Entdeckungen eines Bibelübersetzers

Schlagwort: Briefe

Paulus

Paulus ist im Neuen Testament der Mensch, über den wir am meisten erfahren. Sein Name wird in drei Versionen berichtet:

Sein hebräischer Name ist „Scha’úl“, das heißt „Erbetener“. Dieser Name war auch bekannt als der Name des ersten Königs in Israel. Und so hat ihn auch Jesus angesprochen auf dem Weg nach Damaskus: „Saul! Saul! Warum verfolgst du mich?“ Natürlich hat Jesus „Scha’úl“ gesagt.

Die Namensform „Saul“ kommt daher, dass man auf Griechisch kein „Sch“ sprechen und schreiben konnte. Dafür verwendete man ein „S“. Um den Namen beim Sprechen oder Schreiben zu verwenden, brauchte ein Grieche dann auch noch eine deklinierbare Endung dazu. Und so machte er „Saulos“ daraus. Über das Lateinische ist das dann als „Saulus“ zu uns gekommen.

Dass der Mann durch seine Bekehrung von einem „Saulus“ zu einem „Paulus“ geworden sei, ist allerdings eine fromme Legende. Paulus war nicht nur ethnischer Jude, sondern auch römischer Staatsbürger. Und als solcher trug er neben dem jüdischen auch einen römischen, also lateinischen Namen. Der Name „Paulus“ bedeutet „Kleiner“. Sicherlich hatte er ältere Geschwister, und so war er der „Kleine“ in der Familie. Römer waren manchmal wenig phantasievoll in ihrer Namensgebung.

Wenn man das weiß, dann versteht man auch, warum man in den Anfängen der Apostelgeschichte im jüdischen Umfeld noch seinen Namen „Saulus“ verwendete. Auf seiner Mission in die nichtjüdische Welt spielte dann aber sein römischer Name „Paulus“ die wichtigere Rolle.

Die Apostelgeschichte erzählt seine Geschichte ab der Steinigung von Stefanus (Apg 7,57-8,1a). Paulus hatte hier als junger Mann die Aufgabe übernommen, die Obergewänder derer zu bewachen, die diese ausgezogen hatten, um Bewegungsfreiheit beim Steinewerfen zu haben.

Informationen über die Zeit davor entnehmen wir den autobiografischen Angaben, die er in Briefen, Gesprächen und Reden selbst gemacht hat. Ich stelle sie hier zusammen:

2 Kor 11,22: „Hebräisch sprechen sie? Ich auch. Israeliten sind sie? Ich auch. Nachkommen Abrahams sind sie? Ich auch.“

Röm 11,1: „Ich bin doch auch ein Israelit, von den Nachkommen Abrahams, vom Stamm Benjamin.“

Phil 3,5-6: „Beschneidung am achten Tag, aus dem Volk Israel, vom Stamm Benjamin, ein Hebräisch-Sprechender von Hebräisch-Sprechenden, hinsichtlich des Gesetzes ein Pharisäer, hinsichtlich des Eifers ein Verfolger der Gemeinde, hinsichtlich der Gerechtigkeit im Gesetz tadellos gewesen.“

Apg 21,39: „Ich bin ein jüdischer Mann aus Tarsos in Kilikien, Bürger einer nicht unbekannten Stadt.”

Apg 22, 3: „Ich bin ein jüdischer Mann, geboren in Tarsos in Kilikien, aufgezogen (hier) in dieser Stadt (Jerusalem). Zu den Füßen Gamaliels bin ich geschult in der Genauigkeit des Gesetzes der Vorfahren.“

Apg 22,25-27: „Während sie ihn mit den Riemen nach vorne streckten, sagte Paulus aber zu dem Offizier, der dastand: ‚Ist es euch erlaubt, einen römischen Bürger ohne Gerichtsurteil auszupeitschen?‘ Als der Offizier das hörte, ging er zum General und berichtete: ‚Was willst du tun? Dieser Mann ist Römer!‘ Der General kam zu ihm und sagte: ‚Sag mir: Bist du Römer?‘ Er sagte: ‚Ja!‘ Der General antwortete: ‚Ich habe dieses Bürgerrecht um eine große Summe erworben.‘ Paulus sagte: ‚Ich bin ein gebürtiger (Römer).’”

