Entdeckungen eines Bibelübersetzers

Schlagwort: Ältere

Die 24 Ältesten

Die 24 Ältesten sind ein wichtiges Detail im Verständnis der Offenbarung. So heißen traditionell die 24 Gestalten um den Thron Gottes, die Johannes in Offb 4,4 beschreibt: „Rings um den Thron sind vierundzwanzig Throne, und auf den Thronen sitzen vierundzwanzig Ältere, gekleidet in weiß leuchtende Kleider, mit goldenen Kronen auf ihren Köpfen.“

Zunächst einmal: Es sind wie auch sonst im Neuen Testament keine „Ältesten“, sondern „Ältere“, weil das griechische Wort „presbýteroi“ einfach so heißt. Und dann bilden sie die nächste Umgebung um den Thron Gottes. Noch näher dran sind nur die vier Lebenwesen, die in den folgenden Versen beschrieben werden. Diese sind uns auch schon aus anderen Nennungen und Schilderungen in der Bibel bekannt: Es sind die Cherubim, die Thronengel Gottes. Eigentlich sind sie nicht „näher dran“, der Thron Gottes besteht vielmehr aus ihnen.

Die Zahl 24 hat natürlich zu Spekulationen verleitet. Sie erinnert in ihrer Vollkommenheit an 12 + 12, also z. B. an 12 Stämme Israels plus 12 Apostel von Jesus. Und so hat man hier schon je 12 Vertreter des alttestamentlichen und des neutestamentliche Gottesvolkes sitzen sehen wollen. Aber die Sache ist nicht so einfach – oder sogar viel einfacher.

Die Lösung finden wir, wenn wir den Zusammenhang betrachten, in diesem Fall die zusammenhängende Vision von Kap. 4 bis Kap. 8,1. Sie beschreibt ein fortlaufendes Geschehen, das das Auftauchen des Buches mit den sieben Siegeln und deren Öffnung begleitet. Deutlich ist, dass in Kapitel 5 Jesus in Gestalt des Lammes als Überwinder im Himmel auftaucht. Das ist offensichtlich erst nach seiner Hinrichtung am Kreuz und seiner Auferstehung. Kapitel 4 beschriebt demnach den Zustand davor.

Und dann darf man schon fragen, welche Vertreter der neutestamentlichen Gemeinde vor der Himmelfahrt des Herrn schon im Himmel präsent gewesen sein sollen. Auch alttestamentliche Vertreter sind bis auf wenige Ausnahmen erst um die Auferstehung von Jesus auferstanden. Und welche 12 das dann gewesen sein könnten, ist auch nicht klar. Wenn es die 12 Stammväter wären, wo blieben dann Abraham, Isaak, Jakob oder auch Mose? Also, ein netter Gedanke, aber bei genauem Hinsehen schwierig.

Die einfache Lösung ist: Es handelt sich um eine besondere Art von Engeln. Natürlich besonders mächtige Engel, vielleicht so etwas wie der Thronrat Gottes. Dass sich in der Zahl dieser 24 mächtigen Engel die Zahlen des irdischen Gottesvolkes widerspiegeln, ist dann sogar ein durchaus passender Gedanke.

Das Verständnis der 24 Älteren als mächtige Engel wird in Kap. 5,11 bekräftigt: „Und ich sah, und ich hörte die Stimme vieler Engel und der Lebewesen und der Älteren rings um den Thron, ihre Zahl war zehntausend mal zehntausend und tausend mal tausend.“ Im himmlischen Lobpreis Gottes und dann des Lammes vereinigen sich die 4 Cherubim, die 24 Älteren und die 100 Millionen anderen Engel zu einem gemeinsamen Engelchor.

Nun haben wir die 24 Älteren um den Thron als mächtige Engel identifiziert. Und dann dürfen wir getrost noch warten, bis auch die menschliche Gemeinde Gottes noch in der Geschichte auftaucht. Ich sage hier schon mal: In Kapitel 7.

Bischof

Bischof ist ein Lehnwort aus dem Griechischen, es ist von dem Wort „epískopos“ abgeleitet. Dieses bezeichnet im Neuen Testament viermal Verantwortliche in den Gemeinden und in 1 Pe 2,25 einmal Jesus selbst. Die deutschen Übersetzungen des Wortes sind vielfältig.

