Ein Bibelübersetzer entdeckt ...

Schlagwort: Gebet

Das Haus Gottes

Das Haus Gottes in Form eines steinernen Hauses war zuletzt der Tempel in Jerusalem. Als Wohnstatt Gottes wurde er abgelöst, als Jesus am Kreuz das ein für alle Mal gültige Opfer darbrachte. Zu diesem Zeitpunkt zerriss der Vorhang vor dem Allerheiligsten im Tempel (siehe Mt 27,51). Dieser zerrissene Vorhang symbolisierte, dass der Zugang zu Gott jetzt frei war – für jeden Menschen an jedem Ort.

Jesus hatte das einer samaritanischen Frau gegenüber vorausgesagt. „Glaube mir, Frau, es kommt eine Zeit, in der ihr weder auf diesem Berg noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet. … Aber es kommt eine Zeit – und es ist jetzt –, dass die wahren Anbeter den Vater im Geist und in der Wahrheit anbeten. Und der Vater sucht ja solche, die ihn so anbeten. Gott ist Geist; und die, die ihn anbeten, müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten“ (Joh 4,21-23).

Adolf Schlatter schreibt in seinem Kommentar „Der Evangelist Matthäus“ zu Mt 5,6: „Jesus bedurfte zum Gebet keinen geweihten Raum, nur Einsamkeit … In der Freiheit von allen kultischen Satzungen stand die palästinische Kirche der paulinischen nicht nach. Matthäus hat ebenso wenig Kirchen gebaut als Paulus.“

Jesus hat den überall gültigen Zugang zu Gott hergestellt, indem er ins himmlische Heiligtum ging. „Und nicht mit Blut von Böcken und Stieren, sondern mit seinem eigenen Blut ist er ein für alle Mal ins Heiligtum gegangen und hat ewige Erlösung erwirkt.“ (Hebr 9,12).

Nun wird ein anderes „Haus Gottes“ gebaut: „Lasst euch selbst als lebendige Steine aufbauen, als geistliches Haus, zu einer heiligen Priesterschaft, um geistliche Opfer darzubringen, die Gott willkommen sind durch Jesus den Messias!“ (1 Petr 2,5).
Oder wie im Hebräerbrief in Bezug auf den Messias steht: „Sein Haus sind wir, wenn wir die Zuversicht und die Hoffnung, auf die wir stolz sind, behalten.“ (Hebr 3,6).
Oder bei Paulus: „… damit du weißt, wie man im Haus Gottes verfahren muss, das ist die Gemeinde des lebendigen Gottes, Pfeiler und fester Grund für die Wahrheit.“ (1 Tim 3,15).

Die Gemeinde der Nachfolger von Jesus ist jetzt also das Haus Gottes – es gibt kein anderes auf der Welt. Dieses Haus wird auf- und weitergebaut, bis der Herr kommt. Sein Aufbau ist der einzig entscheidende Vorgang im derzeitigen Zeitalter, der Endzeit, zwischen dem Weggang und der Wiederkunft von Jesus. Sinnigerweise ist Jesus als gelernter Maurer jetzt auch der Baumeister dieses Gebäudes.

Für öffentliches Lehren nutzte man im Neuen Testament auch öffentliche Räume: Die Halle Salomos in Jerusalem, Synagogen an verschiedenen Orten, das Haus des Titius Justus (Apg 18,9) und den Lehrsaal des Tyrannos (Apg 19,9). Das waren keinesfalls „gemeindeeigene Gotteshäuser“. Es waren öffentliche oder private Gebäude, die man zweckmäßig nutzte, wie es gerade nötig und möglich war.

Die Häuser, in denen sich ein „Gemeindeleben“ tatsächlich abspielte, waren die Häuser und Wohnungen der Gläubigen. Das wären dann auch noch am ehesten steinerne „Gotteshäuser“, wenn man so will. Aber auch diese Sichtweise findet man im Neuen Testament nicht. Es gibt nur dieses eine Haus Gottes, das aus Menschen besteht.

