Entdeckungen eines Bibelübersetzers

Schlagwort: Bekehrung

Paulus

Paulus ist im Neuen Testament der Mensch, über den wir am meisten erfahren. Sein Name wird in drei Versionen berichtet:

Sein hebräischer Name ist „Scha’úl“, das heißt „Erbetener“. Dieser Name war auch bekannt als der Name des ersten Königs in Israel. Und so hat ihn auch Jesus angesprochen auf dem Weg nach Damaskus: „Saul! Saul! Warum verfolgst du mich?“ Natürlich hat Jesus „Scha’úl“ gesagt.

Die Namensform „Saul“ kommt daher, dass man auf Griechisch kein „Sch“ sprechen und schreiben konnte. Dafür verwendete man ein „S“. Um den Namen beim Sprechen oder Schreiben zu verwenden, brauchte ein Grieche dann auch noch eine deklinierbare Endung dazu. Und so machte er „Saulos“ daraus. Über das Lateinische ist das dann als „Saulus“ zu uns gekommen.

Dass der Mann durch seine Bekehrung von einem „Saulus“ zu einem „Paulus“ geworden sei, ist allerdings eine fromme Legende. Paulus war nicht nur ethnischer Jude, sondern auch römischer Staatsbürger. Und als solcher trug er neben dem jüdischen auch einen römischen, also lateinischen Namen. Der Name „Paulus“ bedeutet „Kleiner“. Sicherlich hatte er ältere Geschwister, und so war er der „Kleine“ in der Familie. Römer waren manchmal wenig phantasievoll in ihrer Namensgebung.

Wenn man das weiß, dann versteht man auch, warum man in den Anfängen der Apostelgeschichte im jüdischen Umfeld noch seinen Namen „Saulus“ verwendete. Auf seiner Mission in die nichtjüdische Welt spielte dann aber sein römischer Name „Paulus“ die wichtigere Rolle.

Die Apostelgeschichte erzählt seine Geschichte ab der Steinigung von Stefanus (Apg 7,57-8,1a). Paulus hatte hier als junger Mann die Aufgabe übernommen, die Obergewänder derer zu bewachen, die diese ausgezogen hatten, um Bewegungsfreiheit beim Steinewerfen zu haben.

Informationen über die Zeit davor entnehmen wir den autobiografischen Angaben, die er in Briefen, Gesprächen und Reden selbst gemacht hat. Ich stelle sie hier zusammen:

2 Kor 11,22: „Hebräisch sprechen sie? Ich auch. Israeliten sind sie? Ich auch. Nachkommen Abrahams sind sie? Ich auch.“

Röm 11,1: „Ich bin doch auch ein Israelit, von den Nachkommen Abrahams, vom Stamm Benjamin.“

Phil 3,5-6: „Beschneidung am achten Tag, aus dem Volk Israel, vom Stamm Benjamin, ein Hebräisch-Sprechender von Hebräisch-Sprechenden, hinsichtlich des Gesetzes ein Pharisäer, hinsichtlich des Eifers ein Verfolger der Gemeinde, hinsichtlich der Gerechtigkeit im Gesetz tadellos gewesen.“

Apg 21,39: „Ich bin ein jüdischer Mann aus Tarsos in Kilikien, Bürger einer nicht unbekannten Stadt.”

Apg 22, 3: „Ich bin ein jüdischer Mann, geboren in Tarsos in Kilikien, aufgezogen (hier) in dieser Stadt (Jerusalem). Zu den Füßen Gamaliels bin ich geschult in der Genauigkeit des Gesetzes der Vorfahren.“

Apg 22,25-27: „Während sie ihn mit den Riemen nach vorne streckten, sagte Paulus aber zu dem Offizier, der dastand: ‚Ist es euch erlaubt, einen römischen Bürger ohne Gerichtsurteil auszupeitschen?‘ Als der Offizier das hörte, ging er zum General und berichtete: ‚Was willst du tun? Dieser Mann ist Römer!‘ Der General kam zu ihm und sagte: ‚Sag mir: Bist du Römer?‘ Er sagte: ‚Ja!‘ Der General antwortete: ‚Ich habe dieses Bürgerrecht um eine große Summe erworben.‘ Paulus sagte: ‚Ich bin ein gebürtiger (Römer).’”

