Ein Bibelübersetzer entdeckt ...

Schlagwort: Cäsarea

Gefangenschaftsbriefe

Gefangenschaftsbriefe sind die Briefe an die Epheser, Philipper, Kolosser, der zweite an Timotheus und der an Philemon. In ihnen allen bezeichnet sich Paulus als Gefangenen. Von irgendwann her hatte ich früher in Erinnerung, dass Paulus am Ende der Apostelgeschichte zwei Jahre in Rom gefangen war, und dass er dort wohl auch die Gefangenschaftsbriefe geschrieben habe.

Eine echte Überraschung war es für mich, als ich dann das Buch von John A. T. Robinson las: „Wann entstand das Neue Testament?“. Dort argumentiert Robinson dafür, dass Paulus zuvor ja auch zwei Jahre in Cäsarea gefangen war und es sehr viel besser passt, wenn er die Gefangenschaftsbriefe dort geschrieben hat. Und die Darstellung von Robinson hat mich sehr überzeugt. Der Ablauf der Ereignisse war dann so:

Ende Mai des Jahres 57 wurde Paulus in Jerusalem verhaftet und kurz danach in die Haft des römischen Regenten Felix nach Cäsarea am Meer überstellt. Im Frühjahr 58 schrieb er dort den Philipperbrief und schickte ihn durch Epaphroditos nach Philippi. Im Sommer 58 schickte er Timotheos nach Philippi und Markus nach Kolossä. In Cäsarea schrieb er inzwischen die Briefe an die Kolosser und an Philemon. Er verfasste im Spätsommer 58 dazu noch den Epheserbrief. Dieser war nicht speziell an die Gemeinde in Ephesus gerichtet. Er war vielmehr eine Art Rundschreiben an die Gemeinden in der Provinz Asia, deren Hauptstadt Ephesus war. In einigen alten Handschriften fehlt bei der Adresse sogar die Bezeichnung „in Ephesus“. Nach Fertigstellung des Briefs schickte er ihn zusammen mit dem Kolosser- und dem Philemonbrief durch Tychikus an ihre Adressaten. Im Herbst 58 folgte dann noch der zweite Timotheusbrief, der an Timotheus nach Philippi ging.

Damit hat Paulus dieses Jahr 58, in dem er von Felix im Gefängnis in Cäsarea hingehalten wurde, sinnvoll ausgenutzt. Nachdem er für seinen zukünftigen Dienst Rom und davon ausgehend Spanien im Blick hatte, ist es ja naheliegend, dass er in seinem bisherigen Missionsgebiet jetzt noch einmal einige Dinge ordnete und klarstellte.

Eine geistlich interessante Formulierung ist die, dass Paulus sich hierbei an mehreren Stellen als „Gefangener des Messias Jesus“ bezeichnet. Juristisch wäre „Gefangener des Regenten Felix“ richtig gewesen. Aber Paulus wusste, dass ihn ohne den Willen seines Herrn Jesus kein Mensch gefangen nehmen oder festhalten konnte. Und so ist die einzig logische Erklärung, dass Jesus selbst diese Gefangenschaft für gut und richtig hielt. Und so war Paulus ein Gefangener des Herrn.

Ich denke, das kann man auf manche Lebenssituationen übertragen, in denen uns menschlich etwas nicht passen mag, wir aber nicht herauskönnen. Es war ja auch Paulus, der das Wort geschrieben hat – Röm 8,28: „Und wir wissen, dass für die, die Gott lieben, alles zum Guten zusammenwirkt …“. Und so sieht man im Neuen Testament nichts, was einem Christen passiert, als „Unglück“ an, sondern vielmehr als Bewährungsprobe. Und bewährte Christen, die will Gott ja haben in seinem Reich.

Philippus der Botschafter

Philippus der Botschafter ist einer von zwei Männern mit Namen Philippus im Neuen Testament.

Einer der zwölf Jünger von Jesus hieß Philippus, aber innerhalb des Neuen Testaments hören wir nichts darüber, wie dessen persönlicher Weg und Dienst als Gesandter von Jesus weiterging. Aus späteren Quellen erfahren wir, dass er sein Missionsgebiet in den Regionen um die heutige Halbinsel Krim gehabt haben soll.

In der Apostelgeschichte taucht dann noch ein anderer Philippus auf, den wir hier näher betrachten wollen. Der Name heißt eigentlich „Phílippos“, das ist Griechisch und bedeutet „Pferdefreund“. Die Lateiner haben ihn zum „Philippus“ umbenannt, die Deutschen dann zum „Philipp“. In Apg. 6 erscheint er zum erstenmal in der Jerusalemer Urgemeinde. Er war einer der sieben Männer, die die unparteiische Versorgung der armen Witwen sicherstellen sollten. Das war ein bis zwei Jahre nach der Gründung der Gemeinde dort an Pfingsten im Jahr 30 n. Chr..

Als etwa ein Jahr später nach der Steinigung von Stephanus die erste Verfolgung ausbrach und ein Großteil der Gemeinde über das Land zerstreut wurde, war auch Philippus unterwegs. Jetzt entfaltete sich seine Gabe, die dazu führte, dass man ihn den „Evangelisten“ bzw. „Botschafter“ nannte.

