Die Konfirmation – ein Abschnitt aus „Die Konfirmation und Trauung; ein christliches Komödienspiel – wenn nicht noch schlimmeres“. Ein Artikel von Sören Kierkegaard, erschienen in seiner Zeitschrift der Augenblick, Heft Nr. 7, am 30. August 1855.
Das Gewissen (soweit in dieser Verbindung davon die Rede sein kann), das Gewissen scheint der „Christenheit“ geschlagen zu haben. Das sei doch gar zu toll, ein rein bestialischer Unsinn, auf diese Weise ein Christ zu werden: indem man als Kind durch einen Kirchenbeamten ein paar Tropfen Wasser auf den Kopf bekommt und die Familie zur Feier dieser Feierlichkeit eine Gesellschaft, ein Gastmahl arrangiert.
Das geht doch nicht, hat die „Christenheit“ gemeint. Es muss doch auch zum Ausdruck kommen, dass der Getaufte persönlich das Taufgelübde übernimmt.
Darum also die Konfirmation, eine herrliche Erfindung, wenn man ein Doppeltes annimmt. Dass der Gottesdienst zum einen darauf ausgeht, Gott für Narren zu halten. Und dass er zum anderen hauptsächlich Anlass zu Familienfeiern geben soll, zu Gesellschaften, einem fröhlichen Abend, einer Gasterei. Und diese unterscheidet sich dann von anderen Gastereien dadurch, dass sie „zugleich“ (wie raffiniert!) religiöse Bedeutung hat.
„Das zarte Kind“, sagt die Christenheit, „kann ja das Taufgelübde nicht persönlich übernehmen, dazu gehört eine wirkliche Persönlichkeit“. So hat man denn – ist das genial oder sinnreich? – das Alter zwischen 14 und 15 Jahren, das Knabenalter, dazu gewählt. Diese wirkliche Person – da ist gar nichts im Wege, sie ist Manns genug, das für das Kindlein abgelegte Taufgelübde persönlich zu übernehmen.
Ein Junge mit 15 Jahren! Handelte es sich um 10 Taler, so würde der Vater etwa wie folgt sagen. „Mein Junge, das kann man dir nicht überlassen, dafür bist du hinter den Ohren noch nicht trocken genug.“ Wo es sich aber um die ewige Seligkeit handelt, und wo eine wirkliche Persönlichkeit hergehört, welche die Verpflichtung des Kindleins (die doch eigentlich gar nicht ernst gemeint sein konnte) durch ein Gelöbnis mit persönlichem Ernst übernähme: da ist das Alter von 15 Jahren das passendste.
Es ist das passendste, ja freilich, wenn der Gottesdienst, wie schon bemerkt ein Doppeltes beabsichtigt. Zum einen, Gott auf eine – kann man das so heißen? – feine Manier für Narren zu halten. Und zum anderen, geschmackvolle Familienfeste zu veranlassen. Dann passt es trefflich, wie alles bei dieser Gelegenheit. …
Die Konfirmation ist, wie man leicht sieht, ein weit tieferer Unsinn als die Kindertaufe, eben weil die Konfirmation als Ergänzung des bei der Taufe noch Fehlenden eine wirkliche Persönlichkeit erfordert, die mit klarem Bewusstsein ein Gelübde, das über die ewige Seligkeit entscheidet, übernehmen kann. Dagegen ist dieser Unsinn in anderer Hinsicht schlau genug im Interesse der egoistischen Geistlichkeit erfunden. Diese versteht sehr wohl, dass manche später vielleicht zu viel Charakter hätten, um nur zum Schein Chisten sein zu wollen, wenn die Entscheidung in Sachen der Religion (was allein christlich und allein vernünftig ist) dem reifen Mannesalter vorbehalten wäre.
Darum sucht der „Pfarrer“ sich der Menschen im zarten, jugendlichen Alter zu bemächtigen. So sollen sie dann im reiferen Alter die Schwierigkeit haben, mit einer „heiligen“ Verpflichtung zu brechen. Diese wurde zwar schon dem Knaben auferlegt, flößt manchem aber doch vielleicht noch eine abergläubische Scheu ein. Darum bemächtigt sich die Geistlichkeit der Kindlein, der Knaben, nimmt ihnen heilige Gelübde ab usw..
Und was der „Pfarrer“, der Mann Gottes, tut, das ist ja eine fromme Tat. Sonst könnte vielleicht die Analogie fordern, dass neben das Polizeiverbot an die Konditoreien, an Knaben etwas auszuschänken, ein Verbot träte, Knaben feierliche Gelöbnisse, eine ewige Seligkeit betreffend, abzunehmen. Dass also den Geistlichen, weil sie selbst meineidig sind, deshalb doch nicht gestattet sein sollte, zum Trost für sie selbst ein möglichst großes commune naufragium* herbeizuführen, d. h. die ganze Gesellschaft meineidig zu machen. Denn dazu ist es ja wie berechnet, wenn man 15-jährige Knaben sich durch heilige Gelübde verpflichten lässt, von deren Erfüllung die ewige Seligkeit abhängt. …
Was ich schreibe, ist nicht ein Angriff auf die Gemeinde. Sie ist irregeleitet, und man kann ihr nicht verdenken, dass sie, sich selbst überlassen und dadurch betrogen, dass die Pfarrer auf das Neue Testament vereidigt sind, die beste Meinung von dieser Art Gottesdienst hegt. Das ist ja nur menschlich. Wehe aber den Geistlichen, wehe ihnen, diesen vereidigten Lügnern!
Ich weiß wohl, dass es Religionsspötter gegeben hat. Ja, was hätten sie nicht alles gegeben, um zu vermögen, was ich vermag. Aber es glückte ihnen nicht, denn Gott war nicht mit ihnen. Anders bei mir: Ursprünglich den Geistlichen so wohlgesinnt wie selten jemand, just ihnen zu helfen bereit, haben sie mich selbst zum Gegenteil getrieben. Und mit mir ist der Allmächtige. Und er weiß am besten, wie man schlagen muss, dass es empfunden wird, dass das Gelächter, unter Furcht und Zittern hervorgelockt, die Geißel sein muss. Dazu werde ich gebraucht.
* gemeinsamer Schiffbruch