(Dieser Beitrag ist in ähnlicher Form auch in meinem Buch „Die Gemeinde des Messias“ zufinden.)

Die neuen Sprachen

Die neuen Sprachen, in denen die am ersten Pfingstfest Versammelten redeten, sind ein bekannter Teil des Berichts über die erste Geistausgießung in Apg 2. Dass es sich dabei um reguläre Sprachen handelte und nicht um irgendein Stammeln oder Lallen, geht aus der Schilderung hervor.

In älteren Übersetzungen ist anstatt von „Sprachen“ noch von „Zungen“ die Rede. Das hat leider dazu beigetragen, dass man sich unter „Zungenrede“ manchmal recht eigenartige Dinge vorgestellt hat. Der Grund für den missverständlichen Ausdruck liegt darin, dass das griechische Wort „gloosa“ sowohl die Bedeutung „Zunge“ als auch „Sprache“ hat. Übrigens hatte „Zunge“ in früheren Zeiten auch im Deutschen noch die Bedeutung „Sprache“. Leute „deutscher Zunge“ waren Deutschsprechende.

Dass diese Sprachen auch die weiteren Geistausgießungen in der Apostelgeschichte begleiteten, ist bekannt. Genauso bekannt sind auch die Verwirrungen und Auseinandersetzungen um diese Gabe, die es in Korinth gab und die Paulus in seinem ersten Brief an die Gemeinde dort klären musste.

Weniger bekannt ist, dass sie auch an zwei weiteren Stellen in den Briefen auftauchen, nur unter einem anderen Namen. Paulus hat die Sprachengabe in 1 Kor 14 auch als „Beten mit dem Geist“ bezeichnet, mit dem man sich selbst geistlich aufbauen kann. Als „Beten im Geist“ taucht es aber noch an zwei weiteren Stellen auf. Paulus empfiehlt es im Zusammenhang mit der geistlichen Waffenrüstung im Epheserbrief. Eph 6,18: „Bei allem Beten und Bitten betet bei jeder Gelegenheit im Geist, …“. Und auch im Judasbrief, Vers 20, wird es eindringlich ans Herz gelegt: „Ihr aber, Geliebte, baut euch auf in eurem heiligsten Glauben, indem ihr im Heiligen Geist betet!“

Das Beten im Geist bzw. in Sprachen war in der neutestamentlichen Gemeinde also wohl ein weiter verbreitetes und dauerhafteres Phänomen, als man gewöhnlich annimmt. Da in all diesen Briefstellen deutlich wird, dass dieses Reden in Sprachen in erster Linie eine Art des Gebets ist, habe ich in meiner Übersetzung des Neuen Testaments zur Unterscheidung von der normalen Sprache den Ausdruck „Gebetssprachen“ dafür eingeführt.

Erstaunlich ist allerdings, wenn man es sich genau überlegt, dass im Neuen Testament beim Auftreten dieser Gebetssprachen niemand darüber verwundert war – außer in Apg 2 darüber, dass man sie verstehen konnte. Auch hatte offensichtlich niemand das Bedürfnis, dieses Phänomen erklärt zu bekommen oder zu erklären. Ist das nicht merkwürdig?

Außer der Aussage, dass es eine Art des Gebets ist, finden wir nur in 1 Kor 14 nähere Angaben dazu. Ohne dieses Kapitel wüßten wir fast nichts darüber. Stellen wir einmal zusammen, was Paulus dort dazu gesagt hat:

14,2: „Wer in einer Gebetssprache spricht, spricht nicht für Menschen, sondern für Gott. Niemand hört ja zu; in (seinem) Geist sagt er geheimnisvolle Dinge.“

14,4: „Wer in einer Gebetssprache spricht, baut sich selber auf.“

14,5: „Ich will, dass ihr alle in Gebetssprachen sprecht, …“

14,14: „Wenn ich in einer Gebetssprache bete, betet ja mein Geist, mein Verstand ist aber unbeteiligt.“