Erst wurde er zum Urheber einer Erweckung unter den Samaritern in Samaria und Umgebung, dann wurde er von Gott auf die einsame Straße nach Süden geschickt, wo er dem Finanzminister von Äthiopien, einem Eunuchen, die Botschaft von Jesus erklärte. Er erklärte sie so, dass der Minister sich auch gleich im Wasser in den Namen Jesus eintauchen lassen wollte.

Die Geschichte endet auf sehr ungewöhnliche Art – Apg 8,39-40: „Als sie aus dem Wasser heraufkamen, holte der Geist des Herrn Philippus weg, und der Eunuch sah ihn nicht mehr. Er fuhr jedoch seinen Weg und freute sich. Philippus fand sich aber in Aschdod. Er ging durch alle Städte und brachte die gute Nachricht, bis er nach Cäsarea kam.“

Dass er nach Cäsarea kam, ist für lange Zeit das letzte, was wir von ihm hören. Erst im Jahr 57, also etwa 25 Jahre später, taucht sein Name wieder auf, als nämlich Paulus mit seinen Begleitern einschließlich Lukas bei der Rückkehr von der dritten Missionreise bei ihm einkehrte – Apg 21,8-9: „Am nächsten Tag gingen wir los und kamen nach Cäsarea. Wir gingen in das Haus von Philippus dem Botschafter, der einer von den Sieben war, und blieben bei ihm. Er hatte vier Töchter, Jungfrauen, die prophetisch sprachen.“

Der ursprünglich reisende Botschafter ist also nach 25 Jahren immer noch in Cäsarea. Was ist da passiert? Philippus ist offenbar in Cäsarea „hängengeblieben“, d. h. er hat eine Frau gefunden und eine Familie gegündet. Wenn er 25 Jahre später 4 Töchter hat, die Jungfrauen sind und prophetisch sprechen, dann sind das keine kleinen Kinder mehr. Sie führen ein sauberes Leben (Jungfrauen), sind mit Heiligem Geist erfüllt und dienen Gott und der Gemeinde mit ihren Gaben. Philippus hat offensichtlich auch als Vater vieles richtig gemacht. Und die aktive Beteiligung von Frauen in der Gemeinde hat hier in der Apostelgeschichte ganz nebenbei eine interessante Bestätigung.

Lukas

Das Evangelium von Lukas ist das längste der vier Evangelien, es hat zwar weniger Kapitel als Matthäus, dafür aber längere. Lukas hat auch als einziger zwei Bände geschrieben, das Evangelium ist Band 1, die Apostelgeschichte Band 2. Die beiden Bände zusammengerechnet ergeben etwa ein Viertel des Neuen Testaments. Das heißt, von Lukas steht dort mehr als von jedem anderen.

Also Grund genug, ihn wichtig zu nehmen, und überhaupt, was wüssten wir ohne die Apostelgeschichte alles nicht? Auch ohne sein Evangelium würde uns vieles fehlen, z.B. die Geburt des Messias, der verlorene Sohn, der barmherzige Samariter, die zwei Emmaus-Jünger …

Unter den Autoren des Neuen Testaments ist Lukas eine Ausnahme: ein Grieche, von Beruf Arzt, der Jesus nie persönlich kannte und erst Jahre später durch Paulus zum Glauben kam.

In der Apostelgeschichte gibt es zwei Abschnitte, in denen er in „wir“-Form berichtet, das heißt, er war persönlich dabei. Auf der zweiten Missionsreise von Paulus taucht er zum ersten Mal in Troas in Kleinasien auf, als Paulus den Ruf nach Mazedonien bekam: „Und während der Nacht wurde von Paulus eine Erscheinung gesehen: Ein Mann, ein Mazedonier, stand da und bat ihn und sagte: ‚Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns!‘ Nachdem er aber die Erscheinung gesehen hatte, wollten wir sogleich nach Mazedonien hinausgehen, weil uns klar war, dass Gott uns hinrief, ihnen die Botschaft zu bringen.“ (Apg 16,9-10). Dieser erste „wir“-Bericht endet dann gleich wieder in Philippi. Lukas blieb dort, als Paulus nach Thessalonich weiterreiste.

Auf der dritten Missionsreise von Paulus war er dann auf der Rückreise von Korinth ab Philippi wieder dabei. Er könnte also die ganze Zeit bei der Gemeinde in Philippi gewesen sein: „Es schlossen sich ihm an: Sopatros, der Sohn von Pyrros aus Beroia, Aristarchos und Secundus von den Thessalonichern, Gaius aus Derbe, Timotheus sowie Tychikos und Trophimos aus der Provinz Asia. Die gingen uns voraus und erwarteten uns in Troas. Wir aber fuhren nach dem Tag der ungesäuerten Brote mit dem Schiff von Philippi ab und kamen nach fünf Tagen zu ihnen nach Troas, wo wir uns sieben Tage aufhielten.“ (Apg 20,4-6). Bei diesen Namensaufzählungen fällt auf, dass Lukas sich selbst in christlicher Bescheidenheit nicht erwähnt.