Die Stellen Apg 20,28 und Tit 1,7 zeigen in ihrem Zusammenhang, dass es eine alternative Bezeichnung für „presbýteroi / Ältere“ ist und dass es – dazu passend – mehrere in einer Gemeinde sind. Wie die Evangelien zeigen, ist ‚presbýteroi‘ der Begriff aus der jüdischen Tradition. „Epískopoi“ ist dann der entsprechende Begriff aus dem griechischen Kulturkreis.

Das Wort ist zusammengesetzt aus der Vorsilbe „epí – auf/über“ und „skópos – Sehender / Beobachter“. Es könnte also autoritär übersetzt werden als „Aufseher“ oder aber funktional als „jemand, der die Übersicht hat“.

In der nach-neutestamentlichen Zeit hat sich leider das autoritäre Verständnis durchgesetzt. Es entstand das Amt mit dem Titel „Bischof“, der als besonders geweihter Übergeordneter zunächst der unumschränkte Herr einer Ortsgemeinde war. Später weitete sich das aus, und der Bischof regierte dann einen Sprengel oder eine Diözese. Die Theologen bzw. Historiker nennen das „monarchischer Episkopat“. Von der gemeinschaftlichen Struktur der neutestamentlichen Gemeinde her ist das eine gravierende Fehlentwicklung, die alles verfälscht und letztendlich die Gemeinde als solche zerstört hat.

Im neutestamentlichen Sinne sind die „epískopoi“ in der Gemeinde solche, die „die Übersicht haben“. Da es dafür im Deutschen leider nicht das passende Substantiv gibt, benutze ich als allgemeinste Übersetzung dafür den Begriff „Verantwortlicher“. Aber wohlgemerkt, das ist nicht der eine Verantwortliche in der Gemeinde – das ist Jesus selbst -, sondern einer der Verantwortlichen bzw. Älteren.

Kriterien zur Zulassung bzw. Einsetzung von Verantwortlichen in den Gemeinden hat Paulus in 1 Tim 3 und Tit 1 beschrieben:

„Wenn sich jemand nach Verantwortung ausstreckt, ist er auf eine gute Sache aus. Dem Verantwortlichen darf nichts vorzuwerfen sein: Er muss Mann einer Frau sein, mit klarem Kopf, klar denkend, ordentlich, gastfrei, lehrfähig, nicht vom Wein abhängig, nicht aggressiv, sondern entgegenkommend, friedliebend, nicht geldgierig. Um die, die zu seinem Haus gehören, muss er sich gut kümmern. Wenn er Kinder hat, dann in Unterordnung, mit aller Ernsthaftigkeit. Wenn jemand sich nicht um die zu kümmern weiß, die zu seinem Haus gehören, wie soll er dann für eine Gemeinde Gottes Sorge tragen? Er darf kein Neuling sein, damit er sich nichts einbildet und einer Bestrafung durch den Teufel verfällt. Er muss auch von denen draußen ein gutes Zeugnis haben, damit er unter keinen Vorwurf fällt, eine Falle des Teufels.“

„Deswegen habe ich dich in Kreta gelassen, damit du noch in Ordnung bringst, was fehlt, und in jeder Stadt Ältere einsetzt, wie ich (es) dir angeordnet habe: wenn es an einem nichts auszusetzen gibt, er Mann einer Frau ist und zuverlässige Kinder hat, die nicht der Zügellosigkeit beschuldigt werden oder respektlos sind. An einem (solchen) Verantwortlichen als einem Verwalter Gottes darf es nichts auszusetzen geben: Er darf nicht selbstgefällig sein, nicht jähzornig, nicht vom Wein abhängig, nicht aggressiv, nicht gewinnsüchtig, sondern muss gastfrei sein, das Gute lieben, klar denken, gerecht, heilig und zum Verzicht bereit (sein) und sich an das der Lehre entsprechende zuverlässige Wort halten, damit er fähig ist, mit der heilsamen Lehre zu helfen und die, die widersprechen, zu widerlegen.“

Bei diesen Kriterien handelt es sich auffallenderweise um Eigenschaften, die man im Grunde von jedem Christen erwarten würde. Diese Tatsache bestätigt auch die sonstige Sichtweise im Neuen Testament. Es geht nicht um die Suche nach Führungspersönlichkeiten, Leitern oder gar einem „Bischof“, sondern um gereifte, zuverlässige und vorbildliche Christen. Sie können Verantwortung für den geistlichen Zustand der Gemeinde übernehmen, und alle, die noch nicht so weit sind, können sich an ihnen orientieren.

