Entdeckungen eines Bibelübersetzers

Schlagwort: Petrus

Apostel

„Apostel“ ist ein Lehnwort aus dem Griechischen. Hier bezeichnet man Leute wie Petrus und Paulus tatsächlich als „apóstolos“ (Plural „apóstoloi“). Dabei müssen wir natürlich erst einmal Ballast abwerfen. Im Laufe der Kirchengeschichte hat sich der Begriff „Apostel“ bzw. „apostolisch“ sehr verändert. Der entsprechende Begriff aus dem Lateinischen ist übrigens „Missionar“.

„Apóstolos“ kommt von „apostéllein“, was auf Deutsch jemanden „senden“ oder „schicken“ heißt. Es ist also ein „Gesandter“ oder ein „Bote“, ein Untergeordneter, der einen Auftrag erfüllt. Das Spektrum reicht von einem diplomatischen Gesandten des Kaisers bis hin zu einem Sklaven, der eine einfache Mitteilung überbringen muss. Ein Gesandter des Herrn, Jesus, zu sein, ist im Reich Gottes eine grundlegende Aufgabe und steht bei den Aufzählungen der geistlichen Gaben in den Paulusbriefen immer an erster Stelle.

In der Gemeinde haben diese Gesandten im Neuen Testament immer eine führende Funktion. In der Urgemeinde in Jerusalem hatten die zwölf von Jesus eingesetzten Gesandten zunächst die Aufgabe von Verantwortlichen bzw. Älteren der Gemeinde und haben sich auch so verhalten. In den Berichten der Apostelgeschichte ist dann zu erkennen, dass daneben mit der Zeit andere Ältere traten und in Jerusalem die Gesandten immer weniger wurden, weil sie sich ihrer Aufgabe entsprechend aussenden ließen, wohin immer der Herr sie durch den heiligen Geist schickte bzw. führte.

Paulus als „Apostel“

Als Musterbeispiel ist uns in der Apostelgeschichte und in seinen Briefen der „Apostel“ Paulus gegeben. Er war schon keiner von den Zwölf mehr, aber ein Lehrer in der Gemeinde in Atiochia. Von hier aus wurde er ausgesandt, um seinen Sendungsauftrag zu erfüllen. Es wird in den Berichten deutlich, dass seine „sendende“ Gemeinde in Antiochia keinerlei Weisungsbefugnis über ihn hatte. Es gab keine irdische „Missionsleitung“, der er Rechenschaft schuldig war. Dennoch gab es eine Verbundenheit mit der Gemeinde, die ihn ausgesandt hatte. Bei Besuchen in Antiochia berichtete er, was der Herr in seinem Dienst getan hatte. Übrigens wurde er auch nicht von dort bezahlt, außer der anfänglichen Ausstattung zur Reise.

Das Prinzip der Gesandten von Jesus hat Paulus in seinem Brief an die Gemeinde in Rom deutlich so ausgedrückt:

„So habe ich von Jerusalem und ringsum bis nach Illyrien die Botschaft des Messias vollendet. Aber so, dass ich Wert darauf lege, die Botschaft nicht (da) zu bringen, wo der Messias (schon) genannt worden ist, damit ich nicht auf fremdes Fundament baue, sondern wie es geschrieben steht: ‚Die, denen nichts über ihn berichtet wurde, werden sehen, und die, die von nichts hörten, werden begreifen!‘ (Jes. 52,15). Deshalb wurde ich auch vielfach aufgehalten, zu euch zu kommen. Jetzt habe ich aber keinen Platz mehr in diesen Gegenden, und Sehnsucht, zu euch zu kommen, habe ich seit vielen Jahren, weil ich nach Spanien gehen (will). Ich hoffe nämlich, (bei euch) durchzukommen, euch zu sehen und von euch dorthin zur Reise ausgestattet zu werden, wenn ich von euch vorher einigermaßen gesättigt sein werde.“ (Römer 15,19b-24).

Einige Prinzipien werden hier deutlich erkennbar:

– Der Auftrag und Dienst eines Gesandten von Jesus dem Messias geht dahin, wo Jesus noch nicht bekannt ist. Er hat erkennbar keine ‚kirchenleitende‘ Funktion. Da, wo die Gemeinde gegründet und aufgebaut ist, hat der Gesandte keinen Platz mehr. Er muss vielmehr weiter, dahin, wo Jesus noch unbekannt ist.

– Die entstandene und gewachsene Gemeinde wird sich selbst, bzw. der Führung und Leitung des Herrn, Jesus, durch den heiligen Geist und der Begleitung durch die örtlichen Verantwortlichen überlassen.

– Bestehenden Gemeinden, wie der in Rom, begegnet der Gesandte in brüderlicher bzw. partnerschaftlicher Haltung und bittet sie um die gewünschte Zusammenarbeit.

