Entdeckungen eines Bibelübersetzers

Schlagwort: Christus

Papst

„Papst“ als Bezeichnung kommt vom italienischen „Papa“, was bekanntermaßen „Vater“ heißt. Und so wird der (jeweilige) Papst auch als „Heiliger Vater“ bezeichnet und angeredet. Eigenartig ist, dass diese Anrede auch von Protestanten und anderen Andersgläubigen praktiziert wird, die der päpstlichen „Vaterschaft“ gar nicht unterstehen.

Jedenfalls hat schon Jesus selbst das Führen eines solchen Titels grundsätzlich verboten. „Und ‚Vater‘ soll niemand von euch sich nennen lassen auf der Erde! Einer ist nämlich euer Vater, der himmlische.“ (Mt 23,9). Selbstverständlich spricht Jesus hier nicht von den natürlichen Kindesvätern, sondern von dem davon abgeleiteten religiösen Titel, der schon damals den theologischen Autoritäten beigemessen wurde. Unter seinen Jüngern soll es keinerlei Vater-Kind-Verhältnis geben! Selbstverständlich gilt dieses Verbot nicht allein für den Papst/Papa-Titel, sondern für alle, die sich als „Pater“ bzw. „Vater“ bezeichnen und anreden lassen.

Wenn für die Jünger von Jesus also ausschließlich Gott selbst der Vater ist, dann setzt man einen Menschen, wenn man ihm diesen Titel zuerkennt, an eine Stelle, die allein Gott zusteht. Insofern ist etwas dran, wenn man den Papst landläufig als den „Stellvertreter Gottes“ bezeichnet, auch wenn das kein offizieller Titel von ihm ist. Jedenfalls ist es, wenn man das tut, im harmlosen Fall korrigierbare Unkenntnis, im schwerwiegenden Fall aber Blasphemie, d. h. Gotteslästerung.

Der offizielle Titel des Papstes ist aber „vicarius christi“, das heißt „Stellvertreter des Christus“ bzw. des Messias. Diese Bezeichung kommt aus der Kirchentradition, die besagt, Jesus habe Petrus zu seinem Nachfolger als Leiter der Jüngergemeinde gemacht. Petrus sei dann der erste Bischof von Rom geworden, und so seien auch seine Nachfolger auf dem Stuhl des Bischofs von Rom weiterhin jeweils die Stellvertreter des Christus und Leiter der Kirche auf Erden.

(Der andere Papsttitel „pontifex maximus“ – „wichtigster Brückenbauer“ zwischen Mensch und Gott – war übigens ursprünglich der Titel des obersten Jupiter-Priesters in Rom. Der Titel ist dann vom heidnischen Priester auf die „göttlichen“ Kaiser übergegangen, und später von dort auf die Päpste. Auch dieser Titel ist eine Lästerung gegenüber dem einzig wahren Brückenbauer zwischen Gott und Mensch, Jesus, den Gott selbst dazu bestimmt hat.)

Gegenüber menschlichen Leitungsansprüchen ist zu sagen, dass Jesus jegliche Leiterschaft innerhalb seiner Jüngergemeinde abgelehnt hat. „Ihr sollt euch auch nicht ‚Leiter‘ nennen lassen! Denn euer Leiter ist einer, der Messias.“ (Mt 23,10). Und tatsächlich leitet Jesus nach dem Zeugnis des Neuen Testaments auch nach seiner Auferstehung selbst seine Gemeinde. Er ist ihr Haupt. „Und er ist das Haupt des Leibes, der Gemeinde, er ist Anfang, Erstgeborener aus den Toten, damit er in allem der Erste sei.“ (Ko 1,18). Dass neben diesem Haupt noch andere „Häupter“ oder gar „Oberhäupter“ Platz hätten, ist nicht vorstellbar.

