Entdeckungen eines Bibelübersetzers

Schlagwort: Früchte

Speisen

(Das Kapitel „Speisen“ aus dem Buch „Kennst du das Land?“ von Ludwig Schneller. Es beschreibt die Zeit zwischen 1884 und 89.)

Im Essen und Trinken ist das Landvolk in Palästina ungemein einfach. Ein Stück Brot und ein Trunk frischen Wassers ist im allgemeinen für jeden genug. Kann der Landmann sein Brot noch in etwas Öl eintauchen, so gilt dies schon als ein besonders guter Bissen. Auf großen Wüstenreisen nehmen die Beduinen gewöhnlich weiter nichts mit sich, als das nötige Brot und einen Schlauch Wasser. Doch schließt dies natürlich nicht aus, dass man in den Städten und bei besonderen Gelegenheiten einen größerer Luxus an Speisen entfaltet. Für uns kommen hier aber nur diejenigen Speisen in Betracht, welche uns an die Heilige Schrift und ihre Geschichte erinnern.

Die Früchte, die wir in der Bibel kennen lernen, bilden natürlich auch heute noch einen Teil der Speisen des Volkes. Das sind Linsen, Bohnen, Erbsen, Gurken, Melonen, Orangen, Datteln, Oliven und hauptsächlich Trauben. Die Trauebn kann man vom Juli bis zum November im ganzen Land essen. In einem Land, in welchem die einzige Nahrung oft nur aus Brot besteht, ist natürlich der Weizen die wichtigste Frucht. In der Erntezeit dient derselbe auch ungemahlen zur Speise. Die vollen Ähren werden auf einem Kohlenfeuer gebraten, dann ausgerieben, die Körner, während man sie von einer Hand in die andere gleiten lässt, durch Blasen von der Spreu gereinigt und dann gegessen. …

Wie damals, so backt man auch heute noch in jeder ländlichen Haushaltung täglich nicht nur frisches Brot, sondern mahlt auch frisches Mehl. Dazu benutzt man immer noch die Handmühle, von welcher in der Bibel oft die Rede ist. Mit dem ersten Hahnenschrei, noch lange ehe der Morgen graut, muss die Frau aufstehen, um das nötige Mehl zu mahlen. Darum rühmen die Sprüche Salomos von der tugendsamen Hausfrau: „Gar früh steht sie auf, dass sie ihrem Haus Speise austeile; sie lässt ihr Licht die ganze Nacht nicht auslöschen.“ (Spr 31,15.18).

Freilich ist es eine ermüdende und und gar langweilige Arbeit. Darum mussten meist die Geringsten sie tun, bei den Armen die Frau selbst, deren Los überhaupt gewöhnlich ein Sklavenlos ist, bei Wohlhabenden die Magd oder das Kebsweib. Schon in Ägypten zu Moses Zeiten muss es so gewesen sein, denn er sagt: „Alle Erstgeburt in Ägyptenland soll sterben von dem ersten Sohn Pharaos bis zum ersten Sohn der Magd, die hinter der Mühle sitzt.“ (2 Mo 11,5). Es gehörte auch zu der Rache der Philister, dass sie Simson dazu verurteilten, in seinem Kerker die Handmühle zu drehen. Man versteht, welche Qual das dem kühnen Krieger gewesen sein muss, wenn man sich diese Heldengestalt denkt, im dunklen Gefängnis an zwei Ketten gefesselt und in trostloser Monotonie die Handmühle drehend.

Dass auch zu Christi Zeiten die Handmühlen im Gebrauch waren, geht aus seinen Worten Mt 24,41 hervor. „Zwei werden mahlen auf einer Mühle: eine wird angenommen, die andere wird verlassen werden.“

Diese Handmühle besteht aus zwei übereinander gelegten runden Mahlsteinen. Der obere dreht sich um die eigene Achse, welche in dem unteren befestigt ist. Durch die Öffnung, in welcher diese Achse steht, wird auch das Korn eingeschüttet und unten auf einem Tuch als Mehl aufgefangen. An dem Pflock, der im oberen Stein befestigt ist, wird dieser gedreht, sei es von einer oder zwei Personen, welche einander auf zwei Seiten dieser kunstlosen Mühle gegenübersitzen.

