Entdeckungen eines Bibelübersetzers

Schlagwort: Geschwister

Gleichheit in der Gemeinde

Gleichheit in der Gemeinde – diese Lehre des Neuen Testaments bezieht sich auf die Stellung des Christen vor Gott. Hier sind alle gleich wiedergeboren, gleich erlöst und gleich in der Kindschaft gegenüber Gott. Ohne das alles sind sie ja auch gar keine Christen.

Mit „gleich“ ist gleich wichtig, gleich wertvoll und gleich-berechtigt gemeint. Unterschiede zwischen ihnen bestehen in ihren geistlichen Gaben und in ihrer geistlichen Reife. Auch darüber hat das Neue Testament einiges zu sagen. Aber Unterschiede in geistlichen Dingen tun der genannten Gleichheit in der Gemeinde keinen Abbruch. Was aber in dieser Gleichheit vor Gott keine Rolle mehr spielt, das sind die menschlichen Unterschiede. Es gibt kein Ansehen der Person vor Gott:

Jak 2,1-4: „Meine Geschwister, im Glauben an Jesus, unseren Herrn, den verherrlichten Messias, darf es kein Ansehen der Person bei euch geben! Wenn nämlich ein Mann in eure Versammlung kommt mit goldenen Ringen an den Fingern, in glänzender Kleidung, und ein Armer kommt herein mit schmutziger Kleidung, und ihr seht auf den, der die glänzende Kleidung trägt, und sagt: „Du, setz dich schön hierher!“, und dem Armen sagt ihr: „Du, stell dich dorthin!“ oder: „Setz dich unten an meinen Fußschemel!“, macht ihr dann nicht Unterschiede unter euch und seid Richter mit bösen Gedanken?“

Jakobus schreibt hier zunächst über den Unterschied zwischen Reich und Arm, also zwischen menschlich gesehen Bedeutenden und Unbedeutenden. Da dieser Unterschied vor Gott nicht zählt, darf er auch in der Gemeinde nicht zählen. Selbst neue Besucher, die vielleicht noch gar keine Christen sind, darf man nicht unterschiedlich behandeln. Der Mensch wird nicht nach seinem menschlichen Ansehen, sondern nach seiner Beziehung zu Gott beurteilt.

Auch Paulus hat diese Lehre. Rö 2,11: „Es gibt nämlich kein Ansehen der Person bei Gott.“ Paulus hat diese Sichtweise an mehreren Stellen in Bezug auf bestimmte Personengruppen ausgeführt, die menschlich gesehen gravierend unterschiedlich sind:

Rö 10,12: „Es ist ja kein Unterschied zwischen einem Juden und einem Nichtjuden; er ist doch Herr aller, reich für alle, die ihn anrufen.“ Es gab religiös gesehen keinen größeren Unterschied als den zwischen einem Juden und einem Nichtjuden bzw. Heiden. Diese beiden Gruppen verachteten sich gegenseitig und dienen nun – bekehrt – dem einen Herrn, vor dem sie alle gleich sind. Vor Gott und in der Gemeinde ist es völlig unbedeutend, ob jemand aus dem Judentum oder aus dem Heidentum kommt. Die Gemeinde ist das neue Israel Gottes, in das die Nichtjuden integriert sind.

1 Ko 12,13: „Denn in einem Geist sind auch wir alle in einen Leib getaucht worden, seien wir Juden oder Nichtjuden, Sklaven oder Freie. Alle sind wir mit einem Geist getränkt worden.“ Gesellschaftlich gesehen gab es keinen größeren Unterschied als zwischen einem Sklaven und einem Freien. Der eine war Eigentum des anderen. Und nun haben beide die Gabe des Geistes empfangen und sind gleichwertige Gliedes des Leibes des Messias. Was das im Einzelnen bedeutete, kann man in meinem Beitrag „Sklaven Gottes“ nachlesen.

Ko 3,9b-11: „Zieht den alten Menschen ganz aus samt seinen Praktiken, und zieht den neuen an, der erneuert wird zu klarer Erkenntnis nach dem Bild dessen, der ihn geschaffen hat, wo es keinen „Griechen“ und „Juden“ mehr gibt, (keinen) „Beschnittenen“ und „Unbeschnittenen“, „Fremden“, „Wilden“, „Sklaven“ und „Freien“, sondern der Messias alles und in allen ist.“ Juden als Beschnittene und Griechen als Unbeschnittene sind gleich in dem neuen Menschen, den Gott geschaffen hat, genauso auch Sklaven und Freie. Paulus erweitert die Aufzählung hier noch durch „Fremde“ und „Wilde“. Auch Menschen von fremder Herkunft und von außerhalb der anerkannten Zivilisation sind die gleichen neuen Menschen im Messias. Durch die Gleichheit in der Gemeinde ist jede Art von Rassismus oder Nationalismus von vornherein ausgeschlossen.