Die Art und Weise, in der Jesus seine Gemeinde leitet, ist der Heilige Geist, den er seiner Gemeinde gegeben hat. Sein Reden und Wirken durch die Gaben des Geistes ist die bestimmende Größe in der Gemeinde. Das „Hüten“ bzw. „Weiden“, mit dem Jesus Petrus tatsächlich beauftragt hat, ist demnach keine Leitungs- sondern eine Fürsorgefunktion. Diese Fürsorgepflicht ist in der Gemeinde dann aber an alle Älteren bzw. Verantwortlichen übergegangen (z. B. 1 Pe 5,2).

Wenn ein Mensch also die Gemeinde Gottes „leiten“ will, dann muss er sich notwendigerweise an die Stelle des Heiligen Geistes bzw. des Messias setzen. Für Menschen, die sich an die Stelle des Messias bzw. des Christus setzen, hat das Neue Testament aber eine klare Bezeichnung: Antichrist. Das gilt nicht nur für den Papst, sondern für jede Art Päpstlichkeit, mit der Menschen sich anmaßen, die Söhne und Töchter Gottes „leiten“ zu wollen …

Menschenfischerei

(Menschenfischerei – eine Satire von Sören Kierkegaard aus seiner Zeitschrift „Der Augenblick“, Ausgabe vom 30. August 1855)

Es sind Christi eigene Worte: „Folget mir nach, so will ich euch zu Menschenfischern machen.“ Mt 4,19.

So gingen die Apostel hin.

„Doch was sollte es mit den paar Menschen wohl werden, die zudem Christi Wort dahin verstanden, dass sie geopfert werden sollten, damit Menschen gewonnen würden? Es ist leicht zu sehen: Wäre es dabei geblieben, so wäre bei der Sache nichts herausgekommen. Das war zwar Gottes Gedanke, vielleicht ein schöner Gedanke. Aber – ja, so viel muss doch jeder praktische Mann zugestehen – Gott ist nicht praktisch. Oder lässt sich etwas Verkehrteres denken als diese Art Fischerei, wobei das Fischen bedeutet, ein Opfer zu werden, so dass hier also nicht der Fischer die Fische verspeist, sondern die Fische den Fischer? Und das soll fischen heißen? Das erinnert ja an Hamlets wahnwitzige Bemerkung über Polonius, er sei beim Gastmahl, allein nicht um zu speisen, sondern um verspeist zu werden?“

Da nahm sich der Mensch der Sache Gottes an:

„Menschenfischerei! Was Christus darunter verstand, ist etwas ganz anderes, als was diese guten Apostel, allem Sprachgebrauch und aller Sprachanlogie zuwider, vollbrachten. Denn in keiner Sprache heißt das ‚fischen‘. Was er meinte und bezweckte, ist einfach die Eröffnung einer neuen Erwerbsquelle: der Menschenfischerei. D. h. dass man das Christentum so verkündige, dass es wirklich etwas zu fischen gibt.“

Nun pass auf, nun sollst du sehen, dass etwas daraus wird!

Ja, meiner Treu, es wurde etwas daraus: „die bestehende Christenheit“ mit Millionen, Millionen, Millionen von Christen.

Das Kunststück war ganz einfach. So, wie sich eine Kompanie bildet, die in Heringsfischeri spekuliert, eine andere, die in Kabeljau- oder Walfischfang usw. spekuliert: so betrieb die Menschenfischerei nun auch eine Aktiengesellschaft, die so und so viele Dividenden garantierte.

Und was kam dabei heraus? O, wenn du es nicht schon getan hast, so bewundere doch bei diesem Anlass, was Menschen können! Der Erfolg war derart, dass eine ungeheure Menge Heringe, ich wollte sagen, Christen, gewonnen wurde und die Kompanie sich somit natürlich brilliant stellte. Ja, es zeigte sich, dass die bestsituierte Heringskompanie sich nicht entfernt so herrlich rentierte wie die Menschenfischerei. Und noch eins, ein Profit weiter, oder doch eine pikante Würze als Zugabe: dass sich nämlich keine Heringskompanie auf ein Schriftwort berufen darf, wenn sie die Schiffe zum Fang aussendet.