Apg 26,4-5: „Mein Lebenslauf von Jugend an war ja von Anfang an unter meinem Volk, und alle Juden in Jerusalem wissen es. Sie kennen mich schon von vorher – wenn sie es bezeugen wollen – dass ich von Anfang an nach der genauesten Richtung unserer Gottesverehrung gelebt habe, als Pharisäer.“

Alles Weitere steht dann in der Apostelgeschichte, deren Hauptperson er ist (außer Jesus natürlich). Lukas hat vieles mit ihm zusammen erlebt und darüber berichtet. Nur sein Ende kommt dort nicht mehr vor, weil Lukas sein Buch noch zu Paulus‘ Lebzeiten abgeschlossen hatte.

Von Tertullian wissen wir aber, dass Paulus in der Christenverfolgung unter Nero in Rom getötet wurde. Weil er römischer Bürger war, durfte man ihn nicht qualvoll töten, wie z. B. Petrus am Kreuz. Die für römische Bürger vorgesehene Todesstrafe war (kurz und relativ schmerzlos) das Enthaupten.

Von Lukas erfahren wir in der Apostelgeschichte nichts darüber, dass Paulus auch Briefe geschrieben hat. Offenbar war das für Lukas und seine Zeit so selbstverständlich, dass man es nicht extra erwähnen musste. Aber natürlich hat Paulus während seiner Reisen als Gesandter von Jesus je nach Bedarf und Anlass seine Briefe geschrieben, zuletzt in Cäsarea die Gefangenschaftsbriefe.

Jakobus

Jakobus ist der Name von drei wichtigen Persönlichkeiten im Neuen Testament. Hebräisch heißt der Name Ja’akóv. Die Griechischsprechenden haben dann mit einer griechischen Endung „Jákobos“ daraus gemacht, die Lateiner „Jakobus“ und die Deutschen „Jakob“.

Den ersten Jakobus treffen wir bei den Fischern am See Genezaret. Er war der Sohn von Zebedäus und der Bruder von Johannes. Auf den Ruf von Jesus hin ließ er alles stehen und liegen und folgte ihm als Jünger nach. Jesus berief ihn dann in den Kreis seiner „Zwölf“ Gesandten. Er gehörte auch zum ganz engen Jüngerkreis und war dabei, wenn Jesus manchmal nur drei seiner Jünger zu etwas mitnahm. Von den zwölf Gesandten war er derjenige, der mit seinem Sendungsauftrag nie über Jerusalem hinauskam, denn im Jahr 42 ließ ihn der damalige König Agrippa umbringen.

Der zweite Jakobus begegnet uns ebenfalls unter den zwölf Jüngern. Er heißt „Jakobus, der Sohn von Alfäus“. Wir erfahren im Neuen Testament nichts weiter über ihn persönlich, außer dass er bei den „Zwölf“ natürlich immer mit gemeint ist. Er soll nach alter Tradition sein Missionsgebiet auf der iberischen Halbinsel gefunden haben. Noch heute pilgern Leute auf den verschiedenen „Jakobswegen“ zu seinem angeblichen Grab in Santiago de Compostela. (Statt einfach Jesus nachzufolgen …)

Der dritte Jakobus ist der leibliche Bruder bzw. Halbbruder von Jesus. Er wird erstmals genannt, als sich die Leute von Nazaret über die Botschaft von Jesus in ihrem Versammlungshaus wundern. „Ist das nicht der Maurer, der Sohn von Josef dem Maurer? Heißt nicht seine Mutter Maria und seine Brüder Jakobus, Josef, Simon und Judas? Seine Schwestern, sind sie nicht alle hier bei uns?“ Da hier der Vater Josef nicht genannt wird, muss er damals bereits verstorben gewesen sein.

Josef und Maria hatten also nach Jesus, ihrem Ältesten, noch mindestens sechs weitere Kinder, vier Söhne und mindestens zwei Töchter. Übrigens waren Josef und Jesus keine Zimmerleute, wie eine bekannte Tradition behauptet. Sie waren Leute, die Häuser bauten, aber damals baute man nicht mit Holz, sondern mit Stein. Der Gedanke liegt sicherlich nahe, dass alle Söhne das Handwerk des Vaters lernten, also auch Jakobus.