Übernachtet ein Reisender einmal in einem Dorf, so wird ihm sein süßer Schlaf meist in sehr unliebsamer Weise gestört oder geraubt. Denn schon von zwei Uhr früh an reibt’s im ganzen Dorf auf hundert Mühlen. Dafür ist aber auch sein Brot, das er am anderen Morgen bekommt, ganz frisch. Denn da er sich zur Ruhe legte, ist’s noch Weizen gewesen. Die Eingeborenen gewöhnen sich von Jugend auf an diesen Lärm, wie der deutsche Müller an das Klappern seiner Räder.

Eine andere der Speisen, von welchen in der Bibel die Rede ist, dürfte dem freundlichen Leser wohl auch interessant sein. Der Evangelist erzählt uns, dass Johannes der Täufer von Heuschrecken und wildem Honig gelebt habe. (Mt 3,4). Heuschrecken – hu! Wer diese langbeinigen Gesellen schon einmal beobachtet hat, wie sie in Wald und Wiese so unverschämt herumhüpfen können, den wird’s nicht sonderlich danach gelüsten, sie zu verspeisen. Und er wird ebensowenig begreifen, wie andere Leute so einen Heuschreckenbraten mit gutem Appetit verzehren können. Dennoch isst man sie auch heute noch im heiligen Land.

Der Verfasser hat das bei Gelegenheit von Heuschreckenstürmen, die übers Land kamen, selbst gesehen. Man konnte damals an Johannes den Täufer erinnert werden, welcher sich von Heuschrecken und wildem Honig nährte. Denn die Leute griffen die gefräßigen Gesellen und vertrieben ihnen alle Fresslust, indem sie dieselben selbst aßen. Nicht etwa nur, um sich an diesen zu rächen, sondern weil ihnen das Heusschreckenfleisch vorzüglich mundete.

Drüben jenseits des Jordans werden sie in große Säcke eingefüllt, Füße und Flügel werden ihnen heruntergerissen, die Eingeweide herausgenommen. Dann werden sie auf dem Dach gedörrt und eingesalzen und endlich gemahlen und zu Brot gebacken. Ob nun der Täufer in der Jordanau auch solches Heuschreckenbrot gegessen hat, kann der Verfasser natürlich nicht bestimmt sagen. Wahrscheinlich ist es aber. Denn wir können uns nicht vorstellen, dass derTäufer bei seinem gewaltigen Amt Zeit gefunden hat, jeden Tag auf die Heuschreckenjagd zu gehen. Auch wäre es sonst kaum möglich gewesen, dass er das ganze Jahr hindurch von dieser Speise lebte, was doch aus den Worten hervorzugehen scheint.

Bei uns in Jerusalem verzehrte man aber das Fleisch. Namentlich die Heuschreckenschenkel wurden als ein ganz besonderes saftiger Braten gepriesen. Es mag ja auch ein sehr zartes Fleisch sein, das sich in einem so feinen Organismus bildet. Auch hat der Verfasser einmal den Braten probiert und ein halbes Dutzend Heuschreckenschenkel verzehrt. Er muss aber aufrichtig gestehen, dass er in diesem Punkt sehr schlecht zu Johannes dem Täufer gepasst hätte …

Der Feigenbaum

(Der Feigenbaum – ein Abschnitt aus dem Kapitel „Land und Feld“ des Buches „Kennst du das Land?“ von Ludwig Schneider.)

Der Feigenbaum ist ja in mancher Beziehung ein merkwürdiger Baum. Und für einen Bibelleser ist es immerhin anziehend, sich mit seiner Natur bekannt zu machen. Unter den edelsten Früchten des gelobten Landes wird derselbe in der Schrift stets genannt. Stolz auf seine Süßigkeit (Ri 9,11), steht er freundnachbarlich neben dem Weinstock. Neben und mit ihm, wenn auch in ganz anderer Form, fördert er die süßen Säfte des Erdbodens ans Tageslicht. Und eingehüllt in edel geformte, große Blätter, bietet er seine Früchte dem Menschen von seinen Zweigen herab an.