Apg 26,4-5: „Mein Lebenslauf von Jugend an war ja von Anfang an unter meinem Volk, und alle Juden in Jerusalem wissen es. Sie kennen mich schon von vorher – wenn sie es bezeugen wollen – dass ich von Anfang an nach der genauesten Richtung unserer Gottesverehrung gelebt habe, als Pharisäer.“

Alles Weitere steht dann in der Apostelgeschichte, deren Hauptperson er ist (außer Jesus natürlich). Lukas hat vieles mit ihm zusammen erlebt und darüber berichtet. Nur sein Ende kommt dort nicht mehr vor, weil Lukas sein Buch noch zu Paulus‘ Lebzeiten abgeschlossen hatte.

Von Tertullian wissen wir aber, dass Paulus in der Christenverfolgung unter Nero in Rom getötet wurde. Weil er römischer Bürger war, durfte man ihn nicht qualvoll töten, wie z. B. Petrus am Kreuz. Die für römische Bürger vorgesehene Todesstrafe war (kurz und relativ schmerzlos) das Enthaupten.

Von Lukas erfahren wir in der Apostelgeschichte nichts darüber, dass Paulus auch Briefe geschrieben hat. Offenbar war das für Lukas und seine Zeit so selbstverständlich, dass man es nicht extra erwähnen musste. Aber natürlich hat Paulus während seiner Reisen als Gesandter von Jesus je nach Bedarf und Anlass seine Briefe geschrieben, zuletzt in Cäsarea die Gefangenschaftsbriefe.

Vater und Mutter hassen

Vater und Mutter hassen, das ist es, was Jesus von denen, die seine Jünger sein wollen, verlangt, zumindest wenn es nach der Lutherübersetzung geht. Lk 14,26: „Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater, Mutter, Frau, Kinder, Brüder, Schwestern und dazu sich selbst, der kann nicht mein Jünger sein.“ Von solchen Konsequenzen der Nachfolge kann man tief beeindruckt sein, aber auch irritiert. Wie kann Jesus, der die Liebe in Person ist, von seinen Nachfolgern Hass verlangen? Müssen wir wirklich „Vater und Mutter hassen“?

Auch hier hilft wieder der Blick ins Wörterbuch. Und dort entdecken wir, dass das griechische „miseín“, das gewöhnlich mit „hassen“ übersetzt wird, eine weit größere Bandbreite an Bedeutungen hat als das deutsche „hassen“. Es kann auch „unwillig sein“ heißen, „vernachlässigen“, „sich nicht um etw. kümmern“, „nicht mögen“, „nicht wollen“.

Und mir fiel die Aussage eines weisen Bruders ein, der einmal sagte: „Das wirkliche Gegenteil der Liebe ist nicht der Hass, sondern die Gleichgültigkeit.“ Es gibt im Griechischen also Bedeutungen, die das Aggressive und Emotionale des deutschen „Hassens“ nicht beinhalten. Und ich habe ein paar Stellen gefunden, wo mir „gleichgültig sein“ als die passende Übersetzung erscheint:

„Kein Diener kann zwei Herren als Sklave dienen. Denn entweder wäre ihm der eine gleichgültig und er liebte den andern, oder er hielte sich an den einen und verachtete den andern. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon!“ (Mt 6,24 / Lk 16,13).

„Wer sein Leben liebt, wird es zugrunde richten. Wem sein Leben in dieser Welt aber gleichgültig ist, der wird es ins ewige Leben hinein bewahren.“ (Joh 12,25).

„Niemandem war doch jemals sein Körper gleichgültig, man gibt ihm vielmehr, was er braucht, und pflegt ihn. Und so (pflegt) auch der Messias die Gemeinde,“ (Eph 5,29).