Ga 3,27-28: „Alle, die ihr in den Messias getaucht worden seid, habt den Messias angezogen. (In ihm) gibt es keinen „Juden“ und keinen „Nichtjuden“ mehr, keinen „Sklaven“ und keinen „Freien“, keinen „Mann“ und keine „Frau“, denn ihr seid alle eins im Messias Jesus.“ Zur Aufhebung der menschlichen Unterschiede nennt Paulus hier auch noch ausdrücklich den Unterschied zwischen Mann und Frau. Im neuen Menschen, im Messias, ist es also unerheblich, ob jemand ein Mann oder eine Frau ist. Wir haben hier eine grundlegende Stelle über die Stellung der Frau in der Gemeinde. So gleich wie Juden und Nichtjuden, Sklaven und Freie, Einheimische und Fremde, so gleich sind auch Männer und Frauen.

Leider hat sich diese revolutionäre Sichtweise des Neuen Testaments im Zuge der Verkirchlichung schon in den ersten Jahrhunderten n. Chr. verflüchtigt. Es entstanden (männlicher) Klerus, Hierarchie und Nationalkirchen mit all ihren verheerenden Auswirkungen. Wer dagegen christliche Gemeinde bauen will, muss auch die Gleichheit der Geschwister wieder herstellen, ansonsten ist es keine Gemeinde im Sinne des Neuen Testaments.

Mehr darüber lesen kann man in meinem Buch „Die Gemeinde des Messias„.

Sklaven Gottes

Sklaven Gottes sind Menschen, die Gottes Eigentum sind. Auch nach der offiziellen Abschaffung der Sklaverei wissen wir immer noch, was Sklaven sind. Ein Sklave ist ein Mensch, der im Eigentum eines anderen steht.

Der Besitz von Sklaven war in der antiken Welt – also auch zur Zeit des Neuen Testaments – selbstverständliche und alltägliche Lebenswirklichkeit. Schätzungen zufolge waren im römischen Reich ca. 80 % der Menschen Sklaven, d. h. Eigentum der sogenannten Freien bzw. Herren. Herren konnten ihre Sklaven gut oder schlecht behandeln, sie konnten sie niedrigste Arbeiten verrichten lassen oder ihnen große Verantwortung übertragen. Und so wird auch im Neuen Testament mit großer Selbstverständlichkeit von Sklaven gesprochen.

Und der Gedanke vom Sklaven als Besitztum diente auch als Bezeichnung für die Beziehung zu Gott – schon von Anfang an. Lk 1,38 – Maria sagte: „Ich bin die Sklavin des Herrn. Es soll mir geschehen nach deinem Wort.“ Lk. 2,29 – Simeon: „Jetzt entlässt du deinen Sklaven, Gebieter, nach deinem Wort, in Frieden.“

Auch Jesus hat das Bild vom Sklaven gebraucht, um die Eindeutigkeit der Gottesbeziehung darzustellen. Mt 6,24: „Niemand kann zwei Herren als Sklave dienen. Denn entweder wäre ihm der eine gleichgültig und er liebte den anderen, oder er hielte sich an den einen und verachtete den anderen. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon!“ Auch in anderen Vergleichen und Beispielen hat Jesus das Bild gebraucht.

Allerdings hat Jesus den Gedanken auch in die andere Richtung verwendet, wenn er von der Sklaverei der Sünde spricht. Joh 8,34-36: „Amen, Amen, ich sage euch: Jeder, der die Sünde ausübt, ist ein Sklave der Sünde. Der Sklave bleibt aber nicht bis in Ewigkeit im Haus, der Sohn bleibt bis in Ewigkeit. Wenn euch also der Sohn frei macht, werdet ihr wirklich frei sein.“ Von der Sklaverei der Sünde hat dann auch Paulus gesprochen.