Wenn Paulus also schreibt: „Wenn sich jemand nach Verantwortung ausstreckt, ist er auf eine gute Sache aus“, dann meint er damit nicht das Streben nach einem verantwortungsvollen Posten oder einer gemeindlichen Führungsposition. Er meint vielmehr das Streben nach erwachsener Mündigkeit, nach echter geistlicher Verantwortlichkeit, die in der Gemeinschaft der Geschwister fruchtbar wird.

Älteste oder Ältere

Älteste oder Ältere – das ist eine wichtige Frage in der Übersetzung. Denn genau genommen gibt es gar keine Ältesten im Neuen Testament. Die korrekte Übersetzung für diesen traditionell verwendeten Begriff ist nämlich „Ältere“. Im Griechischen haben wir es mit dem Wort „presbýteros“ zu tun. Eingedeutscht taucht es in den Lehnwörtern „Presbyter“ und „Priester“ auf. „Presbýteros“ ist grammatikalisch tatsächlich nicht der Superlativ von ‚presbýs‘ (alt), was „ältester“ hieße, sondern der Komparativ. Und der ist korrekt mit „älter“ oder „Älterer“ zu übersetzen. Das Wort „Ältester“ wäre die Übersetzung des griechischen „presbýtatos“. „Presbýteros“ mit „Ältester“ zu übersetzen ist ganz einfach falsch.

Zur Zeit von Jesus galten bei den Juden zum einen theologische Autoritäten von früher als die „Älteren“. Und nach deren „Tradition der Älteren“ sollte man sein Leben ausrichten. Auch hier hatte sich um die heiligen Schriften herum eine maßgebliche theologische Tradition etabliert, was Jesus heftig kritisierte.

Zum anderen war „Ältere“ in Israel eine Bezeichnung für die Vertreter der weltlichen Führungsschicht des Volkes. Neben Priestern und Theologen waren sie die dritte Kraft, die im Obersten Rat vertreten und auch beim Prozess gegen Jesus maßgeblich beteiligt war. Diese drei Gruppen werden in den Evangelien zusammengefasst auch die „Oberen“ genannt.

In der christlichen Gemeinde gibt es keine „Ältesten“, weder vom Sinne
des Wortes noch von der Lehre her. Älteste, die einen absoluten Status im
Sinne eines leitenden Amtes innehaben, sind in der neutestamentlichen Gemeindestruktur unbekannt. „Älteste oder Ältere“ ist daher eine entscheidende Frage. Es gibt im Sinne des Wortes nur „Ältere“, die im geistlichen Wachstums- und Reifeprozess relativ weiter vorangekommen sind als die anderen. In diesem Sinne werden sie dann als „Ältere“ anerkannt und haben die Aufgabe, die ganze Gemeinde in einer gesunden Entwicklung zu unterstützen, wie es vielleicht ältere Geschwister gegenüber jüngeren in einer Familie tun können.

Über die Aufgabe der Älteren hat Petrus geschrieben – 1 Pe 5,1-3: „Die Älteren unter euch fordere ich nun auf als Mit-Älterer, Zeuge der Leiden des Messias und Teilhaber der Herrlichkeit, die enthüllt werden wird: Hütet die Herde Gottes bei euch und achtet auf sie, nicht mit Druck, sondern Gott entsprechend in Freiwilligkeit, nicht gewinnsüchtig, sondern bereitwillig, nicht als Beherrscher der Teile, sondern indem ihr Vorbilder der Herde seid!“

(Wenn sich die christliche Gemeinde in einer Stadt in mehrere oder viele Hausgemeinden gruppiert, dann sind wohl auch die Älteren diesen „Teilen“ der Stadtgemeinde zugeordnet, aber, wie Petrus sagt, nicht als Beherrscher, sondern als Vorbilder.)

Die 24 „Älteren“ in der Offenbarung auf den Thronen rings um den Thron Gottes sind oberste Engel. Man sollte sich von der Zahl 24 nicht verleiten lassen, sie auf das irdische Gottesvolk mit den 12 Stammvätern und den 12 „Aposteln“ zu deuten. Denn in der Offenbarung sind sie schon im Himmel, bevor Jesus als Lamm dort ankommt. Und dann natürlich auch lange vor der Entrückung der Gemeinde.