– Auch im genannten Beispiel spricht Paulus in Rom die Gesamtheit der Geschwister an, denen er begegnen und bei denen er sich mit seinem Brief einführen will. Von beiden Seiten ist keine Art von ‚Kirchenleitung‘ im Spiel.

– Paulus sieht seinen Weg von Gott geführt und möchte, dass das auch in Rom so gesehen wird. Der Wille Gottes und die daraus folgende Leitung des heiligen Geistes sind das entscheidende Element.

nicht an Menschen orientieren

Es gibt also keine „Apostel“ mit kirchenleitender Vollmacht. In der neutestamentlichen Gemeinde ist kein Platz für örtliche oder überörtliche autoritäre Führungsstrukturen. Es herrscht eine Atmosphäre des Gehorsams gegen Gott und des gegenseitigen Respekts unter Geschwistern. Die überörtlichen Gesandten des Herrn arbeiten in dienender Haltung mit der Autorität der Vollmacht von Gott. Diese zeigt sich in der Überzeugungskraft ihres Dienstes, nicht in der Berufung auf Titel und Leitungspositionen.

Auch die „Apostel“ sind Brüder und Glieder am Leib des Herrn, der Gemeinde. Gleichwertig und gleichgestellt, mit einer besonderen Gabe und Aufgabe von Gott.

Als die Gemeinde in Korinth begann, sich aufzuspalten durch die Orientierung an menschlichen Führungspersonen wie Paulus, Apollos oder Kephas (Petrus), rügte Paulus das scharf und rückte es zurecht: „Deshalb soll auch niemand auf Menschen stolz sein. Alles gehört doch euch: Sei es Paulus, sei es Apollos, sei es Kefas, sei es Welt, sei es Leben, sei es Tod, sei es Gegenwärtiges, sei es Kommendes, alles gehört euch, ihr aber (gehört) dem Messias, der Messias (gehört) Gott.“ (1. Korinther 3, 21-23).

Orientieren muss man sich also am Messias und an Gott, nicht an Menschen, und mögen es noch so begnadete und vollmächtige göttliche Gesandte sein. Orientierung an Menschen bringt Spaltung, Orientierung an Jesus bringt Einheit.

Petrusbriefe und Judasbrief

Was die zwei Petrusbriefe und den Judasbrief betrifft, habe ich in dem Buch von John A.T. Robinson „Wann entstand das Neue Testament?“ eine interessante Entdeckung gemacht.

Die Petrusbriefe und der Judasbrief stehen in einer eigenartigen Dreiecksbeziehung zueinander. Der erste und der zweite Petrusbrief nennen mit Petrus zwar denselben Absender, sind in Stil und Inhalt aber sehr verschieden. Der zweite Petrusbrief und der Judasbrief haben dagegen verschiedene Absender, sind in Stil und Inhalt aber sehr ähnlich. Sie scheinen irgendwie verwandt zu sein. Die überzeugende Lösung dieses Rätsels, die Robinson vorschlägt, beruht darauf, dass 1. und 2. Petrus in unterschiedliche Situationen hineinsprechen und unterschiedliche Schreiber haben.

Der erste Petrusbrief

Von Paulus her wissen wir schon, dass er seine Briefe in Zusammenarbeit mit Schreibern geschrieben hat. Und auch der Schreiber des ersten Petrusbriefs ist bekannt – 1.Petr. 5,12: „Durch Silvanus, den treuen Bruder, wofür ich ihn halte, habe ich euch in wenigen Worten geschrieben, um zu helfen und zu bezeugen, dass dies wahre Gnade Gottes ist, in der ihr steht.“

Silvanus kennen wir aus dem 1. und 2. Thessalonicherbrief und aus dem 2. Korintherbrief. Er ist der Mitarbeiter von Paulus, der in der Apostelgeschichte „Silas“ heißt. Auch wieder ein Mann mit einem hebräischen und einem lateinischen Namen, vermutlich Jude und zugleich römischer Bürger wie Paulus.

Der erste Petrusbrief geht in eine Situation, in der ein negativer Stimmungsumschwung unter den Heiden gegen die Christen eingetreten war. Es kam nun Druck von außen auch in der Heidenwelt. Dieser zunehmende Druck war wohl ein Vorbote der Verfolgung, die im Jahr 65 unter Kaiser Nero ausbrach.

Der zweite Petrusbrief

Der zweite Petrusbrief geht wie der Judasbrief in eine andere Situation. In ihr wird die Gemeinde durch sich ausbreitende falsche Lehrer von innen her zunehmend bedroht. Genauso wird es auf eine andere Art auch in den Johannesbriefen dargestellt. Diese Situation lag aber zeitlich vor der aufkommenden Verfolgung, und so ist der zweite Petrusbrief eigentlich der erste. Dazu muss man wissen, dass im Neuen Testament die Briefe der jeweiligen Verfasser nicht in zeitlicher Reihenfolge sortiert sind, sondern der Länge nach. Weder bei den Paulus- noch bei den Petrus- und Johannesbriefen stimmt die zeitliche Reichenfolge.