Als Jesus seinen öffentlichen Dienst angetreten hatte, fand er bei seinen Angehörigen dafür kein Verständnis. Markus hat es uns deutlich überliefert. Mk 3,20-21: „Er ging in ein Haus, und wieder kam die Menschenmenge zusammen, so dass sie nicht einmal Brot essen konnten. Seine Angehörigen hörten es und zogen los, um ihn zu ergreifen, denn sie sagten: ‚Er ist völlig daneben!'“ Wir müssen natürlich annehmen, dass Jakobus als verbliebener ältester Sohn an dieser Aktion führend beteiligt war.

Die Antwort von Jesus war deutlich. Mk. 3,31-35: „Als seine Mutter und seine Geschwister dann kamen, standen sie draußen und schickten zu ihm, um ihn zu rufen. Eine Menge saß um ihn herum und man sagte ihm: ‚Deine Mutter, deine Brüder und deine Schwestern sind da draußen, sie suchen dich.‘ Er antwortete ihnen: ‚Wer sind meine Mutter und meine Geschwister?‘ Und er schaute umher über die, die rings um ihn saßen, und sagte: ‚Seht, meine Mutter und meine Geschwister! Denn wer den Willen Gottes tut, der ist mein Bruder, meine Schwester und meine Mutter.’“

Auch Johannes berichtet über die Ablehnung von Seiten seiner Angehörigen. Joh 7,2-5: „Das Fest der Juden, das Laubhüttenfest, war aber nahe. Seine Geschwister sagten nun zu ihm: ‚Geh weg von hier und geh nach Judäa, damit auch deine Jünger (dort) deine Taten sehen, die du tust! Niemand tut doch etwas im Verborgenen, wenn er in der Öffentlichkeit sein will! Wenn du diese Dinge tust, mach dich der Welt sichtbar!‘ Seine Geschwister glaubten nämlich auch nicht an ihn.“

Ansonsten hört man nichts mehr von ihnen, solange Jesus unterwegs war. Erst als Jesus am Kreuz hing, war zumindest seine Mutter Maria wieder da.

Doch als Jesus auferstanden war, geschah etwas, das uns wiederum nur Paulus berichtet. In 1 Kor 15 zählt er in einer authentischen Überlieferung verschiedene Erscheinungen des auferstandenen Jesus auf, darunter die Folgende. V. 7: „Danach ist er Jakobus erschienen.“ Hier kann nur sein leiblicher Bruder Jakobus gemeint sein, denn den Zwölf hatte er sich ja zuvor schon gezeigt.

Jesus hatte also als Auferstandener eine besondere Begegnung mit seinem bis dahin vermutlich noch ungläubigen Bruder Jakobus. Das liegt dann auf der Linie wie später die Begegnung mit dem noch ungläubigen Paulus. Für Jakobus war das jedenfalls lebensverändernd, sogar für die ganze Familie. Denn am Anfang der Apostelgeschichte heißt es dann über die in Jerusalem mit den Jüngern Versammelten (1,14): „Diese alle hielten sich einmütig ans Gebet, mit den Frauen und Maria, der Mutter von Jesus, und seinen Geschwistern.“

Von da an waren sie Teil der Jerusalemer Urgemeinde. Jakobus wurde mit der Zeit sogar einer der führenden Männer dort. Im Galaterbrief (1,9) schreibt Paulus viele Jahre später, dass Jakobus, Kefas (Petrus) und Johannes als die „Pfeiler“ der Gemeinde in Jerusalem angesehen wurden.

Nachdem unter dem König Herodes Agrippa Jakobus, der Sohn von Zebedäus, ermordet worden war, verließ auch Petrus nach seiner wunderbaren Befreiung aus dem Gefängnis vorübergehend die Stadt. Auch die anderen der Zwölf werden – außer Johannes – im Folgenden nicht mehr erwähnt. Offensichtlich waren sie in ihrer Mission unterwegs.

In dieser Zeit, vermutlich in den Jahren 47 oder 48, sah Jakobus dann wohl die Verantwortung, an die sich immer weiter ausdehnende Gesamtgemeinde einen Brief zu schrieben. Diese war den Inhalten des Briefs nach damals noch stark judenchristlich geprägt. Die spätere Auseinandersetzung um die Beschneidung der Nichtjuden spielte noch keine Rolle. Der Jakobusbrief ist damit der früheste von allen neutestamentlichen Briefen.

Wann hat Johannes geschrieben?

Wann hat Johannes geschrieben? Diese Frage kann für die Offenbarung einerseits im Zeitablauf mit einer wahrscheinlichen Jahreszahl beantwortet werden. Die Antwort heißt dann: im Jahr 68. Andererseits können wir die Frage im zeitlichen Verhältnis zum Empfangen der Prophetie beantworten. Die Antwort heißt dann: sofort.

