Entdeckungen eines Bibelübersetzers

Schlagwort: Verfolgung

Das Tier aus der Unterwelt

Das Tier aus der Unterwelt, das in Offb 11,7 schon kurz erwähnt wurde, „taucht“ dann in Offb 13 sogar im wörtlichen Sinne wieder „auf“. Johannes am Ufer der Insel Patmos sieht es aus dem Meer heraufkommen. Aber das ist natürlich die gleiche Herkunft „von unten“ wie „aus der Unterwelt“.

Das griechische Wort für „Tier“, das hier dieses Wesen bezeichnet, hat eine spezielle Bedeutung. Es bezeichnet im Unterschied zu den Nutz- oder Haustieren ein wildes Tier, ein Wildtier. Und „wild“ passt ja ganz offensichtlich zu ihm. Die königlichen Stirnbänder an seinen Hörnern zeigen auch gleich, was sein Auftrag bzw. seine Intention ist, nämlich zu regieren.

Über die gotteslästerlichen Namen an seinen Köpfen kann man rätseln. Aber man kommt sicherlich auf die richtige Spur, wenn man weiß, dass sich die römischen Kaiser jener Zeit gerne mit Titeln schmückten wie „göttlich“, „Retter“, „Wohltäter“, „Gottessohn“ und „Gott“. Besonders trifft das auf den Kaiser Nero zu, der sich als Gott verehren ließ und als erster die Christen verfolgte. Er ist dann wohl die erste mächtige menschliche Inkarnation dieses dämonischen Wesens gewesen. Die genannten Titel sind natürlich nicht lästerlich an sich. Aber wenn Menschen sich solche Titel selbst zulegen, wird es zur Gotteslästerung.

Es gibt allerdings eine Anzahl griechischer Handschriften, die an dieser Stelle nicht von mehreren Namen sprechen, sondern nur von einem: „an seinen Köpfen einen gotteslästerlichen Namen“. Offensichtlich hat sich schon in der frühen Zeit unter den Christen eine spezielle Bezeichnung für dieses Tier herauskristallisiert. Und diese wird auch im Neuen Testament schon erwähnt, nämlich „Antichrist„. Natürlich ist „Antichrist“, also „Anti-Messias“ eine sachliche und keine lästerliche Bezeichnung, genauso auch wie „Messias“. Aber nehmen wir an, der Name auf den Köpfen des Tieres wäre „Messias“. Dann wären sowohl die Lästerung als auch der Antichrist perfekt.

Dass einer seiner Köpfe wie zu Tode geschächtet, die Todeswunde aber geheilt war, passt zu Nachahmung des echten Messias. Er war am Kreuz als Opferlamm getötet worden und nach drei Tagen wieder auferstanden. Opferlämmer musste man schächten.

Das Tier aus der Unterwelt zeigt in seiner Gestalt natürlich auch an, dass an diesem Wesen nichts Menschliches ist. Mit dem Ebenbild Gottes hat diese Dämonenwelt bei allen Nachahmungsversuchen nichts zu tun.

Mit der Macht Satans erwirbt das Tier aus der Unterwelt den Nimbus der Unbesiegbarkeit. Und mit seinem Großmaul redet dieser Antichrist große Dinge und Lästerungen. Dass ihm das „gegeben wurde“, ist ein kleiner Hinweis darauf, dass auch dieses Tier in den Plan und unter die Zulassung Gottes gehört.

Seine Aufgabe besteht zum einen darin, gegen die Nachfolger des wahren Messias Krieg zu führen. Zum anderen besteht sie darin, alle anderen vom wahren Messias abzuhalten, indem sie den Anti-Messias anbeten. Die Zeitangabe von 42 Monaten besagt, dass das während der gesamten Endzeit sein Werk ist.

Auffallend ist, dass es hier ausdrücklich heißt, dass alle Menschen ihn anbeten. Das heißt, das geschieht unbewusst unter Verführung. Wir alle kennen niemanden, der bewusst den Antichristen anbetet. Aber sie haben alle in irgendeiner Weise ihre Götzen. Sie haben Dinge, die ihnen wichtiger sind als alles andere. Und sie sind ihnen wichtiger als die Beziehung zu Gott und seinem Messias.