14,15: „Ich will mit (meinem) Geist beten, ich will auch mit dem Verstand beten. Ich will mit (meinem) Geist singen, ich will auch mit dem Verstand singen.“

14,16: „Wenn du Gott preist mit (deinem) Geist, …“

14,17: „Du dankst zwar schön, …“

14,18: „Ich danke Gott, dass ich mehr als ihr alle in Gebetssprachen spreche.“

14,22: „Daher sind die Gebetssprachen als Zeichen nicht für die Glaubenden, sondern für die Ungläubigen, …“

14,28: „Für sich selbst soll er aber sprechen und für Gott.“

14,39: „… und hindert nicht das Sprechen in Gebetssprachen!“

Es ist also eine Art des Gebets, bei dem der Mensch in geheimnisvoller Weise mit seinem Geist zu Gott betet. Aber dies geschieht zugleich im heiligen Geist, der in ihm am Werk ist.

Ich hoffe, wir verstehen, dass Paulus diese Gabe sehr schätzt und auch in diesem Kapitel in keiner Weise abqualifiziert. Er legt nur dar, dass in der versammelten Gemeinde die Prophetie einen höheren Wert hat als die Gebetssprachen. Nur in dem Fall, dass jemand sie übersetzen kann – eine weitere Geistesgabe – haben sie einen Nutzen zum Aufbau der anderen.

Doch noch einmal zurück zu der Beobachtung, dass sich beim Auftreten der Gebetssprachen nirgends Verwunderung darüber gezeigt hat. Es schien auch keine Notwendigkeit einer Erklärung dieses Phänomens zu geben. War es etwa schon bekannt? War es womöglich schon lange ein Bestandteil des prophetischen Redens? Es gibt vier Hinweise darauf:

1) Das hebräische Wort für Prophet heißt „naví“. Es kommt von der Wortwurzel „navá“. Dazu gibt es zwei Formen des Verbums. In der Nif’al-Form heißt es einfach „Prophet sein“, „prophetisch sprechen“ oder „als Prophet handeln“. Prophetisches Spechen meint hier die Weitergabe der zuvor von Gott empfangenen Worte. Aber in der Hitpa’el-Form meint das Verb in der frühen Zeit von Mose bis Samuel ein prophetisches Reden, das keine Worte Gottes weitergibt, sondern eher eine Art „Vor-sich-hin-Reden“ ist. Der Geist kommt über die Propheten, über ihre Schüler und auch über den König Saul, und sie reden prophetisch und hören nicht mehr damit auf. Es ist ein Zeichen für die Anwesenheit des Geistes und dafür, dass sie Propheten sind. „Ist jetzt auch Saul unter den Propheten?“ fragen die Leute. In den späteren Zeiten haben diese beiden Verbformen ihren Unterschied in der Bedeutung aber leider verloren.

2) In Jes 28 spricht der Prophet Jesaja darüber, wie seine Gegner ihn verspotten, dass er ihnen nichts zu sagen habe. Und sie ihn zitieren mit „zawlazaw zawlazaw kawlakaw kawlakaw se’erscham se’erscham“. Das ist auf jeden Fall kein Hebräisch. Wenn Jesaja so gesprochen hat, ist die einfachste Erklärung dafür die Art des unverständlichen prophetischen Redens, das auch die früheren Propheten schon hatten. Man hat Jesaja so reden gehört und ihn damit verspottet.

3) Jesus selbst hat mehrfach das Kommen des Geistes angekündigt, besonders betont wird das im Johannesevangelium. Und in diesen Zusammenhang lässt sich auch sein Wort an die Samariterin einordnen – Joh 4,23-24: „Aber es kommt eine Zeit, und es ist jetzt, dass die wahren Anbeter den Vater anbeten im Geist und in der Wahrheit. Und der Vater sucht ja solche, die ihn so anbeten. Gott ist Geist; und die, die ihn anbeten, müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten.“ Wir wissen ja schon, dass Beten im Geist das Beten in einer Gebetssprache meint. Es kommt also eine Zeit, in der Gott im Geist angebetet wird. Ab Pfingsten war dies der Fall. Und „Beten im Geist und in der Wahrheit“, passt das nicht zur Formulierung von Paulus „Beten mit dem Geist und Beten mit dem Verstand?“

