Entdeckungen eines Bibelübersetzers

Schlagwort: Maria

Jesus von Nazaret

In neueren Bibelübersetzungen wird Jesus gerne als „Jesus von Nazaret“ bezeichnet. Dass Jesus trotz seiner Geburt in Betlehem in Nazaret in Galiläa aufgewachsen ist, was seine Heimat ist, ist aus dem Neuen Testament bekannt. Hinter der Bezeichnung „von Nazaret“ stecken im griechischen Text aber zwei unterschiedliche Wörter. Das sind Jesus der „Nazarener“ und Jesus der „Nazoräer“, die auch eine unterschiedliche Bedeutung haben:

Der Begriff „Nazoräer“ leitet sich von dem hebräischen Wort „Nezer“ ab. Dieses bedeutet bei Pflanzen „Trieb, Spross“ und kommt in Jesaja 11,1 als Ankündigung des Messias vor: Der untaugliche Stamm des israelitischen Königshauses wird abgehauen. Aber aus dem Baumstumpf soll ein neuer „Trieb“ hervorkommen, der neue, endgültige König, der Messias. In Israel gab es die Menschen, die sich bewusst waren, von König David abzustammen. Sie warteten darauf, dass aus ihren Reihen der Messias kommen sollte. Nach diesem „Nezer“ aus Jesaja trugen sie die Bezeichnung „Nazoräer“. Vermutlich kommt von daher auch der Name des Ortes „Nazaret“, in dem eine Gruppe von ihnen wohnte. An den Stellen, an denen Jesus „Nazoräer“ genannt wird, wird damit also seine Abstammung von König David bezeichnet. Da wo er „Nazarener“ heißt, bezeichnet das seine Herkunft aus Nazaret, dem Ort der Nazoräer.

Josef als offizieller Vater und Maria als leibliche Mutter von Jesus waren beide Nazoräer, also Nachkommen von David, wie auch die beiden unterschiedlichen Stammbäume von Jesus bei Matthäus und Lukas bezeugen. Josef muss einer der Nazoräer aus Betlehem, der „Stadt Davids“ gewesen sein, weil er sich bei der großen Eintragung zu Ehren des Kaisers Augustus dort registrieren lassen musste. Als lediger Maurer war er im Land herumgekommen und hatte seine Maria wohl „auf Arbeit“ in Nazaret gefunden, wo ebenfalls eine Gruppe von Nazoräern wohnte.

kein Geburtsnachweis

Es ist bemerkenswert, dass Jesus nie seine Geburt aus Betlehem ins Feld geführt hat. Seine Gegner wollten ja aufgrund seiner Herkunft aus Nazaret in Galiläa beweisen, das er nicht der Messias sei. Der musste ja nach Micha 5,1 aus Betlehem kommen. Jesus suchte aber Glauben. Und es war klar, dass der auch nicht kommen würde, wenn er eine Geburtsurkunde aus Betlehem vorlegen würde. Er hatte eine andere Linie:

Matthäus 11, 4-6: „Geht und sagt Johannes, was ihr gesehen und gehört habt: Blinde sehen wieder und Gelähmte gehen, Aussätzige werden gereinigt und Gehörlose hören, Tote stehen auf und Armen wird gute Botschaft gebracht. Und glücklich ist, wer keinen Anstoß an mir nimmt.“

Und Johannes 8,37+38: „Wenn ich die Werke meines Vaters nicht tue, dürft ihr mir nicht glauben. Wenn ich sie aber tue – wenn ihr auch mir nicht glaubt -: dann glaubt den Werken, damit ihr wisst und erkennt, dass der Vater in mir ist und ich im Vater!“

Jesus sagte die Worte Gottes und tat die Werke Gottes. So etwas wie sich rechtfertigen, sich ausweisen, werben oder überreden war ihm fremd. Wer ihm glaubt, empfängt seine Gaben. Wer nicht glaubt, bekommt auch kein Zeichen aus dem Himmel.