Gegenüber der Offenheit und Wahrheit auf der Seite des Messias Jesus steht hier also eine Welt von Manipulation, Verführung, Lüge, Betrug und Hass. Da ist auch der Gedanke an die Fake-News, Hate-Speeches, Shit-Storms und Lügengebäude unserer Zeit doch irgendwie naheliegend …

Aus der Darstellung dieser Hintergründe im Buch der Offenbarung haben Christen zu allen Zeiten unter Verfolgung Mut und Kraft geschöpft. Denn sie besagt, dass das alles unter Gottes Plan und Zulassung steht. Von der satanischen Seite aus kann man nicht willkürlich Christen töten. Nur diejenigen kann man fangen oder töten, für die Gott es bestimmt ist. Man darf sich hier auch gerne eine biblische Tatsache in Erinnerung rufen: Für Jesus zu leiden oder zu sterben ist eine Ehre.

Das Rezept, als Leute Gottes unter diesen Umständen dennoch den Sieg davonzutragen, liefert Johannes dann auch gleich mit:

„Hier ist die Ausdauer und der Glaube der Heiligen!“

Die besiegten Zeugen

Die besiegten Zeugen in Offb 11 sind zunächst ein Rätsel. Feuer kommt aus ihrem Mund und verzehrt ihre Feinde, sie haben Vollmacht, den Himmel zu verschließen, und dann geschieht das Unglaubliche – 11,7-10:

„Und wenn sie ihr Zeugnis vollenden sollen, wird das Tier, das aus der Unterwelt heraufsteigt, Krieg mit ihnen führen, sie besiegen und sie töten. Ihr Leichnam (liegt) auf den Straßen der großen Stadt, die geistlich ‚Sodom und Ägypten‘ heißt, wo auch ihr Herr hingerichtet wurde am Kreuz. Und Leute aus den Völkern, Stämmen, Sprachen und Volksgruppen sehen dreieinhalb Tage ihren Leichnam und lassen nicht zu, dass ihre Leichname in einem Grabmal beigesetzt werden. Die Bewohner der Erde freuen sich darüber, sind fröhlich und senden einander Geschenke, denn diese zwei Propheten quälten die Bewohner der Erde.“

Man wird in diesen Versen nicht alle Einzelheiten ausdeuten können, aber der Anfang ist klar. Das Tier, das aus der Unterwelt heraufsteigt, ist der Antichrist. Dieser Dämon wird in Offb 13 ausführlich beschrieben. Und dort steht auch der unfassbare Satz – V. 7: „Es wurde ihm gegeben, Krieg zu führen mit den Heiligen und sie zu besiegen.“ Aber es entspricht genau der Aussage in Kap. 11, dass das Tier die Zeugen besiegen wird. Die besiegten Zeugen entsprechen den besiegten Heiligen.

In beiden Kapiteln stellt das Tier den antichristlichen Dämon dar. Und dann ist es auch deutlich, dass sein Gegenüber in beiden Kapiteln ebenfalls dasselbe ist. Die Zeugen sind die Heiligen. Und die Heiligen sind die Gemeinde, wie es das ganze Neue Testament bezeugt. Und die Vollendung ihres Zeugnisses ist, treu zu sein bis zum Tod – wenn es sein muss, zum Märtyrertod.

Die genannte „große Stadt“ ist zunächst einmal das irdische Jerusalem. Die Aussage „wo auch ihr Herr hingerichtet wurde am Kreuz“ ist eindeutig. Insofern sind die besiegten Zeugen auch noch im Tod die Nachfolger ihres Herrn. „Sodom und Ägypten“ sind aus dem Alten Testament bekannt. Der Ort der sprichwörtlichen Sünde und der Ort der Sklaverei geben dieser „großen Stadt“ ihren Namen. Das sollte einige Jerusalembegeisterte vielleicht ein bisschen ins Nachdenken bringen.

Andererseits ist diese „große Stadt“ aber doch wohl auch eine nicht ortsgebundene geistige Realität. Denn die tatsächlich getöteten Zeugen der ersten Generation zu Johannes‘ Zeiten waren in Rom und in den Verfolgungen der folgenden Jahre im gesamten römischen Reich zu finden. Und die Offenbarung bezeichnet in den folgenden Kapiteln auch Rom als die „große Stadt“. Das würde heißen, dass überall, wo man Christen wegen ihres Bekenntnisses zu Jesus tötet, die Realität dieser „großen Stadt“ ist.