4) Und dann findet man bei genauem Hinschauen an jenem ersten Pfingsttag doch noch eine Erklärung für die fremden Sprachen. Petrus zitiert als Erklärung dort den Propheten Joel – Apg 2,17-20 / Joel 3,1-5a:

„Und nach diesen Dingen wird es sein, sagt Gott: Ich werde ausgießen von meinem Geist auf alle Menschen, und eure Söhne und eure Töchter werden prophetisch reden. Eure jungen Leute werden Visionen sehen, eure Älteren werden Träume träumen. Auch auf meine Sklaven und auf meine Sklavinnen werde ich zu jener Zeit ausgießen von meinem Geist.“ – Und sie werden prophetisch reden! – „Ich werde Wunder geben am Himmel oben und Zeichen auf der Erde unten: Blut, Feuer und Rauchwolken. Die Sonne wird sich verändern zu Finsternis und der Mond zu Blut, bevor der Tag des Herrn kommt, der große und Ehrfurcht gebietende. Und es wird (so) sein: Jeder, der den Namen des Herrn anrufen wird, wird gerettet werden.“

Petrus zitiert hier den Propheten Joel wörtlich. Aber er fügt am Ende von Vers 18 einen eigenen Satz ein. Nachdem er die Auswirkungen des Heiligen Geistes zitiert hat, wiederholt er – sicherlich betont – für seine Zuhörer diese eine Aussage noch einmal: „Und sie werden prophetisch reden!“. So bringt Petrus zum Ausdruck, dass diese Sprachen dem prophetischen Reden entsprechen, das Joel für das gesamte Volk angekündigt hat. Also ist es für Petrus und seine Zuhörer klar, dass dieses prophetische Reden gegenüber dem Alten Testament nichts Neues ist. Im Gegenteil, auch hier findet sich im Neuen Testament eine Erfüllung des im Alten Verspochenen.

Wir können also annehmen, dass diese Art des Betens in der Prophetie Israels schon lange bekannt war. Und so ergibt sich auch wieder ein einheitliches Bild von Heiligem Geist und Prophetie in der ganzen biblischen Geschichte. Das Neue im neutestamentlichen Volk Gottes ist dann nur, dass alle Propheten sind.

Gerettet durch Kindergebären?

Auf den Gedanken, eine eigene Übersetzung des Neuen Testaments zu machen, bin ich ursprünglich gekommen, weil ich mit den bestehenden Übersetzungen im Vergleich zum griechischen Urtext nicht zufrieden war. So auch in 1 Tim 2,8-15, einem Abschnitt, der das beispielhaft zeigt. Im schlimsten Fall sagt er, Frauen würden gerettet durch Kindergebären.

Man lese ihn einmal in einer üblichen Bibel durch, egal ob Luther, Elberfelder oder Neue-Welt-Übersetzung, er bleibt überall teilweise rätselhaft. Er wird dort zwar wörtlich übersetzt, aber ohne alternative Wortbedeutungen zu berücksichtigen, die im Zusammenhang der neutestamentlichen Botschaft wichtig wären.

Wichtiger Grundsatz: Die Schrift legt die Schrift aus. Die entscheidende Hilfe, den Text besser zu verstehen, war mir das Buch von Thomas Schirrmacher: „Paulus im Kampf gegen den Schleier“. Ich zitiere im Folgenden meine eigene Übersetzung und erläutere anschließend ein paar Punkte dazu:

8 „Ich will nun, dass die Männer beten an jedem Ort

und Hände erheben ohne Zorn und Zweifel,

9 dass genauso auch Frauen (beten) in ordentlicher Haltung,

dass sie sich mit Achtung und klarem Denken schmücken,

nicht mit künstlerischen Frisuren, Gold, Perlen oder kostbarer Kleidung,

10 sondern durch gute Taten –

wie es sich für Frauen gehört, die versprochen haben Gott zu ehren.

