Entdeckungen eines Bibelübersetzers

Schlagwort: Welt

Kurze Bemerkungen

(Kurze Bemerkungen – von Sören Kierkegaard)

I. Die Bibelerklärung der Mittelmäßigkeit

Die Bibelerklärung der Mittelmäßigkeit erklärt und erklärt Christi Worte so lange, bis sie ihr Eigenes, das Geistlose (Triviale) aus ihnen herausbekommt. Und nun, da sie alle Schwierigkeiten entfernt hat, ist sie beruhigt und beruft sich auf Christi Wort!

Es entgeht der Mittelmäßigkeit ganz, dass hierdurch eine neue Schwierigkeit entsteht. Die Schwierigkeit, die wohl zum Lächerlichsten gehört, das sich denken lässt. Dass sich nämlich Gott habe gebären lassen, dass „die Wahrheit“ zur Welt gekommen sei – um triviale Bemerkungen zu machen. Und eine weitere neue Schwierigkeit: wie man es dann erklärt, dass man Christus kreuzigen konnte. Denn in dieser Welt der Trivialität pflegt man triviale Bemerkungen doch nicht mit dem Tode zu bestrafen. So wird also Christi Kreuzigung zugleich unerklärlich und lächerlich, da es lächerlich ist, für triviale Bemerkungen gekreuzigt zu werden.

II. Das Theater – die Kirche

Der Unterschied zwischen Theater und Kirche ist wesentlich der, dass das Theater ehrlich und redlich sich für das ausgibt, was es ist. Die Kirche dagegen ist ein Theater, das, unredlich, auf alle Weise zu verbergen sucht, was es eigentlich ist.

Ein Beispiel. Auf dem Theaterzettel ist immer einfach angemerkt: Das Entree wird nicht zurückbezahlt. Ihrer Heiligkeit, der Kirche, wäre es ein entsetzlicher Anstoß, ein schweres Ärgernis, wenn sie eine derartige Bemerkung über der Kirchentüre anschlagen oder der sonntäglichen Predigerliste beifügen sollte. Doch davor verspürt die Kirche kein Entsetzen, dass sie vielleicht noch strenger als das Theater darauf hält, kein Geld zurückzugeben.

Es ist daher ein Glück, dass die Kirche das Theater neben sich hat. Denn das Theater ist ein Schalk, wirklich eine Art Wahrheitszeuge, der das Geheimnis verrät: was nämlich das Theater offen sagt, das tut die Kirche verstohlen.

III. Gott – die Welt

Wenn zwei Menschen Nüsse miteinander verzehrten und der eine nichts als die Schale wollte, der andere nur den Kern, so müsste man von ihnen sagen, sie passen gut zueinander. So passen Gott und die Welt auch wohl zusammen. Was die Welt tadelt, wegwirft, verachtet: die Geopferten, die Kerne, eben darauf setzt Gott einen unendlichen Wert. Und er sammelt es mit größerem Eifer, als ihn je die Welt zeigt, auch wo sie am leidenschaftlichsten liebt.

Gemeinde und Welt

Es gibt in christlichen Kreisen eine Unklarheit, die in vielen Bereichen ständig für Verwirrung sorgt. Ich meine die fehlende Unterscheidung zwischen der Gemeinde des Herrn und der Welt. Mal meint man mit „wir“ die Christen, und mal meint man mit „wir“ die Gesellschaft. Hier sollte man deutlich unterscheiden lernen, um nicht ständig weltliche Politik und Reich Gottes durcheinanderzuwerfen.

Im Neuen Testament ist völlig klar, dass „Gemeinde“ und „Welt“ zwei einander gegenüber stehende Größen sind. Die Gemeinde besteht aus Wiedergeborenen, die lernen, sich vom Geist Gottes leiten lassen. Die Welt besteht aus natürlich Geborenen, die sich von den Gegebenheiten der menschlichen Natur leiten und verleiten lassen. Jesus hat gerade auch in seinen Abschiedsreden sehr deutlich gemacht, dass die Seinen zwar „in der Welt“ sind, aber nicht „von der Welt“. In seiner Gemeinde zählt nicht die natürliche Geburt, sondern die geistliche Geburt. Und so gibt es das im Neuen Testament geläufige „drinnen“ und „draußen“.

Ich zitiere die deutliche Erklärung von Paulus – 2 Kor 5,9-13: „Im (vorigen) Brief hatte ich euch geschrieben, dass ihr keinen Umgang mit Unzüchtigen haben sollt. (Ich meinte da) ganz und gar nicht die Unzüchtigen dieser Welt oder die Habgierigen und Räuber oder Götterverehrer. Da müsstet ihr ja aus der Welt hinausgehen. Jetzt schreibe ich euch aber, dass ihr keinen Umgang haben sollt mit jemandem, der sich „Bruder“ nennen lässt und (dabei) ein Unzüchtiger ist oder ein Habgieriger, ein Götterverehrer, ein Verleumder, ein Trinker, ein Räuber. Mit einem solchen dürft ihr auch nicht essen! Was liegt mir denn daran, über die draußen zu urteilen? Müsst ihr nicht über die bei euch drinnen urteilen? Über die draußen spricht Gott das Urteil. Ihr aber müsst ‚den Bösen entfernen aus eurer Mitte‘!“

Ein interessanter Ansatz: Unsere Aufgabe in der Gemeinde ist neben dem geistlichen Aufbau auch notfalls das Entfernen von hartnäckigen Sündern, um die Gemeinde in Reinheit vor Gott zu erhalten. Die Welt dürfen wir sich selbst bzw. dem Urteil Gottes überlassen. In der Welt sind wir Licht, Salz und Zeugnis. In der Gemeinde stehen wir gemeinsam vor dem heiligen Gott, wo kein Platz für Sünde ist. Nur wer bereit ist, sich zu reinigen bzw. sich kraft des Blutes von Jesus reinigen zu lassen, kann aufgenommen werden in die Gemeinde und seinen Platz dort behalten.

Diese wesensmäßige Barriere zwischen Gemeinde und Welt wurde schon in den ersten Jahrhunderten des Christentums aufgehoben. Das war der wichtigste Baustein für den Sieg des Antichristentums. „Welt“ und „Gemeinde“ wurden zusammengeführt, es entstand eine „christliche“ Welt bzw. eine weltliche „Christenheit“. Aus der Braut des Lammes wurde die Hure Babylon. Und die wirkliche Gemeinde des Herrn wurde von ihr verfolgt.

Nur wenn wir in unserem Denken diese Unterscheidung von Gemeinde und Welt wieder benennen und beachten, können wir geistliche Gemeinde bauen. Die Gemeinde wird dabei ihren Platz „in der Welt“ haben, aber die Welt darf keinen Platz in der Gemeinde haben. Sie darf keinen Platz haben in den Köpfen, in den Herzen, in den Strukturen. Das bedeutet völlige Reinigung von allen überkommenen weltlichen Denkweisen, Verhaltensmustern und Strukturen. Wie könnte die Gemeinde sonst die Vorhut der neuen Welt Gottes sein?