Die Menschenfischerei ist aber ein gottseliges Unternehmen. Die Herren Interessenten in der Kompanie dürfen sich darauf berufen, dass sie das Wort der Schrift für sich haben. Denn Christus sagt ja selbst. „Ich will euch zu Menschenfischern machen.“ Getrost gehen sie dem Gericht entgegen: „Wir haben dein Wort befolgt, wir haben Menschen gefischt.“

Lobrede auf das Menschengeschlecht

Lobrede auf das Menschengeschlecht

oder

Beweis, dass das Neue Testament nicht mehr Wahrheit sei

(Ein Artikel von Sören Kierkegaard aus seiner Zeitschrift „Der Augenblick“, Ausgabe vom 4. Juni 1855.)

Im Neuen Testament stellt der Heiland der Welt, unser Herr Jesus Christus, die Sache so dar. „Die Pforte ist eng und der Weg ist schmal, der zum Leben führt; und wenig ist derer, die ihn finden.“

… nun aber sind, um bloß bei Dänemark zu bleiben, wir alle Christen. Der Weg ist so breit als überhaupt möglich, am allerbreitesten in Dänemark, da es der Weg ist, auf dem wir alle gehen. Dabei ist er in jeder Beziehung bequem und die Pforte so weit als nur möglich. (Weiter kann doch eine Pforte nicht sein, als dass alle en masse durch sie gehen können.) –

Ergo ist das Neue Testament nicht mehr Wahrheit.

Ehre sei dem Menschengeschlecht! Du, o Heiland der Welt, du hast doch eine zu geringe Vorstellung von dem Menschengeschlecht gehabt. Denn du hast die Erhabenheit nicht vorausgesehen, die es in seiner Perfekibilität durch stetig fortgesetztes Streben erreichen kann!

In dem Grade ist also das Neue Testament nicht mehr Wahrheit. Der Weg ist so breit als möglich, die Pforte so weit als möglich, und wir alle sind Christen. Ja ich wage noch einen Schritt weiterzugehen – denn die Sache begeistert mich. Es handelt sich ja um eine Lobrede auf das Menschengeschlecht. Ich wage zu behaupten, dass die Juden unter uns im Durchschnitt bis zu einem gewissen Grad Christen sind. Christen so gut wie wir anderen alle. In dem Grad sind wir alle Christen, in dem Grad ist das Neue Testament nicht mehr Wahrheit.

Wir wollen der Verherrlichung des Menschengeschlechts gewiss nicht mit Aufstellung unwahrer Behauptungen dienen. Wir müssen aber doch darüber wachen, dass uns nichts, nichts entgeht, das seine Erhabenheit beweist oder andeutet. Ich wage daher noch einen Schritt weiterzugehen. Da mir aber die nötigen Kenntnisse fehlen, um in der Sache eine bestimmte Meinung zu haben, so wage ich bloß eine Vermutung auszusprechen. Das Endurteil überlasse ich den Sachverständigen, den Leuten vom Fach:

Zeigen sich nicht auch bei den Haustieren, wenigstens bei den edleren, bei Pferden, Hunden, Kühen, Zeichen des Christentums? Das ist gar nicht unwahrscheinlich. Man bedenke nur, was das heißen will, in einem christlichen Staat zu leben, in einem christlichen Volk, wo alles christlich ist und alle Christen sind, wo man immer und überall nichts anderes sieht als Christen und Christentum, Wahrheit und Wahrheitszeugen? Es ist gar nicht unwahrscheinlich, dass dies auf die edleren Haustiere einen Einfluss ausübt, und dass die steigende Veredelung (was nach Meinung der Zoologen und der Pfarrer stets das Wichtigste ist) sich auf die Nachkommenschaft vererbt.