11 Eine Frau soll in Zufriedenheit lernen mit aller Unterordnung.

12 Einer Frau erlaube ich nicht zu lehren, wenn sie sich über jemanden stellt,

sie soll sich vielmehr zufrieden sein.

13 Adam wurde nämlich als Erster geformt, danach Eva.

14 Und Adam wurde nicht getäuscht,

die Frau ließ sich aber etwas vortäuschen und geriet in Übertretung.

15 Gerettet soll sie werden durch die Geburt eines Kindes (des Retters) –

wenn sie im Glauben bleibt, in der Liebe und in der Heiligung

mit klarem Denken.“

Und hier meine „Abweichungen“ gegenüber anderen Übersetzungen:

1) In Vers 9 fehlt im Griechischen in der ersten Zeile ein Zeitwort (Verbum), so dass sich das „genauso“ und die „ordentliche Haltung“ auf etwas in Vers 8 beziehen müssen, und da bleibt nur das „beten“. Paulus sagt also: Ich will, dass die Männer beten und dass genauso auch Frauen beten. Und wenn die Männer hörbar beten, dann natürlich auch die Frauen. In der nächsten Zeile geht er von der Aussage über das Beten dann weiter zu Detailaussagen über die genannte „ordentliche Haltung“ der Frauen.

2) Dass nach dem Willen des Paulus Frauen, die beten, nicht gleichzeitig „still“ sein können, dürfte einleuchten. Die „Stille“, in der Frauen in Vers 11 und 12 sein sollen, wird verständlich, wenn man sie mit einer anderen Bedeutung des Wortes als „innere Stille“, nämlich als „Zufriedenheit“ versteht und übersetzt.

3) In Vers 12 kann man einen guten Teil der „Mann-Frau-Problematik“ entschärfen, wenn man das griechische Wort „anér“ nicht mit „Mann“ übersetzt, wie es üblicherweise geschieht, sondern mit einer anderen Bedeutung des Wortes als „jemand“, was genausogut möglich ist. (Siehe dazu „Langenscheidts Großwörterbuch Griechisch Deutsch“ von Hermann Menge.)

4) Dazu erhebt sich in Vers 12 die Frage, ob Paulus hier zwei Verbote oder nur ein Verbot ausspricht. Entweder soll sie a) nicht lehren und b) sich nicht über jemanden stellen, oder sie soll (als ein Gebot) sich nicht über jemanden stellen und so auch noch lehren. Da lehrende Frauen im Neuen Testament anderweitig vorkommen, kann hier nur die zweite Möglichkeit gemeint sein: sich nicht über andere zu stellen und so auch zu lehren. Und so verlangt Paulus hier von den Frauen etwas, das allgemein für alle gilt: sich nicht über Geschwister zu erheben.

5) Vermutlich hat Paulus hier eine gewisse Art frommer Frauen im Blick, die in einer speziellen Gefahr stehen. Nachdem sie durch Jesus aus ihrer sklavenartigen Stellung in der Antike befreit sind zur Gleichwertigkeit der Söhne und Töchter Gottes, fallen sie sozusagen auf der anderen Seite vom Pferd, bilden sich etwas ein und überheben sich.

Diese Art der Überheblichkeit könnte auch mit der religiösen Richtung der sogenannten „Gnosis“, d.h. „Erkenntnis“ zusammenhängen, in der es wichtig war, wie z.B. auch im Hinduismus oder in der Anthroposophie, dass der Mensch seine eigene „Göttlichkeit“ „erkennt“. Für „göttliche“ Frauen, die aus dieser Richtung kamen, war dann wohl auch Sexualität etwas „Schmutziges“ und Kindergebären etwas „Grässliches“.

Gerettet durch Kindergebären, das ist neutestamentlich gesehen natürlich Unsinn. Paulus schreibt hier wörtlich, dass sie durch die „Geburt eines Kindes“ gerettet werden. Und da kann ja nur eine gemeint sein, die von Jesus, dem Retter. Also durch so etwas „Grässliches“ ist die Rettung gekommen, darunter müssen sich auch diese frommen Frauen beugen. Die nächste Zeile sagt dann auch, wodurch sie wirklich gerettet werden: durch das Bleiben im Glauben, in der Liebe und in der Heiligung mit klarem Denken.