Vielleicht könnten wir für das, was wir „Evangelisation“ nennen, auch einiges davon lernen …

Lukas

Das Evangelium von Lukas ist das längste der vier Evangelien, es hat zwar weniger Kapitel als Matthäus, dafür aber längere. Er hat auch als einziger zwei Bände geschrieben, das Evangelium ist Band 1, die Apostelgeschichte Band 2. Die beiden Bände zusammengerechnet ergeben etwa 1/4 des Neuen Testaments. D. h. Lukas hat dort mehr geschrieben als jeder andere.

Also Grund genug, ihn sehr wichtig zu nehmen, und überhaupt, was wüssten wir ohne die Apostelgeschichte alles nicht? Auch ohne sein Evangelium würde uns einiges fehlen, z.B. die Geburt des Messias, der verlorene Sohn, der barmherzige Samariter, die zwei Emmaus-Jünger …

Unter den Autoren des Neuen Testaments ist Lukas ein Exot, ein Grieche, von Beruf Arzt, der Jesus nie persönlich kannte und erst Jahre später durch Paulus zum Glauben kam.

mit Paulus von Troas nach Philippi

In der Apostelgeschichte gibt es zwei Abschnitte, in denen er als „wir“ berichtet, d.h. er war persönlich dabei. Auf der zweiten Missionsreise von Paulus taucht er zum ersten Mal in Troas in Kleinasien auf, als Paulus den Ruf nach Mazedonien bekam: „Und während der Nacht wurde von Paulus eine Erscheinung gesehen: Ein Mann, ein Mazedonier, stand da und bat ihn und sagte:„Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns!“ Und wie er die Erscheinung gesehen hatte, wollten wir sogleich nach Mazedonien hinausgehen, weil uns klar war, dass Gott uns hinrief, ihnen die gute Nachricht zu bringen.“ Dieser erste „wir“-Bericht endet dann gleich wieder in Philippi. Lukas blieb dann wohl dort, als Paulus nach Thessaloniki weiterreiste.

mit Paulus von Philippi bis nach Rom

Auf der dritten Missionsreise von Paulus ist er dann auf der Rückreise von Korinth ab Philippi wieder dabei, er könnte also die ganze Zeit bei der Gemeinde in Philippi gewesen sein: „Es schlossen sich ihm aber an: Sopatros, der Sohn von Pyrros, von Beroia, von den Thessalonikern Aristarchos und Secundus, Gaius aus Derbe und Timotheos, aus der Provinz Asia Tychikos und Trophimos.Diese gingen uns voraus und erwarteten uns in Troas. Wir aber fuhren nach dem Tag der ungesäuerten Brote mit dem Schiff von Philippi ab und kamen bis nach fünf Tagen zu ihnen nach Troas, wo wir uns sieben Tage aufhielten.“ Bei diesen Namensaufzählungen fällt auch auf, dass Lukas sich in christlicher Bescheidenheit nicht selbst erwähnt.

Lukas reist dann mit Paulus bis nach Jerusalem, erlebt dort seine Verhaftung mit, hält sich in den zwei Jahren seiner Gefangenschaft in Cäsarea zeitweise bei ihm auf und reist auch dann wieder mit, als Paulus als Gefangener nach Rom transportiert wird einschließlich Schiffbruch mit allem drum und dran.

Lukas hat uns also mit seinem Evangelium und der Apostelgeschichte 1/4 des Neuen Testaments geschenkt mit unschätzbaren Informationen. Einzigartig ist nicht nur die ganze Apostelgeschichte, auch sein Evangelium hat zu einem Drittel Erzählstoff, den kein anderer hat. Und so wollen wir mal der Frage nachgehen: Woher hatte Lukas seine Informationen?

