein und unbefleckt ist bei Gott dem Vater, ist die: nach Waisen und Witwen zu schauen in ihren Schwierigkeiten, sich selbst unbefleckt zu halten von der Welt.” (Jakobus 1,27).

Vielleicht lässt sich das Prinzip so formulieren: Wir dienen Gott, indem wir für ihn und füreinander da sind. Gott dient uns, indem er persönlich und durch unsere Geschwister für uns da ist. Eine zeremoniell ablaufende Veranstaltung abzuhalten und sie dann auch noch „Gottesdienst“ zu nennen, das wäre in der neutestamentlichen Gemeinde keinem eingefallen.

Natürlich gab es in der neutestamentlichen Gemeinde regelmäßige, auch tägliche Treffen, Versammlungen, Zusammenkünfte, oder wie wir es nennen wollen. Wie es da so etwa zuging, können wir bei Paulus nachlesen:

„Wie ist es denn, Geschwister, wenn ihr zusammenkommt? Jeder hat ein Lied, hat eine Lehre, hat eine Entdeckung, hat eine Gebetssprache, hat eine Deutung. Alles soll geschehen, um aufzubauen! Wenn jemand in einer Gebetssprache spricht, auch zwei oder höchstens drei, dann der Reihe nach, und jemand soll übersetzen. Wenn aber kein Übersetzer da ist, soll er in der Gemeinde schweigen. Für sich selbst soll er aber sprechen und für Gott. Propheten sollen zwei oder drei sprechen, die anderen sollen beurteilen. Wenn einem anderen, der dasitzt, etwas offenbart wird, soll der erste schweigen. Ihr könnt doch – je einer – alle prophetisch sprechen, damit alle lernen und alle ermutigt werden.” (1.Korinther 14,26-31).

Es würde mich sehr wundern, wenn jemand in dieser Beschreibung den ihm bekannten „Gottesdienst“ in irgendeiner Weise wiederfinden würde. Auf jeden Fall ist zur Zeit des Neuen Testaments niemand auf den Gedanken gekommen, die Treffen der Christen als „Gottesdienst“ zu bezeichnen.

Fleisch

Der griechische Begriff „sarx“ heißt in seiner primären Bedeutung auf Deutsch „Fleisch“. In diesem Sinne verwende ich es auch in meiner Übersetzung, etwa wenn es um die Frage geht, ob Christen ein Stück Fleisch vom Markt essen dürfen. Wenn man das Tier, von dem es stammte, einem heidnischen Gott geopfert hatte, war es problematisch, davon zu essen.

In seiner übertragenen Bedeutung bezeichnet das Wort die sündige menschliche Natur, also das, was das Neue Testament auch den „alten Menschen“ nennt. Diese Bedeutung von „Fleisch“ bzw. „fleischlich“ ist allerdings aus der heutigen Sprache verschwunden. Manche christlichen Kreise mögen noch wissen, was „fleischliche Begierden“ sind, aber so drückt sich sonst niemand aus. In weltlicher Sprache wird hier am ehesten von „(allzu)menschlichen Schwächen“ gesprochen oder von der „menschlichen Natur“.

In meiner Übersetzung verwende ich daher je nach Zusammenhang die Begriffe „Menschliches, menschliche Natur, menschliche Art, menschliches Denken“. Im Neuen Testament steht dieses Menschliche grundsätzlich im Gegensatz zum Geistlichen. Sehr deutlich beschreibt es Paulus in Gal 5:

16 Ich sage: Lebt mit dem Geist! Dann werdet ihr die Gier der menschlichen Natur nicht erfüllen. 17 Das Begehren der menschlichen Natur (geht) ja gegen den Geist, das (Begehren) des Geistes aber gegen die menschliche Natur. Diese (zwei) stehen einander entgegen, sodass ihr (das Gute), das ihr (eigentlich) wollt, nicht zustande bringt. 18 Wenn ihr euch aber vom Geist führen lasst, seid ihr nicht unter dem Gesetz.

19 Die Werke der menschlichen Natur sind aber sichtbar – es sind: Unzucht, Unreinheit, Hemmungslosigkeit, 20 Götterverehrung, okkulte Praktiken, Feindschaften, Streitigkeiten, Eifersucht, Wutausbrüche, Konkurrenzdenken, Trennungen, Richtungen, 21 Neid, Saufereien, Ausartungen, und was diesen Dingen gleich ist. Von denen sage ich euch voraus, was ich vorausgesagt habe: Die, die solche Dinge tun, werden das Reich Gottes nicht erben.

22 Die Frucht des Geistes aber ist Liebe: Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, 23 Sanftheit, Verzicht. Zu den derartigen Dingen gibt es kein Gesetz. 24 Die aber, die dem Messias Jesus gehören, haben die menschliche Natur hingerichtet am Kreuz mit den Leidenschaften und den Trieben.

Diakon

„Diakon“ ist als Lehnwort vom griechischen „diákonos“ abgeleitet. Das heißt auf Deutsch „Diener“ oder „Dienerin“. Daher kommt dann auch das Wort „Diakonie“. In der kirchlichen Tradition haben sich diese Begriffe zu Bezeichnungen von gemeindeleitenden oder sozialberuflichen Betätigungen entwickelt. Ein „Diakon“ in dieser Bedeutung hat aber weder mit dem Inhalt des griechischen Wortes noch mit der neutestamentlichen Gemeinde etwas zu tun. Auch ein eigenständiger Stand von „Diakonissen“ ist im Neuen Testament nicht bekannt, trotz der Bevorzugung der Ehelosigkeit in der Nachfolge des Herrn.

