Entdeckungen eines Bibelübersetzers

Schlagwort: Kierkegaard

Sentenzen von Kierkegaard

Es gibt in Sören Kierkegaards Schriften immer wieder einzelne Sätze, in denen er eine wichtige Wahrheit zusammenfasst. Eine Sammlung solcher Sentenzen habe ich hier begonnen:

„Viel Sonderbares, viel Beklagenswertes, viel Empörendes ist schon vom Christentum gesagt worden; aber das Dümmste, was man je gesagt hat, ist, es sei bis zu einem gewissen Grade wahr.“

„Gott wird dadurch beleidigt, dass er einen Anhang bekommt, einen Zwischenrang und Stab von klugen Köpfen, und die Menschheit dadurch verletzt, dass nicht alle Menschen ein gleiches Verhältnis zu Gott haben.“

„Es wird so viel gesprochen vom Leben-Vergeuden: aber nur das Leben des Menschen wäre als vergeudet anzusehen, der, von den Freuden des Lebens oder von dessen Sorgen betrogen, so dahinlebte, dass er sich niemals für ewig entscheidend als Geist, als Selbst bewusst würde und im tiefsten Sinn das Erleben hätte, dass ein Gott existiert, und er, er selbst für diesen Gott existiert.“

„Als Kind hörte ich immer, im Himmel sei große Freude, lauter Freude; ich glaubte das auch und dachte mir Gott selig in lauter Freude. Ach, je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr komme ich dazu, mir Gott in Trauer sitzend vorzustellen, ihn, der von allen am besten weiß, was Trauer ist.“

„Was ist das Höchste? Nun, wir wollen das Höchste nicht um seinen Preis betrügen, wir verhehlen nicht, dass es selten erreicht wurde in der Welt; denn das Höchste ist: dass ein Mensch völlig überzeugt werde, dass er gar nichts vermag, nichts.“

„Du ernster, strenger Mann, denke daran: Wenn du dich nicht demütigen kannst, so hast du keinen Ernst.“

„In Wahrheit ist es das traurigste Missverständnis, wenn ein Mensch in dem Eifer, andere auszuschließen, so sicher wird, dass er nicht einmal davon träumt, selbst ausgeschlossen zu sein.“

„Der Staat verhält sich direkt zur Zahl; wenn daher ein Staat sich vermindert, kann die Zahl allmählich so klein werden, dass der Staat aufhört. Das Christentum verhält sich anders zur Zahl; ein einziger wahrer Christ genügt, um die Existenz des Christentums darzutun.“

„Ich habe es für unwürdig angesehen, wenn ich mich mehr vor Menschen und ihrem Urteil als vor Gott und seinem Urteil schämen würde; für feig und niedrig, nach dem zu fragen, wozu mich die Scham vor Menschen verleiten könnte, mehr als nach dem, was die Scham vor Gott befiehlt.“

„Alles, was ein Mensch in der Welt ausrichtet, selbst das Erstaunlichste, ist dennoch bedenklich, wenn er sich selbst bei seiner Wahl nicht ethisch klar gewesen ist und sich seine Wahl nicht ethisch klargemacht hat.“

„Das Christentum will dem einzelnen eine ewige Seligkeit schenken, ein Gut, das nicht in größeren Portionen ausgeteilt wird, sondern jedesmal nur einem.“

Das Gebot des Königs

Ein Vergleich von Sören Kierkegaard

Das Gebot des Königs als Vergleich habe in seinem Buch „Zur Selbstprüfung der Gegenwart anbefohlen“ gefunden. Es steht unter der Überschrift „Was erforderlich ist, um sich mit wahrem Segen im Spiegel des Wortes zu betrachten“:

Denke dir ein Land. Es ergeht im Namen des Königs ein Gebot an alle Beamten und Untertanen, kurz an die ganze Bevölkerung.

Was geschieht? Mit allen geht eine merkwürdige Veränderung vor: Alles verwandelt sich in Erklärer. Die Beamten werden Schriftsteller. Jeder Tag bringt eine neue Erklärung, die immer gelehrter, scharfsinniger, geschmackvoller, tiefsinniger, geistvoller, wunderbarer, lieblicher und wunderbar lieblicher ist als die vorige. Die kritische Umschau kann diese ungeheure Literatur kaum bewältigen. Ja die Kritik selbst wird eine so weitläufige Literatur, dass man auch sie nicht übersehen kann. – Aber niemand las das Gebot des Königs so, dass er danach getan hätte.