Lukas reiste dann mit Paulus bis nach Jerusalem und erlebte dort dessen Verhaftung mit. Während der zwei Jahre von Paulus‘ Gefangenschaft in Cäsarea hielt er sich zeitweise dort bei ihm auf. Und er reiste dann auch wieder mit, als Paulus als Gefangener nach Rom transportiert wurde – einschließlich Schiffbruch mit allem drum und dran.

Lukas hat uns also mit seinem Evangelium und der Apostelgeschichte ein Viertel des Neuen Testaments geschenkt mit unschätzbaren Informationen. Einzigartig ist nicht nur die ganze Apostelgeschichte, auch sein Evangelium hat zu einem Drittel Erzählstoff, den kein anderer hat. Und so wollen wir der Frage nachgehen: Woher hatte Lukas seine Informationen?

Zum Ersten muss man da natürlich Paulus nennen. Mit ihm und seinen Mitarbeitern war Lukas unterwegs. Zuerst war er auf einer kurze Reise von Troas nach Philippi dabei. Dann begleitete er Paulus auf der langen Reise von Philippi nach Jerusalem mit zwei Jahren Gefängnisaufenthalt des Paulus in Caesarea und von dort nach Rom, wo er sicherlich auch weiterhin mit Paulus in Kontakt war. Nach dieser Zeit wusste er auf jeden Fall alles, was Paulus wusste. Und zur Weitergabe des Evangeliums gehörte damals alles, was man über Jesus wusste.

Zum Zweiten muss man auch Markus nennen, der uns als Autor eines Evangeliums ja bekannt ist. Auch Lukas und Markus kannten sich. Der Beweis dafür steht im Brief von Paulus an Philemon in den Versen 23 und 24: „Es grüßen dich Epafras, mein Mitgefangener im Messias Jesus, Markus, Aristarchos, Demas und Lukas, meine Mitarbeiter.“ Sie gehörten während der Gefangenschaft von Paulus zu dieser Zeit beide gleichzeitig zu seinem Team. Und wenn Lukas Markus kannte, dann kannte er auch dessen Aufzeichnungen, womöglich sein fertiges Evangelium.

Und noch ein Drittes: Markus hat seinen Bericht ja konzentriert geschrieben mit den wichtigsten und zentralen Informationen über Jesus. Lukas als interessierter Forscher dachte aber, er müsse noch mehr darüber erfahren. Und so nutzte er die Zeit, in der er von Frühsommer 57 bis Spätsommer 59 bei Paulus in Cäsarea war. Von dort machte er den einen oder anderen Ausflug nach Jerusalem. Hier lernte er die Örtlichkeiten kennen und traf Leute, die Jesus persönlich gekannt hatten. Auch Maria, die Mutter von Jesus, lebte noch dort. Lukas sagt ja in Lk 2,19: „Maria aber trug alle diese Worte zusammen und bewahrte sie in ihrem Herzen auf.“ Und in Lk 2,51 noch einmal: „Seine Mutter aber bewahrte alle diese Worte in ihrem Herzen.“ Das klingt doch so, als ob Lukas hier eine Quelle nennt, aus der er Informationen hat.

Wenn Maria damals noch lebte, muss sie Mitte bis Ende 70 gewesen sein. Das war für damalige Verhältnisse ein hohes, aber nicht unwahrscheinliches Alter. Auch die Informationen in der Apostelgeschichte über die erste Zeit der Gemeinde in Jerusalem kann Lukas sehr gut hier in Jerusalem bekommen haben. Man stelle sich die Szene vor: Maria im hohen Alter empfängt den Besuch des ihr fremden griechischen Bruders Lukas. Und sie erzählt ihm, wie es sich damals mit der Geburt von Johannes dem Täufer und der ihres eigenen Sohnes abgespielt hat, wie sie mit dem Zwölfjährigen im Tempel waren, und und. Und Lukas schreibt eifrig mit.

Unter diesen Gesichtspunkten kann man sich gut vorstellen, dass Lukas in den zwei Jahren in Cäsarea sein Evangelium fertigstellte. Und nach der Romreise, als Paulus dort zwei Jahre unter Hausarrest stand, hat er die Apostelgeschichte vollendet. Diese endet auffallenderweise ohne richtigen Schluss. Man erfährt nicht mehr, wie es mit Paulus und seinem Prozess weiterging. Das ist eigentlich nur dadurch zu erklären, dass Lukas in diesen zwei Jahren sein Werk abgeschlossen und veröffentlicht hat. Dann ist es sogar höchst wahrscheinlich, dass Paulus selbst es in dieser Zeit begleitet und autorisiert hat.

Wie sagt doch Lukas (1,3-4): „Es erschien auch mir gut, nachdem ich allem von Anfang an genau nachgegangen bin, es dir der Reihe nach aufzuschreiben, edler Theophilos, damit du klar erkennst, wie sicher die Worte sind, über die man dich unterrichtet hat.“