Entdeckungen eines Bibelübersetzers

Schlagwort: Altes Testament

Das Gesetz im Neuen Testament

Das Gesetz im Neuen Testament- wird es noch erfüllt oder wurde es gar abgeschafft? Die Beantwortung dieser Frage ist nicht so einfach. Eine diffizile Fragestellung erfordert eine differenzierte Antwort. Gemeint ist natürlich das Gesetz Moses, das Gesetz, das Gott am Berg Sinai durch Mose gegeben hat. Insofern ist es keine menschliche, sondern eine göttliche Größe. Und entsprechend ernsthaft muss man damit umgehen.

Unbrauchbar ist das Gesetz auf jeden Fall in dem Sinne, dass man sich mit dem Einhalten des Gesetzes irgendwie vor Gott Anerkennung oder Verdienste erarbeiten könnte. In diesem Sinne war es aber nie gemeint, kann also auch nicht „abgeschafft“ worden sein. Vor Gott kann keiner irgendetwas vorweisen oder auf etwas pochen. Das Einhalten des Gesetzes wäre das Normale, das Übertreten des Gesetzes ist Sünde. Und eingehalten hat es keiner – bis Jesus.

Das war ja der Vorwurf von Jesus an die vermeintlich „gesetzestreuen“ Pharisäer, dass sie in Wahrheit das Gesetz gar nicht einhalten, sondern nur so tun, als ob – Mk 7,8: „Ihr verlasst das Gebot Gottes und haltet die Tradition der Menschen.“ (Die „Bibeltreuen“ vertragen es ja auch heute noch nicht, wenn man ihnen nachweist, dass sie nicht bibeltreu sind.) Nach Jesus bleibt das Gesetz im Neuen Testament in voller Geltung, ja, es kommt erst zur vollen Geltung.

Und als der Verdacht aufkam, er würde mit seiner Lehre selbst das Gesetz auflösen, sagte er – Mt 5,17: „Glaubt nicht, dass ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen! Ich bin nicht gekommen, um es aufzulösen, sondern um es zu erfüllen.“ Wie erfüllt Jesus nun das Gesetz?

Zum ersten war er sicherlich derjenige, der erstmals sein ganzes Leben lang das Gesetz in diesem Sinne eingehalten hat – er war ohne Sünde.

Zum zweiten war er das sündlose Opferlamm, das ein für allemal für die Sünden dargebracht wurde. Damit war der ganze kultische Teil des Gesetzes mit den ganzen Regelungen betreffend heiliges Zelt, Tempel, Priester, Altar, Opfer etc. komplett erledigt – weil erfüllt. Diese Erfüllung durch Jesus, den neuen ewigen Obersten Priester, der sich selbst zum Opfer gebracht hat, ist im Hebräerbrief eindrücklich geschildert.

Zum dritten erfüllt Jesus das Gesetz mit der Gabe des heiligen Geistes an alle seine Jünger. Durch den Geist wird die Liebe Gottes ausgegossen in ihre Herzen, und die Liebe ist die Erfüllung des Gesetzes. Das Gesetz wird in ihre Herzen geschrieben, und sie erfüllen es gerne. Denn den Willen Gottes zu tun, ist ihr oberstes Ziel.

Nun müssen wir noch beachten, dass zwischen den Geboten des Alten Testaments und ihrer Erfüllung im Neuen Testament auch ein qualitativer Unterschied besteht. Paulus nennt die alten Vorschriften an einer Stelle mit diesem Bild – Kol 2,17: „Diese Dinge sind ein Schatten dessen, was kommen sollte“. Das Neue, das mit Jesus kam, hatte also seine „Schatten“ vorausgeworfen. Aber nun sind wir ins helle Licht getreten, und da sieht manches noch einmal anders aus. Ich möchte es an drei Beispielen deutlich machen:

Der Zehnte: Im Alten Testament war geboten, von allen Einkünften den zehnten Teil an Gott abzugeben zur Versorgung der Priesterschaft und des Heiligtums. Im Neuen Testament gehört das ganze Leben Gott, also auch der ganze Besitz. Wir können aber von etwas, das schon zu 100% Gott gehört, nicht noch 10% an ihn abgeben. Wir sind von Besitzern zu Verwaltern geworden und gehen unter der Leitung des Heiligen Geistes verantwortungvoll in Freiheit mit Gottes Besitz um, wozu natürlich auch das Geben gehört.