Dass man die Getöteten nicht begräbt, bleibt irgendwie rätselhaft. Aber der Reliquienkult in den katholischen und orthodoxen Kirchen, wo man Leichenteile von Heiligen als wundertätige Kultgegenstände verehrt, könnte vielleicht in diese Richtung gehen. Die Heiligen töten und dann ihre Gebeine nicht begraben sein lassen, sondern als magische Segensspender in der Welt verteilen, das passt schon irgendwie zusammen.

Natürlich muss man die „dreieinhalb Tage“ ihres Getötetseins als symbolische Zeit auffassen, wie alle Zeitangaben in der Offenbarung. Am ehesten passt es, wenn sie sich den „dreieinhalb Jahren“ der gesamten Endzeit einfügen.

Auf jeden Fall ist die Freude über die ausgeschalteten Zeugen groß. Dass man in Zeiten allgemeiner Freude einander Geschenke sendet, ist ein schon im Alten Testament erwähnter Brauch. Keine Rede mehr von Sünde, Umkehr, Gericht und Hölle, alles ausgeschaltet. Und wehe, jemand fängt noch einmal davon an! Und wenn da jemandem eine Parallele zur heutigen Zeit auffällt, ist das sicherlich kein Zufall …

Die Seelen am Altar

Die Seelen am Altar erscheinen in der Offenbarung bei der Öffnung des fünften Siegels – Offb 6,9-11: „Als (das Lamm) das fünfte Siegel öffnete, sah ich unten am Opferaltar die Seelen derer, die getötet worden waren wegen des Wortes Gottes und wegen des Zeugnisses, das sie haben. Sie riefen mit lauter Stimme: ‚Bis wann, Gebieter, Heiliger und Wahrer, richtest und rächst du nicht unser Blut an den Bewohnern der Erde?‘ Und jedem von ihnen wurde ein weißes Gewand gegeben, und es wurde ihnen gesagt, dass sie noch kurze Zeit ruhen würden, bis auch ihre Mitsklaven vollendet wären, die von ihren Geschwistern, die getötet werden wie sie.“

Der Altar, den Johannes hier sieht, ist natürlich der Altar des himmlischen Heiligtums. Die Seelen am Altar sind Seelen von verstorbenen Märtyrern. Es sind nur ihre Seelen da, sie sind noch nicht körperlich auferstanden. Aber sie sind nicht im Hades, in der Totenwelt, wie die übrigen verstorbenen Menschen, sondern bei Gott.

Nachdem die vier ersten Siegel Vorgänge auf der Erde schilderten, kommt hier beim fünften Siegel ein Blick in den Himmel. Aber indirekt zeigt auch das fünfte Siegel einen Vorgang auf der Erde, dort herrscht nämlich Christenverfolgung.

Nachdem die christliche Gemeinde in den ersten 30 Jahren hauptsächlich Druck durch jüdische Gemeinden erlebt hatte, kam ein Umschwung. Die zuerst eher neutrale heidnische Umwelt begann, die Christen zunehmend kritischer zu sehen. Und durch den Kaiser Nero erfolgte dann die erste offizielle Verfolgung durch den heidnischen römischen Staat.

Nun sehen wir die Seelen von Getöteten unten am Opferaltar im Himmel. An den irdischen Opferaltar wurde unten das Blut der Opfertiere hingegossen. Und so sind auch die, die für Jesus ihr Leben geopfert und ihr Blut vergossen haben, unten am himmlischen Altar. Sie sind im Himmel bei Gott. Ihr Ruf nach dem Gericht Gottes wird gehört, aber sozusagen vertagt. Denn es wird noch mehr ihrer Geschwister geben, die für Jesus ihr Leben lassen. Offensichtlich weiß Gott auch hier, wie viele es sein werden. Inzwischen erhalten sie ihr weißes Gewand, das Zeichen der Gerechtigkeit. Und man sagt ihnen, sie sollen einstweilen ruhen.

Das ist ein interessanter Einblick in das, was die Heiligen im Himmel tun: Sie ruhen. Im weiteren Verlauf bestätigt auch die Aussage in Offb 14,13 diese Ruhe der Heiligen: „Und ich hörte eine Stimme aus dem Himmel: ‚Schreibe: Glücklich sind die Toten, die von jetzt an im Herrn sterben! Ja, der Geist sagt, dass sie ruhen werden von ihren Mühen, denn ihre Taten folgen ihnen.’”

Und um es für gewisse Mitchristen deutlich zu machen: Wenn die Heiligen im Himmel ruhen, dann kann man sie nicht anrufen, sie hören keine Gebete, leisten keine Fürbitte, tun keine Wunder, nehmen keine Gaben an und lassen sich nicht verehren. Man sollte ihnen ihre Ruhe bei Gott gönnen und sich mit allen Anliegen direkt an den Herrn wenden, der versprochen hat, Gebete zu hören.