Wenn wir der Offenbarung glauben, dann ist sie im Wesentlichen eine Mitschrift dessen, was Johannes gesehen und gehört hat. Man überliest im Interesse an den sonstigen Inhalten vielleicht gerne die Belegstellen dafür. Aber bei genauem Hinsehen ist die Sache eindeutig.

Wir haben hier die klaren Befehle zum Schreiben: 1,11 – „Schreibe, was du siehst, in eine Schriftrolle und schick sie den sieben Gemeinden: …“ 1,19 – „Schreibe nun, was du siehst: Was ist, und was danach geschehen soll.“ Und dann kommen die Einleitungen zu den Briefen an die sieben Gemeinden: 2,1 – „Dem Boten Gottes – der Gemeinde – in Ephesus schreibe: …“ Und genauso auch bei jedem anderen Brief.

Wer vielleicht noch denkt, dass Johannes die Dinge auch aus dem Gedächtnis zu einem späteren Zeitpunkt geschrieben haben könnte, wird in Kap. 10,4 eines Besseren belehrt: „Als die sieben Donner gesprochen hatten, wollte ich schreiben. Und ich hörte eine Stimme aus dem Himmel: ‚Versiegle, was die sieben Donner gesprochen haben, schreibe es nicht!’” Johannes wollte an Ort und Stelle aufschreiben, was die sieben Donner gesprochen hatten, aber er durfte nicht.

Er saß also tatsächlich mit dem Schreibzeug da und schrieb. Daraus kann man natürlich auch schließen, dass er ein geübter Schreiber gewesen sein muss. Aber man darf auch annehmen, dass ihm die Offenbarungen in einem passenden Tempo gezeigt wurden. Er musste ja in aller Ruhe mitschreiben können. Wenn man die Offenbarung lesen will, wie Johannes sie gesehen hat, muss man sie also eher langsam lesen.

Und dann gibt es an einzelnen Stellen auch spezielle Aufforderungen, ganz bestimmte, wichtige Sätze unbedingt mitzuschreiben:

Kap. 14, 13 – Und ich hörte eine Stimme aus dem Himmel: „Schreibe: Glücklich sind die Toten, die von jetzt an im Herrn sterben! Ja, der Geist sagt, dass sie ruhen werden von ihren Mühen, denn ihre Taten folgen ihnen.”

Kap. 19,9 – Und er sagte mir: „Schreibe: Glücklich sind die, die zum Hochzeitsmahl des Lammes eingeladen sind!“

Kap. 21,5 – Er sagte: „Schreibe: Diese Worte sind verlässlich und wahr.“

Natürlich hat Johannes seine Aufschriebe hinterher ins Reine geschrieben. Und mit einer Einleitung, persönlichen Zwischenbemerkungen und einem Schlusswort hat er dann ein ganzes und abgerundetes Buch daraus gemacht. So ist dieses prophetische Buch über die Endzeit und die neue Schöpfung entstanden.

Und wenn wir nun Johannes als einen geübten Schreiber kennen gelernt haben, kann man vielleicht noch einen Rückschluss wagen. Wenn er das auch in jüngeren Jahren schon war, dann hat er wohl als Jünger auch schon bei Jesus gesessen und seine Reden mitgeschrieben, die wir im Johannesevangelium so eindrücklich berichtet finden …

Die Offenbarung

Die Offenbarung an Johannes ist im Neuen Testament das Buch, über das große Verwirrung besteht. Viele unterschiedliche Auslegungen aus unterschiedlichen Richtungen haben die Situation nicht einfacher, sondern immer komplizierter gemacht. Die vielen bildhaften Visionen und teilweise rätselhaften Aussagen haben offensichtlich auch die Phantasie angeregt, und so wurde vieles aus dem Buch heraus- bzw. in es hineingelesen, was gar nicht drin steht.

Um die Offenbarung zu verstehen, muss man also viel Ballast abwerfen von allem, was man schon darüber gehört und gelesen hat, und den Versuch machen, zu einem einfachen Verstehen des Bibeltextes zu kommen.