Die Reinheit: Im Gesetz Moses gibt es viele Bestimmungen, die die Berührung mit Unreinheit von außen her vermeiden sollen. Z. B. durfte man bestimmte Tiere nicht essen oder nichts Totes berühren. Und wenn man’s tat oder tun musste, folgten aufwendige Rituale, um wieder rein zu werden. Bei den Jüngern von Jesus dagegen wird durch sein vergossenes Blut und durch die Kraft des Heiligen Geistes das Innere des Menschen, sein Herz, gereinigt. Nun hat die Sünde dort keinen Platz mehr. Diese Reinheit im Inneren kann von außen her nicht mehr verunreinigt werden. Paulus sagt – Tit 1,15: „Für die Reinen ist alles rein.“ Die Speisegebote und Reinigungsrituale sind überflüssig geworden.

Der Ruhetag: Seit Gott nach den sechs Tagen der Schöpfung am siebten Tag geruht hat, gibt es den Ruhetag am siebten Tag der Woche. Der ist so auch im Gesetz Moses verbindlich vorgeschrieben. Dieser Tag, der auf hebräisch „schabbát“ heißt, ist über das Griechische als „Sabbat“ zu uns gekommen. Das ist der Wochentag, der Gott gehört. Sein Kennzeichen ist „Ruhe“, weshalb ich ihn auf gut Deutsch als „Ruhetag“ bezeichne.

Nun hat aber mit Jesus eine neue Zeit begonnen. In ihr gehört nun der ganze Mensch Gott, also auch seine ganze Zeit. Alle sieben Tage der Woche sind Gottes Tage. Die Kunst des Glaubens besteht nun darin, die ganze Zeit in der Ruhe Gottes zu bleiben. Ein großes Geschenk! Unter der Leitung des heiligen Geistes herrscht nun die volle Freiheit über die ganze Zeit. Natürlich darf man den siebten Tag noch als Ruhetag einhalten, wenn man will, es wird einem sicherlich guttun. Paulus beschreibt es so – Röm 14,5: „Der eine beurteilt einen Tag höher als einen (anderen) Tag, der andere beurteilt jeden Tag (gleich). Jeder soll im eigenen Verständnis ganz überzeugt sein.“ Der biblische Ruhetag, wenn man ihn einhalten will, liegt auf dem Samstag. Der „christliche“ Sonntag ist eine rein menschliche Erfindung, die nichts mit Gott zu tun hat.

Die zehn Gebote

Die zehn Gebote kommen im Alten Testament an zwei Stellen vor, nämlich in 2 Mo. 20, wo Gott die Worte vom Berg herab direkt zum Volk Israel spricht, und in 5 Mo. 5, wo Mose sie vor dem Einzug ins Land Kanaan dem Volk noch einmal wiederholt.

Wenn ich beim Übersetzen der alttestamentlichen Texte dann auch die griechische Übersetzung mitlese, habe ich vier Texte davon, zwei hebräische und zwei griechische. Und hier fällt auf, dass die Reihenfolge von drei der zehn Gebote in den Versionen verschieden ist. Und auch an anderen Stellen der Bibel werden diese Gebote in unterschiedlicher Reihenfolge aufgezählt. Es handelt sich um die Gebote (nach biblischer Zählung) 6 – 8, ich zitiere hier die Versionen:

2 Mo 20 hebräisch:

Du sollst nicht morden! Du sollst nicht die Ehe brechen! Du sollst nicht stehlen!

2 Mo 20 griechisch:

Du sollst nicht die Ehe brechen! Du sollst nicht stehlen! Du sollst nicht morden!

5 Mo 5 hebräisch:

Du sollst nicht morden! Du sollst nicht die Ehe brechen! Du sollst nicht stehlen!

5 Mo 5 griechisch:

Du sollst nicht die Ehe brechen! Du sollst nicht morden! Du sollst nicht stehlen!

Wir sehen: Die zwei hebräischen Versionen sind gleich, und die griechischen Versionen stimmen darin überein, dass das Verbot des Ehebruchs zuerst kommt. Und ich erinnere daran, dass von der Textüberlieferung her die griechischen Texte die älteren sind. Die griechischen Übersetzer haben also zu ihrer Zeit „Du sollst nicht die Ehe brechen!“ als 6. Gebot vorgefunden.

Das passt zusammen mit der Darstellung, die ich von meinem damaligen Professor für Altes Testament Hartmut Gese gelernt habe. Der Kern seiner Aussage besteht nämlich darin, dass sich das Gebot „Du sollst nicht stehlen!“ ursprünglich auf den Menschen bezog. Du sollst nicht (Menschen) stehlen, also nicht entführen, versklaven, ect.. Das bezieht sich auf alles, was heute noch als Menschenhandel und Freiheitsberaubung strafbar ist.

Und damit ergibt es dann eine sinnvolle Reihenfolge. Die zehn Gebote lassen sich einteilen in fünf Gebotspaare, die sich jeweils auf ein gemeinsames Thema beziehen. Ich zitiere die Gebote in Kurzform:

1. Gebotspaar – es geht um Gott an sich

a) Es soll für dich keine anderen Götter geben gegen mich!

b) Du sollst dir kein Gottesbild machen!

