Entdeckungen eines Bibelübersetzers

Schlagwort: Strafe

Reinigung von der Sünde

Reinigung von der Sünde ist ein zentraler Aspekt der guten Botschaft des Neuen Testaments. Dazu müssen wir aber zuerst einmal schauen, was „Sünde“ eigentlich ist. Sünde sei „Trennung von Gott“, heißt es in einer gewissen Auslegungstradition. Aber das ist eine verharmlosende Formulierung. Sünde ist ihrem Wesen nach Auflehnung und Aufruhr gegen Gott. Natürlich trennt das den Menschen auch von Gott. Aber die Trennung von Gott ist eine Folge und Auswirkung der Sünde, nicht die Sünde selbst. Jegliche Sünde eines Menschen richtet sich in Wahrheit direkt gegen den den allmächtigen, heiligen und gerechten Gott selbst. Sie ist Missachtung und Ablehnung des Willens Gottes. Es gibt nichts Schlimmeres, was ein Mensch tun kann, als zu sündigen.

Dabei bezeichnet „Sünde“ im Neuen Testament zweierlei Sachverhalte. Zum einen ist Sünde die persönliche Tat und der daraus folgende persönliche Zustand eines einzelnen Menschen. Er handelt als Sünder und lebt in Sünde (und ist dadurch natürlich vom heiligen Gott getrennt). Zum anderen ist Sünde aber auch eine dem Menschen übergeordnete und ihn beherrschende Macht, der er ausgeliefert ist und die ihn zwingt, immer weiter zu sündigen. Und so ist die menschliche Natur zur durch und durch sündigen menschlichen Natur geworden. Dieser Zustand des Menschen ist menschlich gesehen unheilbar und hoffnungslos. Der Mensch steht deshalb auch unter dem wohlverdienten Gericht Gottes. Die Strafe Gottes für die Sünde ist der Tod, der zeitliche Tod und er ewige Tod.

Deshalb schreibt Paulus auch: „Ein elender Mensch bin ich. Wer soll mich retten aus diesem ganzen Komplex des Todes?“ (Rö 7,24). Aber er gibt dann im folgenden Vers auch gleich die Antwort darauf: „Gott sei Dank – (es ist möglich) durch Jesus den Messias, unseren Herrn!“. Weil die Sünde den Tod verdient, deshalb musste Jesus, der einzig Sündlose, den Tod am Kreuz auf sich nehmen. Und so ist dort bei Jesus der Ort entstanden, an dem die Strafe für die Sünde bereits vollzogen ist. Das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt trägt, wurde zum Sühnopfer für die Sünde der Welt. Damit ist die Tür geöffnet zur Reinigung von der Sünde, zur Rettung des Menschen.

Die Reinigung von der Sünde ist im Neuen Testament real gemeint. Es gibt keine theoretische, hypothetische oder deklaratorische Rettung des Menschen. Was Gott will, ist, aus einem Sünder einen Heiligen machen, aus einer Sünderin eine Heilige. Die Voraussetzung dazu auf Seiten des Menschen ist, dass er das auch selbst will. Gott rettet niemanden gegen seinen Willen. Es ist die Liebe Gottes, die diese Freiheit gegeben hat und niemanden zwingt, auch wenn das seine ewige Verlorenheit bedeutet.

Diese rettende Lebensveränderung gehört zum Grundbestand der neutestamentlichen Botschaft. „In jenen Tagen ging Johannes der Täufer durch das ganze Umland des Jordans. Er befand sich in der Wüste von Judäa und verkündete eine Taufe der Sinnesänderung zur Vergebung der Sünden, indem er sagte: „Seid bereit euch zu ändern! Denn das Königreich der Himmel ist nahegekommen.“ (Mt 3,1-2; Mk 1,4; Lk 3,3). Dasselbe wie Johannes verkündete dann auch Jesus. „Von da an begann Jesus, die Botschaft Gottes zu verkünden: „Die Zeit ist erfüllt. Das Königreich der Himmel, das Reich Gottes, ist nahegekommen. Seid bereit euch zu ändern! Glaubt an die gute Botschaft!“ (Mt 4,17; Mk 1,14b-15).

Da der Mensch diese grundlegende Lebensveränderung nicht aus eigener Kraft vollziehen kann, übersetze ich das lutherische „Tut Buße!“ an dieser Stelle mit diesem „Seit bereit euch zu ändern!“. Denn es drückt das aus, was Gott von einem Menschen erwarten kann und auch erwartet, nämlich seine Bereitschaft. Er kann sich nicht selbst ändern, aber er kann willig und bereit sein, sich diese Lebensänderung von Gott schenken zu lassen und dabei mitzumachen.