Jakobs List ist ja bekannt. Um gesprenkelte Lämmer zu bekommen, legte er gesprenkelte Stäbe in die Wasserrinne, so dass die Mutterschafe nichts als Gesprenkeltes sahen und darauf gesprenkelte Lämmer zur Welt brachten. Es ist gar nicht unwahrscheinlich – doch will ich, da ich nicht Fachmann bin, darüber keine bestimmte Meinung haben und würde die Entscheidung am liebsten einem aus Theologen und Zoologen zusammengesetzten Komitee überlassen – es ist gar nicht unwahrscheinlich, dass die Haustiere in der „Christenheit“ schließlich eine christliche Nachkommenschaft zur Welt bringen. Mir schwindelt fast bei diesem Gedanken. Dann aber wird – zur Ehre des Menschengeschlechts – das Neue Testament nach dem größtmöglichen Maßstab nicht mehr Wahrheit sein.

Du, o Heiland der Welt, als du bekümmert fragtest: „Wann ich wiederkomme, werde ich dann wohl auch Glauben finden auf Erden“? – und als du dein Haupt im Tode neigtest, da dachtest du wohl kaum daran, dass deine Erwartungen in einem solchen Grade übertroffen werden sollten; dass das Menschengeschlecht auf eine so schöne und rührende Weise das Neue Testament zur Unwahrheit machen und fast deine Bedeutung in Frage stellen würde. Denn sollten so rare Wesen wirklich eines Erlösers bedürfen oder je eines solchen bedurft haben?

Drei Formen von Ärgernis

(Drei Formen von Ärgernis – ein Abschnitt aus dem Buch „Die Krankheit zum Tode“ von Sören Kierkegaard. Erschienen am 30. Juli 1849)

Die niedrigste der drei Formen von Ärgernis, die – menschlich gesprochen – unschuldigste, ist diejenige, das Ganze mit Christus unentschieden zu lassen und so zu urteilen: Ich erlaube mir nicht, darüber zu urteilen; ich glaube nicht, aber ich verurteile nichts. Dass dies eine Form des Ärgernisses ist, entgeht den meisten. Die Sache ist, man hat das christliche „Du sollst“ rein vergessen. Daher kommt es, dass man nicht sieht, dass es Ärgernis ist, Christus in die Indifferenz zu stellen. Dass das Christentum dir verkündet ist, bedeutet: du sollst eine Meinung über Christus haben. Er selber oder dies, dass er ist und dass er dagewesen ist, ist die Entscheidung des ganzen Daseins. Ist Christus dir verkündet, so ist es Ärgernis, zu sagen: Ich will darüber keine Meinung haben.

Doch muss dies mit einer gewissen Einschränkung verstanden werden in diesen Zeiten, wo Christus so mittelmäßig verkündet wird, wie es geschieht. Es leben freilich viele Tausende, die das Christentum verkünden hörten und dabei niemals etwas von diesem „Du sollst“ gehört haben. Aber der, der es gehört hat und dann sagt: ich will keine Meinung darüber haben, der nimmt Ärgernis. Er leugnet nämlich Christi Gottheit, dass sie das Recht hat, von einem Menschen zu fordern, er solle eine Meinung haben.

Es hilft nicht, dass ein solcher Mensch sagt: „Ich sage ja nichts aus, weder ja noch nein, über Christus“. Denn dann fragt man ihn bloß: Hast du denn überhaupt keine Meinung darüber, wieweit du über ihn eine Meinung haben sollst oder nicht? Antwortet er darauf: Ja, dann fängt er sich selbst. Und antwortet er: Nein, so urteilt das Christentum dennoch, dass er eine Meinung darüber haben solle und also wiederum über Christus, dass kein Mensch so vermessen sein solle, Christi Leben wie eine Kuriosität dastehen zu lassen.

Wenn Gott sich gebären lässt und Mensch wird, so ist dies kein sinnloser Einfall. Es ist nichts, worauf er kommt, um sich doch etwas vorzunehmen, vielleicht um der Langeweile ein Ende zu machen, die, wie man frech gesagt hat, mit dem Gottsein verbunden sein soll. Dies geschieht nicht, um Abenteuer zu erleben. Nein, Gott tut es, und so ist dieses Faktum der Ernst des Daseins. Und dies ist wiederum der Ernst in diesem Ernst: dass jeder darüber eine Meinung haben soll.

