Das letzte steinerne Gotteshaus im Neuen Testament war der Tempel in Jerusalem. Als Wohnstatt Gottes wurde er abgelöst, als Jesus am Kreuz das ein für alle Mal gültige Opfer darbrachte. Zu diesem Zeitpunkt zerriss der Vorhang vor dem Allerheiligsten im Tempel (s. Mt 27,51). Dieser zerrissene Vorhang symbolisierte, dass der Zugang zu Gott jetzt frei war – für jeden Menschen an jedem Ort.
Jesus hatte das einer samaritanischen Frau gegenüber vorausgesagt: „Glaube mir, Frau, es kommt eine Zeit, in der ihr weder auf diesem Berg noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet. … Aber es kommt eine Zeit – und es ist jetzt –, dass die wahren Anbeter den Vater im Geist und in der Wahrheit anbeten. Und der Vater sucht ja solche, die ihn so anbeten. Gott ist Geist; und die, die ihn anbeten, müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten“ (Jo 4,21-23).
Adolf Schlatter schreibt in seinem Kommentar „Der Evangelist Matthäus“ zu Mt 5,6: „Jesus bedurfte zum Gebet keinen geweihten Raum, nur Einsamkeit … In der Freiheit von allen kultischen Satzungen stand die palästinische Kirche der paulinischen nicht nach. Matthäus hat ebenso wenig Kirchen gebaut als Paulus.“
Jesus hat den überall gültigen Zugang zu Gott hergestellt, indem er ins himmlische Heiligtum ging: „Und nicht mit Blut von Böcken und Stieren, sondern mit seinem eigenen Blut ist er ein für alle Mal ins Heiligtum gegangen und hat ewige Erlösung erwirkt.“ (Heb 9,12).
Nun wird ein anderes „Haus Gottes“ gebaut: „Lasst euch selbst als lebendige Steine aufbauen, als geistliches Haus, zu einer heiligen Priesterschaft, um geistliche Opfer darzubringen, die Gott willkommen sind durch Jesus den Messias!“ (1 Pe 2,5).
Oder wie im Hebräerbrief in Bezug auf den Messias steht: „Sein Haus sind wir, wenn wir die Zuversicht und die Hoffnung, auf die wir stolz sind, behalten.“ (Heb 3,6).
Oder bei Paulus: „… damit du weißt, wie man im Haus Gottes verfahren muss, das ist die Gemeinde des lebendigen Gottes, Pfeiler und fester Grund für die Wahrheit.“ (1 Tim 3,15).
Die Gemeinde der Nachfolger von Jesus ist jetzt also das Haus Gottes – es gibt kein anderes auf der Welt.
Für öffentliches Lehren nutzte man im Neuen Testament auch öffentliche Räume: Die Halle Salomos in Jerusalem, Synagogen an verschiedenen Orten, das Haus des Titius Justus (s. Apg 18,9), den Lehrsaal des Tyrannos (s. Apg 19,9). Das waren aber keinesfalls „gemeindeeigene Gotteshäuser“. Es waren öffentliche oder private Ge-bäude, die man zweckmäßig nutzte, wie es gerade nötig und möglich war.
Die Häuser, in denen sich ein „Gemeindeleben“ dann tatsächlich abspielte, waren die Häuser und Wohnungen der Gläubigen. Das wären dann noch am ehesten steinerne „Gotteshäuser“, wenn man so will. Aber auch diese Sichtweise findet man im Neuen Testament nicht.
(Dieser Beitrag ist ein Abschnitt aus meinem Buch „Die Gemeinde des Messias„. Als Teil der Leseprobe weckt er ja vielleicht Interesse an mehr …)