Den Anfang macht er damit, seinen sündigen Zustand einzugestehen. Über die Besucher von Johannes heißt es: „Und sie ließen sich von ihm untertauchen im Jordanfluss, indem sie ihre Sünden eingestanden.“ (Mt 3,6; Mk 1,5). Es wird auch eine sofortige erkennbare Veränderung eingefordert: „Bringt nun Früchte, die der Sinnesänderung angemessen sind!“ (Mt 3,8; Lk 3,8).

Der gute Wille ist auch daran erkennbar, dass die Leute nachfragen: Die vielen Menschen fragten ihn: „Was sollen wir denn tun?“ Er antwortete ihnen: „Wer zwei Gewänder hat, soll dem eines abgeben, der keines hat, wer Nahrung hat, soll es genauso machen!“ Es kamen auch Steuereinnehmer, um sich untertauchen zu lassen, und sie sagten zu ihm: „Lehrer, was sollen wir tun?“ Er antwortete ihnen: „Ihr sollt nicht mehr kassieren, als man euch angeordnet hat!“ Es fragten ihn auch Soldaten: „Und wir, was sollen wir tun?“ Ihnen sagte er: „Ihr sollt niemanden misshandeln, niemanden erpressen und genug haben an eurem Sold!“ (Lk 3,10,14).

Die Sündenvergebung für diese Veränderungswilligen wird vollzogen in der Taufe im Wasser. Diese Reinigung von der Sünde durch das Untertauchen im Wasser gilt vor Gott. Die Sünden sind vergeben, abgewaschen. Die veränderungswilligen und gereinigten Menschen sind nun bereit für das Reich Gottes.

(Ein Nebengedanke: Da, wo die Menschen bei Johannes im Jordan ihre Sünden zurückließen, hat sich der sündlose Jesus dann untertauchen lassen, um die dort zurückgelassenen Sünden auf sich zu nehmen. Von da an bezeichnet ihn Johannes als „das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt trägt“. Hier deutet sich schon an, dass die Taufe nur ein Mittel zum Zweck ist. Die eigentliche Wurzel der Sündenvegebung ist das Opfer von Jesus am Kreuz.)

Dass mit der Lebensveränderung auch Wiedergutmachung verbunden sein kann, zeigt das Beispiel von Zachäus. „Die Hälfte meines Vermögens, Herr, gebe ich jetzt den Armen. Und wenn ich von jemandem etwas erpresst habe, gebe ich es vierfach zurück.“ (Lk 19,8). Die Wiedergutmachung ist allerdings nirgends im Neuen Testament zwingend vorgeschrieben. Ich nehme an, es ist eine Sache des heiligen Geistes, wie er in solchen Dingen den Menschen führt.

Mit der Reinigung von der Sünde ist aber nur der eine Teil der angestrebten Lebensveränderung genannt. Der andere Teil kommt dann ab jenem außergewöhnlichen Pfingstfest in Gestalt der Gabe des heiligen Geistes dazu. Die Kraft zur Herzensveränderung und zu einem neuen Leben in Heiligkeit kommt aus dem heiligen Geist. Erst damit ist die Gabe Gottes vollständig. Die Liebe, die Jesus als Gebot seinen Jüngern aufträgt, wird damit ermöglicht und erfüllt: „die Liebe Gottes ist ausgegossen in unseren Herzen durch Heiligen Geist, der uns gegeben ist.“ (Rö 5,5).

Ich nehme als Vergleich zu diesen Vorgängen hier einmal das Bild einer Flasche. Das Bild hinkt an der Stelle, dass eine Flasche willenlos ist, aber es passt auf einen veränderungswilligen Menschen. Jemand findet im Dreck eine verdreckte und mit einer üblen Flüssigkeit gefüllte Flasche. Er nimmt sie mit nach Hause, leert sie aus und spült sie sauber. Das entspricht der Reinigung von der Sünde durch die Taufe im Wasser. Dann füllt er die saubere Flasche mit einem neuen köstlichen inhalt. Das entspricht der Taufe im Heiligen Geist.

Mit der Gabe des heiligen Geistes im Menschen ist nun auch die persönliche direkte innere Verbindung mit Gott hergestellt. Der Mensch beginnt, seine ursprüngliche Bestimmung zu erfüllen, nämlich ein Ebenbild Gottes zu sein. Ein Ebenbild Gottes, das kann er nicht als Sünder, das kann er nur als Heiliger sein.