So wie der Text es sagt, hat hier der echte Jesus dem echten Johannes diese echte Offenbarung geschenkt, um sie aufzuschreiben. Und in diesem Buch sind sieben echte Briefe an sieben echte Gemeinden enthalten. Wir sollten davon ausgehen, dass Johannes alles verstanden hat, was Jesus ihm offenbart hat. Und auch die Leser des Buchs konnten verstehen, was Johannes geschrieben hat. Die Offenbarung war nach ihrer Veröffentlichung schnell weit verbreitet. Im 2. Jahrhundert gehörte sie zu den viel gelesenen und geschätzten Büchern des Neuen Testaments. In den weiteren Verfolgungen im römischen Reich war sie das „Trostbuch“ der Gemeinde. Niemand hat sie damals in Zweifel gezogen.

Es ist dann auch genau wie bei den anderen Briefen im Neuen Testament: Sie sind von konkreten Autoren an konkrete Empfänger geschrieben. Aber durch ihre geistliche Inspiriertheit und Wirkung wurden sie als Reden Gottes an die ganze Gemeinde erkannt und in den Kanon des Wortes Gottes aufgenommen.

Wir müssen also versuchen, die Offenbarung mit den Augen der ersten Leser zu lesen. Wir müssen versuchen zu verstehen, was sie verstehen konnten. Dann können wir daraus auch die richtigen Lehren für uns und unsere Zeit ziehen – und das Reden Gottes vernehmen.

Zum Verstehen der Offenbarung als biblische Schrift werden uns auch parallele Aussagen in den anderen Schriften helfen. Genauso wird der gesamte Zusammenhang des Neuen Testaments einiges dazu beitragen.

Dass die Verbannung von Johannes auf die Insel Patmos zur Zeit der ersten Verfolgung unter dem Kaiser Nero im Jahr 65 n. Chr. stattfand, lässt sich aus der Zahl des Tieres in Kapitel 13 schließen. Um das Jahr 68 dürfte er dort die Offenbarung empfangen und aufgeschrieben haben.

Eine alte Überlieferung, die Tertullian berichtet, gibt Auskunft über das Schicksal von Petrus, Paulus und Johannes während dieser Verfolgung. Petrus wurde hingerichtet am Kreuz, Paulus als Römer wurde (humanerweise schnell) geköpft, Johannes wurde in heißes Öl gesteckt. Zum Schrecken der Verfolger geschah aber das Wunder, dass Johannes das tödliche Ölbad unbeschadet überstand. Um den unheimlichen Wundermann loszuwerden, schickte man ihn dann in die Verbannung.

Dass der Johannes, der die Offenbarung aufgeschrieben hat, tatsächlich der Sohn von Zebedäus und der Jünger von Jesus ist, daran bestand in der frühen Zeit kein Zweifel. Spätere Datierungen sind demnach auch unwahrscheinlich, weil Johannes irgendwann zu alt gewesen wäre. Die Offenbarung sieht nicht aus wie das Werk eines Greises. Machen wir uns also auf, die Offenbarung zu verstehen, wie Johannes und die ersten Christen sie verstanden haben …

Petrusbriefe und Judasbrief

Was die zwei Petrusbriefe und den Judasbrief betrifft, habe ich in dem Buch von John A.T. Robinson „Wann entstand das Neue Testament?“ eine interessante Entdeckung gemacht.

Die Petrusbriefe und der Judasbrief stehen in einer eigenartigen Dreiecksbeziehung zueinander. Der erste und der zweite Petrusbrief nennen mit Petrus zwar denselben Absender, sind in Stil und Inhalt aber sehr verschieden. Der zweite Petrusbrief und der Judasbrief haben dagegen verschiedene Absender, sind in Stil und Inhalt aber sehr ähnlich. Sie scheinen irgendwie verwandt zu sein. Die überzeugende Lösung dieses Rätsels, die Robinson vorschlägt, beruht darauf, dass 1. und 2. Petrus in unterschiedliche Situationen hineinsprechen und unterschiedliche Schreiber haben.

Von Paulus her wissen wir schon, dass er seine Briefe in Zusammenarbeit mit Schreibern geschrieben hat. Und auch der Schreiber des ersten Petrusbriefs ist bekannt – 1 Pe 5,12: „Durch Silvanus, den treuen Bruder, wofür ich ihn halte, habe ich euch in wenigen Worten geschrieben, um zu helfen und zu bezeugen, dass dies wahre Gnade Gottes ist, in der ihr steht.“

Silvanus kennen wir aus dem 1. und 2. Thessalonicherbrief und aus dem 2. Korintherbrief. Er ist der Mitarbeiter von Paulus, der in der Apostelgeschichte „Silas“ heißt. Auch wieder ein Mann mit einem hebräischen und einem lateinischen Namen, vermutlich Jude und zugleich römischer Bürger wie Paulus.

