Entdeckungen eines Bibelübersetzers

Schlagwort: Strafe

Gott ist leicht zu betrügen

(Gott ist leicht zu betrügen – ein Artikel von Sören Kierkegaard)

Zittere – denn Gott ist gewissermaßen so unendlich leicht zu narren!

Wenn die Rede auf derlei kommt (wiewohl es bald ganz außer Brauch sein wird, vom Zittern zu reden), so gibt man der Sache in der Regel die Wendung, dass man sagt: Zittere, denn es ist unmöglich, Gott, den Allwissenden, den Allgegenwärtigen, zu betrügen. Und das ist ja gewiss auch richtig. Indessen glaube ich, dass man, die Sache immer so gewendet, die beabsichtigte Wirkung nicht erreicht.

Nein, zittere – denn Gott ist gewissermaßen so unendlich leicht zu narren! O, mein Freund, er ist so unendlich erhaben und du gegen ihn so unendlich nichts; wendest du in Todesangst die schlafloseste Anstrengung deines ganzen Lebens auf, um ihm zu gefallen und auf jeden Wink von ihm zu achten, es ist doch unendlich zu wenig, um dir ein Recht zu geben, dir seine Aufmerksamkeit für einen einzigen Augenblick zu erbitten. Und ihn willst du hintergehen: o Menschenkind, das ist nur allzuleicht getan! Darum zittere, d. h. wache, wache!

Er hat eine Strafe, die in seinen eigenen Augen die entsetzlichste ist. Er allein hat ja auch die wahre Vorstellung von seiner Unendlichkeit! Diese Strafe besteht darin, dass er dich, das Nichts, das du bist, ignoriert. Das entspricht ihm als dem Erhabenen gewissermaßen auch wirklich. Für einen Allmächtigen muss es ja sozusagen die größte Anstrengung sein, nach einem Nichts zu sehen, von einem Nichts Notiz zu nehmen, sich um ein Nichts zu kümmern. Und da will dieses Nichts ihn narren: schaudre, o Mensch, denn das ist ja so unendlich leicht getan.

Ich will dir diesen Gedanken noch etwas verdeutlichen. Denke dir einen Bürgersmann: Wen dürfte dieser simple Bürger wohl am ehesten narren können? Etwa seinesgleichen? Gewiss nicht! Denn seinesgleichen liegt daran, sich von ihm nicht narren zu lassen. „Ich werde es mir wirklich nicht gefallen lassen, dass er mich für Narren hält“ usf. Einen sehr vornehmen Herrn kann der gemeine Mann bereits leichter narren, denn das kümmert den vornehmen Herrn nicht groß. Noch leichter den König, denn Seiner Majestät ist es ganz egal.

Du missverstehst mich nicht. Ich will ja nicht sagen, dass der sehr vornehme Herr, der König, es, wenn er sich darum kümmerte, nicht herausbringen könnte, dass der gute Mann ihn zum besten haben will. Aber der kümmert ihn eben gar nicht, dieser gute Mann. Denke an die Fabel von der Fliege und vom Hirsch. Die Fliege, die auf seinem Geweih saß, sagte zum Hirsch: „Ich falle dir doch nicht beschwerlich?“ „Ich wusste gar nicht, dass du da bist.“ Vernünftigerweise müsste der Bürger sich zur Aufgabe setzen, durch seine Redlichkeit, seine Rechtschaffenheit womöglich den Blick Seiner Majestät auf sich zu ziehen. Dagegen ist es unendlich dumm und geistlos, einen narren zu wollen, der zu erhaben ist, um davon Notiz zu nehmen. Das ist ja so unendlich leicht getan!

Und denke nun dran, wie unendlich Gott erhaben ist, und welch ein Nichts du bist. Und dann zittere bei dem Gedanken, wie unendlich leicht es für dich ist, Gott zu narren! Weil du ihn duzest, weil du ihn von Kind auf sehr gut kennst, und weil du leichtfertig seinen Namen bei allen anderen Bagatellen im Munde hast, denkst du vielleicht, Gott sei dein Kamerad. Du stehest zu ihm wie Gevatter Schneider und Handschuhmacher zueinander. Er werde also sofort Lärm schlagen, sobald er merkt, dass du ihn zum besten haben willst, seine Worte verdrehst, dich dumm stellst usf. Und wenn er nichts macht, so müsse es dir wohl geglückt sein, ihn aufzuziehen. Ja, Menschenkind, schaudere nur – es ist dir geglückt!