Lukas und Paulus

Zum Ersten muss man da natürlich Paulus nennen. Mit ihm und seinen Mitarbeitern war Lukas unterwegs. Zuerst war er auf einer kurze Reise von Troas nach Philippi dabei. Dann begleitete er Paulus auf der langen Reise von Philippi nach Jerusalem mit zwei Jahren Gefängnisaufenthalt des Paulus in Caesarea und von dort nach Rom, wo er sicherlich auch noch längere Zeit mit Paulus in Kontakt war. Nach dieser Zeit wusste er auf jeden Fall alles, was Paulus wusste. Und zur Weitergabe des Evangeliums gehörte damals alles, was man über Jesus wusste.

Lukas und Markus

Zum Zweiten muss man auch Markus nennen, der uns als Autor eines Evangeliums ja bekannt ist. Auch Lukas und Markus kannten sich. Der Beweis dafür steht im Brief von Paulus an Philemon in V. 23+24: „Es grüßen dich Epafras, mein Mitgefangener im Messias Jesus, Markus, Aristarchos, Demas und Lukas, meine Mitarbeiter.“ Sie gehörten also während der Gefangenschaft von Paulus beide gleichzeitig zu seinen Mitarbeitern. Und wenn Lukas Markus kannte, dann kannte er auch seine Aufzeichnungen, womöglich sein fertiges Evangelium.

Lukas und Maria

Und noch ein Drittes: Ich stelle mir vor, Markus hat seinen Bericht konzentriert geschrieben mit den wichtigsten und zentralen Informationen über Jesus. Lukas als interessierter Sammler dachte dann, es müsse noch mehr darüber zu erfahren sein. Und so nutzte er die Zeit, in der er von Frühsommer 57 bis Spätsommer 59 bei Paulus in Cäsarea war. Er machte den einen oder anderen Abstecher nach Jerusalem. Hier lernte er die Örtlichkeiten kennen und traf Leute, die Jesus noch persönlich gekannt hatten. Auch Maria, die Mutter von Jesus, lebte noch dort. Lukas sagt ja in Luk. 2,19: „Maria aber brachte alle diese Worte zusammen und bewahrte sie in ihrem Herzen auf.“ Und in Luk. 2,51 noch einmal: „Und seine Mutter bewahrte alle diese Worte in ihrem Herzen.“ Das klingt doch so, als ob Lukas hier eine Quelle nennt, aus der er die Informationen hat.

Wenn Maria damals noch gelebt hat, muss sie Mitte bis Ende 70 gewesen sein. Das war für damalige Verhältnisse ein hohes, aber nicht unwahrscheinliches Alter. Auch die Informationen in der Apostelgeschichte über die erste Zeit der Gemeinde in Jerusalem kann Lukas sehr gut hier in Jerusalem bekommen haben. Man stelle sich die Szene vor: Maria im hohen Alter empfängt den Besuch des ihr fremden griechischen Bruders Lukas. Und sie erzählt ihm, wie es sich damals mit der Geburt von Johannes dem Täufer und der ihres eigenen Sohnes abgespielt hat, wie sie mit dem Zwölfjährigen im Tempel waren, und und, und Lukas schreibt eifrig mit.

Abschluss in Rom

Unter diesen Gesichtspunkten kann man sich sehr gut vorstellen, dass Lukas in den zwei Jahren in Cäsarea sein Evangelium fertig gestellt hat. Und nach der Romreise, als Paulus dort zwei Jahre unter Hausarrest stand, hat er die Apostelgeschichte vollendet. Die Apostelgeschichte endet auffallenderweise ohne richtigen Schluss. Man erfährt nicht mehr, wie es mit Paulus und seinem Prozess weiterging, Das ist am besten damit erklärbar, dass Lukas in diesen zwei Jahren in Rom die Arbeit an diesem Werk abgeschlossen hat, um es zu veröffentlichen. Dann ist es sogar höchst wahrscheinlich, dass Paulus selbst es in dieser Zeit begleitet und autorisiert hat.

Wie sagt doch Lukas (1,3+4): „Es erschien auch mir gut, nachdem ich allem von Anfang an genau nachgegangen bin, es dir der Reihe nach aufzuschreiben, edler Theophilos, damit du klar erkennst, wie sicher die Worte sind, über die man dich unterrichtet hat.“