Entdeckungen eines Bibelübersetzers

Schlagwort: Galiläa

Das Haus in Nazaret

(Das Haus in Nazaret – Auszüge aus dem Kapitel „Jesus in Nazaret“ des Buchs „Kennst du das Land?“ von Ludwig Schneller)

Still ist der Gang Gottes durch die Geschichte, wenn er die größten Dinge einleitet, um eine alte, verlorene Welt aus den Angeln zu heben. Nicht über Rom und Athen führen seine Wege. Die Stille einer Familie in Haran, die schweigenden Berge Gottes in der Wüste Sinai, das kleine Betlehem, das verachtete Nazaret, das sind seine Stationen. Jesus wächst in Nazaret, dem kleinen Landstädtchen in Verborgenheit und Stille heran. Währenddessen tosen draußen die Stürme politischer Aufregung über das neue Römerjoch in leidenschaftlichen Parteikämpfen durch das Land.

Mit Recht sind jene wundersüchtigen Erzählungen aus der Kindheit Jesu verworfen worden, welche uns mehr sagen wollen als Lukas in seiner vielsagenden Kürze. Sie sind lediglich Gebilde einer irregeleiteten Phantasie. Wenn wir es aber für unser Recht und unsere Pflicht erachten, das Leben unseres Herrn nach allen Seiten zu erforschen, so dürfen wir es wohl auch versuchen, uns ein Bild von dem Leben zu gestalten, welches Jesus in Nazaret geführt haben mag. Nicht indem wir uns auf den trügerischen Boden der Phantasie hinauswagen, sondern auf dem historischen Boden seiner Heimat stehend, deren Sitten heute noch fast ebenso sind wie in Jesu Tagen. …

Freundlich und lieblich ist Nazaret gelegen, an eine sanft ansteigende Berghöhe angelehnt. Mit seinen weißen Häusern schimmert es freundlich hinaus in das lang hingestreckte südliche Tal. Umgeben ist es von oliven- und feigenbewachsenen Höhen und Weinbergen. Das heranwachsende Jesuskind sah täglich eine Schar bedeutsamer Berge und Orte, lauter Zeugen längst vergangener Geschichte. Im Osten der majestätische Tabor, einer der schönsten Berge des Landes, im Südosten die fast düsteren Berge Gilboa, wo König Saul einst fiel in der Schlacht gegen die Philister. Drunten die große Ebene mit Afek, Sunem und Jesreel, in Duft gehüllt, und im Westen der Karmel. Die beiden letzteren erinnern an den Propheten Elija, den der Herr später so gern erwähnte.

In diesem Städtchen hat Jesus seine Jugend und die ersten Mannesjahre zugebracht. Sein nächster Kreis war die eigene Familie, das Haus in Nazaret. Bis zu seinem zwölften Lebensjahr hatte Jesus noch beide Eltern. Es scheint aber, dass Josef bald darauf gestorben ist. Er wird wenigstens nie wieder erwähnt.

Jesus, als der älteste Sohn, wurde damit nach damaliger und heutiger orientalischer Sitte Haupt und Ernährer der Familie. … Es war noch nicht die Zeit, von der er damals sagte: „des Menschen Sohn hat nicht, da er sein Haupt hinlege.“ Damals hatte er ein Haus in Nazaret und hatte dafür zu sorgen. … Wie mag es aber darin ausgesehen haben?

Das Haus in Nazaret war jedenfalls wohl ein Häuschen, wie es Landleute und Handwerker im Heiligen Lande auch noch heute bewohnen, ein einziger Raum, welcher nicht in verschiedene Zimmer abgeteilt war. …

Das Licht, welches man des Abends anzündete, wenn die Familie beisammen war, leuchtete daher, wenn man es nicht gerade unter einen Scheffel setzte, „allen, die im Hause waren“ … . In einem solchen Haus sieht man heute gewöhnlich entweder einen ca. 1 Meter hohen primitiven Leuchter oder einen in einiger Höhe aus der Mauer hervorragenden Stein. Darauf wird die irdene Ampel mit Olivenöl gestellt und verbreitet ihr mattes Licht über den ganzen dunklen Raum.