Auch um das Verhältnis seiner Nachfolger untereinander zu beschreiben, hat Jesus das Bild gebraucht. Mt 20,26-26 / Mk 10, 43-44: „So ist es aber nicht unter euch. Wer wichtig werden will unter euch, soll vielmehr euer Diener sein! Wer unter euch Erster sein will, soll Sklave von allen sein!“

Allerdings hat Jesus das Bild vom Sklaven Gottes dann auch gesprengt. Joh 15,15: „Ich nenne euch nicht mehr ‚Sklaven‘, denn der Sklave weiß nicht, was sein Herr tut. Euch nenne ich ‚Freunde‘, denn alles, was ich von meinem Vater gehört habe, habe ich euch wissen lassen.“

Die innere Beziehung zum Herrn wird neu definiert als Freundschaft. Die Beziehung zu Gott durch die neue Geburt dann auch als Kindschaft. Freunde des Herrn, Söhne und Töchter Gottes – was gibt es mehr? Aber als Bild für die Gottesbeziehung bleibt das Sklaventum dennoch bestehen.

Es beginnt schon in der Apostelgeschichte, wenn die Gemeinde betet. Apg 4,29-30: „Und jetzt, Herr, achte auf ihre Drohungen und gib deinen Sklaven, dass sie mit aller Offenheit dein Wort sagen, während du deine Hand ausstreckst, damit Heilungen und Zeichen und Wunder geschehen durch den Namen deines heiligen Knechts Jesus!“ Sklaven des Herrn als Selbstbezeichnung der Gemeinde – wem würde heutzutage so etwas einfallen?

In den Briefeingängen ist es schon geradezu typisch, dass sich Jakobus, Paulus, Judas und Petrus jeweils als „Sklave Gottes“ vorstellen. Aber so war ihr Selbstverständnis. Und so machten sie deutlich, wem sie verantwortlich waren – und auch, woher letztlich der Brief kam.

Der jeweilige Status von Sklaven und Herren blieb im weltlichen Verhältnis bestehen. Aber im geschwisterlichen Verhältnis innerhalb der Gemeinde war er aufgehoben. Gal 3,28: „(In ihm) gibt es keinen ‚Juden‘ und keinen ‚Nichtjuden‘ mehr, keinen ‚Sklaven‘ und keinen ‚Freien‘, keinen ‚Mann‘ und keine ‚Frau‘, denn ihr seid alle eins im Messias Jesus.“

Und in 1 Kor 7, 21-22 sagt Paulus: „Du bist als Sklave gerufen? Das soll dich nicht kümmern. Aber wenn du frei werden kannst, mach lieber davon Gebrauch. Der im Herrn berufene Sklave ist allerdings ein Freigelassener des Herrn, genauso wie der berufene Freie ein Sklave des Messias ist.“ So wird hier der Sklave zum Freigelassenen und der Herr zum Sklaven.

Es war sicherlich gewöhnungsbedürftig, wenn Herren und Sklaven plötzlich gleichwertig und gleichberechtigt als Brüder beieinander saßen, genauso auch Herrinnen und Sklavinnen als Schwestern.

Und nicht nur in der Gemeinde, auch zu Hause musste man sich neu eingewöhnen. 1 Tim 6,2: „Die, die gläubige Besitzer haben, dürfen (diese) nicht verachten, weil sie Geschwister sind, sondern sie sollen ihnen besser dienen, weil es Gläubige sind und Geliebte, die sich der Wohltätigkeit annehmen.“ Zu Hause Herr oder Herrin und Sklave oder Sklavin, in der Gemeinde aber Geschwister – das war sicherlich manchmal nicht so einfach.

In der Offenbarung ist „seine Sklaven“ dann zu einer durchgehenden Bezeichnung der Gemeinde geworden. Es fängt schon gleich so an. Offb 1,1: „Eine Offenbarung von Jesus dem Messias, die Gott ihm gegeben hat, um seinen Sklaven zu zeigen, was bald geschehen muss.“ Und es geht so weiter:

Offb 2,20: „Aber ich habe gegen dich, dass du die Frau Isebel zulässt, die sich ‚Prophetin‘ nennt, die lehrt und meine Sklaven irreführt, dass sie Unzucht treiben und Fleisch von Götteropfern essen.“

Kap. 7,3: „Schadet weder der Erde, noch dem Meer, noch den Bäumen, solange wir die Sklaven unseres Gottes auf ihren Stirnen versiegeln!“

Offb 10,7: „In den Tagen, wenn der siebte Engel das Signalhorn blasen wird, wird vielmehr das Geheimnis Gottes vollendet sein, wie er seinen Sklaven, den Propheten, die Botschaft gebracht hat.“ Man beachte, dass hier neben „Sklaven“ auch „Propheten“ zur Bezeichnung der Gemeinde geworden ist.