Der ganze Vorgang wird im neuen Testament auch als eine neue Geburt bezeichnet. Mit der neuen Geburt hat ein neues Leben angefangen, ein neuer Mensch ist da. Und dieser neue, aus Gott geborene Mensch sündigt nicht. „Jeder, der aus Gott geboren ist, vollbringt keine Sünde, weil sein Same in ihm bleibt. Er kann sich nicht versündigen, weil er aus Gott geboren ist.“ (1 Jo 3,9). Der angesprochene Same in ihm ist natürlich der Anteil am heiligen Geist, den er empfangen hat.

In dieser Sichtweise der Reinigung von der Sünde kann es keinen Kompromiss mehr mit der Sünde geben. Sünde hat im neuen Leben mit Jesus keinen Platz. Natürlich spricht man auch im Neuen Testament davon, dass Sünde im Leben der Gläubigen noch vorkommen kann. Aber sie ist dort fehl am Platz, sie ist ein Unglück. Unter der Gnade, Liebe und Geduld Gottes kann sie jedoch bereinigt werden. Eindrücklich ist hier das Wort von Jesus: „Wenn eines deiner Geschwister sich versündigt, weise es zurecht, und wenn es bereit ist, sich zu ändern, vergib ihm! Und wenn es sich siebenmal am Tag gegen dich versündigt und siebenmal zu dir zurückkommt und sagt: ‚Ich will mich ändern!‘, sollst du ihm vergeben!“ (Lk 17,3b-4).

Und wenn schon ein Jünger so handeln soll, um wieviel mehr wird dann auch Gott selbst so handeln. Aber auch dieses Vergeben steht immer unter der Bereitschaft, sich zu ändern. Sünde kann also im Leben eines Christen und in der christlichen Gemeinde nicht toleriert, verharmlost oder gar für normal erklärt werden. Das einzige, was man mit Sünde tun kann und muss, wo immer sie auftaucht, ist, sie bereinigen. Das ist der einzige Weg. Und es macht die tiefe Ernsthaftigkeit deutlich, die dem Leben mit Jesus zu eigen ist.

Es ist also nichts mit der lutherischen Irrlehre, ein Christ sei immer „simul iustus et peccator“, d. h. „zugleich ein Gerechter und ein Sünder“. Christen sind immer ehemalige Sünder. „Und einige von euch waren solche; aber ihr wurdet abgewaschen, ihr wurdet heilig gemacht, ihr wurdet gerecht gemacht, durch den Namen des Herrn, Jesus des Messias, und durch den Geist unseres Gottes.“ (1 Ko 6,11). Als „Sünder“ werden die Gläubigen im Neuen Testament auch tatsächlich an keiner Stelle bezeichnet. Man möge das bitte nachprüfen. Das oft als Gegenargument gebrachte Zitat „Wir sind allzumal Sünder“, das in Rö 3,23 stehen soll, ist falsch zitiert. Dort steht „alle haben sich versündigt“, und gemeint ist nicht „wir“, sondern „sie“, nämlich die noch Unerlösten.

So ist es auch leicht zu verstehen, dass die Christen, die Gläubigen, die Gemeinde im Neuen Testament auch die „Heiligen“ sind. „Dem Heiligen entsprechend, der euch gerufen hat, sollt auch ihr euch als Heilige erweisen im ganzen Lebenswandel! Deshalb steht geschrieben: ‚Heilige sollt ihr sein, denn ich bin heilig.'“ (1 Pe 1,15,16). Und so, wie wir das Neue Testament verstehen, ist dies natürlich – wie alles – ernst und real gemeint.

„Seht, was für eine Liebe uns der Vater gegeben hat, dass wir Kinder Gottes genannt werden – und wir sind es! Deshalb kennt uns die Welt nicht, weil sie ihn nicht erkannt hat. Geliebte, wir sind jetzt Kinder Gottes, auch wenn es noch nicht sichtbar geworden ist, was wir sein werden. Wir wissen aber, dass, wenn es sichtbar wird, wir ihm gleich sein werden, weil wir ihn sehen werden, wie er ist. Und jeder, der diese Hoffnung auf ihn hat, reinigt sich – wie er rein ist. Jeder, der die Sünde vollbringt, vollbringt das Unrechte; die Sünde ist das Unrechte.