Ja, in seiner Erhabenheit wendet Gott das Verhältnis so, dass es für einen Menschen so leicht als nur immer möglich ist, wenn er will, Gott zu narren. Er fügt es nämlich so, dass die wenigen, die er liebt und die ihn lieben, in dieser Welt schrecklich zu leiden bekommen. Daran kann dann jeder sehen, dass sie (angeblich) von Gott verlassen sind. Die Betrüger hingegen machen glänzende Karriere, worin jeder sehen kann, dass Gott (angeblich) mit ihnen ist. Und darin werden sie auch selbst mehr und mehr bestärkt.

So vornehm ist Gott. So wenig erschwert er es, so unendlich leicht macht er es, ihn zu betrügen. Er setzt sogar selbst Preise für die Betrüger aus, belohnt sie mit allem Irdischen: o Mensch, zittere!

Buße

Das griechische Wort „metanoeín“, das Luther mit „Buße tun“ übersetzt hat, gehört zum Grundbestand des Christentums. Es bedeutet ganz wörtlich „umdenken“, das heißt, sein Denken bzw. seine Gesinnung ändern. Im Neuen Testament ist dabei vorausgesetzt, dass, wenn sich das Denken ändert, sich das ganze Leben ändert, sich der ganze Mensch ändert. Deshalb übersetze ich das Wort mit „sich ändern“, „sich ändern wollen“ oder „bereit sein, sich zu ändern“. Das Substantiv „metánoia“ heißt dann entsprechend „Sinnesänderung“.

Ich denke, dass es im landläufigen Christentum eines der unbeachtetsten unter den grundlegenden Themen ist.

Die ganze neutestamentliche Geschichte fängt damit an: „In jenen Tagen kam Johannes der Täufer und verkündete in der Wüste von Judäa: ‚Seid bereit euch zu ändern! Denn das Königreich der Himmel ist nahe gekommen.’“ (Mt 3,1-2). „Von da an fing Jesus an zu verkünden und zu sagen: ‚Seid bereit euch zu ändern! Denn das Königreich der Himmel ist nahe gekommen.’“ (Mt 4,17).

Es geht weiter in der Apostelgeschichte: „Petrus sagte zu ihnen: ‚Seid bereit euch zu ändern! Jeder von euch muss sich untertauchen lassen im Namen von Jesus dem Messias, zur Vergebung eurer Sünden, und ihr werdet das Geschenk des Heiligen Geistes bekommen. (Apg 2,38). Und es steht in der Offenbarung: „Sei also bereit dich zu ändern!“ (Offb 2,16). Und an dieser Stelle ist es zu Christen gesagt.

Der heutige Bedeutungsinhalt von „Buße, büßen, abbüßen“ ist „eine Strafe bezahlen, erleiden oder ableisten“. Und das ist für die Übersetzung von „metánoia“ völlig ungeeignet. Im Zusammenhang der neutestamentlichen Lehre hat Jesus im Kreuzestod die Strafe auf sich genommen. Und so können wir uns ohne Angst vor Strafe zu Gott wenden und unsere Gesinnung und unser Leben in seinem Sinne ändern. Jesus hat für unsere Sünden gebüßt, und wir werden von Sündern zu Heiligen – wenn wir denn bereit sind, uns zu ändern.

Der Weg vom Sünder zum Heiligen kann ja nur ein gewaltiger Veränderungsprozess sein. Es ist das Lebenselement eines lebendigen Christen. In der Gemeinschaft mit Jesus und unter der Leitung des heiligen Geistes ist er bereit, jegliche Veränderung in seinem Leben umzusetzen, die dem Willen Gottes entspricht. Das Festhalten am Alten gegen den Willen Gottes ist Ungehorsam und damit Sünde. Wer nicht bereit ist sich zu ändern, kann den Weg mit Jesus nicht gehen.