Der erste Petrusbrief geht in eine Situation, in der ein negativer Stimmungsumschwung unter den Heiden gegen die Christen eingetreten war. Es kam nun Druck von außen auch in der Heidenwelt. Dieser zunehmende Druck war wohl ein Vorbote der Verfolgung, die im Jahr 65 unter Kaiser Nero ausbrach.

Der zweite Petrusbrief geht wie der Judasbrief in eine andere Situation. In ihr wird die Gemeinde durch sich ausbreitende falsche Lehrer von innen her zunehmend bedroht. Genauso wird es auf eine andere Art auch in den Johannesbriefen dargestellt. Diese Situation lag aber zeitlich vor der aufkommenden Verfolgung, und so ist der zweite Petrusbrief eigentlich der erste. Dazu muss man wissen, dass im Neuen Testament die Briefe der jeweiligen Verfasser nicht in zeitlicher Reihenfolge sortiert sind, sondern der Länge nach. Weder bei den Paulus- noch bei den Petrus- und Johannesbriefen stimmt die zeitliche Reichenfolge.

Wenn Petrus nun im „ersten“ seiner Briefe einen Schreiber hatte, warum dann nicht auch im „zweiten“, dem zeitlich ersten? Und wenn der mit dem Judasbrief eng verwandt ist, warum sollte dann nicht Judas der Schreiber sein? Judas hätte dann aufgrund der Dringlichkeit schon einmal unter eigenem Namen ein Schreiben hinausgehen lassen – Vers 3: „Geliebte, in aller Eile tue ich es und schreibe euch über unsere gemeinsame Rettung, weil ich die Notwendigkeit habe, euch mit Schreiben aufzufordern, dass ihr kämpft für den Glauben, der den Heiligen ein- für allemal übergebenen worden ist.“

Unter der Anleitung und dem Namen von Petrus hätte er dann als dessen Schreiber eine überarbeitete und erweiterte Fassung seines Briefs erstellt. Damit würde dann auch auf diese Aussage ein anderes Licht fallen – 2 Pe 3,1-2: „Geliebte, ich schreibe euch schon diesen zweiten meiner Briefe, in denen ich durch Erinnern euer reines Bestreben aufwecke, dass ihr an die Worte denkt, die von den heiligen Propheten zuvor gesagt worden sind, und an das Gebot eurer Gesandten, das des Herrn und Retters!“ Der erste Brief vor diesem „zweiten“ wäre dann in dem Fall der Judasbrief gewesen.

Man muss diese Theorie natürlich nicht glauben. Aber sie ist die beste, wie man die an den drei Briefen beobachteten eigenartigen Sachverhalte erklären kann.

Gefangenschaftsbriefe

Gefangenschaftsbriefe sind die Briefe an die Epheser, Philipper, Kolosser, 2. Timotheus und Philemon. In ihnen bezeichnet sich Paulus als Gefangener. Von irgendwann her hatte ich früher in Erinnerung, dass Paulus am Ende der Apostelgeschichte zwei Jahre in Rom gefangen war, und dass er dort die Gefangenschaftsbriefe geschrieben habe.

Eine echte Überraschung kam dann für mich, als ich das Buch von John A. T. Robinson las: „Wann entstand das Neue Testament?“. Dort argumentiert er dafür, dass Paulus ja zuvor auch zwei Jahre in Cäsarea gefangen war und die Gefangenschaftsbriefe wahrscheinlich dort geschrieben hat. Und die Darstellung von Robinson, wie die Briefe in die damalige Situation passen, hat mich doch sehr überzeugt. Der Ablauf der Ereignisse war dann so:

Ende Mai des Jahres 57 wurde Paulus in Jerusalem verhaftet und kurz danach in die Haft des römischen Regenten Felix nach Cäsarea am Meer überstellt. Im Frühjahr 58 schrieb er dort den Philipperbrief und schickte ihn durch Epaphroditos nach Philippi. Im Sommer 58 schickte er Timotheos nach Philippi und Markus nach Kolossä und schrieb in Cäsarea inzwischen die Briefe an die Kolosser und an Philemon. Er verfasste im Spätsommer 58 dazu noch den Epheserbrief. Dieser war nicht speziell an die Gemeinde in Ephesus gerichtet. Er war vielmehr eine Art Rundschreiben an die Gemeinden der Provinz Asia, deren Hauptstadt Ephesus war. In einigen alten Handschriften fehlt bei der Adresse sogar die Bezeichnung „in Ephesus“. Nach Fertigstellung des Briefs schickte er ihn zusammen mit dem Kolosser- und dem Philemonbrief durch Tychikus an ihre Adressaten. Im Herbst 58 folgte dann noch der 2. Timotheusbrief, der an Timotheus nach Philippi ging.

Damit hat Paulus dieses Jahr 58, in dem er von Felix im Gefängnis in Cäsarea hingehalten wurde, sinnvoll ausgenutzt. Es passt ja gut, nachdem er für seinen zukünftigen Dienst Rom und davon ausgehend Spanien im Blick hatte, dass er in seinem bisherigen Missionsgebiet jetzt noch einmal einige Dinge ordnete und klarstellte.

Eine auch geistlich interessante Formulierung ist die, dass Paulus sich hierbei an mehreren Stellen als „Gefangener des Messias Jesus“ bezeichnet. Juristisch wäre „Gefangener des Regenten Felix“ richtig gewesen. Aber Paulus wusste, dass ihn ohne den Willen seines Herrn Jesus kein Mensch gefangen nehmen oder festhalten könnte. Und so ist die einzig logische Erklärung, dass Jesus selbst diese Gefangenschaft für gut und richtig hielt. Und so war Paulus ein Gefangener des Herrn.

Ich denke, das kann man auf manche Lebenssituationen übertragen, in denen uns menschlich etwas nicht passen mag, wir aber nicht herauskönnen. Es war ja auch Paulus, der das Wort geschrieben hat – Röm 8,28: „Und wir wissen, dass für die, die Gott lieben, alles zum Guten zusammenwirkt …“. Und so sieht man im Neuen Testament nichts, was einem Christen passiert, als ein „Unglück“, höchstens als Bewährungsprobe. Und bewährte Christen, die wollen wir ja haben im Reich Gottes.

Wer hat die Briefe geschrieben?

Wer hat die Briefe geschrieben? Auf diese Frage gibt es im Neuen Testament bei genauem Hinsehen differenziertere Antworten. Tertius z. B. hat den Römerbrief aufgeschrieben. Rö 16,22: „Ich grüße euch – ich, Tertius, der den Brief geschrieben hat – im Herrn!“ Ob der moderne Ausdruck „Sekretär“ dafür das Richtige ist, halte ich eher für fraglich.

Ich stelle mir vor, dass Paulus in Korinth einfach diesen Tertius mit in der Gemeinde hatte. Und dieser beherrschte die Kunst des Schreibens. Und so nahm Paulus ihn mit seiner Gabe in Dienst, um ihm seinen Brief nach Rom zu diktieren. Dem Namen nach war Tertius selbst ein Römer. Natürlich konnte Paulus auch selbst schreiben. Aber offensichtlich war es doch einfacher, seine Gedanken diktieren zu können, als sie selbst nebenher (mühsam?) zu Papier zu bringen.

Auch den ersten Petrusbrief hat nicht Petrus selbst geschrieben, sondern Silvanus, und den zweiten Petrusbrief vermutlich Judas.

Wenn wir nun beachten, dass Paulus im 1. Korintherbrief auch Sosthenes, den Bruder, als Mitabsender nennt, wie er auch in andern Briefen Mitabsender angibt, dann ahnen wir vielleicht, das das Abfassen etlicher Schriften im NT viel mehr Teamarbeit war, als wir uns gemeinhin vorstellen.

Einen Sonderfall dazu finden wir im Buch der Offenbarung. Hier werden sieben Briefe an sieben Gemeinden geschrieben. Aber auch hier passt das Schema. Der auferstandene Jesus persönlich ist der Autor der sieben Briefe. Aber er diktiert sie einem Schreiber, in diesem Fall Johannes.

Wer hat die Briefe geschrieben? Es gibt auf diese Frage aber noch eine etwas tiefergehende Antwort. Unter der Inspiration des heiligen Geistes wurden die Briefe diktiert und geschrieben. Und so sind sie zu einem Teil des Wortes Gottes geworden.