Wenn Petrus nun im „ersten“ seiner Briefe einen Schreiber hatte, warum dann nicht auch im „zweiten“, dem zeitlich ersten? Und wenn der mit dem Judasbrief eng verwandt ist, warum sollte dann nicht Judas der Schreiber sein? Judas hätte dann aufgrund der Dringlichkeit schon einmal unter eigenem Namen ein Schreiben hinausgehen lassen – Vers 3: „Geliebte, in aller Eile tue ich es und schreibe euch über unsere gemeinsame Rettung, weil ich die Notwendigkeit habe, euch mit Schreiben aufzufordern, dass ihr kämpft für den Glauben, der den Heiligen ein- für allemal übergebenen worden ist.“

Unter der Anleitung und dem Namen von Petrus hätte er dann als dessen Schreiber eine überarbeitete und erweiterte Fassung seines Briefs erstellt. Damit würde dann auch auf diese Aussage ein anderes Licht fallen – 2.Petr.3,1+2: „Geliebte, ich schreibe euch schon diesen zweiten meiner Briefe, in denen ich durch Erinnern euer reines Bestreben aufwecke, dass ihr an die Worte denkt, die von den heiligen Propheten zuvor gesagt worden sind, und an das Gebot eurer Gesandten, das des Herrn und Retters!“ Der erste Brief vor diesem „zweiten“ wäre dann in dem Fall der Judasbrief.

Man muss diese Theorie natürlich nicht glauben, aber sie ist die beste, wie man die an den drei Briefen beobachteten eigenartigen Sachverhalte erklären kann.

Matthäus

Das Evangelium nach Matthäus hat ein paar Eigenheiten, die sich von den anderen Evangelien abheben:

Wenn man die Stücke vergleicht, die Matthäus mit Markus und Lukas gemeinsam hat, dann sind sie bei Matthäus in der Regel am kürzesten. Man könnte also sagen, er liebt es eher kurz und bündig.

Die Lehre von Jesus hat er konzentriert in fünf großen Reden von Jesus zusammengestellt:

Grundsatzrede auf dem Berg (Mt. 5-7)

Aussendungsrede (Mt. 10)

Reich-Gottes-Vergleiche (Mt. 13)

Gemeinderegeln (Mt. 18)

Endzeitrede (Mt. 24-25)

Matthäus ist es wichtig, den Bezug zum Alten Testament herzustellen. Die Formulierung; „Damit wurde erfüllt, was (z. B. der Prophet Jesaja) gesagt hatte“ leitet bei ihm häufig ein Zitat aus dem AT ein.

Und er sagt statt „Königreich Gottes“ lieber „Königreich der Himmel“. Damit schließt er sich der jüdischen Sitte an, die Erwähnung des heiligen Gottes zu vermeiden und lieber zu umschreiben.

Aus diesem Wertlegen auf die Erfüllung des AT und der jüdischen Umschreibung Gottes darf man schließen, dass Matthäus sein Evangelium mit Blick auf Gemeinden mit jüdischem Ursprung geschrieben hat, wie es im Land Israel viele gab.

Levi Matthäus

Sich selbst stellt er nebenbei in Mt. 9,9 vor: „Und als Jesus von dort weiterging, sah er einen Menschen am Zoll sitzen – der Matthäus genannt wird – und er sagte ihm: „Folge mir!“ Und der stand auf und folgte ihm.“ In den Parallelstellen bei Markus und Lukas heißt dieser Zöllner „Levi“ bzw. „Levi, der Sohn von Alfäus“. Das war wohl sein ursprünglicher Name, aber er legt offensichtlich Wert auf seinen Beinamen „Matthäus“.

Es gibt eine bekannte Parallele dazu: Simon der Sohn von Johannes, – der Petrus genannt wird -. Den neuen Namen „Petrus“ hat Jesus dem Simon gegeben. Wahrscheinlich hat Jesus so auch dem Levi einen neuen Namen gegeben. Alle Aufzählungen der zwölf Jünger im Neuen Testament nennen ihn dann immer nur noch mit diesem Namen „Matthäus“.

Der Name ist hebräisch und heißt ursprünglich „Mattatjahu“. Man kürzte ihn dann ab, zunächst zu „Mattitja“ und später zu „Mattai“. Der Grieche hängte noch seine Endung dran und sagte „Matthaios“. Zu uns kam er dann über die lateinische Bibel als „Matthäus“.

Der Name bedeutet „Geschenk des HERRN“. Wie treffend für einen Zöllner, den die damaligen Frommen als einen Ausgestoßenen betrachteten, der in der Nachfolge von Jesus ein neues Leben, einen neuen Namen, eine neue Identität bekam!