Wenn ein König eine Provinzstadt besucht, sieht er es als eine Beleidigung an, wenn ein Beamter – falls er nicht gesetzliche Gründe hat – es unterlässt, ihm seine Aufwartung zu machen. Was aber würde er sagen, wenn einer das ganze Faktum ignorieren würde, dass der König in der Stadt wäre? Wenn er den Privatmann spielen würde, der in dieser Hinsicht „auf seine Majestät und das Königsrecht pfeift“? Und so auch, wenn es Gott gefällt, Mensch zu werden – und es dann einem Menschen gefällt (und was der Beamte für den König ist, das ist jeder Mensch fürGott) darüber zu sagen: Ja, das ist etwas, worüber ich keine Meinung zu haben wünsche. So spricht man vornehm über das, was man im Grunde übersieht: also übersieht man vornehm Gott.

Die nächste der drei Formen von Ärgernis ist die negative, aber leidende. Sie fühlt wohl, dass sie es nicht vermag, Christus zu ignorieren, die Sache mit Christus dahingestellt sein zu lassen und dann im übrigen Leben viel zu tun zu haben. Dazu ist sie nicht imstande. Aber glauben kann sie auch nicht. Sie fährt fort, auf ein und denselben Punkt hinzustarren, auf das Paradox (Christus zugleich als Gott und einzelner Mensch). Insofern ehrt sie doch das Christentum, sie drückt aus, dass diese Frage: Was dünkt dich um Christus? wirklich das Entscheidende ist. Jemand, der so im Ärgernis lebt, lebt dann wie ein Schatten dahin. Sein Leben wird verzehrt, weil er in seinem Innersten immer mit dieser Entscheidung beschäftigt ist. Und so drückt er aus (wie das Leiden der unglücklichen Liebe im Verhältnis zur Liebe), welche Realität das Christentum hat.

Die letzte der drei Formen von Ärgernis ist die positive. Sie erklärt das Christentum für Unwahrheit und Lüge. Sie leugnet Christus (dass er dagewesen sei und dass er der ist, der zu sein er sagte) entwedet doketisch oder rationalistisch. So wird Christus entweder nicht wirklich ein einzelner Mensch, sondern nur scheinbar (doketisch). Oder er wird nur ein einzelner Mensch (rationalistisch). Christus wird entweder doketisch Poesie und Mythologie, die nicht Anspruch auf Wirklichkeit hat. Oder er wird rationalistisch eine Wirklichkeit, die nicht Anspruch erhebt, göttlich zu sein. In diesem Verneinen von Christus als Paradox liegt natürlich die Leugnung alles Christlichen: der Sünde, der Vergebung der Sünden usw.

Diese Form von Ärgernis ist Sünde wider den heiligen Geist. Wie die Juden von Christus sagten, er treibe die Teufel mit Hilfe des Teufels aus, so macht dieses Ärgernis Christus zu einer Erfindung des Teufels.

Christus oder Messias

Christus oder Messias, das ist eine Übersetzungsfrage. „Christós“ ist die griechische Übersetzung des hebräischen Wortes „maschíach“. Von christós ist über die lateinische Kirchensprache das Wort „Christus“ ins Deutsche gekommen. Von maschíach stammt aber ebenfalls ein Begriff im Deutschen, nämlich „Messias“. Beides heißt übersetzt auf Deutsch „gesalbter“. Sinngemäß ist dazu das Wort „König“ zu ergänzen: „gesalbter König“.

Durch eine Salbung mit Olivenöl wurde in Israel der König eingesetzt, und so wurde das Wort auch zur Bezeichnung des von Gott versprochenen endgültigen Retters und Königs.