Nebenbei bemerkt, bekräftigt dieser Text hier auch die Realität der natürlichen Geburt von Jesus und widerlegt die in katholischen Kreisen weit verbreitete Legende, Jesus sei durch einen übernatürlichen Vorgang aus Marias Bauch gekommen und sie sei in Ewigkeit Jungfrau geblieben.

Bei genauem Hinsehen sehen wir in diesem Abschnitt also wieder ganz „normale“ neutestamentliche Themen. Beten, Zufriedenheit, Ordentlichkeit, gute Taten, sich nicht überheben, sich nicht verführen lassen, Glaube, Liebe, Heiligung und klares Denken. In einer spezifischen Situation betreffen sie gewisse Frauen in der Gemeinde, die eigens damit angesprochen werden.

Und so ist dieser Abschnitt aus seiner Seltsamkeit befreit. Er passt in den neutestamentlichen Zusammenhang und ist in diesem Sinne nun auch richtig übersetzt.

Beten im Namen von Jesus

Beten im Namen von Jesus ist eine neue Art des Betens, die unter vielem anderen im Neuen Testament auftaucht. Wir wollen hier einmal versuchen zu verstehen, was es eigentlich heißt, „im Namen von Jesus“ zu beten. In der Tat ist es eine Formulierung, die fromm und eindrücklich klingt. Aber inhaltlich ist sie doch für manche auch irgendwie unklar und schwammig.

Was bei solchen Nachforschungen immer hilft, ist die Konkordanz (oder das Suchprogramm bei Onlinebibeln). Nach der Bibel selbst ist sie das zweitwichtigste Buch. Mit ihr kann man Bibelstellen finden, vergleichen und Zusammenhänge erkennen. Und so kann man auch andere Dinge entdecken, die „im Namen von Jesus“ oder „im Namen des Herrn“ getan werden. Ein paar Beispiele dafür (die Auswahl ist unvollständig):

Paulus: „… wie er in Damaskus ganz offen im Namen von Jesus gesprochen hatte.“ (Apg 9,27)

Petrus: „Und er ordnete an, sie im Namen von Jesus dem Messias unterzutauchen.“ (Apg 10,48)

„Als Paulus aber verärgert war, wandte er sich um und sagte zu dem Geist: ‚Ich befehle dir im Namen von Jesus dem Messias, von ihr hinauszugehen!’“ (Apg 16,18)

„Mit dem Leib bin ich freilich abwesend, mit dem Geist aber anwesend. Und ich habe wie ein Anwesender über den, der das verübt, bereits das Urteil gefällt im Namen von Jesus, unserem Herrn: Wenn ihr versammelt seid und mein Geist bei euch ist mit der Kraft unseres Herrn Jesus, wollen wir ihn dem Satan übergeben zum Verderben des Körpers, damit am Tag des Herrn der Geist gerettet wird.“ (1 Kor 5,3-5)

„Wir sind also Gesandte für den Messias, sodass Gott durch uns bittet. Wir bitten im Namen des Messias: Lasst euch versöhnen mit Gott!“ (2 Kor 5,20)

„Und alles, was ihr auch tut mit Wort oder mit Tat, (tut es) im Namen von Jesus, dem Herrn, und dankt Gott, dem Vater durch ihn!“ (Kol 3,17)

Ich denke, man kann an diesen Beispielen ablesen, dass „im Namen von Jesus“ soviel bedeutet wie „im Auftrag von Jesus“ oder „anstelle von Jesus“. Leicht macht es uns da die Tatsache, dass wir diesen Sprachgebrauch auch im Deutschen haben. Wenn z.B. ein städtischer Mitarbeiter „im Namen des Bürgermeisters“ einem 80-Jährigen zum Geburtstag gratuliert, dann tut er es im Auftrag bzw. anstelle des Bürgermeisters. Der Bürgermeister hat ihn beauftragt und bevollmächtigt, an seiner Stelle diese Gratulation auszusprechen. Wenn man in diesem Sinne die oben genannten Beispiele nochmal anschaut, merkt man sicher recht schnell, welch einen treffenden Sinn dieses Verständnis ergibt.