Und ihr wisst, dass er erschienen ist, um die Sünden wegzunehmen, und in ihm ist keine Sünde. Jeder, der in ihm bleibt, versündigt sich nicht. Jeder, der sich versündigt, hat ihn nicht gesehen und kennt ihn nicht. Kinderchen, niemand darf euch irreführen! Wer das Rechte tut, ist gerecht, genau wie er gerecht ist. Wer die Sünde vollbringt, ist vom Teufel, denn der Teufel versündigt sich von Anfang an. Dazu ist der Sohn Gottes erschienen: um die Werke des Teufels aufzulösen. Jeder, der aus Gott geboren ist, vollbringt keine Sünde, weil sein Same in ihm bleibt. Er kann sich nicht versündigen, weil er aus Gott geboren ist. Daran sind die Kinder Gottes und die Kinder des Teufels sichtbar: Jeder, der nicht tut, was recht ist, ist nicht von Gott, und wer seinen Bruder oder seine Schwester nicht liebt.“ (Jo 3,1-10)

Sind „wir“ wirklich Christen …

Sind „wir“ wirklich Christen, was ist dann Gott?

(Ein Artikel von Sören Kierkegaard aus seiner Zeitschrift „Der Augenblick“. Erschienen am 4. Juni 1855)

Die Sache verhält sich doch so: dass unser Begriff eines „Christen“ eine Einbildung ist, dass diese ganze Maschinerie mit einer Staatskirche und 1000 geistlich-weltlichen Kanzleiräten eine ungeheure Augenverblendung ist, die uns in der Ewigkeit nicht das Mindeste helfen wird, die sich im Gegenteil in eine Anklage gegen uns verkehren wird … Und wenn sich die Sache so verhält, dann wollen wir in diesem Fall doch um der Ewigkeit willen diese Maschinerie je eher, je lieber loswerden … –

Wenn sich die Sache aber nicht so verhält. Wenn der „Christ“ wirklich das ist, was „wir“ unter einem solchen verstehen: Was ist dann Gott im Himmel?

Er ist das lächerlichste Wesen, das je gelebt hat. Sein Wort ist das lächerlichste Buch, das je ans Licht gekommen ist. Himmel und Erde in Bewegung zu setzen (wie er ja in seinem Wort tut), mit der Hölle, mit ewiger Strafe zu drohen – um das zu bekommen, was „wir“ unter einem „Christen“ verstehen. (Und wir sind ja „wahre Christen“!) Nein, etwas so Lächerliches ist noch nie dagewesen!

Denke dir, es trete ein Mann mit scharfgeladener Pistole auf jemanden zu und sagte zu ihm: „Ich schieße dich nieder“. Oder stelle dir seine Drohung noch schecklicher vor, denke dir, er sage: „Ich bemächtige mich deiner Person und martere dich auf die grausamste Weise zu Tode, wenn du nicht (Nun merke wohl, was da kommt:) – wenn du nicht dein Leben hier auf Erden so profitabel und genussreich anlegst, als es dir möglich ist!“. So ist das doch wohl äußerst lächerlich. Denn um das zu bewirken, braucht man wirklich nicht mit einer scharfgeladenen Pistole oder der qualvollsten Todesart zu drohen. Denn vielleicht wären sogar weder die scharfgeladene Pistole noch die qualvollste Todesart imstande, das überhaupt zu verhindern.

Und so auch hier. Durch die Schrecken einer ewigen Strafe (fürchterliche Drohung!) und durch die Verheißung einer ewigen Seligkeit bewirken zu wollen – ja, das bewirken zu wollen, was „wir“ sind! (Denn der Christ ist ja das, was „wir“ unter ihm verstehen!) Also das bewirken zu wollen, was „wir“ sind: dass wir das Leben wählen, nach dem es uns am meisten gelüstet! (Denn dass wir das Zuchthaus meiden, gebietet ja die einfache Klugheit!)

Die schrecklichste Art von Gotteslästerung ist die, welche die „Christenheit“ verschuldet. Dass sie den Gott des Geistes in ein lächerliches Geschwätz verwandelt. Und die geistloseste Art von Gottesverehrung – geistloser als alles, was je das Heidentum aufbrachte, geistloser als die Verehrung eines Steins, eines Ochsen, eines Insekts, geistloser als alles, was überhaupt an Geistlosigkeit möglich ist – ist dies: als Gott einen Faselhans anzubeten.“

Gott ist leicht zu betrügen

(Gott ist leicht zu betrügen – ein Artikel von Sören Kierkegaard)

Zittere – denn Gott ist gewissermaßen so unendlich leicht zu narren!

Wenn die Rede auf derlei kommt (wiewohl es bald ganz außer Brauch sein wird, vom Zittern zu reden), so gibt man der Sache in der Regel die Wendung, dass man sagt: Zittere, denn es ist unmöglich, Gott, den Allwissenden, den Allgegenwärtigen, zu betrügen. Und das ist ja gewiss auch richtig. Indessen glaube ich, dass man, die Sache immer so gewendet, die beabsichtigte Wirkung nicht erreicht.