„Auch wir waren ja einst unverständig, widerstrebend, im Irrtum, dienten verschiedensten Begierden und Lüsten als Sklaven, führten ein Leben mit Charakterlosigkeit und Neid, waren abscheulich und einander gleichgültig.“ (Tit 3,3)

Wenn wir nun nicht „Vater und Mutter hassen“, sollen uns dann Vater, Mutter, Frau, Kinder, Brüder und Schwestern vielleicht „gleichgültig“ sein? Am besten, wir lassen uns von Jesus belehren, der in allen Dingen das Vorbild ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ihm seine Familie gleichgültig war. Eine Parallelstelle hilft uns vielleicht ein bisschen weiter – Mt 10,37: „Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert, wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert.“ Es geht um ein relatives Verhältnis, nämlich Jesus mehr zu lieben als die nächsten Angehörigen.

Schauen wir doch einfach, wie Jesus mit seiner irdischen Familie umging. Als er seinen Dienst antrat, verließ er sie, trennte sich buchstäblich von ihnen. Allein mit seinen Jüngern war er unterwegs. Und als sie ihn zwischendurch einmal holen wollten, weil sie glaubten, er sei jetzt völlig durchgedreht, da ignorierte er sie komplett und sagte, seine Jünger seien seine Familie. Lk 8,21: „Meine Mutter und meine Geschwister sind die, die das Wort Gottes hören und tun.“

Ich kann mir nicht vorstellen, dass er sie „gehasst“ hat oder sie ihm „gleichgültig“ waren. Aber er musste sich von ihnen trennen, um das Werk zu tun, zu dem er von Gott gesandt war. Christen müssen nach ihrer Bekehrung ja nicht gleich von zu Hause ausziehen. Daher finde ich es hilfreich, hier eine Unterscheidung zwischen „innerlicher“ und „äußerlicher“ Trennung zu machen.

Wer das Reich Gottes betreten hat, hat sich innerlich von der Welt und also auch von der weltlichen Familie gelöst. Auch hier gilt, dass niemand zwei Herren dienen kann. Jesus hat immer den Vorrang. Der Nachfolger folgt ihm, wo immer er hinführt. Welche Konsequenzen das im Laufe des Christenlebens haben wird, ist am Anfang in der Regel noch nicht absehbar. Nach der innerlichen Trennung kann je nach den Umständen und der Führung Gottes auch eine äußerliche Trennung erforderlich sein. Die Familie darf der Nachfolge nicht im Wege stehen.

Ich meine also, mit gutem Grund annehmen zu dürfen, dass Jesus mit seiner Aussage genau diese innerliche Trennung als Voraussetzung und Bedingung der Nachfolge gemeint hat. Und ich übersetze die Stelle so: „Wenn jemand zu mir kommt, und er trennt sich nicht innerlich von seinem Vater, der Mutter, der Frau, den Kindern, den Brüdern, den Schwestern und dazu von seinem eigenen Leben, kann er nicht mein Jünger sein.“ (Lk 14,26).

Eine interessante Paralle dazu steht in 5 Mo 33,9+10, im Segen Moses über den Stamm Levi. Aus diesem Stamm kommen ja auch die Priester, und sie sind hier gemeint. „Der (Priester) sagt zu seinem Vater und seiner Mutter ‚Ich sehe sie nicht‘ und zu seinen Brüdern ‚Ich kenne (sie) nicht‘ und zu seinen Kindern ‚Ich erkenne sie nicht an‘. Denn die (Priester) hüten deine Worte und bewahren deine Bestimmung. Sie legen Jakob deine Grundsätze dar und Israel dein Gesetz. Sie bringen Weihrauchopfer dar wegen deines Zorns und Ganzopfer auf deinem Altar.“

Sterben und Neugeburt

Sterben und Neugeburt sind zusammengenommen eine der menschlichen Unmöglichkeiten, die man beim Lesen der Bibel entdeckt. Aber bei Gott sind ja alle Dinge möglich. Ich nenne hier einmal zwei Beispiele für solche „Unmöglichkeiten“. Zuerst das rätselhafte Wort aus Joh 11,26: „Jeder, der lebt und an mich glaubt, wird in Ewigkeit nicht sterben.“ Und ein dazu paralleles Wort mit einem anderen Thema sehe ich in 1 Joh 3,6: „Jeder, der in ihm bleibt, versündigt sich nicht.“ Nach dem üblichen christlich-religiösen Denken geht beides gar nicht – nicht mehr sündigen und nicht mehr sterben. Aber es steht so da im Wort Gottes.