Kap. 11,18: „Nachdem die Völker zornig waren, war auch dein Zorn gekommen und die Zeit, den Toten das Urteil zu sprechen und deinen Sklaven den Lohn zu geben, den Propheten, den Heiligen, denen, die deinen Namen fürchten, den Kleinen und den Großen, und die zu verderben, die die Erde verdorben haben.“

Offb 19,5: „Lobt unseren Gott, alle seine Sklaven, die ihn fürchten, die Kleinen und die Großen!“

Kap. 22,3: „Seine Sklaven werden ihm dienen, sie werden sein Gesicht sehen, und sein Name wird auf ihren Stirnen sein.“

Offb 22,6: „Der Herr – der Gott der Geistesgaben der Propheten – hat seinen Engel gesandt, um seinen Sklaven zu zeigen, was bald geschehen muss.“

Sklaven Gottes – das ist also (u.a.) die Existenzweise der christlichen Gemeinde. Stelle also sicher, dass du ein Sklave bzw. eine Sklavin Gottes bist, damit du dazugehörst …

Auch Frauen sind „Brüder“

Auch Frauen sind „Brüder“, das ergibt sich aus der Betrachtung der griechischen Begriffe. Es ist eigentlich logisch, dass man als Übersetzer ein Wort nur dann richtig übersetzt, wenn man es in der richtigen Bedeutung übersetzt. Ein Wort der einen Sprache kann mehrere Bedeutungen haben, die man in der anderen Sprache nicht immer mit demselben Wort übersetzen kann. Daran scheitert auch immer der Versuch einer konkordanten Übersetzung, bei der man für ein griechisches Wort immer dasselbe deutsche Wort gebrauchen will.

Ich habe die konkordante Methode bei meiner Übersetzung eine Zeit lang versucht, bin aber recht schnell davon abgekommen. Wo es geht, übersetze ich ein griechisches Wort immer mit demselben deutschen. Aber es sind nicht viele Wörter, bei denen das durchgehend möglich ist. Das Wort „pneuma“ z.B. heißt zwar meistens „Geist“, aber an wenigen Stellen heißt es doch einfach „Wind“.

Ein wichtiger Fall in diesem Sinne ist das griechische „adelphós“, das in einer Bedeutung „Bruder“ heißt, aber nicht immer. Fangen wir im Plural an, da ist es zunächst einfacher. Es gibt in unserer Sprache „Brüder“, „Schwestern“ und dann auch noch das schöne Wort „Geschwister“. Im Griechischen heißt „adelphai“ eindeutig „Schwestern“. „Brüder“ sind „adelphoi“. Wenn es aber Männer und Frauen sind, also Geschwister, sagt der Grieche ebenfalls „adelphoi“. Dieses Wort muss also vom Zusammenhang her jeweils entweder mit „Brüder“ oder mit „Geschwister“ übersetzt werden. Wenn Paulus in seinen Briefen also „meine adelphoi“ anredet, dann muss man, da alle in der Gemeinde angesprochen sind, also auch die Frauen, ganz eindeutig mit „meine Geschwister“ übersetzen. „Meine Brüder“ wäre falsch. Also, auch Frauen sind „Brüder“.

Etwas komplexer wird die Sache im Singular. Da ist es im Griechischen im Prinzip dasselbe, aber wir haben im Deutschen kein Wort für ein einzelnes „Geschwister“, leider. Das griechische „adelphos“ heißt dann je nach Sinnzusammenhang entweder „Bruder“ oder „eines der Geschwister“ bzw. „Bruder oder Schwester“. Wenn ich also z.B. Römer 14,10 so übersetze: „Du aber, was richtest du deinen Bruder oder deine Schwester? Und du, was schätzt du denn deinen Bruder oder deine Schwester gering?“, dann habe nicht irgendeinem Zeitgeist entsprechend die Frauen mit hineingeflickt, sondern ich habe einfach richtig übersetzt.

Die bekannte „philadelphía“, wäre dann demnach auch nicht die „Bruderliebe“, sondern die „Geschwisterliebe“. Da „philia“ aber statt mit „Liebe“ treffender mit „Freundschaft“ zu übersetzen ist, ist „philadelphia“ dann die „Freundschaft mit den Geschwistern“.

Ja, wenn wir das doch recht begreifen würden – als Christen sind wir Geschwister, und wir sind Freunde …