Nun aber die Frage: Wie kann man „im Namen von Jesus“ beten? Ich denke, dass es dazu eine Schlüsselstelle gibt, die uns Johannes berichtet hat. Es handelt sich um den letzten Abend, den Abschied, an dem Jesus seinen Jüngern (unter vielem anderen) sagte – Joh 16, 23-27:

„Amen, Amen, ich sage euch: Was ihr den Vater bitten werdet in meinem Namen, wird er euch geben. Bis jetzt habt ihr nichts gebeten in meinem Namen. Bittet, und ihr werdet empfangen, damit eure Freude vollendet ist! Das habe ich euch mit Vergleichen gesagt. Es kommt eine Zeit, da werde ich nicht mehr in Vergleichen mit euch sprechen, sondern werde euch ganz offen über den Vater berichten. Zu jener Zeit werdet ihr in meinem Namen bitten. Und ich sage euch nicht, dass ich den Vater für euch bitten werde. Denn der Vater selbst ist euer Freund, weil ihr meine Freunde geworden seid und glaubt, dass ich von Gott ausgegangen bin.“

Mit dem „Bis jetzt habt ihr nichts gebeten in meinem Namen“ setzt Jesus einen Zeitpunkt, an dem sich etwas gravierend ändert. Das Beten in seinem Namen ist Zeichen einer neuen Zeit. Jesus geht von der Erde weg und geht zu seinem Vater. Der Platz, den er bisher hier ausgefüllt hat, erscheint zunächst leer. Aber er bleibt nicht leer, denn seine Jünger werden ja als seine Gesandten seinen Auftrag und Dienst in der Welt weiterführen, in seinem Namen.

Nun können wir uns vorstellen, was es heißt, in seinem Namen zu beten. Es heißt, in seinem Auftrag, an seiner Stelle hier auf der Erde zum Vater oder zu ihm zu beten. Also nicht nur den Menschen gegenüber, sondern auch Gott gegenüber die priesterliche Mittlerposition einnehmen, die auch Jesus auf Erden hatte. Wenn wir also im Sinne von Jesus bei Gott eintreten für Dinge, die Jesus wichtig sind, beten wir in seinem Namen.

Ich hoffe, wir merken, dass das eine anspruchsvolle Aufgabe und Tätigkeit ist. Man ist mit Jesus eins, kennt seine Gedanken und Anliegen und bringt sie an seiner Stelle beim Vater vor. Dass uns dabei der heilige Geist unterstützt und bei Gott für uns eintritt, gehört selbstverständlich dazu.

Um sich deutlich zu machen, was man dabei tut, kann es vielleicht hilfreich sein, es manchmal auch auszusprechen: „Vater, im Namen von Jesus bitte ich dich …“. Das wird aber nichts daran ändern, ob das Gebet wirklich im Namen von Jesus geschieht oder nicht. Man sollte die Formulierung nicht als Floskel gebrauchen, um ein Gebet frommer oder wirksamer erscheinen zu lassen. Man sollte das schon garnicht gewohnheitsmäßig oder gedankenlos tun. Das wäre ganz im Widerspruch zu dem, was Jesus gesagt und gemeint hat.

Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf

Ein Gebet von Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf:

„Gib DICH mir und nimm mich dafür hin!

Mache, was du willst, in allen Sachen, die ich meine zu bedürfen,

die mir zum Vergnügen und Nutzen sein könnten –

gib sie mir oder gib sie mir nicht!

Gib nur DICH her!“

Aus „Herz und Herz vereint zusammen – Gebete des Grafen Zinzendorf“

J.F.Steinkopf-Verlag, Stuttgart, 1960