Ich denke, beides hängt zusammen mit Sterben und Neugeburt bzw. dem Geheimnis des neuen Menschen. Paulus schreibt davon – Eph 4,24: „… dass ihr den neuen Menschen anzieht, der nach Gott geschaffen ist mit Gerechtigkeit und wahrer Heiligkeit.“ Der neue nach Gott geschaffene Mensch ist ein Gerechter und Heiliger, der nicht sündigt. Sündigen tut der alte Mensch, weil in ihm die Kräfte der gefallenen menschlichen Natur am Werk sind. Der durch das Blut von Jesus gereinigte und mit Heiligem Geist getaufte/erfüllte/versiegelte neue Mensch sündigt nicht, weil in ihm die Kraft des heiligen Geistes am Werk ist.

Paulus verbindet diese Tatsache auch mit dem Bild des Todes. Röm 6,24-26: „Wir wurden durch die Taufe mit ihm zusammen begraben in den Tod, damit, wie der Messias von den Toten auferweckt wurde durch die Herrlichkeit des Vaters, so auch wir in einer neuen Art des Lebens leben. Wenn wir mit dem Abbild seines Todes vereinigt sind, werden wir es doch vielmehr auch mit dem der Auferstehung sein. Das wissen wir, dass unser alter Mensch mit hingerichtet wurde am Kreuz, damit der Mensch der Sünde abgeschafft wird …“

Bekehrung und neue Geburt bedeuten also Sterben und Neugeburt. Für die alte, sündige menschliche Natur kommt der Tod. Das ist durchaus real gemeint, wie es Paulus auch in Gal 5,24 ausdrückt: „Und die, die dem Messias Jesus gehören, haben die menschliche Natur am Kreuz hingerichtet mit den Leidenschaften und den Trieben.“

Die (gefallene) menschliche Natur ist der alte Mensch, für ihn bleibt nur die Hinrichtung mit Jesus am Kreuz bzw. das Eintauchen in seinen Tod. Für den alten Menschen gibt es keine Rettung, er hat keine Verheißung, er hat den Tod verdient, er muss sterben. Ich bin auch überzeugt, dass manche „seelsorgerlichen“ Probleme sofort hinfällig wären, wäre man bereit, den alten Menschen in den Tod zu geben. Was übrigens sehr befreiend ist …

Wenn man diese Tatsache verstanden hat, findet man sie immer wieder im Neuen Testament, auch schon bei Jesus, z. B. Mt 16,24-25: „Wenn jemand mir nachgehen will, soll er sich selbst verleugnen und seinen Kreuzigungsbalken tragen und mir folgen. Wenn jemand sein Leben retten will, wird er es freilich verlieren. Wenn jemand sein Leben aber verliert wegen mir, wird er es finden.“

Sich selbst verleugnen, sein Leben verlieren, was ist das anderes als Sterben? Die Frage ist also: Bist du schon mit Jesus gestorben? Hast du den Tod schon hinter dir? Wenn du den Tod hinter dir hast, dann bist du im ewigen Leben und stirbst nicht mehr.

Wenn wir die Entrückung erleben werden, dann wird in einem Moment die direkte Verwandlung unseres sterblichen Körpers in den unsterblichen Auferstehungsleib geschehen.

Erleben wir die Entrückung noch nicht, dann kommt das Ende unsres irdischen Lebens. Ich nenne hier die Bezeichnungen aus 2 Kor 5: „Abbrechen der irdischen Zeltwohnung“, „Ablegen des Gewands“, „nicht mehr im Leib daheim sein“. In Phil 2 nennt Paulus es „heimgehen“ und einen „Gewinn“. Das übliche menschliche „Sterben“ ist dagegen etwas ganz anderes.

Ich denke, manche Christen werden solche Gedanken etwas radikal oder extrem finden. Ich bin aber auch überzeugt, dass viele „Christen“ die Radikalität des Christentums nicht verstanden haben. Es geht um Leben und Tod, um nichts weniger …