Viele Möbel waren in Jesu Wohnung ebenso wenig zu finden wie bei den heutigen Landsleuten. Wer einen Groschen verloren hatte, brauchte keine Schränke und Kommoden, Tische und Stühle wegzurücken. Er brauchte nur den Fußboden, welcher aus der bloßen Erde bestand oder mit Steinplatten belegt war, aufzukehren, um ihn wiederzufinden. Allerdings musste er zu diesem Zweck, da an solchen Häusern damals wie heute die Fenster fehlten, am hellichten Tage die Ampel anzünden.

Im Sommer und überhaupt bei schöner Witterung hielt sich die Familie am liebsten im Freien auf. Auf dem Dach, im Hof, oder draußen unter den Feigen- und Olivenbäumen. Den Boden im Haus bedeckten einige Matten und einfache Teppiche. Auf ihnen mochten noch einige Polsterkissen liegen, welche als Sofa dienten. Bettstellen waren nicht vorhanden. Des Abends legte sich jeder in seine über die Matte gelegte Decke und bedeckte sich nötigenfalls noch mit dem Mantel.

Frühmorgens vor Sonnenaufgang stand Maria auf und mahlte Weizen, um Brot zu backen. Denn dies musste in alter wie in neuer Zeit täglich frisch sein. Später, als Jesu Schwestern heranwuchsen, mögen sie dieses Geschäft auf der Handmühle besorgt haben. Dieses tut man am liebsten zu zweien. Und Jesus spielt darauf an, wenn er sagt: „Zwo werden mahlen auf einer Mühle, eine wird angenommen, und die andere wird verlassen werden.“

Nazaret besitzt eine einzige bedeutende Quelle, welche außerhalb im Osten der Stadt entspringt. Heute ist dieselbe den ganzen Tag von wasserholenden und waschenden Frauen umlagert. Namentlich am Morgen und Abend sieht man sie scharenweise zum Brunnen kommen. Ihre großen schwarzen Tonkrüge tragen sie sicher auf dem Kopf, ohne dieselben mit der Hand zu stützen. Hier halten sie gerne längere Rast, hier besprechen sie die Neuigkeiten des Tages. Hierher kam auch Jesu Mutter oder eine seiner Schwestern täglich, um Wasser zu holen. Und wie sich auch heute noch eine Schar von Kindern um den Brunnen tummelt, so mag auch Maria manchmal das Jesuskind an der Hand hierhergeführt haben, während sie den schweren Tonkrug auf dem Kopf wiegte. …

Die Schwestern werden sich nach orientalischer Sitte schon in ganz jugendlichem Alter verheiratet haben. So mag man mehrmals in der Familie Jesu Hochzeit gefeiert haben. Er selbst, als Haupt der Familie, nahm dann an der Hochzeit ohne Zweifel teil. Und die Vorliebe, mit welcher er gerade die Hochzeit zum Sinnbild himmlischer Dinge gemacht hat, zeigt uns, welch herzlichen Anteil er an der allgemeinen Freude nahm, wie gut ihm die ungetrübte Wonne, welche bei einer orientalischen Hochzeit alle zu beherrschen pflegt, gefallen haben muss. Darum vergleicht er später seinen Ruf zum Himmelreich so gerne mit dem Ruf zu den Freuden der Hochzeitsfeier. …

Sprachen im Neuen Testament

Sprachen im Neuen Testament, also die, die man zur Zeit von Jesus im Land Israel verwendete, sind Hebräisch, Aramäisch, Griechisch und Lateinisch. (Etwas anderes sind die prophetischen Gebetssprachen.)

Hebräisch ist die ursprüngliche Sprache Israels, die älteste der Sprachen im Neuen Testament. In ihr sind die Bücher des Alten Testaments geschrieben mit Ausnahme von ein paar aramäischen Kapiteln im Buch Daniel. Hebräisch als gesprochene Sprache gab es nur noch in Jerusalem und Umgebung. Da Paulus hier aufgewachsen war und studiert hatte, konnte er nach seiner Verhaftung in Jerusalem die Menge damit erstaunen, dass er eine Rede in Hebräisch an sie richtete. Ansonsten lernte aber jeder jüdische Junge in Israel in der Synagogenschule, die hebräischen Texte des Alten Testaments wenigstens lesen und einigermaßen verstehen zu können. So las auch Jesus in der Synagoge in Nazaret den Text aus Jesaja problemlos auf Hebräisch vor und sagte ohne weitere Erklärung dazu: „Heute sind diese Worte erfüllt vor euren Ohren.“

Aramäisch ist eine dem Hebräischen verwandte semitische Sprache, die ursprünglich in Syrien gesprochen wurde. Das Land heißt semitisch „Aram“ und griechisch „Syrien“. Deswegen ist in der Antike Aramäisch und Syrisch dasselbe, genau wie Aramäer und Syrer. Durch viele Jahrhunderte der ethnischen Überfremdung war im nördlichen Teil Israels (Galiläa) Hebräisch als gesprochene Sprache ausgestorben und das Aramäische heimisch geworden. Das betrifft auch Jesus und seine Jünger, deren Muttersprache Aramäisch war.