Der Hebräerbrief

Ich möchte hier die Frage erörtern, wer wohl den Hebräerbrief geschrieben hat. Der Hebräerbrief selbst gibt nichts darüber an, er hat keinen Absender. Es gab viele Vermutungen über die Verfasserschaft, eine recht alte ist die, er sei von Paulus geschrieben worden. Das beruht wohl darauf, dass er in seiner Sprache und Ausdrucksweise manche Ähnlichkeiten mit Paulus hat und dass in den abschließenden Bemerkungen am Schluss auch Timotheus auftaucht, der ein Mitarbeiter von Paulus war. Martin Luther hat seinerzeit Apollos als Verfasser vermutet. Ich selbst war lange Zeit der Meinung, man könne es eben nicht wissen, wer ihn geschrieben hat.

Die Entdeckung kam, als ich John A.T. Robinsons Buch las „Wann entstand das Neue Testament?“. Er berichtet darüber, dass der „Kirchenvater“ Tertullian angibt, den Brief hätte Barnabas geschrieben. Wer sich nun näher dafür interessiert, wer Tertullian ist, dem empfehle ich die Beschreibungen bei Wikipedia (anspruchsvoller) oder dem Ökumenischen Heiligenlexikon (einfacher). Tertullian (um 200 n.Chr.) hatte noch Zugriff auf zuverlässige Überlieferungen. Und um die Zeit seiner Geburt war der Hebräerbrief ja erst etwa 100 Jahre alt.

Zu Barnabas passt einiges am Hebräerbrief:

Barnabas stammt aus Cypern, das heißt, er war griechischer Muttersprachler. Dazu passt dann auch das anspruchsvolle Griechisch des Hebräerbriefs. Er hat im Neuen Testament die komplizierteste und schwierigste Ausdrucksweise.

Von der Abstammung her war Barnabas ein Levit. Und das heißt, dass er natürlich auch sehr vertraut war mit dem Alten Testament und dem jüdischen Opferwesen. Und dieses spielt im Hebräerbrief ja eine entscheidende Rolle.

Er war zeitweise ein enger Mitarbeiter und Gefährte von Paulus. Das kann manche Ähnlichkeiten mit Ausdrucksweisen von Paulus und auch die Bekanntschaft mit Timotheus gut erklären.

Barnabas hieß ursprünglich Josef. Er hatte aber schon in den Anfängen der Jerusalemer Gemeinde auch den Beinamen Barnabas „Sohn des Helfens“ bzw. „Sohn des Trostes“ bekommen. Und ein seelsorgerlicher Helfer war auch der Schreiber des Hebräerbriefs.

Der Brief blickt zurück auf eine erste Welle der Verfolgung, die unter dem Kaiser Nero ausgebrochen war, die auch Petrus und Paulus das Leben gekostet hatte, was in Heb 13,7 mitgemeint sein könnte: „Erinnert euch an eure Führenden, die euch das Wort Gottes gesagt haben, schaut den Ausgang ihres Lebenswandels an und macht es ihrem Glauben nach!“

Der Brief richtet sich an Christen jüdischer Abstammung, die in der andauernden Verfolgungssituation in der Gefahr standen, sich zurückzuziehen ins Judentum. Dieses war damals eine offiziell anerkannte Religion, und der Satz „Ich bin Jude!“ hätte einen vor der Verfolgung geschützt. Und der Hebräerbrief stellt dann dar, welchen geistlichen Preis man bezahlt, wenn man sich auf diese Art von den nichtjüdischen Geschwistern distanziert und sich der Gemeinschaft mit ihnen entzieht, um die eigene Haut zu retten. Es wäre Verrat am Glauben, Verrat an Jesus.

Der Hebräerbrief ist das seelsorgerliche Wort, das in dieser Situation Klarheit schafft, wie ein zweischneidiges Schwert – Heb 4,12: „Lebendig ist ja das Wort Gottes, wirksam, schärfer als jedes zweischneidige Schwert, durchdringend bis zur Zerteilung von Seele und Geist, von Gelenken und Markknochen, und ein Beurteiler von Gedanken und Gesinnungen des Herzens.“

Ich denke, manche heutige „Seelsorge“ könnte sich eine Scheibe davon abschneiden …