2. Gebotspaar – es geht um die Beziehung zu Gott:

a) Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht für Nichtiges verwenden!

b) Bewahre den Tag der Ruhe, dass du ihn heilig hältst!

3. Gebotspaar – es geht um die dem Menschen übergeordnete menschliche Gruppe, die Familie:

a) Ehre deinen Vater und deine Mutter!

b) Du sollst nicht die Ehe brechen!

4. Gebotspaar – es geht um den Menschen an sich, sein Leben und seine Freiheit:

a) Du sollst nicht morden!

b) Du sollst nicht stehlen!

5. Gebotspaar – es geht um den Mitmenschen, sein Recht und seinen Besitz:

a) Du sollst nicht als falscher Zeuge aussagen gegen deinen Mitmenschen!

b) Du sollst nicht gierig sein nach der Frau deines Mitmenschen, du sollst nicht gierig sein nach dem Haus deines Mitmenschen, seinem Feld, seinem Knecht, seiner Magd, seinem Rind, seinem Esel und allem, was deinem Mitmenschen gehört!”

Wir sehen hier eine Lebensordnung, die vom Schöpfer des Universums bis zum Lamm im Stall des Nachbarn alle Lebensbereiche umfasst, regelt und schützt. Und ich denke, dass die Weisheit, die diese zehn Worte hervorgebracht hat, nicht menschlichen Ursprungs ist. Das hätte auch der Weiseste so nicht hingekriegt …

Matthäus

Matthäus hat in seinem Evangelium ein paar Eigenheiten, die sich von den anderen Evangelien abheben:

Wenn man die Stücke vergleicht, die Matthäus mit Markus und Lukas gemeinsam hat, dann sind sie bei Matthäus in der Regel am kürzesten. Man könnte also sagen, er liebt es eher kurz und bündig.

Die Lehre von Jesus hat er konzentriert in fünf großen Reden von Jesus zusammengestellt:

Grundsatzrede auf dem Berg (Mt. 5-7)

Aussendungsrede (Mt. 10)

Reich-Gottes-Vergleiche (Mt. 13)

Gemeinderegeln (Mt. 18)

Endzeitrede (Mt. 24-25)

Matthäus ist es wichtig, den Bezug zum Alten Testament herzustellen. Die Formulierung; „Damit wurde erfüllt, was (z. B. der Prophet Jesaja) gesagt hatte“ leitet bei ihm häufig ein Zitat aus dem AT ein.

Und er sagt statt „Königreich Gottes“ lieber „Königreich der Himmel“. Damit schließt er sich der jüdischen Sitte an, die Erwähnung des heiligen Gottes zu vermeiden und lieber zu umschreiben.

Aus diesem Wertlegen auf die Erfüllung des AT und der jüdischen Umschreibung Gottes darf man schließen, dass Matthäus sein Evangelium mit Blick auf Gemeinden mit jüdischem Ursprung geschrieben hat, wie es im Land Israel viele gab.

Sich selbst stellt er nebenbei in Mt. 9,9 vor. „Und als Jesus von dort weiterging, sah er einen Menschen am Zoll sitzen – der Matthäus genannt wird – und er sagte ihm: „Folge mir!“. Und der stand auf und folgte ihm.“ In den Parallelstellen bei Markus und Lukas heißt dieser Zöllner „Levi“ bzw. „Levi, der Sohn von Alfäus“. Das war wohl sein ursprünglicher Name, aber er legt offensichtlich Wert auf seinen Beinamen „Matthäus“.

Es gibt eine bekannte Parallele dazu: Simon der Sohn von Johannes, – der Petrus genannt wird -. Den neuen Namen „Petrus“ hat Jesus dem Simon gegeben. Wahrscheinlich hat Jesus also auch dem Levi einen neuen Namen gegeben. Alle Aufzählungen der zwölf Jünger im Neuen Testament nennen ihn dann immer nur noch mit diesem Namen „Matthäus“.

Der Name ist hebräisch und heißt ursprünglich „Mattatjahu“. Man kürzte ihn dann ab, zunächst zu „Mattitja“ und später zu „Mattai“. Der Grieche hängte noch seine Endung dran und sagte „Matthaios“. Zu uns kam er dann über die lateinische Bibel als „Matthäus“.

Der Name bedeutet „Geschenk des HERRN“. Wie treffend für einen Zöllner, den die damaligen Frommen als einen Ausgestoßenen betrachteten, der in der Nachfolge von Jesus ein neues Leben, einen neuen Namen, eine neue Identität bekam!