Die zehn Gebote kommen im Alten Testament an zwei Stellen vor, in 2.Mo. 20, wo Gott die Worte vom Berg herab direkt zum Volk Israel spricht, und in 5.Mo. 5, wo Mose sie vor dem Einzug ins Land Kanaan dem Volk noch einmal wiederholt.
Wenn ich beim Übersetzen der alttestamentlichen Texte auch die griechische Übersetzung mitlese, dann habe ich also vier Texte davon, zwei hebräische und zwei griechische. Dabei ist mir aufgefallen, dass die Reihenfolge von drei der zehn Gebote in den Versionen verschieden ist. Auch an anderen Stellen der Bibel werden diese Gebote in unterschiedlicher Reihenfolge aufgezählt. Es handelt sich um die Gebote (nach biblischer Zählung) 6 – 8, ich zitiere hier die Versionen:
2.Mo. 20 hebräisch:
Du sollst nicht morden! Du sollst nicht die Ehe brechen! Du sollst nicht stehlen!
2.Mo. 20 griechisch:
Du sollst nicht die Ehe brechen! Du sollst nicht stehlen! Du sollst nicht morden!
5.Mo. 5 hebräisch:
Du sollst nicht morden! Du sollst nicht die Ehe brechen! Du sollst nicht stehlen!
5.Mo. 5 griechisch:
Du sollst nicht die Ehe brechen! Du sollst nicht morden! Du sollst nicht stehlen!
Wir sehen: Die zwei hebräischen Versionen sind gleich, die griechischen Versionen stimmen darin überein, dass das Ehebruchsverbot zuerst kommt. Ich erinnere daran, dass von der Textüberlieferung her die griechischen Texte die älteren sind. Die griechischen Übersetzer haben zu ihrer Zeit also offensichtlich „Du sollst nicht die Ehe brechen!“ als 6. Gebot vorgefunden.
Das passt zusammen mit der Darstellung, die ich von meinem damaligen Professor für Altes Testament Hartmut Gese gelernt habe. Der Kern seiner Aussage besteht darin, dass sich das Gebot „Du sollst nicht stehlen!“ ursprünglich auf den Menschen bezogen hat. Du sollst nicht (Menschen) stehlen, also nicht entführen, versklaven, ect., alles, was heute noch als Menschenhandel und Freiheitsberaubung strafbar ist.
Eine sinnvolle Reihenfolge
Dann ergibt sich eine sinnvolle Reihenfolge der zehn Gebote mit fünf Gebotspaaren, die sich jeweils auf ein Thema beziehen. Ich zitiere die Gebote in Kurzform
- Gebotspaar – es geht um Gott an sich:
a) Es soll für dich keine anderen Götter geben gegen mich!
b) Du sollst dir kein Gottesbild machen!
2. Gebotspaar – es geht um die Beziehung zu Gott:
a) Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht für Nichtiges verwenden!
b) Bewahre den Tag der Ruhe, dass du ihn heilig hältst!
3. Gebotspaar – es geht um die dem Menschen übergeordnete menschliche Gruppe, die Familie:
a) Ehre deinen Vater und deine Mutter!
b) Du sollst nicht die Ehe brechen!
4. Gebotspaar – es geht um den Menschen an sich, sein Leben und seine Freiheit:
a) Du sollst nicht morden!
b) Du sollst nicht stehlen!
5. Gebotspaar – es geht um den Mitmenschen, sein Recht und seinen Besitz:
a) Du sollst nicht als falscher Zeuge aussagen gegen deinen Mitmenschen!
b) Du sollst nicht gierig sein nach der Frau deines Mitmenschen, du sollst nicht gierig sein nach dem Haus deines Mitmenschen, seinem Feld, seinem Knecht, seiner Magd, seinem Rind, seinem Esel und allem, was deinem Mitmenschen gehört!”
Wir sehen hier eine Lebensordnung, die vom Schöpfer des Universums bis zum Lamm im Stall des Nachbarn alle Lebensbereiche umfasst, regelt und schützt. Ich denke, dass die Weisheit, die diese zehn Worte hervorgebracht hat, nicht menschlichen Ursprungs sein kann, das hätte auch der Weiseste so nicht hingekriegt …
Schreibe einen Kommentar