Entdeckungen eines Bibelübersetzers

Schlagwort: Seele

Die Seelen am Altar

Die Seelen am Altar erscheinen in der Offenbarung bei der Öffnung des fünften Siegels – Offb 6,9-11: „Als (das Lamm) das fünfte Siegel öffnete, sah ich unten am Opferaltar die Seelen derer, die getötet worden waren wegen des Wortes Gottes und wegen des Zeugnisses, das sie haben. Sie riefen mit lauter Stimme: ‚Bis wann, Gebieter, Heiliger und Wahrer, richtest und rächst du nicht unser Blut an den Bewohnern der Erde?‘ Und jedem von ihnen wurde ein weißes Gewand gegeben, und es wurde ihnen gesagt, dass sie noch kurze Zeit ruhen würden, bis auch ihre Mitsklaven vollendet wären, die von ihren Geschwistern, die getötet werden wie sie.“

Der Altar, den Johannes hier sieht, ist natürlich der Altar des himmlischen Heiligtums. Die Seelen am Altar sind Seelen von verstorbenen Märtyrern. Es sind nur ihre Seelen da, sie sind noch nicht körperlich auferstanden. Aber sie sind nicht im Hades, in der Totenwelt, wie die übrigen verstorbenen Menschen, sondern bei Gott.

Nachdem die vier ersten Siegel Vorgänge auf der Erde schilderten, kommt hier beim fünften Siegel ein Blick in den Himmel. Aber indirekt zeigt auch das fünfte Siegel einen Vorgang auf der Erde, dort herrscht nämlich Christenverfolgung.

Nachdem die christliche Gemeinde in den ersten 30 Jahren hauptsächlich Druck durch jüdische Gemeinden erlebt hatte, kam ein Umschwung. Die zuerst eher neutrale heidnische Umwelt begann, die Christen zunehmend kritischer zu sehen. Und durch den Kaiser Nero erfolgte dann die erste offizielle Verfolgung durch den heidnischen römischen Staat.

Nun sehen wir die Seelen von Getöteten unten am Opferaltar im Himmel. An den irdischen Opferaltar wurde unten das Blut der Opfertiere hingegossen. Und so sind auch die, die für Jesus ihr Leben geopfert und ihr Blut vergossen haben, unten am himmlischen Altar. Sie sind im Himmel bei Gott. Ihr Ruf nach dem Gericht Gottes wird gehört, aber sozusagen vertagt. Denn es wird noch mehr ihrer Geschwister geben, die für Jesus ihr Leben lassen. Offensichtlich weiß Gott auch hier, wie viele es sein werden. Inzwischen erhalten sie ihr weißes Gewand, das Zeichen der Gerechtigkeit. Und man sagt ihnen, sie sollen einstweilen ruhen.

Das ist ein interessanter Einblick in das, was die Heiligen im Himmel tun: Sie ruhen. Im weiteren Verlauf bestätigt auch die Aussage in Offb 14,13 diese Ruhe der Heiligen: „Und ich hörte eine Stimme aus dem Himmel: ‚Schreibe: Glücklich sind die Toten, die von jetzt an im Herrn sterben! Ja, der Geist sagt, dass sie ruhen werden von ihren Mühen, denn ihre Taten folgen ihnen.’”

Und um es für gewisse Mitchristen deutlich zu machen: Wenn die Heiligen im Himmel ruhen, dann kann man sie nicht anrufen, sie hören keine Gebete, leisten keine Fürbitte, tun keine Wunder, nehmen keine Gaben an und lassen sich nicht verehren. Man sollte ihnen ihre Ruhe bei Gott gönnen und sich mit allen Anliegen direkt an den Herrn wenden, der versprochen hat, Gebete zu hören.

Der Ruheplatz für die Seele

Der Ruheplatz für die Seele ist mir beim Lesen in Kap. 6,16 beim Propheten Jeremia begegnet. Ich zitiere hier erst einmal die Lutherübersetzung: „Tretet hin an die Wege und schaut und fragt nach den Wegen der Vorzeit, welches der gute Weg sei, und wandelt darin, so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele!“

Bei „Ruhe finden für eure Seele“ hat sich bei mir die Erinnerung geregt an die Aussage von Jesus – Mt 11,29: „Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir, ich bin sanft und von Herzen bescheiden, und ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen!“ Offensichtlich hat Jesus mit dieser Zusage auch den Propheten Jeremia zitiert.

Bei Zitaten aus dem Alten Testament schaue ich gerne nach, wie es dort im Urtext steht. Und da habe im Hebräischen an dieser Stelle nicht das übliche Wort für „Ruhe“ gefunden, das „Menuchá“ heißt. Dort steht vielmehr das Wort „Margóa'“, das nicht allgemein „Ruhe“ meint, sondern konkret einen Ort der Ruhe, einen „Ruheplatz“.

Schön wäre im Deutschen natürlich auch die Übersetzung „Rastplatz“. Aber der liegt heutzutage an der Autobahn und hat leider nicht mehr viel mit „Ruhe“ zu tun.

Nach dieser Entdeckung kann ich nun auch die Aussage von Jesus in Mt. 11,28-30 konkreter übersetzen. „Kommt alle zu mir, die ihr euch bemüht und beladen seid, ich will euch Ruhe verschaffen! Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir, ich bin sanft und von Herzen bescheiden, ‚und ihr werdet einen Ruheplatz finden für eure Seelen‘! Denn mein Joch ist angenehm, meine Last ist leicht.“

Der Ruheplatz für die Seele ist eben doch bei Jesus – und sonst nirgends …