Nein, zittere – denn Gott ist gewissermaßen so unendlich leicht zu narren! O, mein Freund, er ist so unendlich erhaben und du gegen ihn so unendlich nichts; wendest du in Todesangst die schlafloseste Anstrengung deines ganzen Lebens auf, um ihm zu gefallen und auf jeden Wink von ihm zu achten, es ist doch unendlich zu wenig, um dir ein Recht zu geben, dir seine Aufmerksamkeit für einen einzigen Augenblick zu erbitten. Und ihn willst du hintergehen: o Menschenkind, das ist nur allzuleicht getan! Darum zittere, d. h. wache, wache!

Er hat eine Strafe, die in seinen eigenen Augen die entsetzlichste ist. Er allein hat ja auch die wahre Vorstellung von seiner Unendlichkeit! Diese Strafe besteht darin, dass er dich, das Nichts, das du bist, ignoriert. Das entspricht ihm als dem Erhabenen gewissermaßen auch wirklich. Für einen Allmächtigen muss es ja sozusagen die größte Anstrengung sein, nach einem Nichts zu sehen, von einem Nichts Notiz zu nehmen, sich um ein Nichts zu kümmern. Und da will dieses Nichts ihn narren: schaudre, o Mensch, denn das ist ja so unendlich leicht getan.

Ich will dir diesen Gedanken noch etwas verdeutlichen. Denke dir einen Bürgersmann: Wen dürfte dieser simple Bürger wohl am ehesten narren können? Etwa seinesgleichen? Gewiss nicht! Denn seinesgleichen liegt daran, sich von ihm nicht narren zu lassen. „Ich werde es mir wirklich nicht gefallen lassen, dass er mich für Narren hält“ usf. Einen sehr vornehmen Herrn kann der gemeine Mann bereits leichter narren, denn das kümmert den vornehmen Herrn nicht groß. Noch leichter den König, denn Seiner Majestät ist es ganz egal.

Du missverstehst mich nicht. Ich will ja nicht sagen, dass der sehr vornehme Herr, der König, es, wenn er sich darum kümmerte, nicht herausbringen könnte, dass der gute Mann ihn zum besten haben will. Aber der kümmert ihn eben gar nicht, dieser gute Mann. Denke an die Fabel von der Fliege und vom Hirsch. Die Fliege, die auf seinem Geweih saß, sagte zum Hirsch: „Ich falle dir doch nicht beschwerlich?“ „Ich wusste gar nicht, dass du da bist.“ Vernünftigerweise müsste der Bürger sich zur Aufgabe setzen, durch seine Redlichkeit, seine Rechtschaffenheit womöglich den Blick Seiner Majestät auf sich zu ziehen. Dagegen ist es unendlich dumm und geistlos, einen narren zu wollen, der zu erhaben ist, um davon Notiz zu nehmen. Das ist ja so unendlich leicht getan!

Und denke nun dran, wie unendlich Gott erhaben ist, und welch ein Nichts du bist. Und dann zittere bei dem Gedanken, wie unendlich leicht es für dich ist, Gott zu narren! Weil du ihn duzest, weil du ihn von Kind auf sehr gut kennst, und weil du leichtfertig seinen Namen bei allen anderen Bagatellen im Munde hast, denkst du vielleicht, Gott sei dein Kamerad. Du stehest zu ihm wie Gevatter Schneider und Handschuhmacher zueinander. Er werde also sofort Lärm schlagen, sobald er merkt, dass du ihn zum besten haben willst, seine Worte verdrehst, dich dumm stellst usf. Und wenn er nichts macht, so müsse es dir wohl geglückt sein, ihn aufzuziehen. Ja, Menschenkind, schaudere nur – es ist dir geglückt!

Ja, in seiner Erhabenheit wendet Gott das Verhältnis so, dass es für einen Menschen so leicht als nur immer möglich ist, wenn er will, Gott zu narren. Er fügt es nämlich so, dass die wenigen, die er liebt und die ihn lieben, in dieser Welt schrecklich zu leiden bekommen. Daran kann dann jeder sehen, dass sie (angeblich) von Gott verlassen sind. Die Betrüger hingegen machen glänzende Karriere, worin jeder sehen kann, dass Gott (angeblich) mit ihnen ist. Und darin werden sie auch selbst mehr und mehr bestärkt.

So vornehm ist Gott. So wenig erschwert er es, so unendlich leicht macht er es, ihn zu betrügen. Er setzt sogar selbst Preise für die Betrüger aus, belohnt sie mit allem Irdischen: o Mensch, zittere!