Der Feigenbaum hat nichts Knorriges, fast Steinhartes, wie der ernste Olivenbaum. Er gleicht vielmehr mit seinem weichen und geschmeidigen Stamm jenen sanften Naturen, welche niemals hart und eigensinnig Widerstand leisten, und doch alles durchsetzen, was sie wollen. Denn, was sonst der Mensch nur mit Sprengpulver und schweren, eisernen Brechstangen zu tun vermag, das bringt der sanfte, biegsame Feigenbaum in aller Stille, ohne Kraftanstrengung und Rumor zustande. Seine feinsten, zarten Wurzeln senkt er leise hinab in den harten Felsen. Und dieser, so spröde er auch sein mag, kann den kleinen, weichen Händchen des Feigenbaums auf Dauer nicht widerstehen. Er öffnet ihnen seine Poren, die Wurzeln wachsen und wachsen, sprengen das Gestein und dringen in die Tiefe, wohin sie stärkere Feuchtigkeit lockt.

Im November und Dezember verliert der Feigenbaum seine Blätter und streckt seine fetten, weißen Äste nackt und traurig von sich. Aber wie er der letzte Baum ist, der seine Blätter abgibt, so ist er auch wieder der erste, der den Schmuck grüner Blätter anlegt. Schon im Dezember und Januar, wenn kaum das alte Laub abgefallen, treiben die neuen Augen schon wieder, als ob es den Säften drin keine Ruhe ließe. Diese Augen bleiben aber längere Zeit ungeöffnet. Wer sich nun während der kühlen Winterwinde nach dem Sommer sehnt, sieht immer wieder nach den Augen des Feigenbaums. Und er wird allmählich ungeduldig, bis sie endlich anfangs März hellgrün aufbrechen und mit den Knotenansätzen der Frühfeigen rasch wachsen. Dann heißt es im ganzen Land: „Jetzt hat der Feigenbaum ausgeschlagen, jetzt wird’s Sommer!“ …

Es war Anfangs April, als der Herr mit seinen Jüngern auf der Höhe von Betfage stand. Rings grünten schon alle Bäume: die Mandel-, Granaten-, Johannisbrot-, Maulbeer- und Palmbäume (Joh 12,13). Aber grün vor allen waren wie immer, und zumal in jener berühmen Felsengegend, die Feigenbäume. Da wies der Herr auf die Bäume, welche rings mit Frühlingsgewalt ihre Blätter hervortrieben. Und er sprach: „Seht an den Feigenbaum und alle Bäume (Lk 21,29): Wenn sein Zweig saftig („weich“) wird und Blätter gewinnt, so wisst ihr, dass der Sommer nahe ist.“ (Mt 24,32.) So gibt es auch in der Entwicklung der Weltgeschichte und des Reiches Gottes gewisse Zeichen, welche jedem verständigen und mit Gottes Wort vertrauten Beobachter zweifellos sagen, wie viel Uhr es geschlagen habe.

Wenn die Blätter des Feigenbaums sich einmal aus ihrer Hülle herauswickeln, wachsen sie mit einer ganz erstaunlichen Schnelligkeit. Ihre Fortschritte sind von Tag zu Tag leicht zu bemerken. In kurzer Zeit ist der ganze Baum von einer Fülle schöner, breiter Blätter bedeckt, deren Grün die Landschaft belebt. Tief hängen die Zweige herab, so dass man oft nur gebückt unter den Schatten des Baums treten kann. Und dann ist man unter dem undurchsichtigen, gemütlichen Blätterdach vor jedem unberufenen Auge bestens geschützt. Daher sitzen die Araber im Sommer so gerne unter dem Feigenbaum. Und daher heißt es in der Schrift so oft, ein jeder werde sitzen unter seinem Weinstock und Feigenbaum, und nicht etwa Olivenbaum. Daher hatte sich Natanael in jener Stunde, als ihn der Herr im Geist wohl beten sah, gerade einen Feigenbaum erwählt. Und daher war er auch nachher so verwundert, dass ihn dort jemand gesehen haben sollte. (Joh 1,43ff.)

Die Fruchtbarkeit dieses Baums ist groß. Selbst kleine Bäumchen, welche kaum kniehoch gewachsen sind, tragen nicht nur gewöhnliche Sommerfeigen. Sie stehen schon im März sogar mit Frühfeigen da, deren Zahl uns im Verhältnis zu der geringen Größe des Bäumchens oft in Erstaunen versetzt.