Und nicht genug damit, dass alles Erklärung wurde. Nein, man verrückte zugleich den Gesichtspunkt für das, was Ernst ist. Und man machte die Beschäftigung mit der Erklärung zum eigentlichen Gegenstand des Ernstes.

Denke dir, dieser König sei nicht ein menschlicher König.

– Auch ein solcher würde ja gewiss verstehen, dass man mit dieser Verkehrung der Sache ihn eigentlich zum Narren habe: Aber ein menschlicher König ist abhängig, besonders von der Gesamtheit seiner Beamten und Untertanen. Und so müsste er wohl gute Miene zum bösen Spiel machen, tun, als wäre das in seiner Ordnung, den geschmackvollsten Erklärer zur Belohnung in den Adelsstand erheben und den tiefsinnigsten durch einen Orden auszeichnen usf.

Aber denke dir also, dieser König sein ein allmächtiger, den es nicht in Verlegenheit brächte, auch wenn sämtliche Beamten und Untertanen so ein falsches Spiel mit ihm trieben. Was meinst du, würde dieser allmächtige König dazu denken? Gewiss würde er sagen: Dass sie dem Gebot nicht nachkommen, könnte ich noch verzeihen. Dass sie mich in einer Bittschrift um Nachsicht oder vielleicht um völlige Verschonung mit diesem für sie zu schweren Gebot angingen, könnte ich ihnen auch noch verzeihen. Nicht verzeihen kann ich aber, dass man sogar den Gesichtspunkt für das, was Ernst ist, verrückt.

Und nun Gottes Wort!

„Mein Haus ist ein Bethaus, ihr aber habt eine Mördergrube daraus gemacht.“ Und Gottes Wort, was ist dies nach seiner Bestimmung, und was haben wir daraus gemacht? All dies Erklären und Erklären, diese Wissenschaft und neue Wissenschaft betreibt man unter dem feierlichen, ernsthaften Schein, dass man durch sie Gottes Wort recht verstehen wolle. Siehst du jedoch näher zu, so findest du, dass man sich damit nur gegen Gottes Wort wehren will. …

Es ist menschlich, dass einer Gott um Geduld bittet, wenn er nicht sofort kann, was er soll, dass er aber doch einen ehrlichen Versuch verspricht. Es ist menschlich, dass einer Gott um Mitleid bittet, weil ihm die Forderung zu hoch ist. – Will sonst niemand das von sich gestehen, gestehe ich’s von mir.

Aber es ist doch nicht menschlich, dass man der Sache eine ganz andere Wendung gibt: Dass ich listig Erklärung und Wissenschaft und wieder Wissenschaft, eine Schicht auf die andere einschiebe. (Wie etwa ein Knabe sich ein Polster unter seine Hosen macht, wenn Prügel auf ihn warten.) Dass ich das alles zwischen das Wort und mich einschiebe und dann diese Erklärung und Wissenschaftlichkeit Ernst und Wahrheitseifer nenne. Und dass ich diese Beschäftigung zu einer solchen Weitläufigkeit aufbausche, dass ich nie einen Eindruck von Gottes Wort gewonnen habe, nie mich selbst im Spiegel betrachte.

Es sieht aus, als brächte all dieses Forschen und Sinnen, Suchen und Ergründen mir Gottes Wort ganz nahe. Die Wahrheit ist aber, dass ich eben dadurch auf die listigste Weise Gottes Wort mir möglichst ferne rücke. Unendlich ferner, als es dem ist, der es nie sah. Unendlich ferner, als es dem ist, der es aus Angst und Scheu davor soweit als möglich von sich warf.

Dass man jahraus jahrein, Tag für Tag ruhig dasitzen und – den Spiegel betrachten kann: Das bedeutet einen noch größeren Abstand von der Forderung, sich im Spiegel zu betrachten, als dass man nie den Spiegel sieht.