Das in den üblichen Bibelübersetzungen Gewohnte ist zunächst einmal „Christus“. Aber daran hatte ich schon lange meine Zweifel. In meinem Werdegang komme ich aus dem kirchlichen Heidenchristentum, das neutestamentlich gesehen überhaupt kein Christentum ist. Von dort her ist mir die Bezeichnung „Christus“ im Grunde unmöglich geworden. Sie ist dort zu einem nichtssagenden Beinamen geworden, zu einer Floskel, die im Munde geführt wird, ohne die eigentliche Bedeutung zu bedenken oder gar zu kennen. Wenn z. B. einer der Kirchenfunktionäre von „Jesus Christus“ spricht, dann hat niemand den Eindruck, dass er vom Herrn der Welt spricht, von Gottes gesalbtem König, dem er unbedingten Gehorsam schuldig wäre. Eine ähnliche Entwicklung hat übrigens auch der Begriff „Evangelium“ genommen.

Die Frage, ob ich Christus oder Messias übersetze, ist damit beantwortet. Für Israel und die Welt bekennt das Neue Testament: „Jesus ist der Messias!“ – Einen anderen gibt es nicht. Diese Bezeichnung ist nicht nur gegenüber Juden ein Zeugnis, sie ist auch im weltlichen Sprachgebrauch präsent. Und es ist mir ja wichtig, in meiner Übersetzung möglichst Begriffe zu verwenden, die auch in der säkularen Sprache verständlich sind.

Und hier hat „Messias“ eine interessante Bedeutung. Als zum Beispiel Obama damals in den USA zum Präsidenten gewählt wurde, hieß es in den Medien angesichts der großen Begeisterung, er würde aber doch wohl auch kein Messias sein. Oder umgekehrt, als Bolsonaro in Brasilien die Wahl zum Präsidenten gewann, haben ihn manche („christliche“!) Kreise zum Messias ernannt, was ihm selber auch sehr gut gefallen hat. So weit ich sehe, kann sich die Welt also unter „Messias“ irgendwie etwas Richtiges vorstellen, eine Art Heilsbringer. Das ist weit mehr, als sie sich unter dem Beinamen „Christus“ vorstellt.

Und Jesus ist in der Tat nicht nur der Messias Israels, sondern der ganzen Welt. Das ist ja das grundlegende Ärgernis für die Juden, dass unser Messias Jesus eigentlich ihr Messias sein soll. Und umgekehrt ist es das Ärgernis für die Welt, dass Gott von ihr verlangt, Jesus, den jüdischen Messias, als ihren Messias anzuerkennen. Doch die Zumutungen, die Gott selbst den Menschen macht, darf man auf keinen Fall abschwächen.

Deshalb habe ich also „Messias“ übersetzt. In diesem Begriff habe ich die verständlichste und prägnanteste Möglichkeit der Übersetzung gefunden. So prägnant, dass ich es auch zum Titel meiner Übersetzung des Neuen Testaments gemacht habe: „Jesus der Messias„. Im ganzen Buch geht es nur um ihn.

(Dieser Artikel ist eine Zusammenfassung der früheren Beiträge „Christus“ und „Warum ich Messias übersetze“.)

Der Messias

Der Messias ist der von Gott eingesetzte König und Herrscher. Das hebräische Wort heißt „Maschíach“. Wenn der Grieche das auszusprechen oder zu schreiben versucht, wird es zu „Messias“. Ins Griechische übersetzt heißt es „christós“, was die Lateiner dann mit „Christus“ als Fremdwort übernommen haben. Auf Deutsch heißt es „Gesalbter“. Es ist eigentlich ein Adjektiv, zu dem man sinngemäß das Substantiv „König“ ergänzen muss: „gesalbter König“.

Wir erinnern uns, wie schon der Prophet Samuel zuerst Saul und später David zum König salbte. Diese Salbung geschah mit Öl, wobei „Öl“ in der Bibel immer Olivenöl ist. „Salbung“ ist eigentlich eine verharmlosende Übersetzung, denn man schüttete das Öl auf den Kopf, und es lief überall runter.

Das Öl hat die symbolische Bedeutung des Heiligen Geistes. Die Salbung bedeutet die Verleihung des Heiligen Geistes, den der im Auftrag Gottes Gesalbte zur Ausübung seiner Aufgabe braucht. Die Salbung war das Zentrum des Rituals bei der Einsetzung des Königs in Israel. Und der König war der (von Gott) „Gesalbte“ bzw. der „Messias“.