Der Begriff „diákonos“ ist im Griechischen männlich und weiblich. So war auch Phöbe eine solche „diakonos“. Wir wissen von ihr, weil sie für Paulus seinen Brief an die Römer nach Rom brachte (Rö 16,1-2). Als „diakonos“ war sie für einen Aufgabenbereich in der Gemeinde zuständig, wie es die ersten Dienenden, die „Sieben“, waren. Diese in Apg 6 beschriebenen „Sieben“ waren das Urbild der neutestamentlichen Diener, nur verwendete man dort das Wort „diakonos“ noch nicht.

Dass es auch sonst weibliche „diakonoi“ gab, entnehme ich 1Tim 3,11, wo unter der Beschreibung der Diener auch speziell Frauen angesprochen werden. Es heißt dort ausdrücklich nicht „ihre Frauen“, als ob es die Ehefrauen der Diener wären, sondern nur „Frauen“. Ich habe es in meiner Übersetzung in diesem Sinne verdeutlicht. „Frauen (als Diener) sollen genauso: ernsthaft sein, nicht gehässig, mit einem klaren Kopf, zuverlässig in allem.“

Ein Titel wie „Diakon“ war das nicht und sollte es auch nicht sein. Jesus hatte das Führen von Titeln in seiner Gemeinde ausdrücklich verboten, wie es in Mt. 23,8-12 zu lesen ist. Wir haben im NT nur Bezeichnungen von Gaben und Aufgaben, aber keine Titel, die deren Träger von den anderen Geschwistern abheben.

Die Einführung von Titeln kam mit dem großen Abfall im 2./3. Jahrhundert auf. Die Einführung weltlicher Strukturen und Umgangsformen verwandelten die Gemeinde dann in die „Kirche„.

Den „diákonos“ übersetze ich deshalb allgemein mit „Diener“, die „diakonía“ mit „Dienst, Dienen, dienende Haltung, Aufgabe, Ausführen“.

Buße

Das griechische Wort „metanoeín“, das Luther mit „Buße tun“ übersetzt hat, gehört zum Grundbestand des Christentums. Es bedeutet ganz wörtlich „umdenken“, das heißt, sein Denken bzw. seine Gesinnung ändern. Im Neuen Testament ist dabei vorausgesetzt, dass, wenn sich das Denken ändert, sich das ganze Leben ändert, sich der ganze Mensch ändert. Deshalb übersetze ich das Wort mit „sich ändern“, „sich ändern wollen“ oder „bereit sein, sich zu ändern“. Das Substantiv „metánoia“ heißt dann entsprechend „Sinnesänderung“.

Ich denke, dass es im landläufigen Christentum eines der unbeachtetsten unter den grundlegenden Themen ist.

Die ganze neutestamentliche Geschichte fängt damit an: „In jenen Tagen kam Johannes der Täufer und verkündete in der Wüste von Judäa: ‚Seid bereit euch zu ändern! Denn das Königreich der Himmel ist nahe gekommen.’“ (Mt 3,1-2). „Von da an fing Jesus an zu verkünden und zu sagen: ‚Seid bereit euch zu ändern! Denn das Königreich der Himmel ist nahe gekommen.’“ (Mt 4,17).

Es geht weiter in der Apostelgeschichte: „Petrus sagte zu ihnen: ‚Seid bereit euch zu ändern! Jeder von euch muss sich untertauchen lassen im Namen von Jesus dem Messias, zur Vergebung eurer Sünden, und ihr werdet das Geschenk des Heiligen Geistes bekommen. (Apg 2,38). Und es steht in der Offenbarung: „Sei also bereit dich zu ändern!“ (Offb 2,16). Und an dieser Stelle ist es zu Christen gesagt.

Der heutige Bedeutungsinhalt von „Buße, büßen, abbüßen“ ist „eine Strafe bezahlen, erleiden oder ableisten“. Und das ist für die Übersetzung von „metánoia“ nicht geeignet. Im Zusammenhang der neutestamentlichen Lehre hat Jesus im Kreuzestod die Strafe auf sich genommen. Wenn jemand „gebüßt“ hat, dann er. Und so können wir uns ohne Angst vor Strafe zu Gott wenden und unsere Gesinnung und unser Leben in seinem Sinne mit seiner Hilfe ändern. Jesus hat für unsere Sünden gebüßt, und wir werden von Sündern zu Heiligen – wenn wir bereit sind, uns zu ändern.

Der Weg vom Sünder zum Heiligen kann ja nur ein gewaltiger Veränderungsprozess sein. Es ist das Lebenselement eines lebendigen Christen. In der Gemeinschaft mit Jesus und unter der Leitung des heiligen Geistes ist er bereit, jegliche Veränderung in seinem Leben umzusetzen, die dem Willen Gottes entspricht. Das Festhalten am Alten gegen den Willen Gottes ist Ungehorsam und damit Sünde. Wer nicht bereit ist sich zu ändern, kann den Weg mit Jesus nicht gehen.

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