Dass er mit seinen Jüngern aramäisch sprach, klingt an der Stelle durch, an der er Petrus als „Simon bar Jona“ anspricht, d. h. „Simon, Sohn von Jona“. „Bar“ ist Aramäisch und heißt „Sohn“. Auf Hebräisch würde es „Ben“ heißen. Auch in seiner Todesstunde am Kreuz hat Jesus aramäisch gesprochen, als er sagte: „Eloi, eloi, lema sabachtani“. Das ist zwar der Anfang von Psalm 22, aber auf Aramäisch. Und Petrus war im Hof des Obersten Priesters auch an seiner Sprache als Galiläer erkannt worden.

Griechisch war die internationale Verkehrssprache des römischen Reichs. Es ist in unserer Zeit gut mit dem Englischen vergleichbar, das ja auch jeder mehr oder weniger kann und in internationalen Beziehungen Standard ist. Alle, die um den See Genezaret mit den Handelsstraßen und der römischen Besatzung aufwuchsen, konnten neben Aramäisch auch Griechisch. So hat auch Jesus am Ende mit Pilatus ganz sicher Griechisch gespochen. Und der ehemalige Steuereinnehmer Matthäus aus Kafarnaum konnte in dieser Sprache ein ganzes Evangelium verfassen.

Lateinisch ist am unbedeutendsten im Neuen Testament. Es taucht als römische Amtssprache nur an einer Stelle auf, nämlich bei der Urteilsbegründung, die Pilatus über dem am Kreuz hängenden Jesus anbringen ließ. Diese war ausdrücklich für alle lesbar in Hebräisch, Griechisch und Lateinisch geschrieben. Daneben gibt es noch eine ganze Reihe von Personen mit lateinischen Namen: Cornelius, Gaius, Julius, Markus, Paulus, Pilatus, Quartus, Silvanus, Titus etc.

Als die Botschaft von Jesus über Israel hinaus zu den Nichtjuden ging, war automatisch Griechisch die entscheidende Sprache. Sie wurde von allen Völkerschaften im östlichen und teilweise auch im westlichen römischen Reich verstanden. Deshalb sind sämtliche Schriften des Neuen Testaments ursprünglich in Griechisch verfasst. Nur von Matthäus schrieb später Papias, ein führender Mann der Gemeinde in Hierapolis, er habe die Reden von Jesus zuerst in Aramäisch aufgeschrieben. In der Tat finden wir im Matthäusevangelium mindestens fünf längere Reden von Jesus, die auf eine solche Redensammlung zurückgehen können. Aber auch Matthäus hat sein ausgearbeitetes Evangelium auf Griechisch herausgegeben.

Natürlich wurden die griechischen Texte im Zuge der Mission auch schon früh in andere Sprachen übersetzt. Dazu gehören Aramäisch bzw. Syrisch, Lateinisch, Armenisch und äthiopische Sprachen. Auf der Suche nach dem ursprünglichen Text landet man aber immer beim Griechischen.

Flavius Josephus

Flavius Josephus – mit diesem Mann möchte ich euch hier bekannt machen Er kommt im Neuen Testament selbst nicht vor. Aber er hat uns mehr als andere sehr viel Informationen über dessen zeitgeschichtliche Hintergründe geliefert. Um nicht alles über ihn selbst schreiben zu müssen, zitiere ich an dieser Stelle den Wikipedia-Artikel über ihn:

„Flavius Josephus (geboren 37/38 n. Chr. in Jerusalem; gestorben um 100 vermutlich in Rom) war ein jüdisch-hellenistischer Historiker. Als junger Priester aus der Jerusalemer Oberschicht hatte Josephus eine aktive Rolle im Jüdischen Krieg. Er verteidigte Galiläa im Frühjahr 67 gegen die römische Armee unter Vespasian. In Jotapata geriet er in römische Gefangenschaft. Er prophezeite dem Feldherrn Vespasian dessen künftiges Kaisertum. Als Freigelassener begleitete er Vespasians Sohn Titus in der Endphase des Kriegs und wurde so Zeuge der Eroberung von Jerusalem (70 n.Chr.).