Wir lesen es in Psalm 2, Vers 2: „Die Könige der Erde haben sich aufgestellt, die Obersten haben sich versammelt gegen den Herrn und gegen seinen Messias.“ In dem Psalm geht es um den Tag der Einsetzung des neuen Königs. Gegen ihn erhebt sich in der Nachbarschaft Israels offensichtlich von Anfang an bittere Feindschaft. Aber wenn es Gottes König ist, dann geht diese Feindschaft nicht nur gegen den König. Sie geht auch gegen Gott, der ihn eingesetzt hat. Die Einsetzungsworte sind, Vers 7: „Mein Sohn bist du heute, ich habe dich geboren, bitte von mir!“

Zu Zeiten des Neuen Testaments wartete man in Israel dringend auf den Messias. Das lag daran, dass die von Gott eingesetzte Königslinie der Nachkommen Davids schon ein paar Jahrhunderte nicht mehr an der Regierung war. Alles andere, was man als „König“ erlebte, wie zum Beispiel Herodes, entsprach nicht dem, was man von einem König erwartete, der das Königreich Israel als „Königreich Gottes“ wieder aufrichten sollte.

Kein Wunder, dass die Leute wie elektrisiert waren, als Johannes der Täufer mit der Botschaft auftrat: „Das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen!“ Wenn das Reich Gottes nahe ist, dann ist auch der Messias nahe. Nachdem Johannes zuerst abstreiten musste, selbst der Messias zu sein, kam dann Jesus zu ihm an den Jordan. Er, der die Taufe zur Sündenvergebung nicht nötig gehabt hätte, ging trotzdem ins Wasser. Wo andere die Sünden abgaben, nahm er sie auf sich und wurde zum „Lamm Gottes, das die Sünde der Welt trägt“. So sagte es Johannes dann über ihn aus.

Als Jesus im Wasser wieder aufstand, kam der heilige Geist vom Himmel herab auf ihn. Diese Geschichte war mir lange Zeit wohlbekannt, bis ich endlich die eigentliche Bedeutung begriff: dass hier der Messias gesalbt wurde. Nicht mit Öl, dem Symbol, wurde er gesalbt, sondern mit dem Original, dem Heiligen Geist. Und nicht von einem Propheten oder Priester wurde er gesalbt, sondern von Gott selbst, direkt aus dem Himmel herab. Dann wundert einen auch die Stimme nicht mehr, die aus dem Himmel kam: „Du bist mein Sohn, der Geliebte, an dem ich Gefallen habe.“

Ab hier ist Jesus im eigentlichen Sinne der Messias. Er hat nach einer Zeit des Fastens dann seinen Dienst angetreten, um das Werk Gottes auszuführen, das bis heute noch nicht zu Ende ist. Erst mit der Ausrüstung des Heiligen Geistes hat Jesus die Zeichen und Wunder getan, die die Bestätigung seines Auftrags von Gott waren.

Johannes der Täufer, der es miterlebte, hat es hinterher als Zeuge bestätigt – Joh 1, 32-34: Johannes sagte als Zeuge aus: „Ich habe gesehen, dass der Geist wie eine Taube aus dem Himmel herabkam und auf ihm blieb. Ich kannte ihn nicht, aber der, der mich gesandt hat, Menschen ins Wasser zu tauchen, der hatte mir gesagt: ‚Auf wen du den Geist herabkommen und auf ihm bleiben siehst, der ist es, der Menschen in Heiligen Geist taucht.‘ Und ich habe es gesehen und sage als Zeuge aus: Er ist der Sohn Gottes.“

Das Reich Gottes entfaltete sich dann aber anders, als die Menschen es erwarteten. Das gehört zum Thema: „Unterschiede zwischen den Gedanken Gottes und denen der Menschen“. Aber diesen Unterschied zu erkennen, daran haben wir auch in der Nachfolge von Jesus bis heute zu tun …