Mit Titus kam er im folgenden Jahr nach Rom, wo er den Rest seines Lebens verbrachte. Er erhielt das römische Bürgerrecht und lebte fortan von einer kaiserlichen Pension und dem Ertrag seiner Landgüter in Judäa. Die Muße nutzte er zur Abfassung mehrerer Werke in griechischer Sprache: eine Geschichte des Jüdischen Kriegs, eine Geschichte des jüdischen Volks von der Erschaffung der Welt bis zum Vorabend dieses Kriegs, eine kurze Autobiografie als Anhang dazu und als Spätwerk eine Verteidigung des Judentums gegen die Kritik zeitgenössischer Autoren.“

Als Beispiel für den Zusammenhang mit der biblischen Geschichte zitiere ich hier einen der Berichte von Flavius Josephus. Ich zitiere ihn in gekürzter und vereinfachter Form (aus der „Geschichte des jüdischen Volks“):

„Um diese Zeit gerieten Aretas, der König von Peträa und Herodes (Antipas) in Streit. Herodes der Fürst hatte des Aretas Tochter geheiratet und lebte mit ihr schon lange Zeit. Als er nach Rom reiste, kehrte er bei seinem Stiefbruder ein, der auch Herodes hieß. Hier fasste er eine so heftige Neigung zu dessen Gattin Herodias, dass er mit dem Plan umging, sie zur Ehe zu nehmen. Herodias war damit einverstanden, und so kamen sie überein, dass sie gleich nach seiner Rückkehr aus Rom in sein Haus kommen solle. Sie stellte jedoch die Bedingung, dass er des Aretas Tochter verstoße.

Seine Gattin hatte aber von der Abmachung mit Herodias Kenntnis erlangt. Sie verlangte, als er aus Rom zurückkehrte, nach Machärus gebracht zu werden. Das war eine Festung, die zwischen dem Gebiet des Herodes und dem ihres Vaters Aretas lag. Herodes erfüllte ihren Wunsch, ohne zu ahnen, dass sie um sein Vorhaben wusste. Als sie dort ankam, brach sie gleich nach Arabien auf. Und so gelangte sie in kurzer Zeit zu ihrem Vater, dem sie des Herodes Plan mitteilte.

Daraufhin brachen die Feindseligkeiten aus. Nachdem es auch noch einen Streit um die Festsetzung der Grenzen gab, boten beide Fürsten ihre Streitmacht auf. So kam es zum Krieg, zu dem beide, statt selbst mit auszurücken, ihre Feldherren entsandten. Gleich beim ersten Zusammenstoß wurde des Herodes Heer aufgerieben, da es von einigen Überläufern verraten wurde.

Manche Juden waren übrigens der Ansicht, der Untergang der Streitmacht des Herodes sei nur dem Zorn Gottes zuzuschreiben, der für die Tötung von Johannes dem Täufer die gerechte Strafe gefordert habe. Den letzteren nämlich hatte Herodes hinrichten lassen, obwohl er ein edler Mann war, der die Juden anhielt, nach Vollkommenheit zu streben, indem er sie ermahnte, Gerechtigkeit gegeneinander und Frömmigkeit gegen Gott zu üben und so zur Taufe zu kommen.

Da nun infolge der wunderbaren Anziehungskraft solcher Reden eine gewaltige Menschenmenge zu Johannes strömte, fürchtete Herodes, das Ansehen des Mannes möchte das Volk zum Aufruhr treiben, und hielt es daher für besser, ihn rechtzeitig aus dem Weg zu räumen. Auf diesen Verdacht hin ließ also Herodes den Johannes in Ketten legen, nach der Festung Machärus bringen und dort hinrichten. Sein Tod aber war, wie gesagt, nach der Überzeugung der Juden die Ursache, weshalb des Herodes Heer aufgerieben worden war, da Gott in seinem Zorn diese Strafe über den Fürsten verhängt hatte.“